Leitsatz (amtlich)
Der Auftragnehmer, der die gesamte Korrespondenz mit einem ausländischen Broker abzuwickeln hat, haftet aus positiver Vertragsverletzung im Rahmen des § 278 BGB für die Verletzung der Pflicht, keine durch Weisungen des Auftraggebers nicht gedeckten Aufträge an den Broker zu übermitteln.
Normenkette
BGB §§ 276, 278, 662
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main – 16. Zivilsenat – vom 21. Dezember 1995 hinsichtlich der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 238.070,16 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 5. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger forciert von der Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht Schadensersatz wegen weisungswidriger Vornahme von Börsentermingeschäften.
Im November 1987 beauftragte der Kläger die in Frankfurt/Main ansässige Beklagte, Eröffnungsanträge für ein Wertpapier- und ein Börsenterminkonto an Brokergesellschaften in New York weiterzuleiten und künftig die erforderliche Korrespondenz mit ihnen zu führen. Nach Eröffnung der beiden Konten stellten der Kläger und weitere Anleger, die ihre Ansprüche an ihn abgetreten haben, den Brokern Gelder und Wertpapiere im Gesamtwert von 455.633,50 DM zur Verfügung.
Vor Antritt einer mehrwöchigen Urlaubsreise suchte der Kläger die Beklagte auf und sprach dort mit dem Kundenberater B. Nach Festlegung des Anlagekonzepts bat er ihn, während seiner Urlaubsabwesenheit Börsengeschäfte für ihn abzuschließen. B. nahm in der Folgezeit zahlreiche verlustbringende Optionsgeschäfte für den Kläger vor. Nach dessen Rückkehr Mitte Januar 1988 schloß er mit dessen Einverständnis weitere Optionsgeschäfte ab. Auch diese endeten verlustreich. Insgesamt beträgt der Verlust 446.433,50 DM. Davon entfallen mindestens 108.363,34 DM auf nach Rückkehr des Klägers geschlossene Geschäfte.
Über einen Teilbetrag von 100.000 DM des entstandenen Schadens hat der Kläger im Jahre 1991 ein rechtskräftig gewordenes Urteil des Berufungsgerichts gegen die Beklagte erwirkt.
Mit der vorliegenden, Ende 1993 eingereichten Klage macht der Kläger den restlichen Schaden über 346.433,50 DM zuzüglich Zinsen geltend. Er behauptet, daß er den Kundenberater B. angewiesen habe, die zur Verfügung gestellten Mittel je zur Hälfte in US-Staatsanleihen und in Terminkontrakten über solche Anleihen anzulegen. Wenn B., für dessen Verhalten die Beklagte nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht einzustehen habe, die Anweisung befolgt hätte, wären nach dem Vorbringen des Klägers Verluste nicht eingetreten. Die Beklagte bestreitet Vertretungsmacht ihres Kundenberaters und beruft sich auf Verjährung.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter. Der Senat hat die Revision nur in Höhe von 238.070,16 DM für Verluste aus den vor Mitte Januar 1988 geschlossenen Optionsgeschäften angenommen.
Entscheidungsgründe
Im Umfang der Annahme ist die Revision begründet; insoweit führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen: Schadensersatzansprüche des Klägers aus unerlaubter Handlung seien verjährt. Vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte bestünden nicht, da ihr Kundenberater B. keine Vollmacht gehabt habe, sie zur Vornahme von Geldgeschäften zu verpflichten. Auch nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht sei eine Haftung der Beklagten nicht begründet. Es sei unbewiesen, daß die Beklagte selbständiges Handeln ihres Kundenberaters geduldet habe. Außerdem sei der Kläger nicht gutgläubig gewesen. Er habe nach den vereinbarten Geschäftsbedingungen davon ausgehen müssen, daß die Beklagte mit der Vornahme von Börsendispositionen durch B. nicht einverstanden sei. Da vertragliche Beziehungen bezüglich der Geldanlage zwischen den Parteien nicht bestünden, komme auch ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus positiver Vertragsverletzung nicht in Betracht.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist allerdings, daß das Berufungsgericht Schadensersatzansprüche des Klägers aus unerlaubter Handlung als verjährt angesehen hat. Auch die Revision erhebt insoweit keine Einwendungen.
2. Dagegen trägt die Begründung nicht, soweit das Berufungsgericht eine Schadensersatzforderung aus positiver Vertragsverletzung verneint. Seine Ausführungen, vertragliche Ansprüche des Klägers bestünden nicht, weil der Kundenberater B. mangels Vertretungsmacht die Beklagte nicht habe verpflichten können, für Rechnung des Klägers Geldgeschäfte vorzunehmen, greifen zu kurz.
a) Es ist schon zweifelhaft, ob das Berufungsgericht eine Bevollmächtigung des Kundenberaters durch die Beklagte, die Disposition der Konten des Klägers während dessen Urlaubsabwesenheit zu übernehmen, ohne Rechtsfehler verneint hat. Der Kläger hat dazu mit Schriftsatz vom 2. Februar 1995, auf den im Tatbestand des Berufungsurteils Bezug genommen ist, unter Beweisantritt vorgetragen, nach der Hauspolitik der Beklagten seien deren Anlageberater bei Abwesenheit des betreuten Kunden berechtigt, in Weiterverfolgung einer festgelegten Anlagestrategie und in Absprache mit dem Kunden ohne konkrete Order für dessen Konto Aufträge zu plazieren. Die Nichtberücksichtigung dieses Vorbringens hat die Revision gerügt.
Ob die Rüge durchgreift oder ob ihr der Erfolg mit Rücksicht auf § 314 ZPO zu versagen ist, weil es in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils heißt, „unstreitig” habe B. keine Vollmacht gehabt, bedarf keiner Entscheidung. Das Berufungsurteil ist jedenfalls aus anderen Gründen aufzuheben, so daß noch Gelegenheit sein wird, zur Vollmacht weiter vorzutragen.
b) Das Berufungsgericht hat nämlich rechtsfehlerhaft außer acht gelassen, daß vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien schon im November 1987 begründet worden sind. Als die Beklagte dem Auftrag des Klägers entsprach, Eröffnungsanträge für ein Wertpapier- und ein Terminkonto an Brokergesellschaften in New York weiterzuleiten, ist zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis zustandegekommen.
aa) Aufgrund dieses Verhältnisses war die Beklagte unter Berücksichtigung ihrer Geschäftsbedingungen vereinbarungsgemäß verpflichtet, die gesamte künftige Korrespondenz des Klägers mit den Brokergesellschaften in New York abzuwickeln. Insbesondere hatte sie konkrete Aufträge, aber auch allgemeine Weisungen – etwa zur Anlagestrategie – unverzüglich und inhaltlich unverändert an die Broker weiterzuleiten. Die Einschaltung der Beklagten hatte dabei den Sinn, den mit Sprache und Usancen der New Yorker Börse nicht vertrauten Kläger davor zu schützen, daß seine Aufträge nicht so wie erteilt ausgeführt wurden und dadurch Schäden entstanden. Um dieses Ziel zu erreichen und den Kläger vor vermeidbaren Schädigungen zu bewahren, traf die Beklagte auch die Pflicht, für ihn keine durch Weisungen nicht gedeckte Aufträge an die Broker zu übermitteln.
Diese Nebenpflicht hat die Beklagte nach dem Vorbringen des Klägers verletzt. Er hat behauptet, er habe vor Antritt seiner Urlaubsreise mit dem Kundenberater der Beklagten besprochen, daß die in New York zur Verfügung stehenden Mittel zur Hälfte zum Erwerb von US-Staatsanleihen und zur anderen Hälfte zum Kauf von Terminkontrakten über solche Anleihen eingesetzt werden sollten. Unter Mißachtung des besprochenen Anlagekonzepts und der Weisung, danach zu verfahren, habe der Kundenberater der Beklagten den Brokern Aufträge für verschiedene Optionsgeschäfte übermittelt. Dieses Vorbringen hat das Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen. Das ist, wie die Revision zu Recht rügt, rechtsfehlerhaft.
bb) Für die vorbezeichnete Nebenpflichtverletzung ihres Kundenberaters hat die Beklagte nach dem genannten Vorbringen des Klägers einzustehen.
Gemäß § 278 Satz 1 BGB hat der Schuldner schuldhaftes Verhalten von Personen, deren er sich zur Erfüllung vertraglicher Haupt- oder Nebenpflichten bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes. Dies bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß der Schuldner für schuldhaftes Fehlverhalten einer Hilfsperson einzustehen hat, soweit es in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die ihr im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen waren. Die Hilfsperson darf also nicht nur bei Gelegenheit der Erfüllung einer Verbindlichkeit des Schuldners gehandelt haben, sondern das Fehlverhalten muß in Ausübung der ihr übertragenen Hilfstätigkeit erfolgt sein. In diesem Rahmen haftet der Schuldner auch für vorsätzlich weisungswidriges und sogar strafbares Verhalten seiner Hilfspersonen (Senatsurteile vom 8. Oktober 1991 – XI ZR 207/90, WM 1991, 1912, 1914 und vom 11. Oktober 1994 – XI ZR 238/93, WM 1994, 2073, 2075 jeweils m.w.Nachw.).
Der danach erforderliche unmittelbare sachliche Zusammenhang zwischen der Schädigung des Klägers durch Übermittlung von Aufträgen für Optionsgeschäfte, die seinen Vorgaben nicht entsprachen, und den Aufgaben, die dem Kundenberater B. übertragen waren, ist nach dem Klägervorbringen gegeben. Das gilt auch dann, wenn es B. nach betriebsinternen Anweisungen der Beklagten verboten gewesen sein sollte, die Disposition von Konten während der Urlaubsabwesenheit der Kontoinhaber zu übernehmen. Aus der maßgeblichen Sicht eines Außenstehenden (vgl. BGHZ 114, 263, 270 m.w.Nachw.) besteht auch in diesem Falle ein innerer Zusammenhang zwischen dem Handeln des Kundenberaters B. und dem allgemeinen Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben. Zu diesen gehörte es, Vorgaben des Klägers etwa zur Anlagestrategie an die Broker in New York weiterzuleiten und ihnen keine durch Weisungen des Klägers nicht gedeckten Aufträge zu übermitteln.
Die Haftung des Geschäftsherrn, den § 278 BGB auch bei weisungswidrigem Verhalten von Erfüllungsgehilfen mit dem Personalrisiko belastet, entfällt erst dann, wenn das pflichtwidrige Verhalten der Hilfsperson aus dem allgemeinen Umkreis jenes Aufgabenbereichs, den sie wahrzunehmen hat, herausfällt. Das wäre anzunehmen, wenn B. die Disposition des Kontos während der Urlaubsabwesenheit des Klägers nicht für die Beklagte, sondern im eigenen Namen gegen eine ihm persönlich geschuldete Gewinnbeteiligung übernommen hätte. Dies hat die Beklagte unter Bezugnahme auf eine Zeugenaussage im Strafverfahren gegen B., der Kläger habe eingeräumt, B. eine Vollmacht erteilt und eine Gewinnbeteiligung von 20 % zugesagt zu haben, zwar behauptet. Der Kläger hat dieses Vorbringen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts aber ausreichend substantiiert bestritten. Er hat ausdrücklich behauptet, er habe mit B. eine Gewinnbeteiligung nicht vereinbart. Ferner hat er unter Bezugnahme auf die von der Beklagten zitierte Zeugenaussage erklärt, die Bekundungen des Zeugen seien weitgehend Phantasie. Das Berufungsgericht hätte dem Vorbringen der Beklagten deshalb, wie die Revision zu Recht rügt, nicht ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts folgen dürfen. Das gilt besonders, da der in erster Instanz ausführlich vernommene Zeuge B. über die angeblich vereinbarte Gewinnbeteiligung nichts ausgesagt und das Berufungsgericht im Prozeß über die Teilklage von 100.000 DM B. als Verrichtungsgehilfen der Beklagten angesehen hat.
III.
Das angefochtene Urteil war im Umfang der Annahme der Revision deshalb aufzuheben und die Sache insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Unterschriften
Schimansky, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Nobbe, Dr. van Gelder
Fundstellen
Haufe-Index 1600410 |
NJW 1997, 1360 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1997, 444 |
MDR 1997, 465 |
ZBB 1997, 181 |