Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe eines von der früheren Wehrmacht oder der Deutschen Reichsbahn in Besitz genommenen, in den neuen Bundesländern gelegenen Grundstücks ist erloschen (§§ 1, 2 AKG); eine entsprechende Anwendung des in den alten Bundesländern geltenden § 19 AKG „Aussonderungsrecht im Staatskonkurs”) ist ausgeschlossen.
Normenkette
AKG §§ 1-2, 19; BGB § 985; EinigVtr Art. 8 Anl. I Kap. IV Sachgeb. A: Kriegsfolgenrecht
Verfahrensgang
LG Bautzen (Urteil vom 24.03.1995) |
OLG Dresden |
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlußrevision der Klägerin das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der Beklagten ergangen ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bautzen vom 24. März 1995 abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin eines in H. gelegenen Grundstücks, das 1944 vom Deutschen Reich für kriegswichtige Zwecke (Errichtung von Bahnanlagen) in Anspruch genommen wurde. Das Grundstück, auf dem u.a. Geleise verlegt sind, wird heute von der Beklagten – der früheren Beklagten zu 1 (Deutsche Bahn AG) – zu Eisenbahnzwecken genutzt. Mit der Deutschen Reichsbahn bis 1949 geführte Entschädigungs- und Erwerbsverhandlungen scheiterten ebenso wie ein im Jahr 1991 mit der Beklagten geplanter Kaufvertrag.
Die Klägerin hat in erster Instanz von der Beklagten und dem früheren Beklagten zu 2 (Bundeseisenbahnvermögen) Räumung und Herausgabe des Grundstücks, hilfsweise Zahlung einer Nutzungsentschädigung von 49.484 DM verlangt. Das Landgericht hat – unter Abweisung der gegen das Bundeseisenbahnvermögen gerichteten Klage – die Beklagte gemäß dem Hauptantrag verurteilt. Dagegen hat diese Berufung eingelegt. Im Wege der Anschlußberufung hat die Klägerin ihren Hilfsantrag um eine Entschädigung wegen Entzugs des Grundstücks in Höhe von 247.920 DM erweitert. Das Oberlandesgericht hat den Räumungsantrag abgewiesen, die Verurteilung zur Herausgabe aber aufrechterhalten. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten. Mit ihrer Anschlußrevision verfolgt die Klägerin den Räumungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Anschlußrevision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Herausgabeanspruch der Klägerin gem. § 985 BGB. Ein Recht zum Besitz gem. § 986 Abs. 1 BGB stehe der Beklagten nicht zu. Der Anspruch sei nicht gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Nr. 2 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vom 5. November 1957 (AKG) ausgeschlossen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Normen seien zwar erfüllt, denn unstreitig habe das Deutsche Reich – entweder durch sein Sondervermögen Deutsche Reichsbahn oder, wie die Klägerin behauptet, durch die Wehrmacht – das Grundstück in Besitz genommen, doch sei der Herausgabeanspruch gem. §§ 19 ff AKG zu erfüllen. Diese im Beitrittsgebiet unmittelbar nicht geltenden Vorschriften seien hier analog anzuwenden. Ein Anspruch auf Räumung, der nicht auf § 985 BGB, sondern nur auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützt werden könne, sei analog § 19 Abs. 2 AKG ausgeschlossen.
Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
Zur Revision der Beklagten
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Regelungen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) auf den mit der Klage geltend gemachten Herausgabeanspruch Anwendung finden. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AKG hat zwar nur Ansprüche gegen das Deutsche Reich einschließlich (u.a.) des Sondervermögens Deutsche Reichsbahn zum Gegenstand. Gemäß § 2 Nr. 2 AKG sind die Vorschriften des Gesetzes aber entsprechend auf Ansprüche gegen den Bund oder andere öffentliche Rechtsträger anzuwenden, die auf Herausgabe von Grundstücken gerichtet sind, die von den in § 1 Abs. 1 genannten Rechtsträgern in Besitz genommen wurden (gleichgestellte Ansprüche).
a) Das Berufungsurteil geht mit der Beweiskraft des § 314 ZPO von der unstreitigen Tatsache aus, daß die herausverlangten Grundstücke vor dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches entweder von diesem selbst, nämlich durch die Wehrmacht, oder von der Deutschen Reichsbahn für kriegsbedingte Baumaßnahmen in Anspruch genommen worden waren. Ob die Inanspruchnahme seinerzeit durch eine formelle Beschlagnahme, etwa auf der Grundlage der Verordnung über die Durchführung kriegswichtiger Bauvorhaben der Deutschen Reichsbahn vom 23. April 1940 (RGBl. I, S. 731) erfaßt war, läßt das Berufungsurteil zu Recht unerörtert. § 2 Nr. 2 AKG stellt allein auf die tatsächliche Inbesitznahme ab.
b) Die Beklagte ist in die Rechtsstellung der Deutschen Reichsbahn und damit in den Besitz an den Grundstücken eingerückt. Das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn wurde durch Art. 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (EVertr, BGBl II S. 889) in Verbindung mit Art. 26 Abs. 2 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 (BGBl II S. 537) – zunächst – Vermögen der Bundesrepublik Deutschland. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen (Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993 – ENeuOG –, BGBl I, S. 2378) wurde es vom Bund unter dem Namen „Bundeseisenbahnvermögen” verwaltet. In Ausführung von Art. 1 § 20 ENeuOG hat die Bundesrepublik Deutschland dieses Vermögen, soweit es für das Erbringen von Eisenbahnleistungen sowie für das Betreiben der Eisenbahninfrastruktur notwendig (bahnnotwendig) ist, auf die Beklagte übertragen (§ 1 Abs. 1 DBGrG). Hierzu gehört das streitige Grundstück.
2. Nach der Grundregel des § 1 Abs. 1 Nr. 1, hier in Verbindung mit § 2 Nr. 2 AKG ist der Herausgabeanspruch der Klägerin erloschen. Zwar sieht § 19 AKG vor, daß Ansprüche aus dem Eigentum oder aus anderen Rechten an einer Sache auf deren Herausgabe zu erfüllen sind. Die Vorschrift ist indessen auf Grundstücke, die im Beitrittsgebiet belegen sind, nach den Vorschriften des Einigungsvertrags und seiner Anlagen (Art. 8 EVertr i.V.m. Anlage I, Kap. IV, Sachgebiet A, Abschnitt I Nr. 12 und Abschnitt II Nr. 2) nicht anzuwenden. Der Versuch des Berufungsgerichts, unter den Bedingungen des Streitfalles Rechtsgleichheit durch entsprechende Anwendung des § 19 AKG auf ein in einem neuen Bundesland gelegenes Grundstück zu schaffen, überschreitet die der Rechtsprechung gezogenen Grenzen. Die analoge Anwendung einer Rechtsvorschrift setzt eine planwidrige Regelungslücke des bestehenden Gesetzes voraus (BGHZ 65, 300, 302; Urteile v. 5. Februar 1981, III ZR 66/80, NJW 1981, 1726; 1727; v. 4. Mai 1988, VIII ZR 196/87, NJW 1988, 2109, 2110). Eine solche besteht, wie die Auslegung der Bestimmungen des Einigungsvertrages ergibt, nicht. Der objektivierte Wille des Gesetzgebers, der sich aus dem Wortlaut des Einigungsvertrags und seiner Anlagen sowie aus dem Sinnzusammenhang, in dem diese Vorschriften stehen, erschließt (vgl. BVerfGE 1, 299, 312; BGHZ 46, 74, 76), ist auf eine Ungleichbehandlung der Eigentümer gerichtet, je nachdem, ob sich ihr Grundstück in den alten oder den neuen Bundesländern befindet.
a) Der Gesetzeswortlaut ist eindeutig. Vom Inkrafttreten des Bundesrechtes im Beitrittsgebiet gemäß Art. 8 des Einigungsvertrages ist nach dessen Anlage I, Sachgebiet A, Abschnitt I Nr. 12 das Allgemeine Kriegsfolgengesetz mit Ausnahme des Erlöschenstatbestandes des § 1 und seiner Erweiterung durch die Gleichstellungsvorschrift (§ 2) herausgenommen. Abschnitt II Nr. 2 der Anlage hat eine Einzelvorschrift des Gesetzes zum Gegenstand, nämlich dessen § 33, der in geänderter und ergänzter Form gelten soll. § 19 AKG ist mithin als partikuläres Bundesrecht auf den ursprünglichen Geltungsbereich des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes, die alten Bundesländer, beschränkt.
b) Dies wird durch einen näheren Aufschluß des Zusammenhangs der Vorschriften in der Vertragsanlage bestätigt.
Die Vorschrift Nr. 12 findet sich in dem Teil der Anlage I zum Einigungsvertrag, der sich mit den Kriegsfolgeregelungen im Beitrittsgebiet befaßt, soweit diese von der Sache her dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Finanzen zuzuordnen sind. Von den betreffenden Vorschriften des Bundesrechts sind jeweils in Abschnitt I diejenigen, die – entgegen Art 8 EVertr – im Beitrittsgebiet nicht in Kraft treten, in Abschnitt II die Normen, die aufgehoben, geändert oder ergänzt werden, und in Abschnitt III die Bestimmungen aufgelistet, die mit Maßgaben übergeleitet werden (vgl. Vorbemerkungen zur Anlage I des Einigungsvertrags). Während Abschnitt II Nr. 2 für die in §§ 30 bis 67 AKG geregelte Ablösung bestimmter Reichstitel (u.a. Schuldverschreibungen und Schatzanweisungen des Deutschen Reichs) eine Änderung zugunsten im Beitrittsgebiet eintreffender Aussiedler vorsieht, wird in Abschnitt I Nr. 12 das Erlöschen aller (übrigen) vom Kriegsfolgengesetz erfaßter Ansprüche angeordnet. Der Einigungsvertrag differenziert also hinsichtlich der dem Kriegsfolgenrecht zuzurechnenden Ansprüche nach denjenigen, die gegebenenfalls noch zu erfüllen sind, und denjenigen, die im Beitrittsgebiet erlöschen. Mit dieser Gesetzessystematik ist eine Ausdehnung von Erfüllungspflichten auf Tatbestände außerhalb der §§ 30 bis 67 AKG nicht vereinbar. Erkennbarer Sinn der Vorschriften ist eine insoweit abschließende Regelung des Kriegsfolgenrechts.
c) Entstehungsgeschichte und Gesetzesmaterialien erhärten dies. §§ 19 ff AKG finden sich im Zweiten Teil des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes, der sich mit den zu erfüllenden Ansprüchen befaßt. In der Unterrichtung der Bundesregierung vom 10. September 1990 (Erläuterungen zu den Anlagen zum Einigungsvertrag, BT-Drucks. 11/7817) heißt es zu Kapitel IV, Sachgebiet A, Abschnitt I, Nr. 12:
„Die §§ 1 und 2 des Allgemeinen Kriegfsfolgengesetzes regeln das Erlöschen von Ansprüchen gegen das Deutsche Reich und gleichgestellte Rechtsträger. Diese Rechtsfolge soll auch für den beigetretenen Teil Deutschlands gelten. Aus diesem Grunde sind die §§ 1 und 2 überzuleiten. Für den § 3 sowie den Zweiten und Sechsten Teil des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes gelten die Ausführungen zu den Nummern 1 bis 10, 13, 14, 16-21, für den Dritten Teil die Ausführungen zu den Nummern 11 und 15 entsprechend.”
Zu Nrn. 1-10, 13, 14, 16-21 heißt es in den Erläuterungen:
„Die Kriegsfolgengesetze der Bundesrepublik Deutschland (ausgenommen das Bundesentschädigungsgesetz, das Bundesentschädigungsschlußgesetz und das Rückerstattungsrecht) sind grundsätzlich nicht auf den beigetretenen Teil Deutschlands überzuleiten, da der Zweck dieser Regelungen heute als erledigt anzusehen ist. Dies gilt insbesondere für die unter den vorbezeichneten Ziffern genannten Rechtsvorschriften zur Regelung von Schäden und sonstigen Folgen, die durch Maßnahmen des Deutschen Reiches und anderer öffentlicher Rechtsträger oder durch den Krieg und seine Folgen verursacht worden sind.”
Unter „Sachgebiet D: Kriegsfolgenrecht” heißt es:
„Die Kriegsfolgengesetze der Bundesrepublik Deutschland sollen grundsätzlich nicht auf die in Artikel 3 des Vertrages genannten Länder übergeleitet werden, da ihr Zweck im Kern heute weitgehend als erfüllt angesehen werden kann (vgl. Kap. IV A Abschnitt I). Eine Generalbereinigung soll dem gesamtdeutschen Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Etwas anderes gilt für Gesetze, die die Aufnahme, Eingliederung und Entschädigung für neu eintreffende Aussiedler regeln…”
Eine Ausdehnung der Erfüllungspflichten auf Ansprüche gem. §§ 19 ff. AKG ist – soweit ersichtlich – in den Gesetzesberatungen nicht erwogen worden. Die mit der Gesetzgebung befaßten Ausschüsse des Deutschen Bundestages haben die Unterrichtung durch die Bundesregierung zur Kenntnis genommen und von weiteren Stellungnahmen abgesehen (vgl. Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 11/7920, Anlage 1.7). Im Ausschuß Deutsche Einheit eingebrachte Änderungsanträge insbesondere der Fraktion DIE GRÜNEN zielten zwar auf eine völlige Streichung der Vorschrift Nr. 12 der Anlage I, Kapitel IV A, Abschnitt I EVertr ab (Anträge Nr. 53, 84 und 93, BT-Drucks. 11/7920 S. 75 f., 103 und 119 ff.). Zur Begründung wurde angeführt, für die in der DDR lebenden Opfer des Nationalsozialismus sei es unzumutbar, daß sie aus einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz einschließlich der dazu erlassenen Härteregelungen herausfielen. Diese Änderungsanträge wurden im Ausschuß aber abgelehnt (BT-Drucks. 11/7920, S. 122).
d) Soweit nach den Vorstellungen der Bundesregierung eine Generalbereinigung des Kriegsfolgenrechts dem gesamtdeutschen Gesetzgeber vorbehalten bleiben sollte (vgl. Erläuterungen zu den Anlagen zum Einigungsvertrag, aaO), ist diese zwischenzeitlich – ohne Auswirkungen auf Ansprüche gem. §§ 19 ff. AKG – erfolgt. Weitere gesetzliche Regelungen sind nicht mehr zu erwarten.
Die Anfrage des Senats vom 26. November 1997, ob die Bundesregierung die in den Erläuterungen zu den Anlagen zum Einigungsvertrag als „dem gesamtdeutschen Gesetzgeber vorbehalten” bezeichnete Generalbereinigung des Kriegsfolgenrechts als erfolgt ansehe, hat das Bundesministerium der Justiz mit Antwortschreiben vom 9. Februar 1998 bejaht und dabei auf beigefügte Stellungnahmen des Bundesinnenministeriums und des Bundesministeriums der Finanzen verwiesen. Das Bundesinnenministerium hat ausgeführt, weitere Änderungen des noch fortgeltenden Kriegsfolgenrechts würden nur noch dann und nur insoweit vorgenommen werden, als sie durch die politische, wirtschaftliche und historische Entwicklung notwendig würden. Das Bundesministerium der Finanzen hat u.a. mitgeteilt, die Generalbereinigung des Kriegsfolgenrechts sei im wesentlichen durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I, S. 2094), bei dem die Aussiedlerproblematik im Vordergrund gestanden habe, erfolgt. Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen seien im Rahmen des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes vom 27. September 1994 (BGBl. I, S. 2624) das Vertriebenenzuwendungsgesetz (Art. 9 EALG) und die Regelung über die Kraftloserklärung von Reichsmark-Wertpapieren (Art. 11 EALG) ergangen. Eine weitere Bereinigung des Kriegsfolgenrechts sei nicht beabsichtigt. Es werde gleichbleibend keine Notwendigkeit gesehen, weitere Kriegsfolgengesetze auf das Gebiet der ehemaligen DDR zu übertragen. Dies gelte insbesondere hinsichtlich des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes, von dem nur die §§ 1 und 2 übergeleitet worden seien.
Diese Stellungnahme macht deutlich, daß die Bundesregierung grundsätzlich von einer abgeschlossenen Regelung des Kriegsfolgengesetzes ausgeht und dazu den Standpunkt vertritt, gem. §§ 1 und 2 AKG seien im Beitrittsgebiet – soweit nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist – alle von diesem Gesetz erfaßten Ansprüche erloschen. Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber anderer Auffassung wäre, sind nicht ersichtlich.
e) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann auch nicht angenommen werden, der Gesetzgeber habe fälschlicherweise nicht bedacht, daß im Einzelfall ein Bedürfnis bestehen könnte, von der DDR normativ nicht bewältigte Kriegsfolgen anders als geschehen zu regeln. Die Überleitung der §§ 1 und 2 AKG hatte für den Gesetzgeber nicht nur deklaratorische Bedeutung, sondern entsprach seinem Anliegen, das grundsätzliche Erlöschen der in diesen Vorschriften genannten Ansprüche auch im Beitrittsgebiet sicherzustellen (Wirth, Erläuterungen zum AKG, Einführung, Anm. V, in: Das Deutsche Bundesrecht, VII G, Stand: September 1997). Diesen Grundsatz hat der Gesetzgeber nur in wenigen, eng umrissenen Fällen durchbrochen. So sind Ausnahmen vorgesehen für Ansprüche von im Beitrittsgebiet neu eintreffenden Aussiedlern (vgl. Erläuterungen zu den Anlagen zum Einigungsvertrag, aaO). Ferner gelten Härteregelungen für Personen, die im Beitrittsgebiet zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 zwangsweise sterilisiert worden sind oder in anderer Weise rechtsstaatswidrig Schaden an den in § 5 AKG genannten Rechtsgütern erlitten haben (Wirth, aaO und § 5). Diese begrenzten Ausnahmeregelungen zeigen, daß der Gesetzgeber den Kreis der zu erfüllenden Ansprüche im Beitrittsgebiet wesentlich enger ziehen wollte als in den alten Bundesländern. Er war nicht, wie das Berufungsgericht meint, von der Vorstellung geleitet, eine Überleitung der Regelungen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes sei entbehrlich, weil die Bestimmungen im Beitrittsgebiet gegenstandslos sein würden, sondern er ging davon aus, daß der Zweck des Gesetzes „im Kern heute weitgehend als erfüllt angesehen werden” könne (Erläuterungen zu den Anlagen zum Einigungsvertrag, aaO). Daß der Gesetzeszweck im Einzelfall nicht erreicht worden sein könnte, hat der Gesetzgeber in Kauf genommen. Er hat sich in Kenntnis dieser Möglichkeit dafür entschieden, alle von §§ 1 und 2 AKG erfaßten Sachverhalte – von den genannten Ausnahmetatbeständen abgesehen – gleich zu regeln. Eine planwidrige Regelungslücke liegt unter diesen Umständen nicht vor. Damit verbietet sich im Beitrittsgebiet eine analoge Anwendung einer ausdrücklich nicht übergeleiteten Vorschrift wie § 19 AKG.
3. Dies hält einer verfassungsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
a) Die Aberkennung des dinglichen Herausgabeanspruchs berührt nicht den Schutzbereich des Art. 14 GG.
aa) Es ist bereits zweifelhaft, ob mit Inkrafttreten des Grundgesetzes im Beitrittsgebiet noch eine Rechtsposition der Klägerin vorhanden war, die Gegenstand des umfassenden Schutzes des Grundrechts sein konnte. Das Grundstück war in den Besitz der DDR gelangt und fortwährend – durch die Deutsche Reichsbahn – öffentlich genutzt worden. In solchen Fällen kann das Eigentum bis zur Einheit nur noch als „bloße Hülse” (vgl. Senatsurt. v. 10. Oktober 1997, V ZR 80/96, WM 1998, 81, 82) fortbestanden haben. Von einem faktischen Schwund der Eigentumsposition wäre, soweit er in Beitrittssachen die Grenzen des Rechtsschutzes bestimmt (für den Bereich des Art. 41 EVertr/ Art. 143 Abs. 3 GG vgl. etwa zuletzt BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 31. März 1998, 1 BvR 2008/97, ZOV 1998, 180), vor allem der Herausgabeanspruch betroffen. Hieran hätte sich durch das Verfassungsgrundsätzegesetz der DDR vom 17. Juni 1990 (GBl. I, S. 299) nichts geändert. Die Verfassungsgrundsätze regelten die Rechtslage in der DDR nur für die Zukunft; sie änderten sie dagegen nicht rückwirkend (BVerfG, WM 1998, 392, 395).
bb) Der Herausgabeanspruch ist jedenfalls deshalb nicht unter den Schutz des Art. 14 GG gestellt worden, weil für ihn vereinigungsbedingtes Sonderverfassungsrecht gilt. Der Gesetzgeber ist mit dem durch Art. 4 Nr. 4 EVertr in das Grundgesetz eingefügten Art. 135 a Abs. 2 zur Regelung solcher Verbindlichkeiten des Bundes ermächtigt worden, die mit dem Übergang von Vermögenswerten der DDR auf den Bund in Zusammenhang stehen. Art. 135 Abs. 2 GG ist Spezialvorschrift gegenüber Art. 14 GG. Sie ist mit dem Ziel in das Grundgesetz eingefügt worden, den gesamtdeutschen Gesetzgeber unabhängig vom sonst geltenden Eigentumsschutz bei der Regelung von Eigentums- und Vermögensfragen Gestaltungsfreiheit einzuräumen (Schmidt-Bleibtreu in: Verträge und Rechtsakte zur Deutschen Einheit, Bd. 2, Einigungsvertrag und Wahlvertrag, 1990, Einführung, S. 63; Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Stand: September 1991, Art. 135 a Anm. III). Art. 135 a Abs. 2 GG eröffnet die Möglichkeit, DDR-bezogene Verbindlichkeiten des Bundes durch Bundesgesetz aufzuheben oder zu kürzen (Schmidt-Bleibtreu in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 8. Aufl., Art. 135 a Rdn. 2) und zwar mit oder ohne Entschädigung und ohne Rücksicht darauf, auf welchen Ursprüngen sie beruhen und welchen Rechtscharakter sie haben (Maunz aaO; Stern in: Einigungsvertrag, S. 45):
(1) Anläßlich der Überwindung der deutschen Teilung im Jahre 1990 sind in vermögensrechtlicher Hinsicht ähnliche Fragen aufgetreten wie bei der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 (Maunz, aaO; Schmidt-Bleibtreu in: Einigungsvertrag, S. 63). Damals hatte der Gesetzgeber die Aufgabe, unter Beachtung des in Art. 134 Abs. 1 GG manifestierten Grundsatzes der vermögensrechtlichen Kontinuität (Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Stand Januar 1976, Art. 134, Anm. I) eine Regelung für die Verbindlichkeiten des Deutschen Reiches zu treffen. Das Reich war bei seinem Zusammenbruch konkursreif (BVerfGE 15, 126, 135). Da das allgemeine Konkursrecht für einen Staatsbankrott weder gedacht noch geeignet ist (Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl., § 213, Anm. I 1 b), mußten spezielle Regelungen getroffen werden (BVerfGE, aaO). Hierbei war auf die künftige Finanzwirtschaft und dadurch mittelbar die künftige Staatspolitik Rücksicht zu nehmen; im Vordergrund stand nicht die Abrechnung über die Vergangenheit, sondern die Schaffung einer Grundlage für die Zukunft (BVerfGE, aaO, S. 141). Gestützt auf Art. 134 Abs. 4 GG und Art. 135 a GG a.F. (eingefügt durch Gesetz vom 22. Oktober 1957, BGBl. I, S. 1745, jetzt: Art. 135 a Abs. 1 GG) hat der Gesetzgeber im Jahre 1957 das Allgemeine Kriegsfolgengesetz erlassen. Darin durfte zur Bereinigung des Staatsbankrotts ohne Verstoß gegen Art. 14 GG die Erfüllung von Verbindlichkeiten verweigert werden (BVerfG 23, 153, 166 m.w.N.). Zwar waren die Reichsverbindlichkeiten nicht von Grundgesetzes wegen annulliert, sondern dem Gesetzgeber „als dem Grunde nach existent zur Berücksichtigung nach Maßgabe des Möglichen” überwiesen worden (BVerfGE 15, 126, 143; 23, 153, 166). Dieser Einfluß des Art. 14 GG bezog sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber nur auf die Gesamtregelung der Reichsverbindlichkeiten (BVerfG 24, 203, 214). Wenn der Gesetzgeber dabei auch keine volle Gestaltungsfreiheit hatte (BVerfGE 15, 126, 142; Maunz, aaO, Anm. II, 3), so verstieß doch die Anordnung des Erlöschens einer Schuld nicht gegen Art. 14 GG (BVerfGE 60, 135, 143).
(2) Diese Grundsätze sind auf die beitrittsbedingten vermögensrechtlichen Probleme jedenfalls insoweit sinngemäß übertragbar, als es um die Regelung von der ehemaligen DDR normativ nicht bewältigter Kriegsfolgen geht. Ansprüche auf Erfüllung reichsbezogener Verbindlichkeiten, die gem. Art. 21 ff EVertr mit Wiederherstellung der deutschen Einheit auf den Bund oder – wie das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn gem. Art. 26 EVertr – auf ein Sondervermögen des Bundes übergegangen sind, werden verfassungsrechtlich nicht stärker geschützt als vergleichbare Rechtspositionen bei Errichtung der Bundesrepublik Deutschland. Da Art. 135 a Abs. 2 GG auf Abs. 1 verweist, darf der Gesetzgeber für die Verbindlichkeiten des Bundes, die mit dem Übergang von Vermögenswerten der DDR auf den Bund im Zusammenhang stehen, dem Kriegsfolgenrecht entsprechende Regelungen treffen. Er durfte daher ohne Verstoß gegen Art. 14 GG auch bestimmen, daß Ansprüche nicht zu erfüllen sind (Schmidt-Bleibtreu in: GG-Komm., aaO).
(3) Dingliche Herausgabeansprüche zählen zu den Verbindlichkeiten i.S.v. Art. 135 a Abs. 2 GG. Die Vorschrift verweist auf Abs. 1, in dem von „Verbindlichkeiten” die Rede ist und der Grundlage für das Allgemeine Kriegsfolgengesetz war (Maunz, aaO, Art. 135 a, Anm. II 2). Dieses Gesetz spricht in § 1 von „Ansprüchen”. Darunter fallen nach allgemeiner Meinung Ansprüche jeder Art, insbesondere auch dingliche Ansprüche (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 2/1659, S. 44; Wirth, aaO, § 1). Sie sind „Verbindlichkeiten” i.S.v. Art. 135 a Abs. 1 GG. Da diese Vorschrift auf Verbindlichkeiten der DDR entsprechende Anwendung findet, ist davon auszugehen, daß auch Abs. 2 dingliche Ansprüche erfaßt. Zu diesen Verbindlichkeiten zählen auch die dinglichen Ansprüche, die auf Herausgabe von Sachen gerichtet sind, welche in den Besitz der DDR gelangt waren und sich seit dem Beitritt im Besitz des Bundes (einschließlich des Sondervermögens Deutsche Reichsbahn) befinden. Dazu gehören Herausgabeansprüche, die sich vom Reich herleiten, denn diese Ansprüche waren, da sie in jedem Augenblick neu entstehen (Wirth, aaO, § 2), gegen die ehemalige DDR gerichtet. Dieser Rechtslage trägt das Allgemeine Kriegsfolgengesetz dadurch Rechnung, daß es nicht nur Ansprüche gegen das Reich, sondern – wie z.B. in § 2 Nr. 2 – auch (reichsbezogene) Ansprüche gegen den Bund regelt (Féaux de la Croix, Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 130 vom 19. Juli 1957, S. 1226, 1228).
b) Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.
Allerdings stellt Art. 135 a Abs. 2 GG den Gesetzgeber nicht von dem rechtsstaatlichen Gebot frei, bei der Regelung der dort bezeichneten Verhältnisse den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu wahren (vgl. zu Art. 134 Abs. 4 GG und Art. 135 a GG a.F.: BVerfGE 15, 126, 145; Stellungnahme der Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen und Empfehlungen des Bundesrates zum Entwurf des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes, BT-Drucks. 2/1659, Anl. 3, S. 103). Der Gleichheitssatz ist aber nur verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, wenn also die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BverfGE 1, 14, 16 f., 52 und Klein in: GG-Komm., aaO, Art. 3 Rdn. 14 m.w.N.). Dabei geht die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei Regelungen zur Beseitigung von Kriegsfolgen besonders weit (BVerfGE 23, 153, 168). Dies ist gerade bei der Auslegung von Vorschriften des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes zu berücksichtigen (BVerfGE 24, 203, 215).
Hierzu im einzelnen:
aa) Der Gesetzgeber war nicht gezwungen, dingliche Herausgabeansprüche im Beitrittsgebiet genauso zu behandeln wie in den alten Bundesländern. Beide Sachverhalte unterscheiden sich in wesentlichen Punkten. So kann schon nicht außer acht bleiben, daß bis zur deutschen Einheit für im Beitrittsgebiet gelegene Grundstücke das Recht der ehemaligen DDR galt. Die Eigentumsposition war – wie unter a) dargelegt – insbesondere bei öffentlich genutzten Grundstücken wesentlich geschmälert. Hinzu kommt, daß zwischen dem Erlaß des Kriegsfolgengesetzes im Jahre 1957 und der Regelung der Kriegsfolgen im Beitrittsgebiet ein Zeitraum von mehr als 30 Jahren liegt, der neben rechtlichen auch tatsächliche Spuren hinterlassen hat. Es ist davon auszugehen, daß die Grundstücke überwiegend genutzt wurden und nur noch teilweise in dem früheren Zustand vorhanden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zur normativen Beseitigung von Kriegsfolgen eine differenzierende Regelung zulässig (vgl. BVerfGE 59, 128 ff.; 60, 135, 150 ff.). Dabei darf insbesondere auch dem zeitlichen Abstand zum Kriegsende ein besonderes Gewicht beigemessen werden (BVerfGE 46, 299). Eine darauf beruhende unterschiedliche Behandlung ist nicht willkürlich.
bb) Ungleiches wird auch nicht deshalb willkürlich gleich behandelt, weil der Gesetzgeber bestimmt, daß im Beitrittsgebiet grundsätzlich alle von §§ 1 und 2 AKG erfaßten Ansprüche erlöschen. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß mit dieser Behandlung Sachverhalte, die Unterschiede aufweisen, eine gleiche Regelung erfahren. Denn von dem Erlöschen betroffen sind z.B. Zahlungsansprüche genauso wie Herausgabeansprüche. Während die Verweigerung der Erfüllung von Ansprüchen, die auf Geld gerichtet sind, mit dem finanziellen Zusammenbruch des Reiches gerechtfertigt werden kann, kann die Herausgabe von noch vorhandenen Vermögensgegenständen mit dieser Begründung nicht abgelehnt werden. Diesen Unterschied hat der Gesetzgeber bei Erlaß des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes gesehen und in §§ 19 ff. berücksichtigt (vgl. amtliche Begründung zum Entwurf des Gesetzes, BT-Drucks. 2/1659, S. 57 und 597).
Wenn der Gesetzgeber des Einigungsvertrages dieses Regelungswerk für das Beitrittsgebiet nicht übernommen hat, liegt darin kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Dieser verpflichtet den Gesetzgeber nicht, unter allen Umständen Ungleiches ungleich zu behandeln. Entscheidend ist vielmehr, ob für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind, daß der Gesetzgeber sie bei seiner Regelung beachten muß (BVerfGE 1, 264, 275f). Das ist hier nicht der Fall. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Differenzierung bei Erlaß des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes verfassungsrechtlich geboten war. Hier geht es allein darum, ob sich für eine unterschiedslose Behandlung aller Ansprüche anläßlich des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund finden läßt. Das ist schon aus den Gründen zu bejahen, die eine Ungleichbehandlung von Herausgabeansprüchen im Beitrittsgebiet gegenüber solchen in den alten Bundesländern rechtfertigen (vgl. oben unter aa). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber es nach Herstellung der Einheit Deutschlands weitgehend bei den Ergebnissen der unterschiedlichen Entwicklung des Kriegsfolgenrechts in beiden Teilen Deutschlands belassen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt der Auftrag des Gesetzgebers, Prioritäten zu setzen, auch für die Situation nach der Wiedervereinigung, die den Staat erneut mit den nicht vollständig abgewickelten Folgen des Krieges und der NS-Herrschaft konfrontiert und zugleich vor die Aufgabe des Wiederaufbaus in den neuen Bundesländern gestellt hat. Bei der Gewichtung der Staatsaufgaben und der Einschätzung von wirtschaftlicher Lage und finanzieller Leistungskraft kommt dem Gesetzgeber ein besonders weiter Beurteilungsspielraum zu (BVerfGE 84, 90, 130 f; 94, 315, 326; Schmidt-Bleibtreu in: GG-Komm., Art. 135 a Rdn 2; Wirth, aaO, Einführung, Anm. V). In dieser Situation kann derjenige, der als Kriegsfolge eine Eigentumsbeeinträchtigung erlitten hat, nicht aufgrund der Zufälligkeit, daß gerade das ihm entzogene Objekt noch verfügbar ist, eine Bevorzugung gegenüber anderen verlangen, deren Eigentumsstörung nicht rückgängig gemacht werden kann (vgl. BVerfG NJW 1991, 1597, 1602).
4. Einer isolierten Überleitung der §§ 1 und 2 AKG auf das Beitrittsgebiet steht nicht entgegen, daß das Erlöschen des Herausgabeanspruchs hier dazu führt, daß der Eigentümer den Besitz endgültig verloren hat. Die Möglichkeit eines dauernden Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz muß – wie in anderen Fällen auch – hingenommen werden (vgl. MünchKomm-BGB/Wacke, 3. Aufl., § 985, Rdn 25; Staudinger/Gursky, BGB [1993], § 985 Rdn 73; zur Abspaltung des Grundbuchberichtigungsanspruchs vom Eigentum vgl. Senat, BGHZ 122, 308).
5. Die Klage ist auch hinsichtlich der Hilfsanträge unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 247.920 DM, noch einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung von 49.484 DM. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Nr. 3 AKG sind Ansprüche wegen Beeinträchtigung oder Verletzung des Eigentums nicht zu erfüllen. Gegen diese Erlöschensklausel und ihre Überleitung auf das Beitrittsgebiet greifen verfassungsrechtliche Bedenken nicht durch. Der Klägerin steht auch kein Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff zu. Ein solcher Anspruch setzt (u.a.) voraus, daß rechtswidrig in eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition eingegriffen wird (st. Rspr.; vgl. BGHZ 117, 240, 252 m.w.N.). Das ist hier – wie unter 3 a) dargelegt – nicht der Fall.
III.
Zur Anschlußrevision der Klägerin
Ein Anspruch auf Räumung des Grundstücks ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Nr. 3 AKG ausgeschlossen. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Eigentumsposition der Klägerin wird von Art. 14 GG nicht geschützt. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG scheidet aus, weil das Erlöschen des Räumungsanspruchs einen sachlich einleuchtenden Grund hat. Die Klägerin hat kein schützenswertes Interesse an der Räumung, weil sie nicht Besitzerin ist und das Grundstück auch nicht herausverlangen kann.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Vogt, Wenzel, Tropf, Krüger, Klein
Fundstellen
Haufe-Index 1383874 |
BGHZ |
BGHZ, 152 |
NJW 1999, 489 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 1999, 170 |
WM 1998, 2031 |
ZAP-Ost 1999, 35 |
DÖV 1998, 968 |
LKV 1999, 242 |
MDR 1998, 1279 |
NJ 1999, 37 |
NJ 1999, 672 |
OVS 1998, 320 |