Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 23. Dezember 1998, soweit es die Angeklagten J. und F. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum Betrug und zur Urkundenfälschung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Ihnen liegt zur Last, den Mitangeklagten G., der rechtskräftig wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, dabei unterstützt zu haben, Baurechnungen, Mietverträge und Unterlagen über Einkommensverhältnisse, die bei einer Bank für eine Kreditgewährung eingereicht wurden, zu fälschen.
Gegen den Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision.
Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte F. ist Kriminalbeamter und war in der Wirtschaftsabteilung der K. Kriminalpolizei tätig, und zwar unter anderem im Bereich Computerkriminalität. Unter dem Namen seiner Ehefrau betrieb er – ohne eine beamtenrechtliche Nebentätigkeitsgenehmigung, die auch nicht hätte erteilt werden dürfen – ein EDV-Unternehmen. Auch der Angeklagte J. ist Kriminalbeamter, zuletzt war er in K. in der Abteilung Wirtschaftskriminalität beschäftigt. Ohne entsprechende beamtenrechtliche Nebentätigkeitsgenehmigung übte er eine Tätigkeit als Unternehmensberater aus.
Der Mitangeklagte G. wollte im Jahre 1993 in Bo. einen Gewerbepark errichten. Er hatte Schwierigkeiten, für die Finanzierung des Vorhabens eine kreditgewährende Bank zu finden. Die Angeklagten, an die er sich gewandt hatte, wollten ihm bei der Präsentation des Projekts behilflich sein und erstellten dafür ein Exposé. Dieses enthielt auch einen Vermögensstatus. Darin befanden sich unrichtige Angaben des Mitangeklagten G. über seine finanzielle Situation und seine betriebliche Leistungsfähigkeit. Wahrheitswidrig hatte er zwei Grundstücke als sein Eigentum ausgegeben und entsprechende Grundbuchauszüge mittels Kopierer gefälscht. Die Angeklagten übernahmen in Unkenntnis der Unrichtigkeit diese Angaben in das Exposé. Auf Grund dieser Unterlagen erklärte sich die B. Handels- und F. Bank (H -Bank) im Februar 1994 zu einer Zwischenfinanzierung (8,2 Mio. DM) unter zahlreichen Auflagen bereit. Als die Darlehensgewährung an einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme gegen den Mitangeklagten G. zu scheitern drohte, gewährten ihm die Angeklagten und ein Dritter zur Begleichung der Gläubigerforderung von insgesamt 45.000 DM ein Darlehen in Höhe von jeweils 15.000 DM, das etwa drei Wochen später zurückgezahlt wurde. G. fälschte in großem Umfang Rechnungen, die er der H -Bank vorlegte und für die er von dieser Abschlagszahlungen erhielt. Daran waren die Angeklagten nicht beteiligt. Desweiteren fälschte G. ab Herbst 1993 mehrere für die H -Bank bestimmte Mietverträge.
Die Angeklagten erhielten von G. aus den von der H -Bank gezahlten Geldern im April 1994 jeweils 31.433,33 DM (1/6 aus 188.600 DM) als Provision für ihre Tätigkeit. Als sie im Sommer 1994 bemerkten, daß dieser, obwohl das Vorhaben keine wesentlichen Fortschritte machte, größere private Anschaffungen tätigte, befürchteten sie, es gebe einen neuen Investor und sie würden dadurch um weitere Provisionen gebracht, die bei der Auszahlung von Kreditmitteln für die folgenden Bauabschnitte zu erwarten waren. Sie kopierten deshalb heimlich Daten aus dem Computer des G. Bei der Auswertung erkannten sie, daß dieser im Rahmen des Bauprojekts mit gefälschten Rechnungen arbeitete. Sie unternahmen jedoch nichts. Grund ihres Untätigbleibens war ihr Interesse an der Erlangung zusätzlicher zukünftiger Provisionszahlungen. Die H -Bank zahlte in der Folgezeit noch weitere Kreditmittel an den Mitangeklagten G. aus. Als die Angeklagten im Dezember 1994 auch die Fälschung von Mietverträgen feststellten, wurde die H -Bank informiert. Dieser ist durch das Verhalten des G. ein Schaden in Höhe von ca. 2,3 Mio. DM (einschließlich des entgangenen Gewinns) entstanden.
2. Zu Unrecht beanstandet die Staatsanwaltschaft allerdings, daß das Landgericht eine durch positives Tun begangene Beihilfehandlung der Angeklagten nicht als erwiesen ansah. Die dem zugrundeliegende Beweiswürdigung ist frei von Rechtsfehlern. Die Strafkammer hat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, warum sie sich nicht davon zu überzeugen vermochte, daß sich die Angeklagten durch aktives Tun an den Straftaten des Mitangeklagten G. beteiligt haben.
3. Trotzdem kann das Urteil keinen Bestand haben, da das Landgericht den festgestellten Sachverhalt rechtlich nicht vollständig gewürdigt hat.
Nach den Feststellungen unternahmen die Angeklagten nichts, als sie im Sommer 1994 erkannten, daß der Mitangeklagte G. im Rahmen des Bauprojekts mit gefälschten Rechnungen arbeitete, weil sie zu erwartende Provisionszahlungen nicht gefährden wollten. Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht prüfen müssen, ob sie durch ihr Untätigbleiben dem Mitangeklagten G. bei dessen (weiteren) Betrugs- und Fälschungshandlungen in strafbarer Weise durch Unterlassen (§ 13 StGB) Hilfe geleistet haben.
Eine Rechtspflicht zum Handeln könnte sich hier aus ihrer öffentlich-rechtlichen Pflichtenstellung als Polizei-(Kriminal-)beamte ergeben. Ein Polizeibeamter ist zwar grundsätzlich nur im Rahmen seiner Dienstausübung Garant für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter Dritter. Besonderheiten können sich aber ergeben, wenn er außerdienstlich Kenntnis von Straftaten erlangt, die – wie Dauerdelikte oder auf ständige Wiederholung angelegte Handlungen – während seiner Dienstausübung fortwirken; dabei bedarf es der Abwägung im Einzelfall, ob das öffentliche Interesse privaten Belangen vorgeht. Von entscheidender Bedeutung ist, ob durch die Straftat Rechtsgüter der Allgemeinheit oder des einzelnen betroffen sind, denen jeweils ein besonderes Gewicht zukommt. Dies kann auch außerhalb des Katalogs des § 138 StGB bei schweren Straftaten, und zwar auch bei Vermögensstraftaten mit hohem wirtschaftlichen Schaden oder besonderem Unrechtsgehalt, der Fall sein (vgl. BGHSt 38, 388 ff. mit Anmerkungen Bergmann StV 1993, 518 f.; Mitsch NStZ 1993, 518 ff.; Laubenthal JuS 1993, 907 ff.; Münch NJW 1993, 384 f.; vgl. auch BGHSt 5, 225; 12, 277; BGH NStZ 1998, 194 m.w.N.; zuletzt OLG Koblenz NStZ-RR 1998, 332 f.; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 13 Rdn. 6 a). Im Rahmen des Zumutbaren (vgl. BGH NJW 1964, 731, 732 insoweit nicht in BGHSt 19, 167 ff. abgedruckt; BGH JR 1994, 510 m. Anm. Loos S. 511, 512) muß der Polizeibeamte unter Umständen auch bei der Gefährdung von lndividualrechtsgütern, wie hier des Vermögens der H -Bank, einschreiten (vgl. BGHSt 38, 392 m.w.N.).
Ob nach diesen rechtlichen Maßstäben eine Pflicht der Angeklagten zum Handeln bestand, kann der Senat nicht beurteilen, da es im angefochtenen Urteil an den hierzu erforderlichen Feststellungen fehlt. Das betrifft vor allem die Höhe des im maßgeblichen Zeitpunkt noch drohenden Schadens, zumal nicht festgestellt ist, welche Kreditmittel von der H -Bank noch ausgezahlt worden sind, nachdem die Angeklagten von den Rechnungsfälschungen des Mitangeklagten G. Kenntnis erhalten hatten. Auf der Grundlage der nur im Blick auf eine Strafbarkeit durch aktives Tun getroffenen Feststellungen läßt sich zudem nicht bestimmen, welches konkrete Handeln von den Angeklagten – im Fall einer Bejahung ihrer Garantenpflicht – unter Beachtung der Grenze des Zumutbaren verlangt werden konnte. Davon abgesehen versteht sich auch nicht von selbst, daß die Bank weitere Kreditmittel zurückgehalten hätte, wenn sie von den Angeklagten über die Rechnungsfälschungen informiert worden wäre, da sie einerseits über Sicherheiten verfügte, andererseits das Projekt schon fortgeschritten war, sich jedenfalls nicht mehr im Anfangsstadium befand. Die neu entscheidende Strafkammer wird – unbeschadet ihrer Pflicht, auch über den Vorwurf strafbarer Beihilfe durch aktives Tun erneut zu befinden – die insoweit wesentlichen Tatsachen und Umstände festzustellen haben. Dabei wird das Verhalten der Angeklagten gegebenenfalls auch unter dem Gesichtspunkt eines möglicherweise vorliegenden Strafvereitelungsdelikts (§§ 258, 258 a StGB) zu würdigen sein.
Unterschriften
Niemöller, Detter, Bode, Otten, Rothfuß
Fundstellen
Haufe-Index 540328 |
NStZ 2000, 147 |
wistra 2000, 338 |
wistra 2000, 92 |
Kriminalistik 2000, 386 |