Verfahrensgang
Saarländisches OLG (Urteil vom 13.10.1966) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 13. Oktober 1966 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war Geschäftsführer der beklagten Genossenschaft. Diese hat den Dienstvertrag Ende 1957 fristlos gekündigt. Nach einem Vorprozeß steht jedoch zwischen den Parteien rechtskräftig fest, daß das Dienstverhältnis hierdurch (im Wege der ordentlichen Kündigung) erst zum 31. Dezember 1962 beendet werden konnte.
Nunmehr verlangt der Kläger mit der Behauptung, seit 1. Mai 1962 dauernd arbeitsunfähig zu sein, Ruhegehalt. Er beruft sich dazu auf § 5 des Dienstvertrages. Dort heißt es:
„Bei Erreichung des 65. Lebensjahres oder Eintritt der Invalidität hat Herr B. (Kläger) Anspruch auf eine Pension in Höhe von 80 % (achtzig) seines letzten Gehaltes, jedoch niemals weniger als 80 % vom Höchstgehalt der jeweiligen Geschäftsführer der Genossenschaft und im Falle der Liquidation oder sonstigen Schrumpfung der Genossenschaft 80 % des jeweiligem Höchstgehalts eines Geschäftsführers einer Konsumgenossenschaft mit dem Umsatz der Konsumgenossenschaft A. N.-H. e.G.m.b.H. im Geschäftsjahr 1954. …
Auf die vereinbarte Pension sind die von den öffentlichen Kassen vergüteten Alters-, Invaliden- und Witwenrenten anzurechnen.”
Die Beklagte hat dem Kläger bis zum 31. Dezember 1962 Gehalt gezahlt. Sie hält sieh jedoch aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht für verpflichtet, ihn Pension zu gewähren.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger 6.452 DM nebst Zinsen für die Zeit vom 1. Mai 1962 bis zum 31. Dezember 1963 zu zahlen und ihm (wegen etwaiger weitergehender Ansprüche) Auskunft über das in dieser Zeit ihren Geschäftsführern gezahlte Höchstgehalt zu erteilen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurück gewiesen und auch der im Wege der Anschlußberufung erweiterten Klage auf Zahlung von 28.543,80 DM nebst Zinsen für die Zeit vom 1. Januar 1964 bis 30. September 1966 stattgegeben. Mit der Revision, die der Kläger zurückzuweisen beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Zum Anspruch auf Ruhegehalt:
1. Bei der Erörterung der Zahlungsklage ist das Berufungsgericht zunächst nach eingehender Würdigung des von ihm veranlaßten Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. Ra. zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger könne zumindest seit dem 1. Mai 1962 wegen seines schlechten Gesundheitszustands den Beruf eines Geschäftsführers nicht mehr ausüben. Diese tatrichterliche Feststellung hält den Verfahrensrügen der Revision stand.
Diese beanstandet zu Unrecht, daß das Berufungsgericht keinen zusätzlichen Beweis zu der Behauptung erhoben hat, die Berufsunfähigkeit des Klägers habe ohne dessen vorherige stationäre Behandlung nicht abschließend beantwortet werden können. Soweit sie meint, das Berufungsgericht hätte gemäß §§ 402, 397 ZPO auf den Antrag der Beklagten Dr. med. habil. We. hierzu vernehmen müssen, verkennt sie, daß diese Vorschriften nur für die persönliche Anhörung des vom Prozeßgericht zugezogenen Sachverständigen gelten, dessen Gutachten die Urteilsgrundlage bilden soll. Das war Dr. We. nicht. Er war Gutachter im Rentenverfahren der Bundesversicherungsanstalt. Das Berufungsgericht hat diese Verfahrensakten zwar herangezogen, seine Entscheidung aber nicht auf das dort erstattete Gutachten gestützt, sondern es lediglich im Rahmen der Würdigung des Gutachtens von Dr. Ra. erwähnt und ausgeführt, dieses stimme mit der Diagnose Dr. We. in den wesentlichen Punkten überein. Die §§ 402, 397 ZPO sind daher keine Rechtsgrundlage, aus der die Revision einen Verfahrensverstoß des Berufungsgerichts herleiten kann.
Bei dem Ersuchen, Dr. We. zu vernehmen, handelt es sich vielmehr um einen Antrag auf (teilweise) Neubegutachtung einer Beweisfrage durch einen anderen Sachverständigen, zu der bereits ein Gutachten eingeholt worden war. Über einen solchen Antrag zu entscheiden, steht nach § 412 ZPO im Ermessen des Gerichts. Infolgedessen ist es nur unter besonderen Voraussetzungen ein mit der Revision angreifbarer Verfahrensverstoß, wenn dieses die beantragte weitere Begutachtung nicht anordnet (BGH MDR 1953, 605). Solche Voraussetzungen hat die Revision nicht dargetan. Sie ergeben sich nicht schon daraus, daß der Beweisantrag der Beklagten ersichtlich an die gutachtlichen Äußerungen Dr. We. im Rentenverfahren vom 3. April und 10. Mai 1963 anknüpft, wo dieser den Kläger zwar als arbeitsunfähig erkrankt bezeichnet, sich aber auf den Standpunkt gestellt hatte, die Berufs- und Erwerbsunfähigkeit könne erst sicher bejaht werden, wenn durch eine Krankenhausbehandlung geklärt sei, das Leiden des Klägers werde nicht behoben oder gebessert werden können. Diese Ausführungen hatten inzwischen an Bedeutung verloren. Der Kläger hatte sich vom 20. Juli bis 10. August 1963 einer stationären Behandlung im Hü.krankenhaus in N. unterzogen. Dr. Ra. hat die Krankenblätter dieser Behandlung eingesehen und in seinem Gutachten berücksichtigt. Die früheren Äußerungen Dr. We. waren deshalb kein Grund, der dem Berufungsgericht die Annahme hätte aufdrängen müssen, das Gutachten Dr. Ra. beruhe möglicherweise auf einem schwerwiegenden Mangel in der Beurteilungsgrundlage. Es handelte vielmehr im Rahmen seines vom Revisionsgericht nicht nachprüfbaren Ermessens, soweit es auf Grund seiner Würdigung des Gutachtens und der sonstigen Unterlagen zu der Auffassung gelangt ist, es bedürfe der beantragten Stellungnahme Dr. We. nicht mehr, die Frage des Gesundheitszustands des Klägers sei vielmehr überzeugend geklärt.
2. Aus der Feststellung, der Beklagte könne seit dem 1. Mai 1962 aus gesundheitlichen Gründen den Beruf des Geschäftsführers nicht mehr ausüben, hat das Berufungsgericht den rechtlichen Schluß gezogen, er sei seither „invalide” im Sinne des § 5 des Dienstvertrages. Diese Vertragsauslegung liegt nahe, ist jedenfalls möglich und deshalb für das Revisionsgericht bindend. Die Revision nimmt sie auch hin. Sie wendet sich aber gegen die weitere Folgerung des Berufungsgerichts, damit stehe dem Kläger nach jener Vertragsbestimmung das mit der Klage verlangte Ruhegehalt zu. Insoweit meint sie, für die Zeit nach dem 31. Dezember 1962 müsse jeder weitere Anspruch des Klägers entfallen, weil an diesem Tage das Dienstverhältnis infolge der Kündigung erloschen sei.
Dem kann nicht zugestimmt werden. Das Berufungsgericht hat die Pensionsklausel des § 5 des Dienstvertrages rechtlich einwandfrei dahin ausgelegt, die Beklagte habe dem Kläger einen vollgültigen Pensionsanspruch aufschiebend bedingt für den Fall eingeräumt, daß er während des Bestands des Dienstverhältnisses invalide werde. Diese Bedingung ist, da die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen war, am 1. Mai 1962 eingetreten. Damit ist der Kläger zu diesem Zeitpunkt, ohne daß es dazu im vorliegenden Fall noch besonderer Erklärungen bedurft hätte, aus dem aktiven Dienstverhältnis ausgeschieden und in ein Ruhestandsverhältnis zur Beklagten getreten (vgl. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl. I. S. 487; Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl. I. S. 480). Das rechtswirksam entstandene Ruhestandsverhältnis konnte die Beklagte nicht einseitig beenden. Selbst wenn man annähme, ihre Kündigungserklärung habe sich sinngemäß auch darauf erstrecken sollen, so wäre diese insoweit unwirksam gewesen. Ein Ruhestandsverhältnis ist, wenn der Vertrag nichts anderes ergibt, nach Sinn und Zweck für die Lebensdauer des Berechtigten bestimmt. Infolgedessen kann es der Dienstherr, wie in Rechtsprechung und Literatur allgemein angenommen wird, im Wege der ordentlichen Kündigung nicht vorzeitig auflösen (RAG ARS 22, 5, 13; 37, 137, 141 u. 343; 45, 5, 9; Hueck/Nipperdey a.a.O. S. 490; Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 186 m.w.N.).
3. Schließlich meint die Revision, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend geklärt, ob der Kläger seine Ansprüche „verwirkt” habe. Hierzu hatte die Beklagte zwar behauptet, der Kläger habe im Jahre 1963 nicht das Erforderliche getan, um seine Gesundheit wiederherzustellen, und durch Vernehmung von Dr. We. unter Beweis gestellt, damals sei eine Heilbehandlung noch aussichtsreich gewesen. Das Berufungsgericht hat aber diesen Einwand als widerlegt angesehen, weil sich der Kläger im Sommer 1963 einer stationären Behandlung unterzogen habe. Dagegen laßt sich nichts einwenden, weil hierdurch zumindest der Vorwurf ausgeräumt ist, der Kläger habe pflichtwidrig etwas versäumt. Der Beweisantrag, der nur die Ansicht eines Sachverständigen über die objektiven Heilungsaussichten in der damaligen Zeit zum Gegenstand hatte, war daher unschlüssig. Infolgedessen war es kein Verfahrensfehler, daß das Berufungsgericht Dr. We. auch zu diesem Punkte nicht gehört hat.
4. Der Höhe nach sind die mit der Klage jetzt noch geltend gemachten Pensionsansprüche außer Streit. Gegen das angefochtene Urteil läßt sich nach alledem rechtlich nichts einwenden, soweit die Beklagte zu den Pensionszahlungen verurteilt worden ist.
II. Zum Auskunftsanspruch:
Den Anspruch des Klägers auf Auskunft über die Geschäftsführergehälter der Beklagten hat das Berufungsgericht für begründet gehalten, weil sich die Höhe seiner Pensionsansprüche nach § 5 des Dienstvertrages unter bestimmten Voraussetzungen nach der jeweiligen Höhe dieser Gehälter berechne und der Kläger ohne deren Kenntnis nicht geltend machen könne, was ihm zustehe. Gegen diesen zutreffenden Ausgangspunkt hat die Revision nichts einzuwenden. Sie meint aber, das Berufungsgericht habe die unter Beweis gestellte Behauptung der Beklagten, sie hafte inzwischen ihre Organisation umgestaltet, die Anzahl der Geschäftsführer verringert und deren Aufgabenkreis verdoppelt, in ihrer rechtlichen Bedeutung nicht ausreichend gewürdigt. Es habe verkannt, daß man infolge dieser Veränderungen die frühere Tätigkeit des Klägers mit derjenigen der jetzigen Geschäftsführer nicht vergleichen und infolgedessen auch die Ruhegehaltsansprüche zu den derzeitigen Geschäftsführergehältern nicht in Beziehung setzen könne; insoweit sei die Geschäftsgrundlage weggefallen, der Auskunftsanspruch daher unbegründet.
Auch in diesem Punkte kann der Revision nicht gefolgt werden. Treffen die von ihr wiedergegebenen Behauptungen der Beklagten zu, dann mag es zwar zweifelhaft sein, ob das jeweilige Gehalt der aktiven Geschäftsführer die vertraglich vorausgesetzte Bemessungsgrundlage für die Pensionsansprüche noch in dem Sinne sein kann, daß dem Kläger in jedem Falle mindestens 80 % hiervon als Pension zusteht, oder ob dieser nicht verlangen kann, an Gehaltssteigerungen teilzunehmen, mit denen die Beklagte lediglich den erweiterten Aufgaben- und Verantwortungsbereich ihrer Geschäftsführer honoriert. Das braucht aber in diesem Zusammenhang nicht entschieden zu werden. Auch im letztgenannten Falle würden die Gehälter, über die der Kläger Auskunft haben möchte, nicht schlechthin als Bemessungsgrundlage ausscheiden. Vielmehr wäre die 80 % – Klausel der neuen Sachlage anzupassen und mit der Festsetzung eines anderen Prozentsatzes einerseits den organisatorischen Veränderungen Rechnung zu tragen, die dem Kläger nicht zugutekommen, andererseits aber dessen vertragliche vorgesehene Beteiligung an Gehaltssteigerungen anderer Art zu berücksichtigen. In dem einen wie dem anderen Fall muß der Kläger wissen, welche Geschäftsführergehälter die Beklagte tatsächlich zahlt. Das Berufungsgericht hat sie daher zutreffend dazu verurteilt, die verlangte Auskunft zu geben.
III. Es muß nach alledem bei dem angefochtenen Urteil bleiben. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
Unterschriften
Dr. Fischer, Dr. Kuhn, Liesecke, Dr. Bukow, Stimpel
Fundstellen