Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Januar 1997 wird zurückgewiesen, soweit
- der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden ist, einen GoldStar GDO-202-M CD-Multiplayer – wie auf der letzten Seite der Werbebeilage „COMPUTER-NEWS Sommer 1995” geschehen – mit der Beschreibung „Video-CD's … abspielbar” zu bewerben,
- festgestellt ist, daß die Beklagte der Klägerin wegen der unter a) genannten Handlung zum Schadensersatz verpflichtet ist, und
- die Beklagte verurteilt worden ist, Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Auflage die „COMPUTER-NEWS Sommer 1995” in ihrem Geschäftsbereich erschienen bzw. verteilt worden sind.
Im übrigen wird das Berufungsurteil aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Bochum – Kammer für Handelssachen – vom 21. Mai 1996 abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zu 3/4 und der Beklagten zu 1/4 zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber bei dem Vertrieb von Geräten der Unterhaltungselektronik im Einzelhandel.
Am 27. Juli 1995 war der „W. Zeitung” eine mehrseitige Werbebeilage der Beklagten beigefügt, in der rund 100 EDV-Artikel (Computer, Drucker, Monitore, Zubehör, Software) beworben waren. Die Titelseite war wie folgt gestaltet:
Außer dem auf der Titelseite abgebildeten „PENTIUM 75-CD Minitower”-Computer zum Preis von 1.999,– DM war auf der letzten Seite ein „GoldStar GDO-202-M CD-Multiplayer” zum Preis von 749,– DM angeboten, der nach der Beschreibung auch zum Abspielen von Video-CDs geeignet sein sollte.
Der Hinweis „PRODUKT MAL NICHT VORHANDEN? KEIN PROBLEM – WIR BESTELLEN SOFORT FÜR SIE!” war außer auf der Vorderseite auch am unteren Rand einer jeden Innenseite der Werbebeilage enthalten.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte habe in der Werbebeilage, die für den ganzen Sommer 1995 gegolten habe, irreführend geworben, weil bei einem Testkauf am 9. August 1995 der genannte Pentium-Computer nicht vorrätig gewesen sei. Die Beklagte habe ferner die Leser der Werbebeilage irregeführt, weil auf dem CD-Multiplayer entgegen der Ankündigung – unstreitig – keine Video-CDs hätten abgespielt werden können; dies sei vielmehr erst später durch Nachrüstung mit einer noch nicht lieferbaren MPEG-Karte möglich gewesen.
Die Klägerin hat Unterlassung der Werbung, Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz und Auskunftserteilung begehrt.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat vorgebracht, die Verbrauchererwartung gehe nur dahin, daß die Ware allenfalls zehn Tage nach Erscheinen der hier in Rede stehenden Werbebeilage noch zur Mitnahme vorrätig sei. Auch die Werbung für den CD-Multiplayer sei nicht irreführend. Es sei für sie nicht vorhersehbar gewesen, daß dieses Gerät nicht in der beworbenen Ausstattung lieferbar sei.
Das Landgericht hat die Beklagte unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in werblichen Anzeigen, Zeitungsinseraten u.ä.
Artikel des Sortiments zu bewerben, wenn diese während der angekündigten Gültigkeitsdauer der Werbung nicht vorrätig sind – wie geschehen in der Werbebeilage „COMPUTER-NEWS Sommer 1995” für einen „PENTIUM 75-CD Minitower” –
und/oder
- Artikel des Sortiments mit Eigenschaften zu bewerben, die diese tatsächlich nicht aufweisen – wie geschehen in der Werbebeilage „COMPUTER-NEWS Sommer 1995” für einen „GoldStar GDO-202-M CD-Multiplayer” mit der Beschreibung „… Video-CDs … abspielbar” –.
Das Landgericht hat ferner festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend aufgeführten Handlungen entstanden sei und künftig noch entstehen werde, und die Beklagte weiter verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Auflage die „COMPUTER-NEWS Sommer 1995” in ihrem Geschäftsbereich erschienen bzw. verteilt worden sei.
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Unterlassungsantrag zu a)
1. Das Berufungsgericht hat das Unterlassungsbegehren der Klägerin als Wettbewerberin der Beklagten (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG) wegen Irreführung über die Erhältlichkeit der beworbenen Ware, hier des Pentium-Computers, als begründet angesehen. Es hat dazu ausgeführt:
Der Verkehr, der durch die Werbebeilage angelockt worden sei, erwarte, daß die dort beworbenen Artikel auch tatsächlich zur Mitnahme vorhanden seien. Nach der Gestaltung der Überschrift der Beilage „COMPUTER-NEWS Sommer 1995” gehe der Verkehr davon aus, daß das Angebot den Sommer über aufrechterhalten werde. Die Beklagte hätte daher dafür sorgen müssen, daß die angebotenen Geräte während des gesamten Zeitraums vorhanden waren. Das gelte für den Minitower insbesondere deshalb, weil er herausgestellt als „Zugpferd” beworben worden sei.
Die Irreführung werde durch den Hinweis „PRODUKT MAL NICHT VORHANDEN? KEIN PROBLEM – WIR BESTELLEN SOFORT FÜR SIE!” nicht ausgeräumt.
Der Verstoß sei auch geeignet, den Wettbewerb auf demselben Markt wesentlich zu beeinträchtigen.
2. Die dagegen gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage, soweit die Beklagte nach dem Unterlassungsantrag zu a) verurteilt worden ist.
Der Klägerin, die aufgrund der vom Berufungsgericht im Rahmen der Prüfung des § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG getroffenen Feststellungen bereits unmittelbar aus § 3 UWG klagebefugt ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.3.1998 - I ZR 229/95, GRUR 1998, 1039, 1040 = WRP 1998, 973 - Fotovergrößerungen), steht der mit dem Klageantrag zu a) geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte nicht dadurch in irreführender Weise geworben (§ 3 UWG), daß sie in der am 27. Juli 1995 verteilten Werbebeilage einen Minitower angeboten hat, der beim Testkauf am 9. August 1995 – wovon für die Prüfung in der Revisionsinstanz auszugehen ist – nicht vorhanden war.
a) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daß eine Werbung grundsätzlich als irreführend zu beurteilen ist, wenn die beworbenen Waren, die – wie hier – zum persönlichen Gebrauch bestimmt sind, entgegen der Verbrauchererwartung zu dem angekündigten Zeitpunkt nicht oder nicht in gewünschter Menge vorrätig sind und von den Interessenten im Verkaufslokal erworben werden können (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 9.5.1996 - I ZR 107/94, GRUR 1996, 800, 801 = WRP 1996, 899 - EDV-Geräte, m.w.N.). Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, daß die Verbraucher nach der Lebenserfahrung nicht stets und ohne jede Einschränkung erwarten, z.B. auch nach den Kundenwünschen jeweils individuell zu konfigurierende, wenig auffällig beworbene Computer am Tag der Werbung im Ladengeschäft zur sofortigen Mitnahme vorzufinden (BGH, Urt. v. 10.12.1998 - I ZR 141/96, WRP 1999, 421, 423 - Vorratslücken).
b) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Verkehr erwarte, daß die Beklagte die in ihrer Werbebeilage beworbenen Artikel den ganzen Sommer 1995 über zur sofortigen Mitnahme vorrätig halte, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Berufungsgericht hat bereits nicht hinreichend berücksichtigt, daß sich die Erwartung des Verkehrs hinsichtlich der Lieferbarkeit beworbener Waren einer schematischen Beurteilung entzieht. Die Verkehrserwartung wird maßgebend durch die Umstände des Einzelfalls beeinflußt, insbesondere durch den Inhalt, den Umfang und die konkrete Werbung, die Art der angebotenen Waren sowie die Bedeutung des werbenden Unternehmens (vgl. BGH, Urt. v. 4.6.1986 - I ZR 43/84, GRUR 1987, 52, 53 = WRP 1987, 101 - Tomatenmark; Urt. v. 30.3.1989 - I ZR 33/87, GRUR 1989, 609, 610 = WRP 1989, 570 - Fotoapparate). Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht die Besonderheiten der in Rede stehenden Werbebeilage nicht hinreichend berücksichtigt hat. Die Angabe „Sommer 1995” ist vorliegend zwar nicht ohne jede Bedeutung. Bei Werbebeilagen mit einer längeren Gültigkeitsdauer – hier Sommer 1995 – ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung ähnlich wie bei Katalogen zunächst davon auszugehen, daß die Werbeangaben in der Regel für die genannte Zeitdauer gelten sollen, d.h., daß die angebotenen Artikel zu den angegebenen Preisen während der Gültigkeitsdauer der Werbeunterlage lieferbar sind. Eine solche auf die grundsätzliche Lieferbarkeit bezogene Verkehrserwartung schließt indessen nicht ohne weiteres auch die Erwartung ein, daß alle angebotenen Artikel während der gesamten Zeitdauer zur sofortigen Mitnahme bereit gehalten werden. Der Verkehr weiß, daß z.B. bei Jahreskatalogen oder bei Katalogen mit einer auf eine Jahreszeit beschränkten Gültigkeitsdauer nicht stets alle angebotenen Waren sofort lieferbar sind, sondern erst bestellt werden müssen. Nichts anderes erwartet er bei Werbebeilagen, in denen eine Vielzahl von Artikeln – hier rd. 100 – angeboten werden. Er weiß, daß vor allem die als besonders attraktiv herausgestellten Artikel – wie hier der auf der ersten Seite der Beilage angebotene Minitower „zum Wahnsinnspreis” – starkes Interesse finden und daher vorübergehend auch vergriffen sein können und nachbestellt werden müssen. Ein anderes Verständnis wäre realitätsfremd, sofern es nicht durch den Inhalt und die Ausgestaltung der konkreten Werbung eindeutig nahegelegt wird. Das ist hier nicht der Fall. Der Hinweis „Sommer 1995” ist neben der Überschrift „COMPUTER-NEWS” drucktechnisch eher unauffällig gestaltet. Es finden sich keinerlei Anhaltspunkte, die den Verkehr zu der Annahme veranlassen könnten, mit dem Hinweis sei nicht nur die zeitliche Dauer der grundsätzlichen Lieferbarkeit angesprochen, sondern auch die Zusicherung gegeben, alle Artikel über einen mehrmonatigen Zeitraum jederzeit und zur sofortigen Mitnahme erwerben zu können, zumal die beworbenen EDV-Artikel aus sich heraus auch keinen bestimmten Bezug zum Sommer haben.
Allerdings erwartet der Verkehr bei Werbebeilagen eine sofortige Lieferbarkeit jedenfalls zum Zeitpunkt ihres Erscheinens (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.1987 - I ZR 95/85, GRUR 1988, 311 f. = WRP 1987, 670 - Beilagen-Werbung) und für eine gewisse Zeit danach. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist dieser Zeitraum bei Werbebeilagen grundsätzlich länger zu bemessen als bei der Anzeigenwerbung in einer Tageszeitung, die nur einen kurzfristigen Aufmerksamkeitswert hat. Maßgebend sind die dem Verkehr bekannten Werbegepflogenheiten und die Art der beworbenen Waren. Die Revision weist insoweit zu Recht darauf hin, daß sich der Verkehr inzwischen an eine Flut von Werbebeilagen – auch der großen Wettbewerber auf dem EDV-Markt – gewöhnt hat, die oft in ein- oder zweiwöchigem Rhythmus erscheinen. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, daß gerade der EDV-Markt von einer schnellen Weiterentwicklung mit ständig wechselnden Angeboten gekennzeichnet ist, so daß entsprechende Werbebeilagen nur ein begrenztes Aktualitätsinteresse haben und deshalb in der Regel auch nur vorübergehend aufbewahrt werden. Der Interessent eines EDV-Gerätes kann und wird erwarten, daß die in einer Werbebeilage angebotenen – keine längerdauernde Konfiguration erfordernden – Geräte jedenfalls grundsätzlich (vgl. oben unter I. 2. a) innerhalb eines Zeitraums von einer Woche nach Erscheinen der Beilage zur sofortigen Mitnahme zur Verfügung stehen; denn er wird die aktuellen Angebote in derartigen Werbebeilagen, die er der Zeitung entnehmen und gesondert aufbewahren kann, zumindest an einem Wochenende miteinander vergleichen und sich danach entscheiden und den Artikel gegebenenfalls erwerben wollen. Aus dem Inhalt der Werbebeilage und der Art der beworbenen Artikel ergeben sich aus der Sicht des Verkehrs keine Anhaltspunkte dafür, daß vorliegend die Festlegung eines längeren Zeitraums notwendig sein könnte.
c) Danach kann die Verurteilung gemäß dem Unterlassungsantrag zu a) nicht aufrechterhalten bleiben; denn das Gerät, das Gegenstand dieses Antrags ist, war – wovon für die Prüfung in der Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin auszugehen ist – beim Testkauf am 9. August 1995 und damit dreizehn Tage nach Erscheinen der Beilage nicht vorrätig. Auf die weiteren Rügen der Revision, der Antrag sei zu weit gefaßt und eine Irreführung entfalle aufgrund der „Freizeichnungsklausel”, kommt es mithin nicht an.
II. Unterlassungsanspruch zu b)
1. Das Berufungsgericht hat die Klage auch mit dem Antrag zu b) für begründet erachtet, weil die Beklagte für den CD-Multiplayer mit Eigenschaften geworben habe, die dieser nicht aufweise. Es hat dazu ausgeführt, die Werbeangaben seien irreführend, weil die Angabe, Video-CDs seien abspielbar, nicht zutreffend sei. Die rein theoretische Möglichkeit, die Abspielbarkeit in Zukunft durch Einsatz eines weiteren Bauteils herbeizuführen, reiche aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nicht aus, dem Gerät schon jetzt diese Eigenschaften zuzubilligen, da nach der Werbung davon auszugehen sei, daß das Gerät bereits jetzt zum Abspielen von Video-CDs tatsächlich benutzt werden könne.
Entgegen der Ansicht der Beklagten liege auch nicht der Fall vor, daß eine werbemäßig angekündigte Lieferung trotz Einhaltung der kaufmännischen Sorgfaltspflichten unvorhersehbar nicht geliefert werden könne. Es gehe vorliegend nicht um einen unvorhersehbaren Lieferengpaß, vielmehr handele es sich um die Bewerbung eines Produktes, dessen Herstellung mit den beworbenen Eigenschaften noch ausstehe. Mit Schwierigkeiten der Herstellung müsse immer gerechnet werden. Auch wenn der Beklagten von der Herstellerin zugesagt worden sei, bis zur Werbung sei das Gerät in der beworbenen Form betriebsbereit, so habe doch immer noch das erkennbare Risiko bestanden, daß die Neuerung tatsächlich noch nicht fertiggestellt sei. Dagegen erwecke die Werbung beim Kunden den Eindruck, daß es sich um eine bereits existente Neuerung handele, bei der die Entwicklung abgeschlossen gewesen sei und deren Funktionstüchtigkeit festgestanden habe. Ob sich dies dann tatsächlich bewahrheiten würde oder nicht, habe die Beklagte in ihrer Werbung bewußt in Kauf genommen, indem sie den Entwicklungserfolg werbemäßig bereits vorweggenommen habe.
Die irreführende Werbung sei geeignet, den Wettbewerb auf dem hier maßgebenden Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Es würden schutzwürdige Belange der Allgemeinheit verletzt; außerdem verschaffe sich die Beklagte einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor den Mitbewerbern.
2. Die Revision hat teilweise Erfolg. Das Verbot ist zwar grundsätzlich gerechtfertigt, aber auf die konkrete Verletzungshandlung zu beschränken.
a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß die Beklagte durch die Aussage, „Video-CDs seien mit dem Gerät abspielbar” eine irreführende Angabe i.S. des § 3 UWG gemacht hat, denn der Verkehr erwartet bei einer Werbeangabe wie der vorliegenden, daß eine genau beschriebene Verwendungsmöglichkeit zu der Zeit, für die die Werbung als gültig angesehen wird, auch tatsächlich vorhanden ist. Da dies nicht der Fall war, ist eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise hinsichtlich der Beschaffenheit der beworbenen Ware gegeben.
b) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe das unter Beweis gestellte Vorbringen der Beklagten nicht beachtet, sie habe erst – nach Vereinbarung eines Fixtermins für die Lieferung zum 21. Juli 1995 – am 17. Juli 1995 erfahren, daß der CD-Multiplayer zwar flächendeckend, aber nicht mit dem für das Abspielen von Video-CDs erforderlichen MPEG-Modul ausgeliefert werden könne, ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hätte Anlaß gehabt, sich mit diesem Vorbringen auseinanderzusetzen, wenn die hier vorliegende Irreführung über eine beschriebene Verwendungsmöglichkeit des Multiplayers, die im Zeitpunkt der Gültigkeit der Werbung nicht vorhanden war, von dem Verkehr in gleicher Weise gesehen würde wie eine mangelnde Lieferfähigkeit. Hinsichtlich letzterer ist davon auszugehen, daß die Erwartung des Verkehrs die Möglichkeit einbezieht, daß der Kaufmann aus Gründen höherer Gewalt oder ohne Verschulden trotz sorgfältiger Einkaufs- und Vorratskalkulation an der Einhaltung der Verkaufszusage gehindert ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 27.5.1982 - I ZR 35/80, GRUR 1982, 681, 682 = WRP 1982, 642 - Skistiefel; Urt. v. 18.4.1985 - I ZR 155/83, GRUR 1985, 980, 981 = WRP 1985, 484 - Tennisschuhe). Diese Einschätzung läßt sich aber nicht ohne weiteres auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt übertragen. Die angesprochenen Verbraucher rechnen nicht damit, daß ein Handelsunternehmen, das eine Neuentwicklung eines Gerätes ankündigt, zu dessen Auslieferung nicht in der Lage sein könnte, weil der Hersteller die Entwicklungsarbeiten noch nicht abgeschlossen hat. Sie sind Endverbraucher, die regelmäßig über kein Erfahrungswissen hinsichtlich der Neuentwicklungen einzelner Geräte bei den Herstellern verfügen und die sich deshalb darauf verlassen, daß ihnen Händler wie die Beklagte grundsätzlich nur solche Waren als lieferfähig anbieten, die tatsächlich, so wie beworben, existieren. Sie haben keinen Anlaß, sich darüber Gedanken zu machen, daß es Fälle geben könnte, in denen der werbende Händler Geräte anbietet, die er aus Gründen fehlender Marktreife nicht liefern könnte. Sie gehen nicht davon aus, daß der sie als Letztverbraucher beliefernde Händler Geräte bewerben könnte, die er in dem maßgeblichen Zeitpunkt überhaupt nicht anbieten kann, weil sie noch nicht produziert werden. Insoweit handelt es sich nicht um eine vereinzelte Fehlleistung in der Disposition, bei der nicht ohne weiteres von einer Irreführung des Verkehrs ausgegangen werden könnte. Vielmehr ist es eine Werbegestaltung, bei der eine wesentliche Funktion des Handels – den Letztverbrauchern die am Markt vorhandenen Waren anzubieten – nicht erfüllt wird. Das fällt insbesondere dann ins Gewicht, wenn, wie hier, nicht unerhebliche Neuentwicklungen im Bereich der Unterhaltungselektronik beworben werden.
Auch kann der Erwägung der Revision, die Sicht des Berufungsgerichts habe zur Folge, daß der Handel bei seiner Werbung für Produkte mit technischen Innovationen zur Zurückhaltung verpflichtet wäre, was bedenklich sei, nicht beigetreten werden. Die Notwendigkeit der Zurückhaltung bei der Werbung in Fällen technischer Neuerungen hat lediglich zum Inhalt, daß nicht mit Eigenschaften für Produkte geworben werden darf, über die diese tatsächlich noch nicht verfügen, ohne auf diesen Umstand gegebenenfalls hinzuweisen.
c) Entgegen der Ansicht der Revision mangelt es bei der hier zu beurteilenden irreführenden Angabe auch nicht an der erforderlichen wettbewerbsrechtlichen Relevanz i.S. des § 3 UWG. Es entspricht vielmehr allgemeiner Erfahrung, daß Angaben über eine Fortentwicklung, die zu neuen Verwendungsmöglichkeiten führen, geeignet sind, die angesprochenen Verbraucher in ihrer Entscheidung zu beeinflussen.
Der Umstand, daß die Beklagte in ihrer Werbung ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß Video-CDs abspielbar seien, zeigt, daß ein Interesse der Verbraucher daran besteht, von dieser technischen Entwicklung zu erfahren, um sie zum Inhalt ihrer Kaufentscheidung zu machen. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht keinen Anlaß gesehen, sich bei der Frage der Prüfung der Relevanz der Irreführung mit der Behauptung der Beklagten auseinanderzusetzen, das beworbene Gerät sei bundesweit tatsächlich lediglich achtzigmal verkauft worden. Dieses Vorbringen, seine Richtigkeit unterstellt, besagt noch nichts über die Anzahl der Kunden, die aufgrund der irreführenden Werbung die Geschäftslokale der Beklagten aufgesucht haben und so durch die unrichtige Angabe dazu angelockt worden sind, sich mit einem Angebot näher zu befassen, das sie sonst möglicherweise unbeachtet gelassen hätten. Zudem liegt es nahe, daß der beworbene Multiplayer nur deshalb in so geringem Umfang, wie von der Beklagten behauptet, verkauft worden ist, weil er nicht über alle Funktionen verfügte, deren Vorhandensein angepriesen worden ist.
d) Mit zutreffenden Erwägungen hat das Berufungsgericht auch die Eignung der irreführenden Werbung, den Wettbewerb auf dem hier maßgeblichen Markt wesentlich zu beeinträchtigen, bejaht. Die tatrichterlichen Feststellungen zum Vorliegen eines Anlockeffekts und einer Nachahmungsgefahr lassen einen revisiblen Rechtsfehler nicht erkennen. Ein solcher wird von der Revision auch nicht aufgezeigt.
e) Als begründet erweist sich hingegen die Rüge der Revision, der Verbotsausspruch sei zu weit gefaßt, weil er das gesamte Warensortiment der Beklagten einschließe. Der Verbotsausspruch war auf das konkret beworbene Gerät zu beschränken.
Zwar sind gewisse Verallgemeinerungen zulässig. Denn die durch eine Verletzungshandlung begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr beschränkt sich nicht allein auf die genau identische Verletzungsform, sondern erfaßt auch alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen. Vorliegend muß das Verbot jedoch auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkt bleiben. Denn es ist nicht erkennbar, daß die Beklagte für andere Geräte in vergleichbarer Weise mit Neuerungen werben könnte, die – wie hier die angekündigte Video-CD-Abspielbarkeit – zum Zeitpunkt der Werbung noch nicht existieren.
III. Feststellung der Schadensersatzverpflichtung und Auskunftserteilung
1. Das Berufungsgericht hat auch die auf die Handlungen gemäß dem Unterlassungsantrag zu b) bezogenen Ansprüche auf Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz und auf Auskunftserteilung für begründet erachtet. Die von der Klägerin begehrten Auskünfte seien erforderlich, um den ihr entstandenen Schaden, insbesondere auch einen etwaigen Marktverwirrungsschaden, sicher abschätzen zu können. Hinsichtlich der Werbung für den Multiplayer treffe die Beklagte auch ein Verschulden. Sie sei bewußt das Risiko eingegangen, Geräte als lieferbar zu bewerben, obwohl solche nach der technischen Entwicklung noch nicht ausgeliefert worden seien. Auch hätte die Beklagte, da sie nach ihrer Angabe bereits am 17. Juli 1995 von der Lieferantin erfahren habe, daß die Geräte in der beworbenen Ausstattung nicht lieferbar seien, die am 27. Juli 1995 erschienene Werbebeilage nachbessern können und müssen.
2. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
a) Im Wettbewerbsrecht werden ebenso wie im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht strenge Anforderungen an die Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gestellt. Fahrlässig handelt bereits, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muß (vgl. BGH, Urt. v. 23.5.1990 - I ZR 176/88, GRUR 1990, 1035, 1038 = WRP 1991, 76 - Urselters II; BGHZ 130, 205, 220 - Feuer, Eis & Dynamit; 131, 308, 318 - Gefärbte Jeans; BGH, Urt. v. 18.12.1997 - I ZR 79/95, GRUR 1998, 568, 569 - Beatles-Doppel-CD; Urt. v. 23.4.1998 - I ZR 205/95, GRUR 1999, 49 - „Bruce Springsteen and his Band”).
b) Bei der gebotenen Beachtung der strengen Anforderungen reichen die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zur Annahme eines Verschuldens der Beklagten aus.
Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe sich bei seiner Beurteilung nicht hinreichend mit dem Vortrag der Beklagten auseinandergesetzt, wonach die Werbebeilage in einer bundesweiten Auflage von 12 Mio. Exemplaren mit einem Kostenaufwand von 2,4 Mio. DM gedruckt worden sei; der Druck sei auch bereits abgeschlossen gewesen, als die Beklagte von der Herstellerfirma auf die fehlende Abspielmöglichkeit hingewiesen worden sei. Für die Annahme des Berufungsgerichts, es sei wenig wahrscheinlich, daß innerhalb von zehn Tagen der Werbebeilage keine berichtigenden Hinweise mehr hätten beigefügt werden können, fehle es an tatsächlichen Anhaltspunkten. All dies vermag die Beklagte nicht zu entlasten. Sie trifft auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens zumindest der Vorwurf eines die Schadensersatzpflicht auslösenden leichten Verschuldens, denn sie hat die von ihr als einem kaufmännischen Unternehmen zu erwartenden Sorgfaltspflichten verletzt. Das Berufungsgericht hat dies zutreffend damit begründet, daß die Beklagte schon nicht das Risiko hätte eingehen dürfen, eine Neuentwicklung in ihre Werbebeilage aufzunehmen, von der bei Drucklegung noch nicht feststand, ob sie von dem Hersteller ausgeliefert werden könne. Das Berufungsgericht hat auch überzeugend angeführt, die Beklagte hätte gerade bei der aufwendig gestalteten Werbung vollkommen sicher sein müssen, daß das Gerät auch im Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung lieferbar sein werde, und sie habe sich nicht auf die Zusage der Lieferantin verlassen dürfen. Auch die Revision zeigt nicht hinreichend auf, daß weitere – vom Berufungsgericht in seine Beurteilung nicht einbezogene – Umstände vorhanden gewesen seien, die der Beklagten die erforderliche Sicherheit hätten vermitteln können, sie werde das als besonders interessant beschriebene Gerät auch den Verbrauchern liefern können.
Nachdem die Beklagte die gebotene Vorsicht bei der Aufnahme des Geräts in die Werbebeilage hat fehlen lassen, kann sie den Verschuldensvorwurf, wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend gesehen hat, nicht damit ausräumen, eine Korrektur sei in der Zeit von der Kenntniserlangung am 17. Juli 1995 bis zum Erscheinen der Werbung am 27. Juli 1995 nicht mehr zumutbar gewesen. Das Berufungsgericht hat vielmehr zu Recht darauf abgestellt, daß die Beklagte für den Fall, daß sie einen vom Hersteller noch nicht marktfertig ausgelieferten Multiplayer bereits bewerben wollte, auch Sorge für eine möglicherweise notwendig werdende Korrektur treffen mußte, daß das Gerät nicht zum Verkauf an Kunden bereitstand. Bei der zur Verfügung stehenden Zeit von zehn Tagen zwischen Kenntniserlangung und geplantem Erscheinen der Werbebeilage hat das Berufungsgericht auch verfahrensfehlerfrei die von der Beklagten vorgetragenen Kostengründe als nicht durchschlagend angesehen, nachdem die Beklagte das Risiko der Bewerbung zu einem so frühen Zeitpunkt eingegangen war.
IV. Danach kann das Berufungsurteil nur insoweit Bestand haben, als der Beklagten die Werbung für den Multiplayer untersagt worden ist und der Klägerin die hierauf bezogenen Ansprüche auf Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Auskunftserteilung zugesprochen worden sind.
Im übrigen war die Klage wegen des weitergehenden Begehrens der Klägerin unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und in Abänderung des Urteils des Landgerichts abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, Mees, v. Ungern-Sternberg, Bornkamm, Pokrant
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.02.1999 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen