Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 18.02.2004) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 18. Februar 2004 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 42 Fällen sowie wegen unerlaubten „gewerbsmäßigen” Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 54 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zur Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 55 EUR verurteilt. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt; für die Bezahlung der Gesamtgeldstrafe hat es Ratenzahlung bewilligt.
Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs.
1. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft – wie sich aus der Revisionsbegründung ergibt – lediglich die Verfallsentscheidung anfechten wollen. Diese Rechtsmittelbeschränkung ist hier indes nicht wirksam. Zwar ist eine Beschränkung der Revision auf die Anordnung des Verfalls, deren Aufhebung den Strafausspruch in der Regel nicht berührt (vgl. BGH NStZ 2000, 137; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 38 = NStZ 2001, 312; Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 7 und 11 f.), grundsätzlich möglich (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 12 m. w. N.). Sie ist aber nach den allgemeinen Grundsätzen, die für die Beschränkung von Rechtsmitteln gelten, nur dann wirksam, wenn dieser Teil der Entscheidung losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbständig geprüft und beurteilt werden kann und die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (st. Rspr.; vgl. BGHSt 29, 359, 364; 47, 32, 35). Diese Voraussetzungen liegen im gegebenen Fall nicht vor; denn nach den Gründen des angefochtenen Urteils hat das Landgericht ersichtlich den gesamten Rechtsfolgenausspruch einschließlich des Absehens von einer Verfallsanordnung als einheitliche Sanktionsentscheidung angesehen, deren innerer Zusammenhang die Ausklammerung eines Teilbereiches nicht verträgt. Demgemäß gilt der gesamte Rechtsfolgenausspruch als angefochten (vgl. Kuckein aaO § 344 Rdn. 16).
2. Die Entscheidung des Landgerichts, von einer Verfallsanordnung abzusehen, kann nicht bestehen bleiben, weil ihre Grundlagen nicht hinreichend dargetan sind und deshalb dem Revisionsgericht die Überprüfung verwehrt ist.
Das Landgericht hat – nachdem der Angeklagte auf die Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände, die in den Urteilsgründen nicht näher bezeichnet wurden, verzichtet hat – von einer „darüber hinausgehenden Verfallsanordnung” abgesehen, da der Wert des aus der Straftat Erlangten in seinem Vermögen nicht mehr vorhanden sei. Der Angeklagte habe den Profit aus dem Betäubungsmittelhandel für die Bestreitung seines Lebensunterhaltes verwendet, „darüber hinaus” keine Vermögenswerte angesammelt.
a) Mit diesen Erwägungen hat das Landgericht die Nichtanordnung des Verfalls ersichtlich auf § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB gestützt. Danach kann die Anordnung nur unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist. Das Landgericht hätte daher zunächst feststellen müssen, was der Angeklagte aus seinen Straftaten erlangt hat und ob er entreichert oder das Erlangte noch in seinem Vermögen vorhanden ist (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 7). Denn eine Entscheidung nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB scheidet aus, soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem anzuordnenden Verfallbetrag zurückbleibt (vgl. BGHR StGB § 73 c Wert 2 = NStZ 2000, 480). Wenn der Täter über Vermögen verfügt, liegt es nahe, daß der Wert des aus der Straftat Erlangten darin noch vorhanden ist, es sei denn, es steht zweifelsfrei fest, daß ein Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit der abgeurteilten Straftat erworben wurde (vgl. BGHSt 48, 40, 41 f.). Für die Frage der Entreicherung kommt es weder darauf an, daß sich das Erlangte selbst noch im Vermögen des Täters befindet, noch darauf, ob das durch die Tat Erlangte unmittelbar zum Erwerb noch vorhandener Vermögenswerte führte. Vielmehr braucht vorhandenes Vermögen keinen konkreten oder unmittelbaren Bezug zu den Straftaten zu haben, derentwegen der Verfall angeordnet wird.
Jedenfalls dann, wenn der Angeklagte – wie im gegebenen Fall – unter Umständen über nicht nur unerhebliches Vermögen verfügt, ist der Tatrichter daher regelmäßig gehalten, den gesamten Erlös aus den Rauschgiftgeschäften zu ermitteln, um auf diese Weise den Verfallbetrag festzustellen (vgl. BGH StV 1998, 599) und diesem den Wert des vorhandenen Nettovermögens des Angeklagten gegenüberzustellen (vgl. BGH wistra 2003, 424 m. w. N.). Dies läßt das angefochtene Urteil vermissen. Das Landgericht hat die Erlöse aus dem Drogenhandel nur in einigen Einzelfällen festgestellt. Zum Wert der Gegenstände, auf die der Angeklagte verzichtet hat und zum Wert des dem Angeklagten gehörenden Betriebs, mit dem er im Jahre 2003 immerhin ein Nettoeinkommen von 19.500 EUR erzielt hat, fehlen nähere Feststellungen. Angesichts dessen sind die pauschalen Erwägungen, der Angeklagte habe den Profit aus dem Betäubungsmittelhandel für die Bestreitung seines Lebensunterhaltes verwendet und keine Vermögenswerte angesammelt, zur Begründung der Entreicherung nicht ausreichend.
b) Ohne die Feststellung, was der Angeklagte aus seinen Straftaten insgesamt erlangt hat, hat dem Landgericht zudem die notwendige Grundlage für die ihm nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB übertragene Ermessensentscheidung gefehlt. Da der nachträgliche Wegfall der Bereicherung den Verfall des erlangten Tatvorteils bzw. seines Wertes an sich unberührt läßt, muß der Tatrichter neben den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen in seine Billigkeitsentscheidung insbesondere einbeziehen, aus welchem Grunde das Erlangte bzw. dessen Wert nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 c Rdn. 4; Horn in SK-StGB 18. Lfg. § 73 c Rdn. 6). Hierbei ist maßgebend, ob und inwieweit es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles unangemessen erscheint, den Verfall anzuordnen. So können etwa das „Verprassen” der erlangten Mittel sowie ihre Verwendung für Luxus und zum Vergnügen insoweit gegen die Anwendung der Härtevorschrift sprechen; ihr Verbrauch in einer Notlage für den Lebensunterhalt hingegen kann als Argument für eine entsprechende Ermessensentscheidung herangezogen werden (vgl. BGHSt 38, 23, 25; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 73 c Rdn. 5; Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 c Rdn.11 f.). Ohne Feststellung des Gesamterlöses des Drogenhandels ist indes nicht zu beurteilen, ob der Angeklagte unter Berücksichtigung seiner damaligen Lebensverhältnisse einen gewöhnlichen Unterhaltsaufwand hatte oder – was selbst bei Berücksichtigung des Drogenkonsums des Angeklagten und der Existenz eines Mittäters angesichts der außerordentlich hohen Handelsmengen verschiedener Drogen (innerhalb von 22 Monaten rund 23.500 Ecstacy-Tabletten, mindestens 1.200 g Amphetamin sowie 42 kg Haschisch) und der zum Teil festgestellten Erlöse zumindest in Betracht kommt – eine ungewöhnlich aufwendige Lebensführung betrieben, eventuell sogar einen luxuriösen Lebensstil gepflegt hat.
3. Als Folge der Aufhebung der Entscheidung zum Verfall kann wegen des hier bestehenden inneren Zusammenhangs auch der Strafausspruch keinen Bestand haben. Daher ist über den gesamten Rechtsfolgenausspruch neu zu entscheiden.
4. Für die neuerlich durchzuführende Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß der bislang nicht festgestellte Gesamterlös aus den Drogengeschäften notfalls im Wege der Schätzung ermittelt werden muß (§ 73 b StGB) und daß die Verhängung einer Geldstrafe nach § 41 StGB neben einer Freiheitsstrafe nicht allein deshalb vorgenommen werden darf, um die an sich gebotene höhere Freiheitsstrafe auf ein Maß herabsetzen zu können, das die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung ermöglicht (vgl. BGHSt 32, 60, 65; BGH NJW 1985, 1719; Häger in LK 11. Aufl. § 41 Rdn. 23).
Unterschriften
Tolksdorf, Winkler, Pfister, von Lienen, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 2556771 |
wistra 2005, 137 |
NStZ-RR 2005, 104 |