Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb von Gemeinschaftseigentum eines Ehegatten an einem den Eheleuten von den Schwiegereltern als Familienheim übertragenen Grundstück in der ehemaligen DDR
Leitsatz (amtlich)
a) Zur Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf einem Grundstücksüberlassungsvertrag, durch den ein Ehegatte von seinem Schwiegervater unter der Geltung des DDR-Rechts zusammen mit seinem Ehepartner gemeinschaftliches Eigentum an dem Familienheim erworben hat (Fortentwicklung des Senatsurteils vom 12. April 1995 – XII ZR 58/94 – NJW 1995, 1889 = FamRZ 1995, 1060).
b) Ist der Ehegatte insoweit ausnahmsweise zur dinglichen Rückgewähr verpflichtet, kann er dazu nur Zug um Zug gegen Zahlung eines nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessenden Ausgleichs verurteilt werden (Fortführung von BGHZ 68, 299; 82, 227; Senatsurteil BGHZ 115, 132).
Normenkette
ZGB DDR § 45 Abs. 3; ZGB DDR § 282 Abs. 2; BGB § 242; ZGB-DDR § 45 Abs. 3, § 282 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Urteil vom 13.06.1996) |
LG Halle (Saale) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 13. Juni 1996 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien waren seit dem 7. März 1970 miteinander verheiratet; ihre Ehe ist am 18. September 1992 geschieden worden.
Nach ihrer Eheschließung bezogen die Parteien die oberen Räume eines Hauses, das dem Vater des Klägers gehörte und dessen untere Räume von den Eltern des Klägers bewohnt wurden. Das Anwesen wurde in der Folge weitgehend um- und ausgebaut, woran sich die Beklagte durch Mitarbeit und Einsatz finanzieller Mittel beteiligte.
Durch notariellen Vertrag vom 16. September 1987 überließ der Vater des Klägers das Anwesen den Eheleuten zu gemeinschaftlichem Eigentum nach dem Familiengesetzbuch (FGB) der ehemaligen DDR. Nach dem Vertrag erfolgte die Überlassung „altershalber”; dem Vater und der Mutter des Klägers wurde ausbedungen, auf Lebenszeit unentgeltlich zwei Zimmer und eine Küche im Erdgeschoß des Hauses zu bewohnen.
Der Vater ist inzwischen verstorben und von seiner Witwe und dem Kläger beerbt worden.
Ende 1994 erhob der Kläger Klage mit dem Ziel, die Beklagte zur Übertragung ihres hälftigen ideellen Anteils an dem Anwesen auf die Erbengemeinschaft zu verurteilen, die aus ihm selbst, seiner Mutter und B. bestehe. Er vertrat die Ansicht, daß infolge der Ehescheidung die Geschäftsgrundlage der Eigentumsübertragung auf die Beklagte entfallen sei.
Das Landgericht gab der Klage statt. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie in erster Linie die Klageabweisung und hilfsweise eine Verurteilung nur Zug um Zug gegen Zahlung von 72.500 DM erstrebte, wies das Oberlandesgericht mit der Maßgabe zurück, daß Mitglieder der Erbengemeinschaft lediglich der Kläger und seine Mutter (nicht auch B.) seien. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihre zweitinstanzlichen Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Das Oberlandesgericht hat den „Grundstücksüberlassungsvertrag” vom 18. September 1987 als Schenkung beurteilt, mit der der Erblasser den Zweck verfolgt habe, das den Parteien zu gemeinschaftlichem Eigentum überlassene Grundstück im Familienstamm zu halten und die Versorgung seiner Ehefrau, der Mutter des Klägers, durch Gewährleistung freien Wohnens zu sichern. Mit der Scheidung der Ehe der Parteien sei dieser Zweck verfehlt worden, weil nunmehr die Beklagte das Recht habe, die Teilungsversteigerung des Grundstücks zu betreiben mit der möglichen Folge, daß der Kläger und seine Mutter das Grundstück verlassen müßten. Die Beklagte habe daher ihr hälftiges Bruchteilseigentum gemäß § 812 Abs. 1 BGB (Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung) auf die aus dem Kläger und der Mutter bestehende Erbengemeinschaft zu übertragen. Soweit sich die Beklagte in nicht unerheblichem Umfang finanziell und mit ihrer Arbeitskraft am Ausbau des Anwesens beteiligt habe, könne sie allenfalls Bereicherungsansprüche wegen des Wegfalls des mit ihrer Leistung bezweckten Erfolges geltend machen. Solche Gegenansprüche seien jedoch nicht Gegenstand des Rechtsstreits und könnten dem Hilfsbegehren der Beklagten nicht zum Erfolge verhelfen.
2. Diese Ausführungen halten in wesentlichen Punkten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Zwar ist der Ansicht der Revision nicht zu folgen, die Eigentumsübertragung auf die Eheleute aufgrund des Vertrages vom 18. September 1987 sei von vornherein gescheitert, weil nach § 282 Abs. 2 des Zivilgesetzbuchs der DDR (ZGB), anzuwenden gemäß Art. 232 § 1 EGBGB, eine Schenkung nicht von einer Bedingung oder Auflage abhängig gemacht werden dürfe, der vom Berufungsgericht festgestellte Zweck des Vertrages aber als derartige Bedingung oder Auflage zu werten sei. Daran ist richtig, daß nach dem innerdeutschen Kollisionsrecht und der intertemporalen Regelung des Art. 232 § 1 EGBGB der Vertrag vom 18. September 1987 nach DDR-Recht zu beurteilen ist. Es kann aber nicht angenommen werden, daß dieser im Sinne von § 282 Abs. 2 ZGB eine schädliche Bedingung oder Auflage enthält. Von einer Schenkung im Rechtssinne, also einer unentgeltlichen Zuwendung, kann von vornherein nur im Verhältnis zum Kläger ausgegangen werden (zur Beklagten vgl. unten b), und zwar im Hinblick auf die übernommene Verpflichtung zur lebenslangen Wohnungsgewährung von einer gemischten Schenkung (vgl. dazu BGHZ 3, 206, 211). Der Vertragswortlaut selbst gibt für eine Bedingung oder Auflage keinen Anhalt; nach bundesdeutschem Recht wäre das, was das Oberlandesgericht über den Zweck festgestellt hat, nicht Vertragsbestandteil, sondern lediglich Geschäftsgrundlage des Rechtsgeschäfts (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1983 – V ZR 67/82 – NJW 1984, 233). Nach dem Rechtsverständnis der DDR sollten mit dem Verbot einer Bedingung oder Auflage einseitige Festlegungen des Zuwendenden ausgeschlossen werden, um Abhängigkeiten von diesem zu vermeiden; einvernehmliche Abreden z.B. über die Verwendung der Leistung waren hingegen zulässig (vgl. Lehrbuch des Zivilrechts der DDR – 1981 – Bd. II S. 163; s.a. BGH, Urteil vom 5. November 1993 – V ZR 145/92 – ZIP 1993, 1905, 1906). Von derartigen einseitigen Festlegungen des Erblassers kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Denn zwischen dem Kläger und seinem Vater hat zumindest eine – sei es auch nur stillschweigende – tatsächliche Willensübereinstimmung über den mit der Grundstücksüberlassung verfolgten Zweck bestanden.
b) Soweit das Oberlandesgericht auch die Zuwendung von Gemeinschaftseigentum an die Beklagte als Schenkung beurteilt hat, ist die Annahme für den Senat nicht bindend, weil hierbei wesentliche Umstände außer Betracht geblieben sind. Wie der Senat in seinem Urteil vom 12. April 1995 (XII ZR 58/94 – NJW 1995, 1889, 1890 = FamRZ 1995, 1060) auf der Grundlage bundesdeutschen Rechts ausgeführt hat, ist bei Zuwendungen von Schwiegereltern an den Ehepartner des leiblichen Kindes zum Zwecke der Begünstigung des ehelichen Zusammenlebens regelmäßig ein Rechtsverhältnis eigener Art anzunehmen, das mit den ehebezogenen Zuwendungen unter Ehegatten vergleichbar ist. Eine Schenkung scheidet aus, weil es an dem erforderlichen subjektiven Tatbestand fehlt: Nach dem erkennbaren Willen des Zuwenders soll die Leistung nicht zu einer den Empfänger einseitig begünstigenden und frei disponiblen Bereicherung führen, sondern sie soll auf Dauer der Ehegemeinschaft dienen und damit auch von deren Bestand abhängig sein.
Aus den gleichen Gründen ist hier in bezug auf die Beklagte eine Schenkung auch nach DDR-Recht abzulehnen. Gerade auch im Hinblick auf den bereits erörterten § 282 Abs. 2 ZGB besteht kein Anlaß, an den erforderlichen Schenkungswillen andere Anforderungen zu stellen. Die Beklagte wurde nur als Ehefrau des Klägers mitbedacht; sie war sich nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts auch über die einer Schenkung entgegenstehenden Zielvorstellungen ihres Schwiegervaters im klaren. Nach DDR-Recht bestand im Schuldrecht wie im bundesdeutschen Recht kein Typenzwang, sondern § 45 Abs. 3 ZGB gestattete es, Verträge eigener Art abzuschließen, soweit nicht gegen zwingende Normen oder den Zweck des Gesetzes verstoßen wurde (vgl. Lehrbuch des Zivilrechts a.a.O. Bd. I S. 183). Es bestehen insgesamt keine Bedenken, auch unter der Herrschaft des DDR-Rechts in Fällen der vorliegenden Art von einem familienbezogenen Rechtsverhältnis eigener Art auszugehen, wie es der Senat in seinem Urteil vom 12. April 1995 (aaO) angenommen hat (ebenso OLG Dresden – 16 U 555/96 – Urteil vom 12. September 1996).
c) Ausweislich des vorgelegten Grundbuchauszugs sind die Parteien aufgrund des Überlassungsvertrages am 21. Dezember 1987 als gemeinschaftliche Eigentümer des Anwesens (§§ 13 ff. FGB) in das Grundbuch eingetragen worden. Eine Verfügung über das Grundstück war seinerzeit nur unter Mitwirkung beider Teile möglich (§ 15 Abs. 2 Satz 1 FGB). Da die Parteien im gesetzlichen Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft der DDR gelebt und nach dem Wirksamwerden des Beitritts keine Erklärung gemäß Art. 234 § 4 Abs. 2 Satz 1 EGBGB abgegeben haben – davon kann ausgegangen werden, da unstreitig zwischen ihnen das Zugewinnausgleichsverfahren schwebt – ist jedenfalls seit Inkrafttreten des Art. 234 § 4 a EGBGB am 25. Dezember 1993 Eigentum der Parteien zu gleichen Bruchteilen eingetreten. Das hat zur Folge, daß die Beklagte fortan über ihren Anteil allein verfügen und auch grundsätzlich die Teilungsversteigerung zum Zwecke der Auseinandersetzung gemäß § 180 ZVG betreiben kann. Bereits mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters aus der zweiten Jahreshälfte 1993 ließ die Beklagte auch die gerichtliche Zwangsversteigerung für den Fall androhen, daß eine vergleichsweise Regelung über die Rückübertragung ihres Eigentumsanteils gegen Zahlung von 72.500 DM nicht zustande komme.
d) Der letztgenannte Umstand, der das Wohnrecht der Mutter des Klägers und den damit verbundenen Versorgungszweck des Vertrages vom 18. September 1987 gefährdet, sowie die Scheidung der Ehe der Parteien, von deren Fortbestand die Vertragsparteien seinerzeit stillschweigend ausgingen, sind in bezug auf die Beklagte als Wegfall der Geschäftsgrundlage zu werten. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß das aus dem Prinzip von Treu und Glauben abgeleitete Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auch auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbar ist, die vor dem 1. Juli 1990 in der DDR begründet worden sind (grundlegend BGHZ 120, 10, 22 ff.; weitere Nachweise bei BGHZ 131, 209, 214).
e) Die aufgrund eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage grundsätzlich vorzunehmende Anpassung führt im Bereich der ehebezogenen Zuwendungen nur in seltenen Ausnahmefällen zu einer dinglichen Rückgewähr; in der Regel kann nur ein Ausgleich in Geld verlangt werden, dessen Höhe sich nach den Umständen des Einzelfalles richtet (vgl. Nonnenkamp/Zysk DRiZ 1990, 437, 440 m.w.N.). Ähnliches gilt bei Zuwendungen von Schwiegereltern an den nicht mit ihnen verwandten Ehegatten; soweit die Ehe Bestand gehabt hat, ist der Zweck der Zuwendung jedenfalls teilweise erreicht, so daß das Zugewendete in der Regel nicht voll wird zurückgegeben werden müssen (vgl. Senatsurteil vom 12. April 1995 aaO). Ausnahmen sind denkbar, wenn nur die Rückgewähr geeignet erscheint, einen untragbaren, mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbaren Zustand zu vermeiden. Ist das der Fall, kann aber von vornherein die Rückgewähr nur unter Berücksichtigung des nach den Umständen des Einzelfalles gerechtfertigten Ausgleichs in Betracht kommen. Denn die Rückgewährpflicht ist hier nur Element einer Anpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, d.h. ihr ist die gleichzeitige Berücksichtigung der Belange des Verpflichteten, i.d.R. ein finanzieller Ausgleich, immanent. Unabhängig von einer Einrede des Verpflichteten oder der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts kann also eine Verurteilung zur Rückgewähr i.d.R. nur Zug um Zug gegen Zahlung eines angemessenen Ausgleichs in Geld erfolgen (vgl. dazu BGHZ 68, 299, 306; 82, 227, 236 f.; Senatsurteil BGHZ 115, 132, 138 f.).
Im vorliegenden Fall ist nach diesen Grundsätzen zwar nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht die Beklagte als verpflichtet angesehen hat, ihren aufgrund des Vertrages vom 18. September 1987 erlangten Grundstücksanteil auf die Rechtsnachfolger des Erblassers zurückzuübertragen. Denn neben dem Scheitern der Ehe der Parteien fällt erheblich ins Gewicht, daß der Erblasser unter allen Umständen das Anwesen in Familienbesitz halten und seiner Ehefrau auf Lebenszeit darin freies Wohnen gewährleisten wollte. Auf der anderen Seite kann aber das angefochtene Urteil schon deswegen keinen Bestand haben, weil das Oberlandesgericht nach dem oben Angeführten zu Unrecht angenommen hat, grundsätzlich gegebene Gegenansprüche der Beklagten aufgrund ihrer erheblichen Mitwirkung am Ausbau des Anwesens müßten unberücksichtigt und könnten einem besonderen Prozeß vorbehalten bleiben. Da die Bemessung der Höhe des der Beklagten zustehenden Ausgleichsanspruchs wesentlich Sache des Tatrichters ist und hierzu weitere Feststellungen erforderlich sind, ist eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht möglich. Die Sache muß daher an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.
3. Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:
a) Die Bemessung des Ausgleichsanspruchs der Beklagten hat im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO analog den Grundsätzen zu erfolgen, die für die ehebezogenen Zuwendungen gelten. Vorliegend wird es insbesondere auf Art und Umfang der von der Beklagten erbrachten Leistungen und ihre finanziellen Beiträge beim Ausbau des Anwesens ankommen (vgl. etwa Senatsurteil BGHZ 127, 48, 54 f. m.w.N.), wozu im einzelnen vorgetragen worden ist. Obere Grenze wird die dadurch bedingte und noch vorhandene Vermögensmehrung darstellen, im Ergebnis also der hälftige Wert des Anwesens im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe. Gegebenenfalls sind auch sonstige Billigkeitsgründe zu berücksichtigen, wie die Dauer der Ehe und die beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
b) Da es im vorliegenden Fall um einen Anspruch des verstorbenen Vaters des Klägers geht, der vom Kläger als Miterbe verfolgt wird, haben Gesichtspunkte des Zugewinnausgleichs zwischen den Parteien keinen unmittelbaren Einfluß. Beim Endvermögen der Beklagten (§ 1375 BGB) ist gegebenenfalls als Passivposten ihre Rückgewährpflicht, als Aktivposten ihr Ausgleichsanspruch zu berücksichtigen.
Unterschriften
Blumenröhr, Zysk, Hahne, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 1127394 |
NJW 1998, 2600 |
FamRZ 1998, 669 |
FuR 1998, 174 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 1998, 262 |
WM 1998, 1088 |
ZAP-Ost 1998, 227 |
DNotZ 1998, 886 |
MDR 1998, 602 |
NJ 1998, 474 |