Leitsatz (amtlich)
a) Der Begriff der Berufsunfähigkeit in §§ 2 und 7 BB-BUZ ist inhaltlich deckungsgleich; eine Differenzierung im Prüfungsmaßstab bei Eintritt von Berufsunfähigkeit einerseits und deren Fortbestand andererseits kommt deshalb – auch was die Berücksichtigung der Lage auf dem Arbeitsmarkt anlangt – nicht in Betracht.
b) Setzt der freiwillige Erwerb neuer beruflicher Fähigkeiten den Versicherten in den Stand, eine andere Tätigkeit im Sinne des § 2 (1) BB-BUZ auszuüben, darf der Versicherer von seinem Recht zur Leistungseinstellung gemäß § 7 (4) BB-BUZ erst dann Gebrauch machen, wenn der Versicherte einen Arbeitsplatz in einem Vergleichsberuf erlangt hat oder sich um einen solchen nicht in zumutbarer Weise bemüht.
c) Eine Änderungsmitteilung im Sinne des § 7 (4) BB-BUZ kann auch in einem während des Rechtsstreits um den Fortbestand der Leistungspflicht übermittelten Schriftsatz des Versicherers zu sehen sein.
Normenkette
Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ) §§ 2, 7
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Aktenzeichen 7 U 218/97) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Mai 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit 1. Oktober 1987 eine Kapitallebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die mit der Zusatzversicherung versprochenen Leistungen – Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente und Befreiung von der Beitragszahlungspflicht – über den 1. Juli 1995 hinaus zu erbringen.
Dem Versicherungsvertrag liegen Besondere Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ) zugrunde, die bezüglich des Eintritts des Versicherungsfalles Berufsunfähigkeit (§ 2 BB-BUZ) den Musterbedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aus dem Jahre 1975 (VerBAV 1975, 2) entsprechen. In § 7 der Bedingungen der Beklagten wird u.a. bestimmt:
„(1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad nachzuprüfen. Dabei sind neu erworbene berufliche Fähigkeiten zu berücksichtigen.
…
(4) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50% vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen …”
Der 1966 geborene Kläger beendete 1986 seine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und war danach im erlernten Beruf als Geselle tätig. Seit Frühjahr 1989 war er bei der M. AG als Kfz-Schlosser angestellt. Im November 1992 erkrankte er an einer neuralgischen Schulteramyotrophie und war in deren Folge zunächst bis Mitte Februar 1993 und sodann – obwohl er nur noch mit Büroarbeiten betraut worden war – ab 20. Dezember 1993 erneut arbeitsunfähig. Sein Arbeitsverhältnis wurde schließlich zum 30. April 1994 im gegenseitigen Einvernehmen beendet; kurz darauf begann der Kläger mit einer Fortbildung zum Kfz-Meister.
Mit der Behauptung, er sei seit 7. November 1992 bedingungsgemäß berufsunfähig, verlangte der Kläger von der Beklagten ab November 1992 die für diesen Fall vertraglich versprochenen Leistungen. Nachdem die Beklagte daraufhin zunächst Zahlung der Rente ab 1. Juni 1994 angekündigt hatte, erklärte sie schließlich mit Schreiben vom 9. Juni 1994, daß Berufsunfähigkeit des Klägers ab dem 20. Dezember 1993 vorliege, der Anspruch auf Rente und Beitragsfreiheit ab dem 1. Januar 1994 entstanden und die erste Rentenzahlung zum 1. Juli 1994 fällig sei.
Nachdem der Kläger im April 1995 seine Meisterprüfung als Kfz-Meister abgelegt und die Beklagte davon unterrichtet hatte, erklärte diese mit Schreiben vom 23. August 1995, sie werde ab 1. Juli 1995 keine weiteren Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erbringen. Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liege nicht mehr vor, weil es dem Kläger auf der Grundlage seiner neu erworbenen Qualifikation möglich sei, eine Tätigkeit als Kfz-Meister, Werkstattleiter, Fuhrparkleiter oder Ausbilder im Kfz-Handwerk auszuüben und dabei ein seine bisherige Lebensstellung wahrendes Einkommen zu erzielen.
Mit seiner – auf Zahlung an einen Zessionar gerichteten – Klage hat der Kläger die für den Fall der Berufsunfähigkeit vertraglich versprochenen Leistungen über den 1. Juli 1995 hinaus bis zum Vertragsende (2026) verlangt und zudem die Rückzahlung von ihm ab 1. Juli 1995 unter Vorbehalt geleisteter Beiträge begehrt. Er ist der Auffassung, eine Verweisung auf die von der Beklagten aufgezeigten Tätigkeiten komme nicht in Betracht. Sie verlangten eine körperliche Mitarbeit des Meisters, die zu erbringen er gesundheitlich nicht in der Lage sei; sie setzten zudem bereits vorhandene praktische Erfahrungen voraus, über die er nicht verfüge. Deshalb sei es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen, eine Anstellung als Kfz-Meister zu erlangen. Schließlich sei auch die seit Ende 1995 von ihm ausgeübte selbständige Tätigkeit als Inhaber einer Mietwerkstatt nebst Waschanlage seiner bis zum Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübten Tätigkeit als Kfz-Schlosser nicht vergleichbar.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, soweit der Kläger Rentenleistungen vom 1. Juli 1995 bis zum 30. September 1995 und Rückzahlung der für diesen Zeitraum entrichteten Beiträge verlangt hat; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtliches Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
1. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 9. Juni 1994 ein Leistungsanerkenntnis gemäß § 5 BB-BUZ erklärt hat. Nach ihm stehe – für die Beklagte bindend – fest, daß der Kläger jedenfalls seit dem 20. Dezember 1993 berufsunfähig sei. Die später im Streit um Leistungen vor diesem Zeitpunkt von den Parteien im Oktober 1994 getroffene Vergleichsregelung habe, auch soweit sie – aus damaliger Sicht – zukünftige Leistungen betreffe, an der Bindungswirkung des Leistungsanerkenntnisses nichts zu ändern vermocht, das Anerkenntnis insbesondere nicht eingeschränkt. Leistungsfreiheit für die Zeit nach dem Leistungsanerkenntnis könne die Beklagte daher nur unter den Voraussetzungen des § 7 BB-BUZ erlangen. Insoweit komme es hier – bei unstreitig unverändertem Gesundheitszustand des Klägers – entscheidend darauf an, ob sich der Kläger wegen der von ihm neu erworbenen und nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BB-BUZ zu berücksichtigenden Qualifikation auf eine andere Tätigkeit verweisen lassen müsse, die von ihm entsprechend seiner erweiterten Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
Dieser Ausgangspunkt des Berufungsgerichts erweist sich als rechtsfehlerfrei (vgl. zur Bindungswirkung des Anerkenntnisses BGHZ 121, 284, 290 m.w.N.); auch die Revision stellt ihn nicht in Frage.
2. Das Berufungsgericht nimmt weiter an, die Beklagte sei von ihrer – anerkannten – Leistungspflicht durch die Änderungsmitteilung vom 23. August 1995 nicht frei geworden. Die Leistungspflicht bestehe vielmehr fort, weil es dem Kläger trotz seiner durch Ablegung der Meisterprüfung gesteigerten Qualifikation nicht gelungen sei, im Berufsfeld des Kfz-Meisters einen Arbeitsplatz zu erlangen.
Zur Begründung führt das Berufungsgericht aus, daß die Frage nach einer Verweisbarkeit des Klägers – also letztlich nach dem Fortbestand seiner Berufsunfähigkeit (§ 7 Abs. 1 BB-BUZ) – nicht uneingeschränkt nach den Maßstäben zu beurteilen sei, die sich aus § 2 Abs. 1 BB-BUZ für die Feststellung des Eintritts von Berufsunfähigkeit ergäben. Im Rahmen des § 2 Abs. 1 BB-BUZ sei zwar nach der Rechtsprechung davon auszugehen, daß der Versicherte das Risiko zu tragen habe, in einem Tätigkeitsbereich, auf den er bedingungsgemäß verweisbar sei, auch einen Arbeitsplatz zu finden. Die Übertragung dieses Grundsatzes auf die Frage der Verweisbarkeit des Versicherten nach dem Erwerb neuer beruflicher Fähigkeiten werde aber der hier gegebenen besonderen Sachlage nicht gerecht. Die Bedingungen der Beklagten begründeten keine Pflicht des Versicherten zum Erwerb neuer beruflicher Fähigkeiten oder zu einer Umschulung. Bleibe der Versicherte untätig, müsse die Beklagte das hinnehmen, ohne daraus ein Recht zur Leistungsverweigerung ableiten zu können. Erwerbe der Versicherte aber gleichwohl neue berufliche Fähigkeiten und eröffne dem Versicherer erst dadurch die Möglichkeit einer Neubewertung des Fortbestandes der Berufsunfähigkeit, müsse auch die Frage der Verweisbarkeit anders als im Rahmen des § 2 Abs. 1 BB-BUZ beurteilt werden: Wenn der Versicherte neue berufliche Fähigkeiten zwar erwerbe, diese aber nicht dazu einsetzen könne, tatsächlich einen Arbeitsplatz in einem Vergleichsberuf zu erhalten, sei seine Verweisung grundsätzlich auszuschließen, habe also insbesondere die Rechtsprechung zum Arbeitsmarktrisiko nicht zu gelten. Denn es widerspreche den Grundsätzen von Treu und Glauben, wenn der Versicherer eine Fortbildung zwar nicht verlangen, sich aber bei freiwilliger und erfolgreicher Fortbildung auf eine abstrakte Verweisungsmöglichkeit berufen und damit das Arbeitsmarktrisiko dem Versicherten anlasten könne. Vom Versicherten sei allenfalls zu verlangen, sich in zumutbarer Weise darum zu bemühen, auf der Grundlage der neuen Qualifikation tatsächlich einen Arbeitsplatz in einem Vergleichsberuf zu erlangen. Nur wenn ihm insoweit ein Vorwurf zu machen sei, erscheine es gerechtfertigt, ihm weitere Leistungen zu versagen. Den Kläger treffe indessen der Vorwurf unzureichender Bemühungen um die Erlangung eines solchen Arbeitsplatzes nicht.
3. Dem rechtlichen Ansatz dieser Erwägungen, daß bei Prüfung des Fortbestandes von Berufsunfähigkeit nach § 7 Abs. 1 BB-BUZ die Frage der Verweisbarkeit des Versicherten – jedenfalls was das Arbeitsmarktrisiko anlange – grundsätzlich nach einem von § 2 Abs. 1 BB-BUZ abweichenden Maßstab zu beurteilen sei, kann nicht gefolgt werden. Die Bedingungen der Beklagten geben für eine solche Differenzierung keine Grundlage.
a) § 7 Abs. 1 BB-BUZ steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Regelung in § 2 Abs. 1 BB-BUZ. Mit § 7 Abs. 1 BB-BUZ wird dem Versicherer das Recht eröffnet, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihres Grades nachzuprüfen. Ein Fortbestehen der Berufsunfähigkeit setzt voraus, daß eben dieser Tatbestand bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat. Wann und unter welchen Voraussetzungen bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit – und damit der Versicherungsfall – eintritt, ergibt sich aber nicht aus § 7 BB-BUZ, sondern allein aus der Vorschrift des § 2 Abs. 1 BB-BUZ und den ihr zu entnehmenden Maßstäben. Schon aus diesem Zusammenhang erhellt, daß der Begriff Berufsunfähigkeit in §§ 2 und 7 BB-BUZ inhaltlich deckungsgleich ist; § 7 BB-BUZ betrifft allein die Nachprüfung eines Tatbestandes, dessen Voraussetzungen mit der Definition von Berufsunfähigkeit in § 2 Abs. 1 BB-BUZ vorgegeben sind.
Diese Verknüpfung von § 2 und § 7 BB-BUZ wird auch unter einem anderen Blickwinkel deutlich: § 5 BB-BUZ verlangt vom Versicherer eine Erklärung darüber, ob, in welchem Umfang und von welchem Zeitpunkt ab er seine Leistungspflicht anerkennt. An ein solches – allein an den Vorgaben des § 2 BB-BUZ zu orientierendes – Anerkenntnis bleibt der Versicherer grundsätzlich gebunden; gerade in dieser Bindung erschließt sich der Sinn der Regelung in § 7 BB-BUZ (Senatsurteile vom 5. Oktober 1983 - IVa ZR 11/82 - VersR 1984, 51; vom 15. Januar 1986 - IVa ZR 137/84 - VersR 1986, 277 unter 3). Ein Abrücken des Versicherers von einem solchen Anerkenntnis auf dem Wege des § 7 BB-BUZ verlangt deshalb, daß sich in seinen Voraussetzungen nachträgliche Veränderungen ergeben haben. Da diese Voraussetzungen aber ihrerseits durch § 2 BB-BUZ definiert werden, ergibt sich auch der im Rahmen des § 7 BB-BUZ anzuwendende Maßstab für den Fortbestand der Berufsunfähigkeit unmittelbar und unverrückbar aus § 2 Abs. 1 BB-BUZ (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1996 - IV ZR 238/95 - VersR 1997, 436 unter II 2).
b) Ein – vom Versicherer zu beweisender – Wegfall der Berufsunfähigkeit (§ 7 Abs. 1, 4 BB-BUZ) setzt demgemäß voraus, daß sich die Gesundheitsverhältnisse des Versicherten nachträglich in einem bedingungsgemäß erheblichen Umfang gebessert haben, oder daß der Versicherte – auch unter Berücksichtigung neu erworbener beruflicher Fähigkeiten (§ 7 Abs. 1 Satz 2 BB-BUZ) – eine andere Tätigkeit ausüben kann, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht (§ 2 Abs. 1 BB-BUZ). Daraus ergibt sich zugleich, daß auch bei der Beurteilung der Frage, ob sich der Versicherte auf eine andere Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 BB-BUZ verweisen lassen muß, die in jener Vorschrift angelegten Maßstäbe zur Anwendung gelangen. Ist dort bei der Feststellung, ob Berufsunfähigkeit vorliegt, die Lage auf dem Arbeitsmarkt unberücksichtigt zu lassen (vgl. Senatsurteil vom 5. April 1989 - IVa ZR 35/88 - VersR 1989, 579), muß das grundsätzlich auch bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 BB-BUZ zu beurteilenden Frage gelten, ob die Berufsunfähigkeit des Versicherten fortbesteht. Die vom Berufungsgericht insoweit befürwortete Differenzierung im Prüfungsmaßstab bei Eintritt der Berufsunfähigkeit einerseits und deren Fortbestand andererseits kommt deshalb nicht in Betracht; auf sie lassen sich seine weiteren Erwägungen zum Fortbestand der Leistungspflicht der Beklagten nicht rechtsfehlerfrei stützen.
4. Die Annahme des Berufungsgerichts, daß die von der Beklagten anerkannte Leistungspflicht jedenfalls nicht mit dem Wirksamwerden ihrer Änderungsmitteilung vom 23. August 1995 geendet hat, erweist sich jedoch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt als zutreffend. Denn auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, daß die Beklagte jedenfalls zunächst gehindert war, sich gegenüber dem Kläger auf den Wegfall ihrer Leistungspflicht zu berufen.
a) Mit ihrer Änderungsmitteilung vom 23. August 1995 hat die Beklagte den Wegfall ihrer Leistungspflicht darauf gestützt, daß es dem Kläger mit seiner durch die Ablegung der Meisterprüfung gesteigerten Qualifikation und Erfahrung unter Wahrung seiner Lebensstellung möglich sei, eine Tätigkeit als Kfz-Meister, Werkstattleiter, Fuhrparkleiter oder Ausbilder auszuüben. Das Berufungsgericht hat dazu festgestellt, daß sich der Kläger seit der Meisterprüfung sowohl über das Arbeitsamt als auch über direkte Bewerbungen erfolglos um einen Arbeitsplatz in dem aufgezeigten Berufsfeld eines Kfz-Meisters bemüht habe; erst nach diesen vergeblichen Versuchen habe er sich schließlich Ende 1995 entschlossen, eine Mietwerkstatt mit automatischer Waschanlage zu betreiben.
Ist danach aber davon auszugehen, daß sich der Kläger jedenfalls bis zur Aufnahme des Betriebes einer Mietwerkstatt erfolglos um die Erlangung einer Vergleichstätigkeit bemüht hat, widerspricht es den auch einen Vertrag über eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung beherrschenden Grundsätzen von Treu und Glauben, wenn sich die Beklagte für diese Zeit gemäß § 7 Abs. 1, 4 BB-BUZ auf den Wegfall ihrer anerkannten Leistungspflicht beruft.
b) Die Regelung des § 7 Abs. 1 BB-BUZ eröffnet dem Versicherer bei unverändertem Gesundheitszustand des Versicherten dann den Weg zu einer Einstellung der nach seinem Anerkenntnis (§ 5 BB-BUZ) zu erbringenden Leistungen, wenn der Versicherte nachträglich neue berufliche Fähigkeiten erworben hat und aufgrund dieser in der Lage ist, eine andere Tätigkeit auszuüben, die den Anforderungen des § 2 Abs. 1 BB-BUZ entspricht. Denn Verweisungsmöglichkeiten, die dem Versicherer schon bei Abgabe des Leistungsanerkenntnisses zu Gebote standen, hat dieser auch für die Zukunft verloren (BGHZ 121, 284, 292 m.w.N.); sie sind im Rahmen des § 7 Abs. 1 BB-BUZ unbeachtlich.
Die Bedingungen der Beklagten verpflichten den Versicherten zum Erwerb neuer beruflicher Fähigkeiten nicht; ebensowenig ist er gehalten, sich fortzubilden oder umschulen zu lassen (Senatsurteil vom 11. Dezember 1996 aaO unter II 2 c). Die Möglichkeit des Versicherers, von seinem Leistungsanerkenntnis loszukommen, hängt damit allein von dem freiwilligen – gegenüber seinem Versicherer überobligationsmäßigen – Erwerb neuer beruflicher Fähigkeiten durch den Versicherten ab. Sieht er davon ab, kann er nach den vertraglichen Vereinbarungen davon ausgehen, die – anerkannten – Leistungen des Versicherers bis zu einer bedingungsgemäß erheblichen Änderung seines Gesundheitszustandes weiter zu erhalten; er darf demgemäß die mit dem Abschluß der Versicherung für den Fall der Berufsunfähigkeit erstrebte Bedarfsdeckung als gesichert ansehen. Dieser im Vertrag angelegte Zusammenhang macht deutlich, daß der Versicherte auf der anderen Seite nicht erwarten muß, selbst bei einem freiwilligen Erwerb neuer beruflicher Fähigkeiten seinen Leistungsanspruch gegen den Versicherer auch und schon dann zu verlieren, wenn es ihm trotz neu erworbener Fähigkeiten und zumutbarer Bemühungen noch nicht gelungen ist, die Bedarfsdeckung durch die Erlangung eines Arbeitsplatzes zu sichern. Beruft sich der Versicherer in einem solchen Falle gleichwohl auf Leistungsfreiheit, nutzt er die ihm erst durch den freiwilligen Erwerb neuer beruflicher Fähigkeiten eröffnete Möglichkeit zur Beendigung der anerkannten Leistungspflicht in einer Weise aus, die den berechtigten Erwartungen des Versicherungsnehmers widerspricht. Deshalb gebieten es die das Versicherungsverhältnis in besonderem Maße beherrschenden Grundsätze von Treu und Glauben, daß der Versicherer von seinem Recht zur Leistungseinstellung nach § 7 Abs. 1, 4 BB-BUZ erst dann Gebrauch machen darf, wenn der Versicherte einen Arbeitsplatz in einem Vergleichsberuf erlangt hat oder sich um einen solchen nicht (bzw. nicht mehr) in zumutbarer Weise bemüht.
c) Daß sich der Kläger bis zur Aufnahme des Betriebes einer Mietwerkstatt mit Waschanlage nachhaltig um die Erlangung eines Arbeitsplatzes im Berufsfeld eines Kfz-Meisters bemüht hat, hat das Berufungsgericht festgestellt. Danach steht fest, daß die Beklagte sich jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt nicht auf den Wegfall ihrer Leistungspflicht berufen kann.
II.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte könne die Einstellung ihrer Leistungen schließlich auch nicht darauf stützen, daß der Kläger seit Ende 1995 tatsächlich eine neue berufliche Tätigkeit – den Betrieb der Mietwerkstatt mit Waschanlage – ausübe; es fehle insoweit an einer wirksamen Änderungsmitteilung.
Aus § 7 Abs. 4 BB-BUZ folge die Verpflichtung des Versicherers, die Leistungseinstellung durch eine begründete Mitteilung geltend zu machen, die den Versicherungsnehmer in die Lage versetze, die für die Einstellung der Leistungen maßgeblichen Gründe nachzuvollziehen, zu überprüfen und seine Prozeßchancen einzuschätzen. Im Rechtsstreit könnten daher nur Verweisungsmöglichkeiten berücksichtigt werden, auf die sich der Versicherer in der Änderungsmitteilung nach § 7 Abs. 4 BB-BUZ auch tatsächlich berufen habe. Daran fehle es hier, was den Betrieb einer Mietwerkstatt mit Waschanlage anlange. Ein Nachschieben von weiteren Gründen im Rechtsstreit komme nicht in Betracht; eine weitere Änderungsmitteilung, die den Anforderungen des § 7 Abs. 4 BB-BUZ genüge, sei mit Blick auf die hier in Rede stehende Tätigkeit nicht erfolgt. Im übrigen fehle es im Rechtsstreit auch an hinreichend substantiiertem Vorbringen der Beklagten zur Vergleichbarkeit der vom Kläger mittlerweile ausgeübten Tätigkeit.
Dem folgt der Senat nicht.
2. a) Allerdings erweist sich der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts als zutreffend. Unerläßlicher Bestandteil des Nachprüfungsverfahrens ist es, daß dem Versicherungsnehmer eine Mitteilung darüber gemacht wird, daß die bereits anerkannte Leistungspflicht wieder enden soll. Denn erst eine solche Mitteilung kann – nach einer Schutzfrist (§ 7 Abs. 4 Satz 2 BB-BUZ) – die Leistungspflicht entfallen lassen, nicht bereits zuvor der Eintritt von Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen (Senatsurteil vom 12. Juni 1996 - IV ZR 106/95 - VersR 1996, 958 unter 2 b). Voraussetzung der Wirksamkeit einer solchen Mitteilung ist deren Nachvollziehbarkeit, also grundsätzlich das Vorhandensein einer Begründung, aus der für den Versicherten nachvollziehbar wird, warum nach Auffassung seines Vertragspartners die anerkannte Leistungspflicht enden soll (BGHZ 121, 284, 293 ff.). Das gilt nicht nur bei einer Änderung der Gesundheitsverhältnisse, sondern gleichermaßen, wenn die Leistungseinstellung darauf gestützt werden soll, dem Versicherten sei es aufgrund neu erworbener beruflicher Fähigkeiten möglich, nunmehr eine andere Tätigkeit auszuüben. Nachvollziehbarkeit setzt hier grundsätzlich voraus, daß der Versicherer unter Hinweis auf die neu erlangten Fähigkeiten solche anderen Tätigkeiten aufzeigt, die nach seiner Auffassung die Annahme tragen, der Versicherte könne sie nach seinen nunmehr zu berücksichtigenden Fähigkeiten ausüben und damit seine Lebensstellung wahren.
Die Änderungsmitteilung der Beklagten vom 23. August 1995 stützt sich zur Begründung der Leistungseinstellung nicht darauf, daß als andere, vom Kläger ausübbare Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 BB-BUZ auch die von ihm später aufgenommene als Inhaber einer Mietwerkstatt in Betracht komme. Sie trägt deshalb – mit Blick auf diese Tätigkeit des Klägers – die Leistungseinstellung nicht.
b) Das Berufungsgericht sieht weiter richtig, daß es dem Versicherer grundsätzlich unbenommen bleibt, auch während eines Rechtsstreits um den Fortbestand seiner Leistungspflicht eine neuerliche Änderungsmitteilung an den Versicherungsnehmer zu richten. Es verkennt jedoch, daß eine solche weitere Mitteilung auch in einem während des Rechtsstreits übermittelten Schriftsatz des Versicherers zu sehen sein kann (vgl. Senatsurteil vom 12. Juni 1996 aaO unter 2 c dd). So liegt der Fall hier.
Die Beklagte hatte bereits in ihrer Klageerwiderung vom 22. Januar 1996 ausgeführt, der Kläger sei (auch) auf den selbständigen Betrieb einer Reparaturwerkstatt und Waschanlage verweisbar; eine solche Tätigkeit genieße keine geringere Wertschätzung als die zuletzt vom Kläger ausgeübte als Kfz-Schlosser.
Mit diesem Vortrag hat die Beklagte die von ihr verteidigte und auch für den Zeitpunkt dieser Mitteilung beanspruchte Leistungsfreiheit erkennbar auf eine bisher nicht benannte, nach ihrer Ansicht den Anforderungen des § 2 Abs. 1 BB-BUZ entsprechende andere Tätigkeit gestützt, die der Kläger unter Berücksichtigung seiner neu erworbenen Fähigkeiten ausüben könne. Darin liegt – unbeschadet der Frage nach ihrer Wirksamkeit – inhaltlich und für den Versicherungsnehmer erkennbar eine (weitere) Mitteilung nach § 7 Abs. 4 BB-BUZ. Deren fehlende gesonderte Übermittlung außerhalb des Rechtsstreits – die § 7 Abs. 4 BB-BUZ nicht gebietet – beeinträchtigt die Rechtstellung des Versicherungsnehmers nicht. Denn die Schutzfrist des § 7 Abs. 4 Satz 2 BB-BUZ wird erst mit dem Absenden des Schriftsatzes in Lauf gesetzt; die Möglichkeiten des Versicherungsnehmers, sein Prozeßverhalten auf die neue Mitteilung einzustellen, bleiben ungeschmälert.
c) Wirksamkeit ist dieser weiteren Änderungsmitteilung nur dann beizumessen, wenn sie für den Versicherungsnehmer nachvollziehbar ist. Aber auch davon ist nach den Umständen des vorliegenden Falles auszugehen. Denn die Mitteilung stützt sich auf eine Tätigkeit, die vom Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts seit Ende 1995 ausgeübt wird.
Nachvollziehbarkeit der Änderungsmitteilung – wird die Leistungseinstellung darauf gestützt, daß der Versicherte eine andere Tätigkeit auszuüben in der Lage sei – setzt grundsätzlich voraus, daß dem Versicherungsnehmer mit ihr diese andere Tätigkeit mit ihren prägenden und nach § 2 Abs. 1 BB-BUZ wesentlichen Merkmalen aufgezeigt wird. Denn erst dadurch wird dem Versicherungsnehmer eine Vergleichsbetrachtung mit seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit und die Einschätzung ermöglicht, ob sich der Versicherer mit Recht auf eine Vergleichbarkeit der aufgezeigten anderen Tätigkeit beruft. Solcher Angaben zu der anderen Tätigkeit als Voraussetzung der Nachvollziehbarkeit der Versichererentscheidung bedarf der Versicherungsnehmer aber dann nicht, wenn er – wie es hier der Fall ist – von den Merkmalen der vom Versicherer benannten anderen Tätigkeit schon deshalb Kenntnis hat, weil er sie konkret ausübt (vgl. insoweit zur Vortragslast im Rahmen des § 2 Abs. 1 BB-BUZ Senatsurteil vom 30. November 1994 - IV ZR 300/93 - VersR 1995, 159 unter 3). Er ist dann schon anhand eigener Kenntnisse zu der Beurteilung in der Lage, ob die andere Tätigkeit seiner zuletzt ausgeübten vergleichbar ist. Deshalb bedarf es in einem solchen Falle näherer Angaben des Versicherers zu den nach § 2 Abs. 1 BB-BUZ wesentlichen Merkmalen der anderen Tätigkeit nicht; die Mitteilung des Versicherers ist – unbeschadet der Frage der Begründetheit seiner Auffassung – für den Versicherungsnehmer nachvollziehbar und damit wirksam.
III.
Das Berufungsgericht wird deshalb der von ihm bislang nicht entschiedenen Frage nachzugehen haben, ob die Beklagte nach ihrer Änderungsmitteilung vom 22. Januar 1996 von der anerkannten Leistungspflicht deshalb frei geworden ist, weil sich der Kläger auf die von ihm konkret ausgeübte Tätigkeit verweisen lassen muß.
Dazu gibt der Senat noch folgende Hinweise: Unbeschadet der die Beklagte im Rahmen des § 7 BB-BUZ treffenden Beweislast für einen Wegfall der Berufsunfähigkeit ist es – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – zunächst Sache des Klägers darzulegen, warum er die von ihm ausgeübte Tätigkeit auf der Grundlage seiner neu erworbenen Fähigkeiten nicht ausüben kann oder warum sie aus anderen Gründen mit seinem zuletzt ausgeübten Beruf nicht vergleichbar sei (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1994 aaO). Sache der Beklagten ist es dann, diesen Vortrag zu widerlegen. Sollte es in diesem Rahmen auf das mit der neuen Tätigkeit vom Kläger erzielbare Einkommen ankommen, dürfte zu berücksichtigen sein, daß insoweit nicht auf das Einkommen in der Gründungsphase des Betriebes, sondern auf das langfristig zu erzielende durchschnittliche Einkommen abzustellen ist. Sollte sich schließlich erweisen, daß der Kläger auf die von ihm ausgeübte Tätigkeit nicht verweisbar ist, kann es für den Fortbestand der Leistungspflicht der Beklagten darauf ankommen, ob sich der Kläger auch nach der Aufnahme dieser Tätigkeit weiterhin zumutbar um einen vergleichbaren Arbeitsplatz auf dem Tätigkeitsfeld eines Kfz-Meisters bemüht hat.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Römer, Terno, Seiffert, Ambrosius
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 03.11.1999 durch Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538826 |
NJW-RR 2000, 550 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2000, 89 |
MDR 2000, 271 |
NVersZ 2000, 127 |
VersR 2000, 171 |
ZfS 2000, 116 |