Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Belehrung über die Rechtsfolgen der Versäumung der Klagfrist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG
Leitsatz (redaktionell)
1.Die Belehrung über die Versäumung der Klagfrist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG muß klar und deutlich darüber aufklären, dass der Versicherungsnehmer durch bloßen Zeitablauf seinen Versicherungsanspruch verliert, wenn er ihn nicht bis Fristende gerichtlich geltend macht.
2. Wenn der Versicherer die von ihm zu erbringende Versicherungsleistung niedriger ansetzt, als vom Versicherungsnehmer gefordert, genügt die Formulierung „Einwendungen gegen diese Festsetzung müssen innerhalb von sechs Monaten nach Erhalt dieses Schreibens schriftlich geltend gemacht werden. Lassen Sie diese Frist verstreichen, so können Sie weitergehende Ansprüche – und seien sie auch berechtigt – nicht mehr erheben” diesen Anforderungen.
Normenkette
VVG § 12 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 21.11.2002; Aktenzeichen 12 U 39/02) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 12. Zivilsenats des OLG Karlsruhe v. 21.11.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute, sie nehmen den Beklagten wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten in Haftung.
Im Juni 1999 brannte das bei der Streithelferin der Kläger gegen Feuer zum gleitenden Neuwert versicherte, 1983 aus Fertigteilen errichtete Wohnhaus der Kläger mit Ausnahme des Kellers nieder. Die Kläger ließen es in Massivbauweise und etwas verändert wiedererrichten. Über die erforderlichen Wiederherstellungskosten konnten sie in der Folgezeit keine Einigung mit der Streithelferin (ihrem Versicherer) erzielen. Letztere setzte mit Schreiben v. 16.12.1999 ihre Entschädigungsleistungen auf insgesamt 493.960 DM fest. Das Schreiben enthielt u.a. die folgende Belehrung:
"Einwendungen gegen diese Festsetzung müssen innerhalb von sechs Monaten nach Erhalt dieses Schreibens gerichtlich geltend gemacht werden. Lassen Sie die Frist verstreichen, so können Sie weiter gehende Ansprüche - und seien sie auch berechtigt - nicht mehr erheben (§ 12 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes)."
Nachfolgend beauftragte der Kläger zu 2) den Beklagten mit der Geltendmachung einer höheren Versicherungsleistung. Nach umfangreicher Korrespondenz mit der Streithelferin wies der Beklagte mit Schreiben v. 23.3.2000 den Kläger zu 2) darauf hin, dass Ansprüche gegen den Versicherer bis zum 17.6.2000 gerichtlich geltend gemacht werden müssten. Zu einer solchen gerichtlichen Geltendmachung kam es jedoch nicht.
Die Kläger behaupten, der Beklagte sei umfassend mit der Verfolgung ihrer gegen den Versicherer bestehenden Leistungsansprüche beauftragt worden, das habe auch die gerichtliche Geltendmachung eingeschlossen. Neben den reinen Wiederaufbaukosten, die (bei reduzierter Ausstattung des neuen Hauses) schon insgesamt 601.576 DM betragen hätten, seien auch ihre Mietausfall-, Lösch- und Abbruchkosten deutlich höher gewesen als vom Versicherer erstattet. Den Differenzbetrag könnten sie nun nicht mehr geltend machen, weil der Beklagte die Frist des § 12 Abs. 3 VVG versäumt habe.
Der Beklagte erwidert, er sei lediglich zur außergerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche beauftragt worden; auf den Ablauf der genannten Frist habe er ordnungsgemäß hingewiesen.
Mit Versäumnisurteil hat das LG den Beklagten zur Zahlung von 106.400,70 EUR (208.101,69 DM) nebst Verzugszinsen verurteilt. Auf den Einspruch des Beklagten hat es das Versäumnisurteil unter Abweisung der Klage im Übrigen i.H.v. lediglich 2.752,81 EUR (5.384,03 DM) aufrechterhalten. Nach Berufung der Kläger und Anschlussberufung des Beklagten hat das OLG das Versäumnisurteil vollen Umfangs aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstreben die Kläger, die inzwischen Kosten für Löscharbeiten i.H.v. 11.871,43 EUR nicht mehr weiter verfolgen, die Wiederherstellung des ursprünglichen Versäumnisurteils, soweit es den Beklagten zur Zahlung von insgesamt 94.529,27 EUR (184.883,18 DM) verurteilt hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht meint, den Klägern sei kein Schaden daraus entstanden, dass der Beklagte Ansprüche gegen ihre Streithelferin (den Versicherer) nicht bis zum 17.6.2000 gerichtlich geltend gemacht habe. Die Klagfrist des § 12 Abs. 3 VVG sei nämlich nicht wirksam in Gang gesetzt worden, weil das Schreiben der Streithelferin v. 16.12.1999 keine den strengen gesetzlichen Anforderungen entsprechende Belehrung über die Folgen des Fristablaufs (§ 12 Abs. 3 S. 2 VVG) enthalten habe. Die von der Streithelferin gewählte Belehrung verschleiere mit der Formulierung, "Einwendungen gegen diese Festsetzung" müssten gerichtlich geltend gemacht werden, dass bei Fristversäumnis der materielle Versicherungsanspruch selbst verloren gehe. Die Belehrung spreche nur aus, dass der Versicherungsnehmer den Anspruch nach Versäumung der Frist nicht mehr erheben könne; ihr sei aber nichts dazu zu entnehmen, ob nicht ein Dritter (etwa eine mitversicherte Person oder ein Zessionar) den Anspruch auch noch später geltend machen könne. Es werde in der Belehrung im Übrigen nicht ausreichend deutlich, dass die angedrohte Rechtsfolge gerade auch den abgelehnten Teil des bereits erhobenen Anspruchs betreffe. Denn "weiter gehende Ansprüche" könnten nach der Umgangssprache auch noch nicht erhobene Ansprüche aus demselben Versicherungsfall sein. Somit verdunkele die Belehrung geradezu die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 3 VVG.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil es die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung nach § 12 Abs. 3 S. 2 VVG überspannt.
1. Es trifft zwar zu, dass an die Belehrung (§ 12 Abs. 3 S. 2 VVG) über die Rechtsfolgen der Versäumung der Klagefrist des § 12 Abs. 3 S. 1 VVG strenge Anforderungen gestellt werden. Sie muss den Versicherungsnehmer klar und deutlich darüber aufklären, dass er durch bloßen Zeitablauf seinen materiellen Versicherungsanspruch verliert, wenn er ihn nicht vor Fristende gerichtlich geltend macht. Formulierungen, die diese Rechtsfolge verdunkeln oder in einem minder gefährlichen Licht erscheinen lassen, machen die Belehrung unwirksam (BGH, Urt. v. 19.9.2001 - IV ZR 224/00, BGHReport 2002, 100 = VersR 2001, 1497 unter II 2 m.w.N.).
2. Die vorliegende Rechtsfolgenbelehrung genügt aber diesen Anforderungen.
Hat der Versicherer - wie hier - die von ihm zu erbringende Versicherungsleistung niedriger festgesetzt als vom Versicherungsnehmer gefordert, so erschließt sich Letzterem ohne weiteres, dass mit den innerhalb der Klagfrist gerichtlich geltend zu machenden "Einwendungen gegen diese Festsetzung" nichts anderes gemeint sein kann als die Weiterverfolgung des überschießenden, vom Versicherer nicht anerkannten Anspruchs. Dieses Verständnis findet seine Bestätigung im anschließenden Satz der Belehrung, wonach nach Fristablauf "weiter gehende Ansprüche" nicht mehr erhoben werden können. Da der erste Satz erkennbar die Fristgebundenheit der Anspruchstellung, der zweite Satz die Folge einer Fristversäumnis erläutert, liegt es fern anzunehmen, der zweite Satz habe allein solche Ansprüche zum Gegenstand, die noch gar nicht erhoben waren.
Weiter weist die Belehrung klarstellend darauf hin, dass selbst an sich berechtigte Ansprüche nach Fristablauf nicht mehr erhoben werden können. Das macht ausreichend deutlich, dass sich der Fristablauf materiellrechtlich auswirkt, der Versicherungsnehmer also nicht lediglich sein Klagerecht, sondern den Anspruch selbst einbüßt (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 14.2.1991 - IX ZR 91/90, BGHR VVG § 12 Abs. 3 S. 2 Belehrung 2). Die Befürchtung des Berufungsgerichts, der Versicherungsnehmer könne das dahin missverstehen, dass nach Fristablauf der Anspruch immerhin noch von Dritten, etwa der mitversicherten Ehefrau oder einem Zessionar, weiterverfolgt werden könne, teilt der Senat nicht.
3. Das Schreiben des Versicherers v. 16.12.1999 und die darin enthaltene Belehrung haben deshalb die Klagfrist wirksam in Lauf gesetzt. Mit ihrem Ablauf am 17.6.2000 haben die Kläger den Anspruch gegen die Streithelferin auf die geforderten weiter gehenden Versicherungsleistungen verloren. Davon ausgehend muss die Sache neu verhandelt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 1168615 |
BGHR 2004, 1217 |
NJW-RR 2004, 1327 |
VersR 2004, 1541 |
ZfS 2004, 412 |
IVH 2004, 196 |
JWO-VerbrR 2004, 225 |