Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 23.03.2004) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. März 2004 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Mit seiner Revision macht der Angeklagte ein Verfahrenshindernis geltend und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das von dem Angeklagten geltend gemachte Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs besteht schon deshalb nicht, weil das in Belgien gegen ihn geführte Strafverfahren nicht die im vorliegenden Verfahren angeklagten Lieferungen von Essigsäureanhydrid (ESA) in die Türkei betrifft, sondern die Lieferung von Reinigungsmitteln aus Belgien nach P., die lediglich zur Irreführung der Überwachungsbehörden als ESA deklariert worden waren. Diese Lieferung ist nicht Gegenstand der Anklage.
Das Rechtsmittel hat aber mit der Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil der Schuldspruch wegen täterschaftlichen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht standhält.
I.
1. Das Landgericht hat festgestellt:
Der in Belgien als Chemieingenieur tätige Angeklagte geriet Anfang der 90er Jahre mit seinem Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der gesondert verfolgte H., ein früherer Mitarbeiter des Angeklagten, stand in enger Verbindung mit einer Gruppierung von Personen, die unter nicht näher zu klärenden Umständen in der Türkei in großen Mengen Heroin zum Weiterverkauf herstellen wollte. Kopf dieser Organisation war … K.. Für diese Gruppierung suchte H. eine Möglichkeit zum Erwerb großer Mengen ESA, um es in die Türkei bringen zu lassen. ESA ist neben Morphinbase wesentlicher Grundstoff zur Herstellung von Heroin. Aus 3,5 Gewichtseinheiten ESA können etwa 1,2 Gewichtsanteile Heroin produziert werden. Ende 1994/Anfang 1995 gewann H. den Angeklagten für eine Zusammenarbeit. Er weihte ihn ein, daß er für eine Gruppe, die in der Türkei große Mengen Heroin herstellte oder jedenfalls herzustellen beabsichtigte, eine Bezugsquelle für ESA im Tonnenbereich suche. H. trug dem Angeklagten an, das in Belgien frei handelbare ESA zu beschaffen und anschließend mit ihm zusammen den Transport von Belgien in die Türkei in die Wege zu leiten. H. stellte für 1995 etwa 10 Transporte von jeweils 5-10 Tonnen in Aussicht. Da H. dem Angeklagten für seine Mitwirkung erhebliche Geldbeträge versprach, deren Höhe aber nicht geklärt werden konnte, ging er auf das Angebot ein. Der Angeklagte sah die Möglichkeit, sich eine erhebliche Einnahmequelle von gewisser Dauer zu verschaffen. Er brachte in Erfahrung, daß der Handel mit ESA in Mengen ab 20 Liter registrierungspflichtig war und daß die Ausfuhr in die Türkei nicht genehmigungsfähig war. Hierin sah der Angeklagte in Abstimmung mit H. aber kein Hindernis. Denn das ESA sollte offiziell als Hilfsmittel für die Textilindustrie erworben und zwischen legalen Tarnladungen versteckt per LKW in die Türkei transportiert werden. Die Ideen und Vorgaben hierfür stammten von H., der es auch übernahm, den in der Bundesrepublik Deutschland in L.-E. ansässigen Fuhrunternehmer S. für die Transporte in die Türkei zu gewinnen.
Der Angeklagte hatte keinerlei Kontakte zu sonstigen Mitgliedern der mit der Heroinherstellung befaßten Gruppierung, insbesondere kannte er den Kopf der Gruppe, … K., noch nicht. Ihm war jedoch klar, daß er durch die mit H. vereinbarte Beschaffung von ESA und seine Mitwirkung bei den Vorbereitungen der Transportfahrten wichtige Beiträge zur Herstellung und zum Absatz von Heroin in großen Mengen leisten würde. Aus finanziellem Interesse war der Angeklagte bereit, durch seine Mitwirkung im Vorfeld der Produktion zur Herstellung und zum gewinnbringenden Absatz großer Mengen beizutragen. Als Chemieingenieur informierte er sich auch darüber, welche Mengen Heroin mit dem gelieferten ESA produziert werden konnten. In der Folgezeit kam es zwischen Februar und Oktober 1995 unter Mitwirkung des Angeklagten zu fünf Transporten, bei denen insgesamt rund 45 Tonnen ESA aus Belgien durch die Bundesrepublik in die Türkei geliefert wurden.
Für die erste Lieferung bestellte der Angeklagte nach Vorgaben H. s am 14. Februar 1995 über seine belgische Firma 5 Tonnen ESA, die Ende Februar 1995 an eine Firma in W. geliefert wurden, wo der Stoff, wie mit H. abgesprochen, in Fünf-Liter-Kanister abgefüllt und zwischengelagert wurde. Zweck des Umfüllens war es, das ESA in einer Lieferung Reinigungsmittel zu verstecken. Das Geld für diese Lieferung (umgerechnet knapp 66.000 DM) sowie die Kosten für das Abfüllen und Zwischenlagern wurde von H. zur Verfügung gestellt. In Absprache mit diesem bestellte der Angeklagte daneben als Vermittler für eine Firma in I., hinter der, wie der Angeklagte wußte, die Gruppe um K. stand, 22 Tonnen Shampoo und Reinigungsmittel als Tarnladung. Die Reinigungsmittel wurden unmittelbar von der Firma in I. … bezahlt. Als Transporteur hatte H. den Zeugen S. gewonnen. Der Angeklagte war an den Vereinbarungen mit S. nicht beteiligt. Er übermittelte S. lediglich eine Wegbeschreibung zur Aufnahme der Tarnladung und der Kanister mit ESA. S. beauftragte seinen Mitarbeiter F. mit der Ausführung des Transports. F. brach am 23. Februar 1995 nach Belgien auf. Er holte zunächst die Tarnladung ab und fuhr dann zu dem Zwischenlager, wo unter Mitwirkung des Angeklagten die Umladung erfolgte. Die Paletten mit ESA wurden in der Mitte der übrigen Ladung versteckt. In den Frachtpapieren war die gesamte Ladung als Shampoo deklariert. Nach Vorgaben von H. war F. von S. angewiesen worden, daß er über die Balkanroute in die Türkei fahren solle. Der Angeklagte machte F. vor der Abfahrt darauf aufmerksam, daß es sich bei dem zugeladenen Stoff um eine Chemikalie mit hoher Konzentration handele, die nicht mit Wasser in Berührung kommen und nicht auf mehr als 36° erwärmt werden dürfe. Nach mehreren Zwischenfällen traf F. Mitte März an der türkischen Grenze ein. Bereits am 8. März 1995 hatte sich der Angeklagte bei der Spedition S. erkundigt, ob der Wagen in I. angekommen sei. Hinter der Grenze wurde F. u.a. von … K. … erwartet und nach I. geleitet, wo die Kanister mit ESA abgeladen und durch Kanister mit Wasser ersetzt wurden. Sodann wurde die verbliebene Ladung verzollt.
H. drängte auf einen baldigen zweiten Transport. Der Angeklagte bestellte daher spätestens im März 1995 für umgerechnet 133.200 DM weitere rund 10 Tonnen ESA, wobei als Verwendungszweck die Produktion eines Stabilisators zur Textilbehandlung vorgetäuscht wurde. Das ESA wurde im Auftrag des Angeklagten wieder in Kanister umgefüllt und zwischengelagert. Daneben bestellte der Angeklagte Reinigungsmittel als Tarnladung. H. informierte den Spediteur S., daß am 27. März 1995 die zweite Transportfahrt erfolgen solle. Der Angeklagte erkundigte sich, wann ein LKW für die nächste Tour zur Verfügung stehen werde. F. holte am 27. März 1995 zunächst die Tarnladung ab und fuhr dann zum Zwischenlager mit den ESA-Kanistern. Unter Mitwirkung H. s und des Angeklagten wurden die 10 Tonnen ESA wie beim ersten Mal hinter der Tarnladung versteckt. Am 29. März 1995 brach F. über Deutschland in die Türkei auf und passierte in der Nacht vom 7./8. April 1995 die türkische Grenze. Der weitere Ablauf des Abladens in I. entsprach dem ersten Transport.
Weitere drei im Ablauf im wesentlichen gleiche Lieferungen erfolgten im Mai 1995 (10 Tonnen ESA), Juni 1995 (10 Tonnen ESA) und September 1995 (9,6 Tonnen ESA). Bei der letzten Lieferung hatte der inzwischen tätige Fahrer Ke. nicht genügend Geld für die Fähre nach Italien bei sich. Da er F. nicht erreichen konnte, rief er den Angeklagten an. Dieser veranlaßte, daß ihm im Fährbüro der erforderliche Betrag zur Verfügung gestellt wurde.
Das Landgericht konnte nicht feststellen, unter welchen Umständen der Angeklagte die ihm von H. für die Beschaffung des ESA und die Vorbereitung des Transports in Belgien zugesagte Entlohnung erhielt. Das Landgericht ist aber davon ausgegangen, daß der Angeklagte nach den jeweiligen Transporten, spätestens jedoch nach dem Absatz des hergestellten Heroins, eine erhebliche, der Höhe nach allerdings unbekannte Geldsumme erhielt. Nicht feststellen konnte das Landgericht, daß der Angeklagte über Einzelheiten der Heroinherstellung und des Heroinabsatzes informiert war.
Der Angeklagte lernte … K. erst im Sommer 1995, wahrscheinlich zwischen der vierten und fünften Transportfahrt, bei einem von F. vermittelten Treffen in einem Hotel in B. kennen. Gesprächsgegenstand bei diesem Treffen war u. a. die Beschaffung eines Grundstoffs für Amphetaminprodukte.
2. Das Landgericht wertet das Verhalten des Angeklagten als täterschaftliches bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und meint, der Umstand, daß der Angeklagte Lieferant der zur Heroinherstellung verwendeten ESA-Mengen war und bei der Vorbereitung der Transportfahrten in die Türkei mitwirkte, ohne selbst an der Produktion des Rauschgifts und dessen gewinnbringenden Absatz beteiligt gewesen zu sein, stehe der Annahme von Täterschaft nicht entgegen. Bereits durch die Aufnahme der Drogenherstellung, zu der der Angeklagte durch Lieferung eines wesentlichen Grundstoffs einen maßgeblichen Beitrag geleistet habe, in der Absicht, daß das Rauschgift anschließend verkauft werde, sei der Tatbestand des Handeltreibens erfüllt. Daß die Heroinherstellung nur im Ausland durch andere Täter erfolgt sei, ändere an der täterschaftlichen Beteiligung des Angeklagten am Handeltreiben nichts.
Entscheidungsgründe
II.
Der Schuldspruch wegen täterschaftlichen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen hat keinen Bestand. Das Landgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, daß auf das Tatverhalten des Angeklagten das deutsche Strafrecht anwendbar ist (1.). Die Erwägungen, mit denen das Landgericht täterschaftliches Handeltreiben des Angeklagten begründet hat, halten jedoch – worauf die Revision zu Recht hinweist – der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand (2.). Der Tatrichter hätte unter den festgestellten Umständen eine genauere Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe vornehmen müssen, weil bei dem bisher festgestellten Tatbeitrag des Angeklagten die Annahme von Beihilfe zum Handeltreiben zumindest naheliegt. Führt diese Abgrenzung zur Annahme von Beihilfe, hat der Angeklagte tateinheitlich hierzu als Mittäter ein Vergehen des unerlaubten gewerbs- und bandenmäßigen Handeltreibens mit Grundstoffen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 und 2 in Verbindung mit § 3 Grundstoffüberwachungsgesetz (GÜG) verwirklicht. Dieses Vergehen ist jedoch verjährt (3.).
1. Das deutsche Strafrecht ist auf die dem Angeklagten zur Last legenden Taten anwendbar, obwohl er ausschließlich in Belgien tätig geworden ist. Soweit dem Angeklagten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 30 a BtMG zur Last gelegt wird, folgt die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts aus § 6 Nr. 5 StGB. Soweit ein Vergehen nach § 29 GÜG in Betracht kommt, folgt dies aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, weil der Angeklagte Deutscher ist und die Taten auch in Belgien mit Strafe bedroht sind. Daneben ergibt sich die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts aus § 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Satz 1 StGB, weil der Angeklagte bei den ESA-Lieferungen mit dem auch im Inland tätig gewordenen H., dem Spediteur S. und den Fahrern F. und Ke. zusammengearbeitet hat. Wird die Straftat von mehreren Beteiligten begangen, ist für jeden von ihnen ein Tatort begründet, wo einer von ihnen gehandelt hat (vgl. BGHSt 39, 88, 90 f.). Alle Transportfahrten führten aber auch durch Deutschland, wo auch der Spediteur S. seinen Sitz hatte.
2. Die Erwägungen des Landgerichts tragen nicht die Annahme, der Angeklagte habe sich als Mittäter des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schuldig gemacht, indem er für die Gruppierung um K. den Grundstoff ESA beschafft und den Transport in die Türkei mit vorbereitet habe.
a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfaßt das Handeltreiben im Sinne von § 29 BtMG zwar jedes eigennützige Bemühen, das darauf gerichtet ist, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern; erforderlich ist aber, daß Tätigkeiten erfolgen, die auf die Ermöglichung oder Förderung eines bestimmten Umsatzgeschäfts mit Betäubungsmitteln zielen (vgl. BGHSt 47, 134, 136 m.w.N.). Nicht ausreichend ist, wenn der Beteiligte nur allgemein weiß, daß der Stoff im Rahmen des Umsatzes von Betäubungsmitteln verwendet werden soll (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 37; Körner, BtMG 5. Aufl. § 29 Rdn. 157). Umsatzgeschäft bei der Lieferung eines Grundstoffs zur Herstellung eines Betäubungsmittels ist zunächst allein der Verkauf des Grundstoffs. Mit dem Verkauf des Betäubungsmittels ist der Grundstoffhändler – wie der Fall des Angeklagten zeigt – regelmäßig nicht befaßt. Sein Geschäft ist abgewickelt, wenn er den Grundstoff geliefert hat und dafür bezahlt worden ist. Die Belieferung mit Grundstoffen zur Herstellung von Betäubungsmitteln begründet deshalb noch keinen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39; BGHSt 47, 134, 136). Der Händler kann aber – je nach Tatinteresse und Tatherrschaft – etwa Mittäter des Betäubungsmittelhändlers oder Teilnehmer an dessen Tat sein (vgl. BGHSt 47, 134, 137 zum Handeltreiben mit Betäubungsmittelimitaten). Arbeitsteilige Mittäterschaft beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln kommt aber nur dann in Betracht, wenn auch festgestellt werden kann, daß der Lieferant mit Täterwillen im Zusammenwirken mit den übrigen Beteiligten aufgrund eines gemeinsamen Tatplans seinen Tatbeitrag zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch die Beschaffung des Grundstoffs erbrachte (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 37). Ob der Beteiligte ein solch enges Verhältnis zum Rauschgiftgeschäft hatte, ist nach den gesamten Umständen in wertender Betrachtung zu entscheiden, wobei der entscheidende Bezugspunkt das Betäubungsmittelgeschäft ist (vgl. Weber, BtMG 2. Aufl. § 29 Rdn. 367 i.V.m. Rdn. 353). Die sich hieraus ergebenden Beschränkungen sind notwendig, um die – inzwischen als bedenklich erkannte – uferlose Ausweitung des Tatbestands zu vermeiden. Zu einer extensiven Auslegung des Tatbestands besteht im Zusammenhang mit der Belieferung von Grundstoffen auch deshalb kein Anlaß, weil insoweit das Grundstoffüberwachungsgesetz in seinem § 29 hinreichende flankierende Maßnahmen zum Schutz der Volksgesundheit trifft. Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil das Vergehen nach § 29 Abs. 3 GÜG in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall verjährt ist (vgl. unten II, 3).
ESA ist ein Grundstoff i.S.v. § 2 Nr. 1 GÜG. Das Handeltreiben hiermit ist nach § 3 GÜG verboten, wenn der Grundstoff zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden soll. Der Verstoß gegen dieses Verbot ist in § 29 Abs. 1 Nr. 1 GÜG mit Strafe bedroht. Die Vorschriften des Grundstoffüberwachungsgesetzes treten hinter den Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes lediglich insoweit zurück, als der Unrechtsgehalt bereits von dessen Strafvorschriften hinreichend erfaßt wird (vgl. Körner aaO § 29 Rdn. 1766). Das ist aber dann nicht der Fall, wenn der Täter in bezug auf das Verbrechen nach § 30 a Abs. 1 BtMG lediglich der Beihilfe schuldig ist, er das unerlaubte banden- und gewerbsmäßige Handeltreiben mit Grundstoffen aber als Mittäter verwirklicht hat. Dies folgt schon daraus, daß der nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB ermäßigte Strafrahmen des § 30 a BtMG milder ist als der des § 29 Abs. 3 GÜG.
Ausgehend hiervon hätte das Landgericht näher prüfen müssen, ob die Beteiligung des Angeklagten an dem Tatgeschehen als Mittäterschaft oder als Beihilfe zu werten ist. Diese Abgrenzung war hier nicht etwa deshalb entbehrlich, weil das Landgericht den Angeklagten wegen bandenmäßiger Tatbegehung verurteilt hat. Die Mitgliedschaft in einer Bande begründet für sich allein noch nicht die Mittäterschaft. Vielmehr beurteilt sich die Abgrenzung zwischen den Beteiligungsformen auch beim bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. BGH NStZ 2002, 375, 377 m.w.N.). Entgegen der Annahme des Landgerichts reicht es zur Begründung von Mittäterschaft beim Handeltreiben deshalb nicht aus, daß der Angeklagte als Lieferant des ESA und bei der Vorbereitung der Transportfahrten in die Türkei mitwirkte, auch wenn er wußte, daß mit dem Grundstoff Heroin hergestellt werden sollte. Der Angeklagte war weder in die Heroinherstellung, noch in den Heroinabsatz eingebunden. Die Annahme von Mittäterschaft setzt jedoch voraus, daß der Angeklagte in Bezug auf das eigentliche Betäubungsmittel-Umsatzgeschäft das hierfür notwendige enge Verhältnis hat. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39) ist für diese Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe maßgebend, welcher Art der Tatbeitrag ist und mit welcher Willensrichtung er geleistet wird. Eine ganz untergeordnete Tätigkeit deutet schon objektiv darauf hin, daß der Beteiligte nur Gehilfe ist. Für die Willensrichtung kommt es darauf an, ob der Tatbeitrag als bloße Förderung fremden Tuns oder als eigene von Täterwillen getragene Handlung erscheint. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die der Täter sich bei seiner zur Tatverwirklichung beitragenden Tätigkeit vorgestellt hat. Wesentliche Anhaltspunkte dafür sind der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und der Wille des Täters, Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich zu bestimmen. Mittäterschaft kommt vor allem in Betracht, wenn der Beteiligte in der Rolle eines gleichberechtigten Partners mitgewirkt hat (vgl. BGH NStZ 1984, 413; 2002, 375, 377; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Handeltreiben 1; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 37, 39, jeweils m.w.N.).
b) Nach diesen Grundsätzen ist nicht auszuschließen, daß der Angeklagte nicht als Mittäter, sondern als Gehilfe zur Verantwortung zu ziehen ist. Der Tatbeitrag des Angeklagten erschöpfte sich in der Beschaffung des Grundstoffs ESA und der Vorbereitung des Transports in die Türkei. Wie das Landgericht für jeden Einzeltransport feststellt, orientierte sich auch die Entlohnung des Angeklagten an diesem Umfang seines Tatbeitrags. Schon auf den Transport hatte der Angeklagte keinen Einfluß. Lediglich bei der fünften Lieferung stellte er dem Fahrer Ke. bei der Rückfahrt das Fährgeld zur Verfügung. Im übrigen war er in den Ablauf der Transporte nicht eingebunden und hatte auch keine Kenntnis von ihren Einzelheiten. An der Herstellung des Rauschgifts war er ebensowenig beteiligt wie an der Veräußerung der Drogen. Insoweit hatte er keinerlei Tatherrschaft und war auch nicht in der Lage, wesentliche Vorgänge der Herstellung und des Absatzes zu steuern oder sonst darauf einzuwirken. Das Landgericht konnte nicht feststellen, daß der Angeklagte insoweit nähere Kenntnisse hatte. Hinzu kommt, daß der Angeklagte aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation nur deshalb zur Lieferung des Grundstoffs in der Lage war, weil ihm die zur Beschaffung des Grundstoffs und der Tarnladung erforderlichen Gelder von seinen Auftraggebern zur Verfügung gestellt wurden. Der Angeklagte handelte bei seinen Beschaffungsmaßnahmen nicht aufgrund eigener Initiative, sondern jeweils auf Anforderung H. s, von dem auch die Planung und das Konzept für die Tarnladung stammten. Der Angeklagte wurde von einer in der Türkei bereits bestehenden Gruppierung angesprochen, von deren Mitgliedern er zunächst nur H. kannte, und über die er keine weiteren Kenntnisse hatte. Den Chef der Gruppe, … K., lernte er erst kennen, nachdem die Lieferungen bereits abgewickelt waren. Hiervon ist jedenfalls zugunsten des Angeklagten auszugehen, weil das Landgericht den genauen Zeitpunkt des ersten Zusammentreffens (wahrscheinlich zwischen dem vierten und fünften Transport, UA S. 32/33) nicht feststellen konnte. Da das Landgericht keine tragfähigen näheren Feststellungen zur Höhe der „erheblichen Geldbeträge” treffen konnte, mit denen der Angeklagte entlohnt worden sein soll, kann auch hieraus nicht auf eine Einbindung des Angeklagten in das eigentliche Heroingeschäft geschlossen werden. Vielmehr legen die bisher festgestellten Gesamtumstände eher nahe, daß der Angeklagte hieran nicht mittäterschaftlich beteiligt war.
Nach der Rechtsprechung kann zwar auch die eigennützige Förderung fremder Umsatzgeschäfte mit Betäubungsmitteln – also ohne mittäterschaftliche Beteiligung – den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllen (vgl. BGHSt 34, 124, 125; 29, 239, 240; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 37, 39). Doch ist dafür regelmäßige Voraussetzung, daß der Täter mit den Betäubungsmitteln selbst befaßt ist, etwa als Kurier, oder unmittelbar in das Rauschgiftgeschäft eingebunden ist. Diese Voraussetzung ist für den Angeklagten durch das bloße Wissen, wozu der von ihm gelieferte Grundstoff verwendet werden sollte, aber nicht gegeben (vgl. BGHR aaO m.w.N.).
3. Soweit eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 29 Abs. 3 GÜG in Betracht kommt, ist Verfolgungsverjährung eingetreten. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 4 StGB). Für die von Februar bis Oktober 1995 begangenen Taten wurde die Verjährung zwar zunächst durch den Erlaß des Haftbefehls durch das Amtsgericht Düren am 4. August 1998 rechtzeitig unterbrochen (§ 78 c Abs. 1 Nr. 5 StGB). Die nächste Unterbrechungshandlung erfolgte aber mit der richterlichen Vernehmung des Angeklagten am 16. Oktober 2003 erst mehr als fünf Jahre später und somit nach Eintritt der Verfolgungsverjährung für dieses Vergehen. Eine Bestrafung des Angeklagten wegen eines Vergehens nach dem Grundstoffüberwachungsgesetz scheidet daher aus.
III.
Die Sache muß daher neu verhandelt und entschieden werden, damit der neue Tatrichter in eigener Wertung beurteilen kann, ob der Angeklagte Mittäter oder Gehilfe des bandenmäßigen Handeltreibens mit Heroin gewesen ist. Der Senat kann nicht ausschließen, daß zu dieser Abgrenzung in einer neuen Hauptverhandlung noch weitere Feststellungen zur Einbindung des Angeklagten in das eigentliche Heroingeschäft getroffen werden können.
Wenn man mit dem Landgericht davon ausgeht, daß die Gruppe um K. … in der Türkei Heroin hergestellt und auch verkauft hat, ist bisher offen geblieben, in welchem Umfang das in Bezug auf die einzelnen Lieferungen von ESA geschehen ist. Der Abbruch der Transportfahrten nach der fünften Lieferung deutet darauf hin, daß möglicherweise noch nicht die Gesamtmenge des Grundstoffs verbraucht worden war. Demgegenüber deutet die dem Angeklagten von K. Anfang 1996 angetragene Wiederaufnahme der ESA-Lieferung (UA S. 34) darauf hin, daß zu diesem Zeitpunkt die Vorräte der türkischen Gruppe zu Ende gingen. Diese Beweisumstände wird der neue Tatrichter zu bewerten haben.
Es wird daher auch zu prüfen sein, ob sich die Haupttat des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln der türkischen Gruppierung um K. aufgrund einer Bewertungseinheit als eine Tat oder als mehrere Taten darstellt. Wegen der Akzessorietät der Beihilfe werden mehrere an sich selbständige Beihilfehandlungen zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefaßt, wenn beim Haupttäter eine Tat nach den Grundsätzen der Bewertungseinheit gegeben ist (vgl. BGH NStZ 1999, 451 = BGH bei Winkler NStZ 2000, 248).
Unterschriften
Rissing-van Saan, Bode, Otten, Fischer, Roggenbuck
Fundstellen
Haufe-Index 2556602 |
StV 2005, 666 |