Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 27.03.2009) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 27. März 2009 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Ferner hat es den Wertersatzverfall in Höhe von 2.700 Euro angeordnet. Gegen den Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das – von dem Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel hat Erfolg.
Rz. 2
1. Nach den zu den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen war der Angeklagte im Rahmen der sog. Nigeria-Connection, die sich mit dem internationalen Handel von Kokain befasste, als Kurier tätig. Neben den genannten beiden Fällen, die die Verurteilung tragen, hat die Anklage dem Angeklagten unter der laufenden Nr. 12 (Fallakte 15) zur Last gelegt, in Amsterdam von dem Lieferanten „Sunny” mindestens 400 g Heroin übernommen, inkorporiert und am 21. Juni 2008 nach Deutschland eingeführt zu haben; auf dem Weg zur Wohnung in M. sei er festgenommen, jedoch bereits am nächsten Tag wieder freigelassen worden, nachdem eine Röntgenuntersuchung nicht zum Auffinden des inkorporierten Rauschgifts geführt habe; nach seiner Freilassung habe er sich zu der gesondert verfolgten A. begeben und das inkorporierte Kokain ausgeschieden, das durch die Tätergruppe gewinnbringend in den Handel gelangt sei.
Rz. 3
Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Ohne den Anklagesachverhalt mitzuteilen, führt es in dem angefochtenen Urteil zur Begründung lediglich aus, der Angeklagte habe sich dahin eingelassen, er habe kein Kokain transportiert, insbesondere habe er kein Kokain inkorporiert. Diese Einlassung sei – so das Landgericht – dem Angeklagten nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu widerlegen, nachdem inkorporiertes Rauschgift bei seiner Festnahme nicht festgestellt worden sei. Nach dem Inhalt eines kurz vor der Festnahme des Angeklagten zwischen „Sunny” und dem früheren Mitangeklagten O. geführten Telefonats sei es vielmehr in hohem Maße wahrscheinlich, dass der Angeklagte sich bei seiner Festnahme auf dem Wege zu O. befunden habe, um dort das Rauschgift als Kurier zu übernehmen; „der Angeklagte hatte mithin mutmaßlich die Absicht, für ein Rauschgiftgeschäft tätig zu werden, hatte diese Absicht aber noch nicht umgesetzt” (UA 9). Auch eine Einfuhr von Rauschgift durch den Angeklagten nach Deutschland sei nicht sicher feststellbar; die Telefongespräche des „Sunny” mit O. beträfen lediglich Tatplanungen über Kurierfahrten, belegten jedoch nicht deren Durchführung durch den Angeklagten.
Rz. 4
2. Diese knappen Ausführungen werden bereits den formellen Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind, nicht gerecht. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (st. Rspr.; vgl. BGH NJW 1980, 2423; NStZ 1985, 184; BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4, 10; Senat, Urt. vom 20. März 2008 – 4 StR 5/08).
Rz. 5
Diese gebotene Darstellung der festgestellten Tatsachen enthält das angefochtene Urteil nicht. Schon der Tatvorwurf lässt sich dem Urteil – wie erwähnt – nicht, jedenfalls nicht hinreichend deutlich, entnehmen. Ebenso fehlt eine zusammenfassende Darstellung der Einlassung des Angeklagten. Dessen hätte es aber hier schon deshalb bedurft, um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob die Strafkammer den Anklagesachverhalt erschöpfend erfasst und gewürdigt hat. Insoweit hätte das Landgericht, wenn es sich in diesem Fall schon nicht von einem durch den Angeklagten tatsächlich durchgeführten Rauschgifttransport zu überzeugen vermochte, jedenfalls – wie die Beschwerdeführerin und der Generalbundesanwalt zu Recht geltend machen – eine Strafbarkeit des Angeklagten nach der subsidiären Vorschrift des § 30 Abs. 2 StGB (vgl. Fischer StGB 57. Aufl. § 30 Rdn. 16 m.N.) wegen Verabredung eines Verbrechens des – täterschaftlichen – Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Betracht ziehen müssen.
Rz. 6
3. Die Sache bedarf deshalb in dem den Freispruch betreffenden Fall umfassend neuer Prüfung und Entscheidung.
Rz. 7
Der Gesamtstrafenausspruch des angefochtenen Urteils bleibt von der Aufhebung des freisprechenden Teils des angefochtenen Urteils unberührt. Die Beschwerdeführerin wendet mit ihrer wirksam auf den Freispruch beschränkten Revision gegen den Gesamtstrafenausspruch auch nichts ein. Sofern der neue Tatrichter im Fall 12 (Fallakte 15) der Anklage zu einer Verurteilung des Angeklagten kommt, wird er entsprechend § 55 Abs. 1 StGB unter Einbeziehung der in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe rechtskräftig erkannten Einzelstrafen und Auflösung der bisherigen Gesamtstrafe eine neue Gesamtstrafe zu bilden haben (vgl. BGH NJW 1983, 1130, 1131 f.).
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Athing, Solin-Stojanović, Ernemann
Fundstellen