Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärungspflicht der Bank über Empfang versteckter Innenprovisionen von Seiten Dritter. Anlageberatung. 1.8.2014
Leitsatz (amtlich)
a) Eine beratende Bank hat Kunden aufgrund von Anlageberatungsverträgen ab dem 1.8.2014 über den Empfang versteckter Innenprovisionen von Seiten Dritter unabhängig von deren Höhe aufzuklären.
b) Soweit diese Aufklärung im Rahmen von Anlageberatungsverträgen vor dem 1.8.2014 unterblieben ist, handelte die beratende Bank ohne Verschulden.
Normenkette
BGB §§ 276, 280
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 29.02.2012; Aktenzeichen 13 U 152/09) |
LG Hamburg (Entscheidung vom 03.07.2009; Aktenzeichen 302 O 359/06) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Hamburg vom 29.2.2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt die beklagte Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Der Kläger, der 1996 einen erheblichen Erlös aus der Veräußerung von Anteilen an einer Unternehmensgruppe erzielte, beteiligte sich nach vorangegangener Beratung des Mitarbeiters der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) O. an dem Projekt "D." in S. . Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27.12.1996 kaufte der Kläger zu diesem Zweck mehrere Grundstücke in S. von der "D." KG (im Folgenden: Verkäuferin), die sich auch zur Errichtung eines Einkaufs- und Erlebniszentrums auf den Grundstücken verpflichtete. Den Gesamtkaufpreis von 52.175.000 DM zzgl. Umsatzsteuer finanzierte der Kläger i.H.v. 24.000.000 DM durch ein Darlehen der Beklagten.
Rz. 3
Die Beklagte erlangte von den Initiatoren, die Gesellschafter der Verkäuferin waren und an die der Kläger den Kaufpreis bezahlte, in den Jahren 1997 und 1998 eine Provision i.H.v. 1.350.000 DM für die Vermittlung des Vertragsabschlusses. Über das Vermögen der Verkäuferin, die auch eine Mietgarantie übernommen hatte, wurde am 1.4.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Rz. 4
Unter Berufung auf mehrere Aufklärungs- und Beratungsfehler nimmt der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe des Nettokaufpreises von 26.676.656,90 EUR zzgl. aufgewandter Darlehenszinsen von 1.687.263,20 EUR Zug um Zug gegen Übertragung der erworbenen Grundstücke in Anspruch; hilfsweise verlangt er Schadensersatz wegen der ausgefallenen Mietgarantie i.H.v. 2.964.429,54 EUR nebst Zinsen. Das LG hat den Hauptantrag dem Grunde nach zugesprochen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und den Rechtsstreit zur Durchführung des Betragsverfahrens an das LG zurückverwiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Die Beklagte hafte dem Kläger wegen zweier Pflichtverletzungen aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Beratungsvertrag.
Rz. 8
Die Beklagte habe den Kläger nach den Grundsätzen der Entscheidung BGHZ 170, 226 darüber aufklären müssen, dass sie von den Initiatoren eine erhebliche Provision erhalten würde. Erst eine derartige Aufklärung habe den Kläger in die Lage versetzen können, das Interesse der Beklagten am Abschluss des Geschäfts einzuschätzen und zu beurteilen, ob die Beklagte das Investment möglicherweise nur im Hinblick auf die zu erzielende Provision empfehle.
Rz. 9
Eine andere Beurteilung ergebe sich nicht daraus, dass der Kläger als erfahrener Kaufmann grundsätzlich habe davon ausgehen müssen, dass die Beratung durch die Beklagte nicht umsonst erfolgen würde. Dies habe ihn nicht zu dem Schluss führen müssen, dass die ihn beratende Beklagte eine Provision von der Verkäuferseite beziehen würde. Die Beklagte habe bereits nicht umsonst am Verkauf der Unternehmensanteile des Klägers mitgewirkt und sich in Gestalt des Zeugen O. zudem nachhaltig um den Aufbau einer Geschäftsbeziehung zu dem sehr vermögenden Kläger bemüht.
Rz. 10
Des Weiteren habe der Zeuge O. den Kläger falsch beraten, indem er ihm eine im Dezember 1996 tatsächlich noch nicht gegebene vollständige Vermietung der von ihm erworbenen Teile des Einkaufs- und Erlebniszentrums zugesagt habe.
Rz. 11
Beide Pflichtverletzungen habe die Beklagte zu vertreten. Nach der Rechtsprechung des BGH habe einem Anlageberater schon seit Beginn der 90er Jahre die Verpflichtung zur Offenbarung eines erheblichen Provisionsinteresses bekannt sein müssen. Ein unvermeidbarer Rechtsirrtum komme nach der insoweit gefestigten Rechtsprechung des BGH nicht in Betracht. Hinsichtlich der Verwendung des Begriffs "Vollvermietung" sei dem Zeugen O. zumindest grobe Fahrlässigkeit anzulasten.
Rz. 12
Beide Pflichtverletzungen seien für die Anlageentscheidung des Klägers auch kausal geworden. Dass es der Kläger klaglos akzeptiert und nicht an der Objektivität des ihn beratenden Zeugen O. gezweifelt hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass bis zu 5 % seines Investments an die Beklagte fließen sollten, erscheine nicht nachvollziehbar und ausgeschlossen. Es erscheine auch ausgeschlossen, dass der Kläger bei Aufklärung über die tatsächlich nicht gegebene Vollvermietung den Vertrag wie geschehen geschlossen hätte. Dass er spätestens im Beurkundungstermin noch positive Kenntnis von der fehlenden Vollvermietung erlangt habe, habe die Beklagte nicht bewiesen. Dem Beweisantritt der Beklagten, der Kläger habe im Beurkundungstermin vom Inhalt der Anlage 7 der Bezugsurkunde, aus der der tatsächliche Vermietungsstand ersichtlich gewesen sei, Kenntnis genommen, sei nicht nachzugehen. Die Beklagte habe insoweit die Vernehmung des beurkundenden Notars und seines Bürovorstehers ersichtlich ins Blaue hinein beantragt, denn sie behaupte gerade nicht, die Zeugen hätten tatsächlich wahrgenommen, dass der Kläger die Anlage gelesen habe.
Rz. 13
Die Haftung der Beklagten sei schließlich nicht durch ein Mitverschulden des Klägers reduziert, weshalb eine Quotierung des Ersatzanspruchs gem. § 254 BGB nicht in Betracht komme. Zwar treffe den Kläger ein erhebliches Mitverschulden, soweit er es im Rahmen der Vertragsverhandlungen und der Beurkundung unterlassen habe, sich über den tatsächlichen Stand der Vermietung zu vergewissern. Keinerlei Mitverschulden sei ihm jedoch hinsichtlich der verschwiegenen Provision anzulasten. Insbesondere habe für den Kläger keine Veranlassung zu Nachfragen bestanden.
II.
Rz. 14
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 15
1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte habe die sich aus dem, im Revisionsverfahren nicht mehr im Streit stehenden, Beratungsvertrag ergebende Pflicht, den Kläger über die ihr in Aussicht gestellte Vertriebsprovision aufzuklären, schuldhaft verletzt.
Rz. 16
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt eine aufklärungspflichtige Rückvergütung im Sinne der Senatsrechtsprechung nicht vor.
Rz. 17
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Bank aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über die von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen in diesem Sinne sind regelmäßig umsatzabhängige Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie z.B. Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen (vgl. nur ArbG Frankfurt/O. v. 9.3.2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rz. 20 ff. und ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 8.5.2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rz. 17).
Rz. 18
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Vertriebsprovision war dem Kläger nicht offengelegt worden, sondern wurde versteckt aus dem Anlagebetrag gezahlt. Es handelte sich deshalb nicht um eine Rückvergütung, sondern um eine Innenprovision im Sinne der Senatsrechtsprechung (vgl. Beschl. v. 9.3.2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rz. 22).
Rz. 19
b) Ob und unter welchen Voraussetzungen die beratende Bank den Anleger auch über den Empfang von im Anlagebetrag versteckten Vertriebsprovisionen aufklären muss, hat der Senat bislang mangels Entscheidungserheblichkeit nicht entschieden (vgl. ArbG Frankfurt/O. v. 24.8.2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1804 Rz. 11 f.) und ist in der Rechtsprechung der Instanzgerichte sowie in der Literatur umstritten.
Rz. 20
aa) Nach einer Meinung muss die beratende Bank über sämtliche von ihr empfangenen Vertriebsprovisionen aufklären. Maßgeblicher Grund der Aufklärungspflicht sei der durch den Anspruch auf die Provision ausgelöste Interessenkonflikt der Bank, der unabhängig davon bestehe, ob die Provisionen vom Emittenten aus Ausgabeaufschlägen bzw. Verwaltungsgebühren oder aus dem Nominalkapital des Anlegers finanziert werde. Sämtliche von der beratenden Bank empfangenen Provisionen stellten, unabhängig von ihrer Herkunft, daher aufklärungspflichtige Rückvergütungen dar (OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.1.2010 - I-6 U 61/09, juris Rz. 73 ff.; OLG Dresden, WM 2009, 1689, 1691; OLG Hamm, Urt. v. 25.11.2009 - 31 U 70/09, juris Rz. 51; v. 25.1.2010 - 31 U 128/09, juris Rz. 54; OLG Stuttgart WM 2010, 844, 845 f., WM 2011, 356, 358 und WM 2011, 360, 361 f. sowie Urt. v. 28.7.2010 - 9 U 182/09, juris Rz. 34; Jooß, WM 2011, 1260, 1264; Maier, VuR 2011, 297 f.; im Ausgangspunkt auch Habersack, WM 2010, 1245, 1252 f.). Selbst wenn die Provisionen nicht als Rückvergütungen, sondern als Innenprovisionen einzuordnen seien, müsse die beratende Bank über den Empfang aufklären (Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 311 f.; Jäger, AG 2011, R217, R218; Koch, BKR 2010, 177, 180; Mülbert, WM 2007, 1149, 1160; Schirp/Mosgo, BKR 2002, 354, 360; Schnauder, jurisPR-BKR 1/2012 Anm. 1; ders., jurisPR-BKR 12/2012 Anm. 1; Schwab, NJW 2012, 3274, 3277; Spindler in L/B/S, Bankrechts-Kommentar, Kap. 33 Rz. 179; Tilp/Wegner, BKR 2014, 27, 28 f.).
Rz. 21
bb) Nach anderer Auffassung liegen aufklärungspflichtige Rückvergütungen nur dann vor, wenn die Bank Teile des Ausgabeaufschlags oder der Verwaltungskosten erhalte. Innenprovisionen, die als Kostenbestandteile vom Emittenten in den Anlagebetrag eingepreist seien, stellten demgegenüber keine Rückvergütungen dar; über diese Provisionen müsse erst ab einer Höhe von insgesamt 15 % aufgeklärt werden (OLG Celle, Urt. v. 29.9.2010 - 3 U 70/10, juris Rz. 66; Fullenkamp, NJW 2011, 421 f.; Nobbe, WuB I G 1. - 5.10; Zoller, GWR 2010, 53, 55; vgl. auch Lang/Bausch, WM 2010, 2101, 2103). Teilweise wird sogar angenommen, der Senat habe, weil er aufklärungspflichtige Rückvergütungen auf offen ausgewiesene Vertriebsprovisionen beschränkt, abschließend über die Aufklärungspflicht der beratenden Bank über erlangte Provisionen entschieden (vgl. Erman/Berger, BGB, 13. Aufl., § 675 Rz. 41; Mann, WM 2013, 727, 729 f.; Nobbe, BKR 2011, 302; Zoller, BB 2013, 520, 524).
Rz. 22
c) Diese Rechtsfrage kann der Senat auch vorliegend offen lassen. Selbst wenn man mit der erstgenannten Auffassung eine Aufklärungspflicht der beratenden Bank über den Empfang versteckter Vertriebsprovisionen von Seiten Dritter bejaht, handelte die Beklagte, wie die Revision zu Recht geltend macht, wegen unvermeidbaren Rechtsirrtums jedenfalls hier ohne Verschulden (aa). Für Beratungsverträge ab dem 1.8.2014 geht der Senat davon aus, dass die beratende Bank den Anleger über den Rückfluss versteckter Innenprovisionen Dritter aufklären muss (bb).
Rz. 23
aa) Die Beklagte handelte - bei unterstellter Aufklärungspflicht über Innenprovisionen in der Vergangenheit - jedenfalls ohne Verschulden (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Rz. 24
(1) Die Haftung wegen einer fahrlässig (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB) begangenen Pflichtverletzung entfällt allerdings nur bei Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind an das Vorliegen eines solchen unvermeidbaren Rechtsirrtums strenge Maßstäbe anzulegen. Der Schuldner muss die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten. Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt deshalb schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen muss, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen wird (ArbG Frankfurt/O. v. 29.6.2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rz. 3 m.w.N.).
Rz. 25
Der Fahrlässigkeitsvorwurf entfällt aber nicht erst dann, wenn eine dem Schuldner ungünstige Entscheidung der Rechtsfrage undenkbar ist; dies würde eine Entschuldigung praktisch immer ausschließen (BGH, Urt. v. 7.3.1972 - VI ZR 169/70, WM 1972, 589). Ein unverschuldeter Rechtsirrtum ist vielmehr in Fällen anzunehmen, in denen die Rechtslage besonders zweifelhaft und schwierig ist und sich eine einheitliche Rechtsprechung noch nicht gebildet hat (BGH, Urt. v. 1.10.1970 - VII ZR 171/68, WM 1970, 1513, 1514; v. 27.9.1989 - IVa ZR 156/88, NJW-RR 1990, 160, 161; v. 6.12.2006 - IV ZR 34/05, NJW-RR 2007, 382 Rz. 15; v. 18.1.2011 - XI ZR 356/09, WM 2011, 451 Rz. 31 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 1.6.1951 - I ZR 120/50, NJW 1951, 758, 759). Das kann sogar dann gelten, wenn der Schuldner bereits in zwei Tatsacheninstanzen unterlegen war (BGH, Urt. v. 18.5.1955 - I ZR 8/54, BGHZ 17, 266, 295; v. 19.9.1984 - IVa ZR 67/83, VersR 1984, 1137, 1139).
Rz. 26
(2) Nach diesen Maßstäben war der Rechtsirrtum der Beklagten, über die in Aussicht gestellte Innenprovision müsse nicht aufgeklärt werden, nicht vermeidbar.
Rz. 27
Der Senat hat zwar entschieden, dass sich Banken für die Zeit nach 1990 nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum über Bestehen und Umfang einer Aufklärungspflicht über Rückvergütungen berufen können (Beschlüsse v. 29.6.2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rz. 5 ff.; v. 19.7.2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rz. 12). Das gilt jedoch nicht in gleicher Weise für die - hier unterstellte - Aufklärungspflicht der Banken über den Empfang versteckter Innenprovisionen.
Rz. 28
Den Fahrlässigkeitsvorwurf bezüglich der Aufklärungspflicht über Rückvergütungen für die Zeit nach 1990 hat der Senat (Beschl. v. 29.6.2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rz. 5) im Ausgangspunkt maßgeblich auf die Senatsurteile vom 28.2.1989 (XI ZR 70/88, WM 1989, 1047) und vom 6.2.1990 (XI ZR 184/88, WM 1990, 462) gestützt. Gegenstand beider Entscheidungen waren jedoch ausschließlich Rückflüsse von in Rechnung gestellten, d.h. offen ausgewiesenen, Provisionen (Senatsurteile, a.a.O., 1051 bzw. 464; vgl. auch die dort zitierten Literaturfundstellen Imo, Börsentermin- und Börsenoptionsgeschäfte, Bd. I, Rz. 1321 und Wach, Der Terminhandel in Recht und Praxis, 1986, Rz. 519). Gegenstand des - nach der hier streitgegenständlichen Beratung ergangenen - Senatsurteils vom 19.12.2000 (XI ZR 349/99, BGHZ 146, 235) waren ebenfalls Rückvergütungen aus Provisionen bzw. Gebühren (a.a.O., 237, 239).
Rz. 29
Die Literatur hat die Aufklärungspflicht über sog. kick-backs ebenfalls auf Rückflüsse aus offen ausgewiesenen Provisionen bzw. in Rechnung gestellten Kosten beschränkt (vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2000, Rz. 16.440 und Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, 1999, § 31 Rz. 82). Auch die Richtlinie des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissions-, Festpreis- und Vermittlungsgeschäft der Kreditinstitute vom 26.5.1997 (Bundesanzeiger Nr. 98 vom 3.6.1997, S. 6586 ff.) setzt in Ziff. 2.2. für das Vorliegen von "Kick-back-Vereinbarungen" Kosten voraus, die dem Kunden in Rechnung gestellt werden (ebenso Ziffer B.1.2 der Richtlinie vom 23.8.2001, Bundesanzeiger Nr. 165 vom 4.9.2001, S. 19217 ff.).
Rz. 30
Zudem hat der Senat noch in seinen Urteilen vom 26.6.2012 (XI ZR 259/11, juris Rz. 41, XI ZR 355/11, juris Rz. 51, XI ZR 356/11, juris Rz. 50 und XI ZR 316/11, WM 2012, 1520 Rz. 46) sowie in seinem Urteil vom 24.9.2013 (XI ZR 204/12, WM 2013, 2065 Rz. 23) die Aufklärungspflicht über Rückvergütungen damit gerechtfertigt, dass der Anleger über den Interessenkonflikt der Bank dadurch bewusst getäuscht wird, dass diese als Empfängerin der offen ausgewiesenen Provisionen ungenannt bleibt. Da eine solche Täuschung des Anlegers beim Verschweigen versteckter Innenprovisionen nicht in Betracht kommt, konnten beratende Banken daraus möglicherweise den Schluss ziehen, dass über letztere nicht aufzuklären sei. Einer solchen Vorstellung beratender Banken könnte weiter dadurch Vorschub geleistet worden sein, dass nach der Rechtsprechung des BGH Anlagevermittler und Anlageberater zur Vermeidung einer unzutreffenden Vorstellung des Anlegers von der Werthaltigkeit der Kapitalanlage nur über Innenprovisionen aufklären müssen, die eine Größenordnung von 15 % des Anlagebetrags übersteigen (BGH, Urt. v. 12.2.2004 - III ZR 359/02, BGHZ 158, 110, 121; v. 25.9.2007 - XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 Rz. 14; v. 3.3.2011 - III ZR 170/10, WM 2011, 640 Rz. 16; wohl auch Urt. v. 12.12.2013 - III ZR 404/12, WM 2014, 118 Rz. 14 ff.). Mit einer - von der Höhe unabhängigen - Aufklärungspflicht über den Empfang von Innenprovisionen unter dem Gesichtspunkt der Interessenkollision mussten die Banken daher bislang nicht rechnen.
Rz. 31
bb) Die Rechtsfrage bedarf auch über den vorliegenden Einzelfall hinaus keiner grundsätzlichen Klärung durch den BGH, weil der Senat für Beratungsverträge ab dem 1.8.2014 davon ausgeht, dass die beratende Bank stets über den Empfang versteckter Vertriebsprovisionen von Seiten Dritter aufklären muss. Es kommt deshalb jedenfalls zukünftig nicht mehr darauf an, ob die Provisionen offen ausgewiesen oder im Anlagebetrag versteckt sind.
Rz. 32
(1) In neuer Zeit hat der deutsche Gesetzgeber den provisionsbasierten Vertrieb von Kapitalanlagen zum Anlass mehrerer Gesetzesnovellen genommen und mittlerweile einem nahezu flächendeckenden - aufsichtsrechtlichen - Transparenzgebot unterworfen.
Rz. 33
Seit dem 1.1.2013 dürfen sämtliche - gewerbsmäßigen - Finanzintermediäre im Zusammenhang mit der Vermittlung von - nahezu sämtlichen (zu Ausnahmen vgl. z.B. Bruchwitz/Voß, BB 2011, 1226, 1227) - Kapitalanlagen Zuwendungen Dritter nur annehmen, wenn sie diese ihren Kunden offen legen. Bereits nach dem durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) vom 16.7.2007 (BGBl. I, 1330) eingeführten und am 1.11.2007 in Kraft getretenen § 31d WpHG ist den Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Annahme von Zuwendungen Dritter im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen, worunter insb. die Anlageberatung fällt (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG), aufsichtsrechtlich untersagt (vgl. dazu ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 17.9.2013 - XI ZR 332/12, WM 2013, 1983 Rz. 16 ff.). Etwas anderes gilt, von weiteren Voraussetzungen abgesehen, nur dann, wenn die Zuwendung dem Kunden nach Art und Umfang offengelegt wird (§ 31d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG). Aufgrund des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6.12.2011 (BGBl. I 2011, 2481) sind mit Wirkung zum 1.6.2012 (Art. 26 Abs. 3) nunmehr Vermögensanlagen des sog. Grauen Kapitalmarkts, z.B. Anteile an geschlossenen Fonds (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 VermAnlG in der bis 21.7.2013 geltenden Fassung; jetzt erfasst durch den Verweis auf die Anteile an Investmentvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 KAGB; vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum AIFM-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/12294, 310), Finanzinstrumente im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes (§ 2 Abs. 2b WpHG). Hierdurch wird bewirkt, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen künftig auch bei der Anlageberatung und Vermittlung derartiger Vermögensanlagen die Verhaltenspflichten der §§ 31 ff. WpHG und insb. § 31d WpHG zu beachten haben (BT-Drucks. 17/6051, 41; Assmann in Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl., § 2 Rz. 60a; Bruchwitz/Voß, BB 2011, 1226, 1230). Darüber hinaus gilt seit dem 1.1.2013 (vgl. Art. 26 Abs. 4 des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts, a.a.O.) für Finanzanlagenvermittler i.S.d. § 34 f Abs. 1 Satz 1 GewO, die wegen der Bereichsausnahme in § 2a Abs. 1 Nr. 7 Buchst. e WpHG nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des Wertpapierhandelsgesetzes fallen, gem. § 34g GewO i.V.m. § 17 der Verordnung über die Finanzanlagenvermittlung (BGBl. I 2012, 1006; im Folgenden: FinVermV) ein vergleichbares, § 31d WpHG im Wesentlichen nachgebildetes (vgl. BT-Drucks. 17/6051, 43 aE und 45) Annahmeverbot von Zuwendungen Dritter.
Rz. 34
Schließlich hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente vom 15.7.2013 (Honoraranlageberatungsgesetz, BGBl. I, 2390) das Wertpapierhandelsgesetz und die Gewerbeordnung (im Folgenden jeweils: nF) im Wesentlichen mit Wirkung zum 1.8.2014 geändert (Art. 5 Abs. 2 und 4 Honoraranlageberatungsgesetz). Nach § 31 Abs. 4b WpHG n.F. ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Anlageberatung erbringt, verpflichtet, den Kunden vor Beginn der Beratung und vor Abschluss des Beratungsvertrags darüber zu informieren, ob die Anlageberatung als Honorar-Anlageberatung erbracht wird. Sofern die Anlageberatung nicht als Honorar-Anlageberatung erbracht wird, ist der Kunde darüber zu informieren, ob im Zusammenhang mit der Anlageberatung Zuwendungen von Dritten angenommen und behalten werden dürfen. Gemäß § 31 Abs. 4c Satz 1 Nr. 2 WpHG n.F. dürfen im Zusammenhang mit einer Honorar-Anlageberatung Zuwendungen Dritter grundsätzlich nicht angenommen werden. Letzteres gilt in vergleichbarer Weise gem. § 34h Abs. 3 GewO n.F. auch für die nicht in den Anwendungsbereich des Wertpapierhandelsgesetzes fallenden Honorar-Finanzanlagenberater i.S.v. § 34h Abs. 1 Satz 1 GewO n.F. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, mehr Transparenz über die Form der Vergütung der Anlageberatung zu schaffen (BT-Drucks. 17/12295, 1).
Rz. 35
(2) Allerdings sind die Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten der §§ 31 ff. WpHG ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur und wirken auf das zivilrechtliche Schuldverhältnis zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Kunde grundsätzlich nicht ein (ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 17.9.2013 - XI ZR 332/12, WM 2013, 1983 Rz. 16 ff.). Durch die Änderungen aufgrund des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts sowie des Honoraranlageberatungsgesetzes hat sich hieran nichts geändert.
Rz. 36
(3) Der Senat hält es jedoch für angezeigt, den nunmehr im Bereich des - aufsichtsrechtlichen - Kapitalanlagerechts nahezu flächendeckend vom Gesetzgeber verwirklichten Transparenzgedanken hinsichtlich der Zuwendungen Dritter auch bei der Bestimmung des Inhalts des Beratungsvertrags zu berücksichtigen, weil der Anleger nunmehr für die Bank erkennbar eine entsprechende Aufklärung im Rahmen des Beratungsvertrages erwarten kann (§§ 133, 157 BGB).
Rz. 37
Das aufsichtsrechtliche Prinzip, dass Zuwendungen Dritter grundsätzlich verboten und allenfalls dann erlaubt sind, wenn diese offen gelegt werden, ist daher als Ausdruck eines allgemeinen - nunmehr nahezu flächendeckenden - Rechtsprinzips bei der Auslegung der (konkludenten) Vertragserklärungen zu berücksichtigen. Der Anleger kann zwar nicht erwarten, dass sich die beratende Bank im gesamten Umfang ihrer öffentlich-rechtlichen Pflichten ohne Weiteres auch im individuellen Schuldverhältnis gegenüber dem jeweiligen Anleger verpflichten will. Er kann aber voraussetzen, dass die beratende Bank die tragenden Grundprinzipien des Aufsichtsrechts beachtet. Mit Zuwendungen Dritter an die beratende Bank, die nicht offen gelegt werden, muss der Anleger, mangels abweichender Vereinbarungen, angesichts des aufsichtsrechtlichen Transparenzgebots deshalb ab dem 1.8.2014 nicht mehr rechnen.
Rz. 38
Aufgrund dieses das Kapitalanlagerecht nunmehr prägenden Transparenzgebots kommt es nicht darauf an, ob das konkrete Anlagegeschäft einer der genannten aufsichtsrechtlichen Ge- oder Verbote unterfällt. Insbesondere auch bei der - hier vorliegenden - Empfehlung einer Bank zum Erwerb von Grundstücken, die nicht in den Anwendungsbereich des Wertpapierhandelsgesetzes fällt, ist die beratende Bank deshalb ab dem 1.8.2014 verpflichtet, den Anleger über den Empfang von versteckten Innenprovisionen aufzuklären.
Rz. 39
2. Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht des Weiteren von einer kausalen Pflichtverletzung der Beklagten hinsichtlich der vom Berater zugesicherten Vollvermietung der vom Kläger erworbenen Grundstücke ausgegangen.
Rz. 40
a) Rechtsfehlerfrei und unangegriffen hat das Berufungsgericht insoweit allerdings eine schuldhafte Beratungspflichtverletzung der Beklagten angenommen.
Rz. 41
b) Die Kausalität der Beratungspflichtverletzung für den eingetretenen Schaden hat das Berufungsgericht jedoch rechtsfehlerhaft bejaht, weil es dem Beweisantrag der Beklagten zu ihrer Behauptung, der Kläger habe im Beurkundungstermin vom Inhalt der Anlage 7 der Bezugsurkunde Kenntnis genommen, nicht nachgegangen ist. Die insoweit von der Revision erhobene Verfahrensrüge ist begründet.
Rz. 42
Die Beklagte hat zwar, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, nicht ausdrücklich behauptet, dass die benannten Zeugen entsprechende Wahrnehmungen gemacht hätten. Durch die Benennung der beim Beurkundungstermin anwesenden Zeugen ergibt sich das jedoch hinreichend deutlich aus dem Zusammenhang (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.1992 - VII ZR 78/91, NJW 1992, 2489, 2490) und wird auch nicht durch den weiteren Vortrag der Beklagten, der Kläger habe (insb. auch) in einer Pause bei Abwesenheit der Zeugen die Möglichkeit gehabt, die Anlage zur Kenntnis zu nehmen, in Frage gestellt.
Rz. 43
Der Beweisantrag setzt darüber hinaus nicht voraus, dass sich die Beklagte dazu äußert, welche Anhaltspunkte sie für die Richtigkeit der in das Wissen der Zeugen gestellten Behauptungen hat. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht die Rechtsprechung lediglich dann, wenn ein Zeuge über innere Vorgänge bei einer anderen Person vernommen werden soll, die der direkten Wahrnehmung durch den Zeugen naturgemäß entzogen sind (ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 8.5.2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rz. 44 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Vielmehr ist es möglich, dass die beim Beurkundungstermin anwesenden Zeugen aufgrund eigener Wahrnehmung bekunden können, dass der Kläger die fragliche Anlage "gelesen oder auch nur gesehen" hat.
III.
Rz. 44
Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Rz. 45
Sollte das Berufungsgericht nach Durchführung der Beweisaufnahme zur Frage der Kenntnis des Klägers von der Vermietungssituation erneut eine kausale Pflichtverletzung der Beklagten annehmen, weist der Senat darauf hin, dass der sich daraus ergebende Schadensersatzanspruch des Klägers nicht gem. § 254 Abs. 1 BGB wegen eines Mitverschuldens des Klägers zu mindern ist.
Rz. 46
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann der Informationspflichtige dem Geschädigten grundsätzlich nicht nach § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten, er sei für die Entstehung des Schadens mitverantwortlich. Die gegenteilige Annahme stünde im Gegensatz zum Grundgedanken der Aufklärungs- und Beratungspflicht, nach dem der Anleger regelmäßig auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm erteilten Beratung vertrauen darf (BGH, Urt. v. 13.1.2004 - XI ZR 355/02, WM 2004, 422, 425; v. 8.7.2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rz. 21; v. 22.3.2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rz. 41, jeweils m.w.N.). Danach kommt eine Anspruchskürzung hier nicht in Betracht. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger Anlass gehabt haben sollte, sich über die vom Berater zugesicherte Vollvermietung des geplanten Einkaufs- und Erlebniszentrums "zu vergewissern".
Fundstellen
Haufe-Index 7026049 |
BGHZ 2015, 310 |
BB 2014, 1729 |
BB 2014, 1802 |
DB 2014, 1610 |
DStR 2014, 14 |