Entscheidungsstichwort (Thema)
Pyro-Knallpatrone. Waffenklausel
Leitsatz (amtlich)
AVB f. Haftpflichtversicherung; Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung, III. Privathaftpflichtversicherung Nr. 1.6; WaffG (Fassung v. 8.3.1976, BGBl. I, 432) § 2
Ein Risikoausschluss, der Nr. 1.6 der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privathaftpflichtversicherung (Waffenklausel) entspricht, erfasst nur solche Geschosse, die zum Verschießen aus Schusswaffen i.S.v. § 1 Abs. 1 WaffG i.d.F. v. 8.3.1976 (jetzt: Abschnitt 1, Unterabschnitt 1 Nr. 1.1 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG i.d.F. v. 11.10.2002) bestimmt sind. Eine für den Abschuss aus Schreckschusspistolen mit eigens vorgeschraubtem Abschussbecher bestimmte Pyro-Knallpatrone (sog. Starenschreck) fällt nicht hierunter (Fortführung des BGH, Urt. v. 22.2.1978 - IV ZR 105/76, VersR 1978, 409).
Normenkette
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung Nr. 1.6; WaffG § 2
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 30.09.2003; Aktenzeichen 9 U 246/01) |
LG Hamburg |
Tenor
Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Hamburg v. 30.9.2003 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Hamburg v. 16.11.2001 zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind Versicherungsnehmer einer bei der Beklagten gehaltenen Haftpflichtversicherung. Sie begehren die Feststellung, dass die Beklagte ihnen Versicherungsschutz wegen eines Vorfalles v. 29.12.1998 gewähren muss, bei dem sich der Geschädigte durch die Explosion einer Pyro-Knallpatrone erhebliche Verletzungen an der rechten Hand zugezogen hat.
Die Kläger lagerten seit Ende 1997 mehrere Pyro-Knallpatronen des Herstellers Zink Feuerwerk (P-Knallgeschoss 15 mm, Prüfnummer der Bundesanstalt für Materialprüfung: BAMP-PN II0003, sog. Starenschreck) in ihrem Keller. Diese sind dafür bestimmt, mittels Schreckschusspistolen verschossen zu werden, denen zu diesem Zweck ein Aufsatz (Abschussbecher) auf den Lauf geschraubt wird. Die Knallpatrone wird dabei durch den Druck der in der Schreckschusspistole verfeuerten Kartuschenmunition angetrieben.
Am 29.12.1998 händigte die seinerzeit 10-jährige Tochter der Kläger dem damals 14-jährigen Geschädigten auf dessen Drängen eine der Knallpatronen aus. Wenig später fing diese beim Entzünden eines Chinaböllers unbemerkt Feuer und explodierte in der rechten Hand des Jungen. Ihm wurden der Zeigefinger und die Kuppe des Mittelfingers abgerissen. Lediglich der zunächst ebenfalls abgerissene Daumen konnte später wieder angenäht werden. Die Kläger sind wegen gemeinschaftlichen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Waffengesetz in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung jeweils zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.
Die Beklagte hat Versicherungsleistungen unter Berufung auf I Nr. 6 (sog. Waffenklausel) der dem Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden "Besonderen Bedingungen, Risikobeschreibungen und Erläuterungen" (BRE 36) verweigert. Danach ist versichert
die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens ... insb. ...
6. aus dem erlaubten privaten Besitz und aus dem Gebrauch von Hieb-, Stoß- und Schusswaffen sowie Munition und Geschossen, nicht jedoch zu Jagdzwecken oder zu strafbaren Handlungen; ..."
Nach Auffassung der Kläger handelt es sich bei der hier in Rede stehenden Pyro-Knallpatrone weder um Munition noch um ein Geschoss i.S.d. Waffenklausel.
Das LG hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Feststellungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg, es führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
I. Das Berufungsgericht hat einen Deckungsanspruch der Kläger verneint, weil die aus dem unerlaubten Besitz der Pyro-Knallpatrone herrührenden Schadensersatzansprüche des Geschädigten nach der Waffenklausel der Nr. I.6 BRE 36 nicht versichert seien. Zwar beschreibe die Klausel nur positiv, welche Risiken versichert seien, doch folge aus der Beschränkung des Versicherungsschutzes auf den erlaubten Besitz von Waffen, Munition und Geschossen im Umkehrschluss, dass die aus dem unerlaubten Besitz herrührenden Schäden nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien.
Die Kläger seien unerlaubt im Besitz eines Geschosses i.S.d. Waffenklausel gewesen. Insoweit seien die Begriffsbestimmungen des Bundeswaffengesetzes in der zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls geltenden Fassung heranzuziehen. Danach sei die Pyro-Knallpatrone zwar nicht als Munition, jedoch als - einen pyrotechnischen Satz enthaltendes - Geschoss i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. und Abs. 3 des seinerzeit geltenden Bundeswaffengesetzes (WaffG a.F.) einzustufen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Knallpatrone nicht dazu bestimmt sei, aus Schusswaffen verschossen zu werden. Denn eine solche Bestimmung setze der Begriff des Geschosses nach § 2 Abs. 1 S. 2 WaffG a.F. nicht voraus.
Soweit die waffenrechtliche Kommentar-Literatur die gegenteilige Auffassung vertrete, ändere das im Ergebnis nichts, weil sie es genügen lasse, wenn Geschosse dazu bestimmt seien, mittels der in § 1 Abs. 2 WaffG a.F. den Schusswaffen gleichgestellten Abschussgeräte, zu denen auch Schreckschusswaffen gehörten, verschossen zu werden.
Der Besitz der demnach als Geschoss einzuordnenden Pyro-Knallpatrone sei erlaubnispflichtig. Das folge aus der in § 29 Abs. 1 WaffG a.F. geregelten Erlaubnispflicht für den Erwerb des Geschosses. Eine solche Erlaubnis hätten die Kläger nicht besessen. Ausnahmen von der Erlaubnispflicht sehe die Erste Waffenverordnung für Geschosse, die seitens der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) der Klasse PM II zugeordnet seien, nicht vor.
Der Waffenklausel könne nicht entnommen werden, dass ein Geschoss dieselben Voraussetzungen erfüllen müsse, die die Rechtsprechung an die Einordnung als Munition stelle. Vielmehr solle der Begriff des Geschosses alle vom Waffengesetz unter Erlaubnispflicht gestellten, jedoch nicht unter den Munitionsbegriff fallenden Geschosse erfassen und so jenes Risiko vom Versicherungsschutz ausnehmen, das vom unerlaubten Besitz der durch das Waffengesetz erfassten, gefährlichen Gegenstände ausgehe.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
Die Kläger haben aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag wegen des Vorfalls v. 29.12.1998 einen Deckungsanspruch gegen die Beklagte. Der Risikoausschluss in I Nr. 6 der von der Beklagten verwendeten "Besonderen Bedingungen, Risikobeschreibungen und Erläuterungen" (BRE 36), die inhaltlich mit Nr. 1.6 der "Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung" (abgedr. bei Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., S. 1331, 1332) übereinstimmt, erfasst den unerlaubten Besitz der schadensursächlichen Pyro-Knallpatrone nicht.
1. Das Berufungsgericht geht zunächst von einem zutreffenden Ansatz aus:
a) Die "Waffenklausel", beschreibt positiv, für welche Formen des Umgangs mit Waffen, Munition und Geschossen Versicherungsschutz gewährt wird, um damit zugleich im Umkehrschluss zum Ausdruck zu bringen, was insoweit nicht vom Versicherungsschutz umfasst sein soll. Der Sache nach enthält die Klausel deshalb einen Risikoausschluss. Solche in eine positive Risikobeschreibung gekleideten Risikoausschlüsse setzen voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt, wie weit der bezweckte Umkehrschluss gezogen werden soll. Sie haben insoweit grundsätzlich eine geringere Trennschärfe als Risikoausschlüsse, die den ausgeschlossenen Tatbestand direkt benennen. Bei der Auslegung ist deshalb in besonderem Maße zu beachten, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht damit zu rechnen braucht, dass sein Versicherungsschutz Lücken hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (vgl. dazu BGHZ 65, 142 [145]; BGH, Urt. v. 17.3.1999 - IV ZR 89/98, VersR 1999, 748, unter 2a; Urt. v. 25.6.2003 - IV ZR 32/03, r+s 2003, 412, unter II 1).
b) Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, dass die von der Waffenklausel verwendeten Rechtsbegriffe, die erkennbar auf das (öffentlich-rechtliche) Waffenrecht Bezug nehmen, im Zweifel anhand der Begriffsbestimmungen des Bundeswaffengesetzes zu verstehen sind, wobei jeweils die zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls geltende Gesetzesfassung zu Grunde zu legen ist (BGH, Urt. v. 22.2.1978 - IV ZR 105/76, VersR 1978, 409, unter II 1a). Das ist hier das Bundeswaffengesetz i.d.F. v. 8.3.1976 (BGBl. I, 432 - im Folgenden: "WaffG a.F."), das bis zum 31.3.2003 in Kraft war. Zwar sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats grundsätzlich so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse diese verstehen muss (BGH v. 23.6.1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 [85] = MDR 1993, 841). Dieser Grundsatz erfährt aber eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit einem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. Trifft dies zu, so ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Versicherungsbedingungen darunter nichts Anderes verstehen wollen (BGH, Urt. v. 22.3.2000 - IV ZR 233/99, MDR 2000, 766 = VersR 2000, 753, unter 2b). Im Waffenrecht verbindet die Rechtssprache mit den dort verwendeten Ausdrücken wie "Schusswaffe", "Munition" oder "Geschoss" fest umrissene Begriffe, die deshalb in diesem Sinne im Zweifel auch bei der Auslegung der hier verwendeten Waffenklausel heranzuziehen sind (BGH, Urt. v. 22.3.2000 - IV ZR 233/99, MDR 2000, 766 = VersR 2000, 753, unter 2b).
c) Es ist im Ergebnis schließlich auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Erwerb der schadensursächlichen Knallpatrone durch die Kläger waffenrechtlich als unerlaubten Erwerb von Munition nach den § 29 Abs. 1, § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. S. 2, 2. Alt. und Abs. 3, 4 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1a WaffG a.F. einordnet. Da das Bundeswaffengesetz a.F. keine Norm enthielt, die den Besitz von Munition oder ihr gleichgestellter Geschosse unmittelbar verbot, hat das Berufungsgericht auf die unerlaubte Besitzergreifung (den Erwerb, zum Begriff vgl. Steindorf, Waffenrecht, 7. Aufl., § 4 WaffG Rz. 4) abgestellt. Die Pyro-Knallpatrone ist ein Geschoss, das nach § 2 Abs. 1 S. 2 WaffG a.F. der Munition i.S.v. S. 1 der Vorschrift gleichgestellt wird und als solche dem Erlaubnisvorbehalt aus § 29 WaffG a.F. unterliegt. Die Erste Waffen-Verordnung (WaffVO) sieht eine Einschränkung der Erlaubnispflicht nach § 29 Abs. 1 WaffG a.F. für pyrotechnische Munition der Gefahrklasse PM II, welcher die Knallpatrone zugehört, nicht vor.
2. Allerdings enthält die Waffenklausel keine pauschale Bezugnahme auf sämtliche Erlaubnispflichten und Verbote des Bundeswaffengesetzes. Die Prüfung, ob ein Verhalten des Versicherungsnehmers beim Umgang mit Waffen, Munition oder Geschossen dem Risikoausschluss unterfällt, kann sich deshalb nicht darauf beschränken, ob das Verhalten des Versicherungsnehmers nach dem Bundeswaffengesetz verboten, strafbar oder als Ordnungswidrigkeit eingestuft ist. Maßgeblich für den Umfang des Risikoausschlusses bleibt vielmehr die Waffenklausel selbst. Die Begriffe des Bundeswaffengesetzes sind zwar für ihre Auslegung heranzuziehen. Es bleibt aber stets danach zu fragen, inwieweit die Waffenklausel die Begriffe und Verbote des Bundeswaffengesetzes im Rahmen des Risikoausschlusses übernommen hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 22.2.1978 - IV ZR 105/76, VersR 1978, 409, unter II). Die Prüfung ergibt hier, dass die Pyro-Knallpatrone nicht unter den Risikoausschluss fällt.
a) Der Senat hat bereits im Urt. v. 22.2.1978 (BGH, Urt. v. 22.2.1978 - IV ZR 105/76, VersR 1978, 409, unter II 2) entschieden, dass bei Auslegung der Waffenklausel der vertragliche Begriff der Munition nicht losgelöst vom vorangestellten Begriff der Schusswaffe gesehen werden könne. Da die Klausel keinen Hinweis darauf enthalte, dass sie auch die Gleichstellung von tragbaren Munitionsabschussgeräten i.S.v. § 1 Abs. 2 WaffG a.F. mit Schusswaffen i.(engeren)S.v. § 1 Abs. 1 WaffG a.F. übernehmen wolle, müsse ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Klausel nicht dahin verstehen, dass sie mit "Schusswaffen" auch Schreckschusswaffen meine (BGH, Urt. v. 22.2.1978 - IV ZR 105/76, VersR 1978, 409, II 2c). Vielmehr könne der Versicherungsnehmer wegen der sprachlichen Verbindung von "Schusswaffen und Munition" zu dem Schluss gelangen, dass lediglich Munition für echte Schusswaffen i.S.v. § 1 Abs. 1 WaffG a.F. gemeint sei. Das entspreche im Übrigen der Tradition im deutschen Waffenrecht, wo meist eine begriffliche Beziehung zwischen Schusswaffen und Munition bestanden habe. Dass § 1 Abs. 2 WaffG a.F. tragbare Munitionsabschussgeräte echten Schusswaffen i.S.v. § 1 Abs. 1 WaffG a.F. gleichstelle, sei für den vertraglichen Begriff der Munition deshalb unerheblich, weil die Waffenklausel keinen Hinweis auf diese Gleichstellung enthalte. Dieses eingeschränkte Verständnis des Risikoausschlusses hat das OLG Oldenburg im Jahre 1996 bestätigt (OLG Oldenburg r+s 1996, 132). Die von der Beklagten verwendete, seit 1974 unveränderte Waffenklausel enthält nach wie vor keinen solchen Hinweis.
Für Geschosse i.S.d. Waffenklausel gilt nichts Anderes. Auch für sie ist im Waffenrecht die Bestimmung kennzeichnend, aus einer Schusswaffe verschossen zu werden. Einen ausreichenden Hinweis darauf, dass die Klausel auch solche Geschosse erfassen soll, die stattdessen dazu bestimmt sind, aus tragbaren Munitionsabschussgeräten i.S.v. § 1 Abs. 1 WaffG a.F. verschossen zu werden, enthält die von der Beklagten verwendete Waffenklausel nicht. Die hier in Rede stehende Pyro-Knallpatrone wird deshalb von der Waffenklausel nicht erfasst.
b) Soweit es das Berufungsgericht abgelehnt hat, die vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätze auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen, kann ihm nicht gefolgt werden.
aa) Das Berufungsgericht meint, für Geschosse müssten andere Maßstäbe gelten als für Munition, weil die Bestimmung, aus Schusswaffen verschossen zu werden, für den Geschossbegriff ohnehin nicht erheblich sei. Der Begriff sei in die Waffenklausel erkennbar zu dem Zweck aufgenommen worden, alle Geschosse vom versicherten Risiko auszuschließen, die nicht bereits als Munition von § 2 Abs. 1 S. 1 WaffG a.F. erfasst seien. Anderenfalls mache die Aufnahme des Begriffs "Geschosse" in die Waffenklausel keinen Sinn.
bb) Diesen Ausführungen liegt ein falsches Verständnis der Abgrenzung von Munition und Geschossen nach § 2 WaffG a.F. zu Grunde.
Munition ist nach der gesetzlichen Definition des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-3 WaffG a.F. dadurch gekennzeichnet, dass sie "Ladungen", d.h. eigene Treibladungen, beinhaltet, also über Explosionsstoffe verfügt, die den Vortrieb bewirken. Das ergibt sich aus der Aufzählung von Patronenmunition (Hülsen mit Ladungen, die das Geschoss enthalten - Nr. 1), Kartuschenmunition (Hülsen mit Ladungen, die ein Geschoss nicht enthalten - Nr. 2) und Patronenmunition (vgl. zur Definition Nr. 1), bei der das Geschoss einen pyrotechnischen Satz enthält (Nr. 3). Munition muss außerdem dazu bestimmt sein, aus Schusswaffen verschossen zu werden.
Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Nr. 1 und 2 WaffG a.F. sind Geschosse entweder feste Körper (Nr. 1) oder aber gasförmige, flüssige oder feste Körper in Umhüllungen. Anders als das Berufungsgericht meint, ist damit aber nicht hinreichend und abschließend beschrieben, was ein Geschoss im waffenrechtlichen Sinne ausmacht. Das zeigt sich schon daran, dass der Definition des § 2 Abs. 3 WaffG a.F., betrachtet man sie isoliert, auch handelsüblich verpackte Lebensmittel und Bedarfsgegenstände aller Art unterfallen müssten. In der waffenrechtlichen Literatur ist deshalb außer Streit, dass auch zum Geschossbegriff wesensmäßig die Bestimmung gehört, aus Schusswaffen verschossen zu werden (vgl. Steindorf, Waffenrecht, 7. Aufl., § 1 Rz. 7, § 2 Rz. 10; Apel/Bushart, Waffenrecht, Bd. 2, 3. Aufl., Anlage 1 zum Waffengesetz Rz. 56).
Aus § 2 Abs. 1 S. 2 WaffG a.F. ergibt sich nichts Anderes. Das Berufungsgericht meint zwar, weil § 2 Abs. 1 S. 1 WaffG a.F. Munition aufzähle, die nach dem letzten Halbsatz der Vorschrift zum Verschießen aus Schusswaffen bestimmt sei, mache die Gleichstellung der Geschosse mit pyrotechnischem Satz in § 2 Abs. 1 S. 2 WaffG a.F. nur dann Sinn, wenn man annehme, dass es für diese auf die genannte Bestimmung gerade nicht ankomme. Das Berufungsgericht sieht demnach den wesentlichen Unterschied zwischen pyrotechnischer Munition und einem pyrotechnischen Geschoss darin, dass Erstere zum Verschießen aus Schusswaffen bestimmt sein müsse, Letzteres hingegen nicht. Es meint weiter, ein Geschoss mit pyrotechnischem Satz, welches zum Verschießen aus Schusswaffen bestimmt sei, erfülle bereits den Munitionsbegriff.
Das trifft nicht zu. Vielmehr unterscheiden sich pyrotechnische Munition und Geschosse mit pyrotechnischem Satz allein dadurch, dass den Geschossen die eigene Treibladung fehlt. Aus diesem Grunde macht die Gleichstellung in § 2 Abs. 1 S. 2 WaffG a.F. auch dann Sinn, wenn man zutreffend annimmt, dass die Bestimmung, aus Schusswaffen verschossen zu werden, auch für den Geschossbegriff kennzeichnend ist.
cc) Die hier in Rede stehende Pyro-Knallpatrone verfügte über keine eigene Treibladung. Vielmehr sollte sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ihre Bewegungsenergie aus der in einer Schreckschusspistole verfeuerten Kartuschenmunition beziehen, deren Explosionsdruck die Knallpatrone aus dem dafür konstruierten Abschussbecher treiben sollte. Die Patrone war damit nicht dazu bestimmt, aus einer Schusswaffe verschossen zu werden, denn die zum Abschuss der Pyro-Knallpatrone vorgesehenen Schreckschusswaffen sind keine Schusswaffen i.S.v. § 1 Abs. 1 WaffG a.F. (vgl. dazu BGH, Urt. v. 22.2.1978 - IV ZR 105/76, VersR 1978, 409, unter II 2c; Steindorf, Waffenrecht, 7. Aufl., § 1 Rz. 10; Günther/Treumann, s.i.s. 1983, 628 ff.). Ihre waffenrechtliche Gleichstellung mit Munition rechtfertigt sich allein daraus, dass § 1 Abs. 2 WaffG a.F. Schreckschusswaffen den echten Schusswaffen gleichstellt (vgl. Steindorf, Waffenrecht, 7. Aufl., § 1 Rz. 18, § 2 Rz. 10).
Der vorliegende Fall unterscheidet sich damit rechtlich nicht von demjenigen, der dem Senatsurteil v. 22.2.1978 (BGH, Urt. v. 22.2.1978 - IV ZR 105/76, VersR 1978, 409) zu Grunde lag. Hier wie dort ist festzustellen, dass eine Waffenklausel der vorliegenden Art für den Versicherungsnehmer nicht hinreichend erkennbar macht, dass sich der Begriff der Schusswaffen und die Bestimmung von Munition und Geschossen, aus Schusswaffen verschossen zu werden, auch auf die vom Waffengesetz den Schusswaffen gleichgestellte Geräte erstrecken soll. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird die Klausel deshalb dahin verstehen, dass lediglich echte Schusswaffen (i.S.d. § 1 Abs. 1 WaffG a.F.) nebst für sie bestimmter Munition und Geschosse vom Risikoausschluss erfasst sein sollen.
Fundstellen
Haufe-Index 1268459 |
BGHR 2005, 287 |
EBE/BGH 2004, 411 |
NJW-RR 2005, 11 |
MDR 2005, 391 |
VersR 2005, 69 |
IVH 2004, 279 |
r+s 2005, 57 |