Leitsatz (amtlich)
a) Der Schadensersatzanspruch gegen einen Arzt, der die Geburt eines – hier wegen angeblich fehlerhafter vorgeburtlicher Untersuchung schwerstbehindert zur Welt gekommenen – Kindes zu verantworten hat, ist der Höhe nach durch den Unterhaltsbedarf des Kindes begrenzt und umfaßt nicht den Verdienstausfall, der den Eltern durch die Betreuung des Kindes entsteht.
b) Zur Aufklärungspflicht des Tatrichters bei widersprüchlichen Sachverständigengutachten.
Normenkette
BGB § 823; ZPO § 286
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 15.11.1995) |
LG Heidelberg |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. November 1995 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger nehmen den beklagten Frauenarzt auf Schadensersatz in Anspruch, weil ihre Tochter Daniela am 24. März 1982 infolge einer Chromosomenanomalie schwerstbehindert geboren worden ist. Sie legen dem Beklagen zur Last, er habe während der Betreuung der Schwangerschaft der Klägerin zu 2) (im folgenden: Klägerin) einen erheblichen Entwicklungsrückstand des Kindes nicht bemerkt. Angesichts der von ihm erhobenen Meßergebnisse habe er spätestens am 11. November 1981 wegen der Möglichkeit einer genetischen Störung eine Indikation zur Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung) stellen müssen. Die Klägerin hätte diese vornehmen und nach Feststellung der Anomalie die Schwangerschaft innerhalb der gesetzlichen Frist abbrechen lassen. Die Behinderungen des Kindes hätten zur Folge, daß die Klägerin – auch wegen ihrer eigenen psychischen Beeinträchtigung – keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen könne. Die Kläger haben mit der Klage u.a. Ersatz des Unterhaltsaufwandes für Daniela in Höhe des doppelten Regelunterhalts sowie des Verdienstausfalls der Klägerin verlangt, daneben Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für künftige Schäden, vorbehaltlich eines Anspruchsübergangs auf Sozialversicherungsträger.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung der Kläger im wesentlichen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist nach sachverständiger Beratung zur Auffassung gelangt, dem Beklagten sei ein schuldhafter Behandlungsfehler unterlaufen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. hätte der Beklagte spätestens am 11. November 1981 bei einer Schwangerschaftsdauer von 20 Wochen und einem Tag anhand der von ihm erhobenen Meßwerte davon ausgehen müssen, daß das Kind gegenüber den Normwerten zu klein sei, und deshalb die Klägerin zur weiteren Abklärung in ein Ultraschallzentrum überweisen müssen. Es komme nicht darauf an, ob er aufgrund der ihm vorliegenden Daten bereits in diesem Zeitpunkt die medizinische Diagnose einer frühen Wachstumsretardierung habe stellen oder die Indikation zur Amniozentese habe erkennen müssen. Jedenfalls hätte er nach dem damaligen durchschnittlichen Kenntnis- und Erfahrungsstand eines niedergelassenen Frauenarztes mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß der Abweichung des Kindes von den Normwerten Ursachen zugrundelagen, die Veranlassung zu ärztlichem Eingreifen bis hin zu einem Abbruch der Schwangerschaft aus kindlicher Indikation bieten konnten. Sein Versäumnis habe zur Folge gehabt, daß die einen Schwangerschaftsabbruch rechtfertigende Chromosomenanomalie nicht rechtzeitig erkannt und die Schwangerschaft nicht abgebrochen worden sei. Hätte er nämlich die Klägerin am 11. November 1981 pflichtgemäß zu weiterer Diagnostik an ein Ultraschallzentrum überwiesen, wäre die Klägerin dort umgehend untersucht worden. Diese Untersuchung hätte zumindest den Verdacht eines Mikrocephalus erbracht, der eine Indikation zur Amniozentese ergeben hätte. Bei dieser hätte sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit rechtzeitig vor Ablauf der 24. Schwangerschaftswoche die Chromosomenanomalie gezeigt. Hierauf hätte die Klägerin bei entsprechender Aufklärung unstreitig die Schwangerschaft abbrechen lassen, was noch innerhalb der gesetzlichen Frist möglich gewesen wäre.
Der Beklagte sei deshalb verpflichtet, den Klägern den gesamten Unterhaltsbedarf des Kindes zu ersetzen, weil die Klägerin mit ihrer andernfalls getroffenen Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch auch diese Belastung hätte vermeiden wollen. Daneben müsse er der Klägerin und gegebenenfalls auch dem Kläger wirtschaftliche Aufwendungen oder Einbußen ersetzen, die durch die Sorge für das Kind entstünden. Hierzu gehöre auch der Verdienstausfall der Klägerin.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision in mehreren Punkten nicht stand.
1. Im Ergebnis zu Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner derzeitigen Feststellungen einen Behandlungsfehler des Beklagten bejaht.
a) Soweit sie allerdings meint, das Berufungsgericht lege dem Beklagten zur Last, daß er wegen Unterschreitung der Normwerte am 11. November 1981 eine kindliche Wachstumsretardierung habe erkennen können, trifft das nicht zu. Das Berufungsgericht hat insoweit deutlich zwischen der vom Sachverständigen verneinten Frage unterschieden, ob sich für einen Frauenarzt mit dem durchschnittlichen Wissensstand des Jahres 1981 schon am 11. November eine Verdachtsdiagnose auf frühe Wachstumsretardierung gestellt habe, und der von ihm und dem Sachverständigen bejahten Frage, ob für einen solchen Arzt in diesem Zeitpunkt die Unterschreitung der Normwerte erkennbar gewesen sei und Anlaß zur Überweisung in ein Ultraschallzentrum hätte geben müssen. Folgerichtig hat das Berufungsgericht nur hieraus den Vorwurf eines Behandlungsfehlers hergeleitet, während es die Erkennbarkeit der frühen Wachstumsretardierung ausdrücklich offengelassen hat.
b) Auch wenn sich das Berufungsgericht für diese Unterscheidung zwischen der Erkennbarkeit einer frühen Wachstumsretardierung einerseits und der Unterschreitung der Normwerte andererseits auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. bei seiner mündlichen Anhörung stützen kann, sind seine Feststellungen zum Behandlungsfehler doch nicht verfahrensfehlerfrei. Die Revision rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe sich nicht mit der Auffassung des im ersten Rechtszug tätigen Sachverständigen Dr. Q. auseinandergesetzt, wonach am 11. November 1981 noch kein eindeutig pathologischer Meßwert des biparietalen Kopfdurchmessers vorgelegen habe. Insoweit zeigt die Revision einen Widerspruch auf, dem das Berufungsgericht hätte nachgehen müssen, nämlich hinsichtlich der Frage, ob am 11. November 1981 bereits pathologische Meßwerte vorgelegen haben, die die Überweisung in ein Ultraschallzentrum erforderlich machten. Das Berufungsgericht hat dies aufgrund der Ausführungen des zweitinstanzlichen Sachverständigen bejaht und hieraus einen Behandlungsfehler hergeleitet, ohne sich mit der abweichenden Auffassung des erstinstanzlichen Sachverständigen zu den Meßwerten auseinanderzusetzen, obwohl sie erheblich sein konnte, wenn der Vorwurf eines Behandlungsfehlers allein auf die Verkennung der Meßwerte gestützt wird.
Indessen muß nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats der Tatrichter Äußerungen medizinischer Sachverständiger kritisch auf ihre Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit prüfen und insbesondere auf die Aufklärung von Widersprüchen hinwirken, die sich innerhalb der Begutachtung eines Sachverständigen wie auch zwischen den Äußerungen mehrerer Sachverständiger ergeben (Senatsurteile vom 9. Januar 1996 – VI ZR 70/95 – VersR 1996, 647, 648 und vom 24. September 1996 – VI ZR 303/95 – VersR 1996, 1535, 1536, jeweils m.w.N.). Bei widersprüchlicher Begutachtung fehlt es nämlich an einer ausreichenden Grundlage für die Überzeugungsbildung des Tatrichters. Deshalb wird das Berufungsgericht dem aufgezeigten Widerspruch weiter nachzugehen und hierzu ggf. auch ein weiteres Gutachten einzuholen haben (Senatsurteile vom 14. Dezember 1993 – VI ZR 67/93 – VersR 1994, 480, 481, vom 9. Januar 1996 und vom 24. September 1996, jeweils aaO), falls sich der Widerspruch nicht bereits durch ergänzende Stellungnahmen der bisher tätigen Sachverständigen klären läßt.
2. Fehlt es deshalb mangels hinreichender Sachaufklärung bereits an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme eines Behandlungsfehlers, so kann jedenfalls im Ergebnis dahinstehen, ob den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Ursächlichkeit dieses Fehlers gefolgt werden kann.
a) Die Revision wendet sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß es bei Überweisung der Klägerin an ein Ultraschallzentrum am 11. November 1981 umgehend zur Amniozentese mit dem Ergebnis einer Chromosomenanomalie und sodann noch innerhalb der Frist des § 218 a Abs. 3 StGB a.F. zum Abbruch der Schwangerschaft gekommen wäre, und sucht aufzuzeigen, daß dies nicht in Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen stehe.
Daran ist richtig, daß der Sachverständige zunächst deutlich in Zweifel gezogen hat, daß selbst bei Überweisung an ein Ultraschallzentrum im Jahr 1981 die frühe Wachstumsretardierung erkannt und infolgedessen eine Indikation zur Amniozentese gestellt worden wäre. Indessen hat das Berufungsgericht, wie oben 1. a) ausgeführt, seine Feststellung zum Kausalverlauf entgegen der Auffassung der Revision nicht auf die Verkennung einer frühen Wachstumsretardierung durch den Beklagten gestützt, sondern einen anderen Geschehensablauf zugrundegelegt, den der Sachverständige erstmals bei seiner mündlichen Anhörung aufgezeigt hat. Er hat nämlich ausgeführt, wenn die Klägerin am 11. November 1981 an das von ihm selbst geleitete Diagnosezentrum überwiesen worden wäre, hätte er aufgrund des von ihm sofort erhobenen Ultraschallbefundes sogleich die Verdachtsdiagnose eines Mikrocephalus gestellt, deshalb die Indikation zur Amniozentese aufgezeigt und einen weiteren Ultraschalltermin zwei Wochen später vereinbart, bei dem sich der Mikrocephalusverdacht bestätigt haben würde. Die Amniozentese hätte er schon am Tag der Überweisung durchführen können. Ihr Ergebnis hätte noch rechtzeitig vorliegen und Anlaß zum Abbruch der Schwangerschaft geben können.
Die Revision zieht zwar in Zweifel, daß sich schon bei Durchführung der Ultraschalluntersuchung in einem Diagnose-Zentrum am 11. November 1981 der Verdacht eines Mikrocephalus ergeben hätte. Indessen entspricht diese Feststellung des Berufungsgerichts den Ausführungen des Sachverständigen bei seiner mündlichen Anhörung und ist von daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
b) Fraglich erscheint aber, ob selbst bei dem vom Berufungsgericht zugrundegelegten Sachverhalt noch rechtzeitig der Abbruch der Schwangerschaft hätte erfolgen können. Zwar konnte das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision ohne Verfahrensfehler die Feststellung treffen, daß sich die Klägerin bei Feststellung der Chromosomenanomalie zum Abbruch der Schwangerschaft entschlossen hätte (vgl. hierzu Senatsurteil BGHZ 89, 95, 103), zumal der Beklagte dies in den Tatsacheninstanzen nicht bestritten hat. Die Revision zeigt jedoch in mehrfacher Hinsicht Bedenken dagegen auf, daß auch bei dem vom Berufungsgericht angenommenen Geschehensablauf die Frist des § 218 a Abs. 3 StGB a.F. hätte gewahrt werden können. Diesen Bedenken wird das Berufungsgericht nachzugehen haben, wenn es nach Ergänzung seiner tatsächlichen Feststellungen erneut zur Annahme eines Behandlungsfehlers gelangen sollte (zur Beweislast für die Möglichkeit eines noch rechtzeitigen Schwangerschaftsabbruchs vgl. Senatsurteil vom 7. Juli 1987 – VI ZR 193/86 – VersR 1988, 155, 156).
3. Auch zur Höhe des Anspruchs halten die Ausführungen des Berufungsgerichts den Angriffen der Revision nur teilweise stand.
a) Soweit die Revision allerdings verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsprechung des erkennenden Senats erhebt, wonach bei fehlerhafter Beratung, die auf Vermeidung der Geburt eines vorgeburtlich schwer geschädigten Kindes gerichtet war, gegen den Arzt ein Anspruch auf Ersatz des Unterhaltsbedarfs geltend gemacht werden kann (Senatsurteile BGHZ 86, 240, 244 ff; 89, 95, 102 ff; vom 7. Juli 1987 – VI ZR 193/86 – VersR 1988, 155 f), hat der Senat diese Rechtsprechung auf den Hinweis des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 28. Mai 1993 – 2 BvF 2/90 u.a. – NJW 1993, 1751, 1764 bereits einer ausführlichen Nachprüfung unterzogen und an seiner Auffassung festgehalten (Senatsurteile BGHZ 124, 128, 135 ff und vom 27. Juni 1995 – VI ZR 32/94 – VersR 1995, 1099). Die Revision zeigt keine Gesichtspunkte auf, die eine andere Beurteilung erforderlich machen. Deshalb begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Arzt bei schuldhafter Verletzung eines auf die Prüfung pränataler Schäden gerichteten Vertrags die Eltern vom Unterhaltsbedarf des Kindes freizustellen habe, keinen Bedenken und steht in Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 76, 259, 266 ff.; 89, 95, 104 ff. und 124, 128, 134 ff.).
b) Auch die auf § 551 Nr. 7 ZPO gestützte Rüge der Revision, die Berechnung der als Unterhaltsbedarf des Kindes zuerkannten Beträge sei nicht nachvollziehbar, bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Unterhaltsbedarf ausdrücklich in Höhe des doppelten Regelunterhalts festgesetzt, wobei es zum einfachen Regelunterhalt nach § 1615 f. BGB einen Zuschlag in gleicher Höhe für den Wert der pflegerischen Dienstleistungen der Eltern zuerkannt und hierbei den konkreten Betreuungsaufwand berücksichtigt hat. Auch das steht in Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 76, 259, 270 f.; 89, 95, 104; 124, 128, 145). Fehler bei der Bemessung oder Berechnung dieser Ansprüche zeigt die Revision nicht auf.
c) Mit Recht beanstandet sie jedoch, daß das Berufungsgericht auch den Verdienstausfall der Klägerin als erstattungsfähigen Schaden zuerkannt hat.
Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf die gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung verweist, wonach der wegen des erzwungenen Verzichts der Klägerin auf die Ausübung einer abhängigen Erwerbstätigkeit zu leistende Schadensersatz nicht nur den Nettoverdienst, sondern auch weitere Ausfälle umfasse, betrifft diese Rechtsprechung nur die eigentliche Berechnung des Verdienstausfallschadens („brutto oder netto”, vgl. hierzu Senatsurteil BGHZ 127, 391 ff.) wenn der Schädiger solchen Schaden zu ersetzen hat. Demgegenüber geht es vorliegend um die Frage, ob der Verdienstausfall der Mutter überhaupt zum erstattungsfähigen Schaden gehört. Zum Umfang der Schadensersatzpflicht des Arztes in einem Fall der vorliegenden Art hat der erkennende Senat besondere Grundsätze entwickelt, die der Spannungslage zwischen der haftungsrechtlichen und der familienrechtlichen Sphäre Rechnung tragen sollen (vgl. hierzu Senatsurteil BGHZ 76, 259, 267 ff.). Danach haftet zwar der Arzt in Fällen, in denen der Vertrag auf die Vermeidung der Geburt eines vorgeschädigten Kindes gerichtet war, nicht nur für den am Regelunterhalt orientierten Unterhaltsaufwand des Kindes, sondern auch für dessen auf der Behinderung beruhenden Mehrbedarf (Senatsurteile BGHZ 86, 240, 247 f.; 89, 95, 104; 124, 128, 135 ff.). Zu dieser Schadensbelastung, die einem Arzt im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes auferlegt werden kann, gehört der geltend gemachte Verdienstausfall der Klägerin jedoch nicht. Wie der Senat in dem in BGHZ 76, 259, 270 f. abgedruckten Urteil grundlegend ausgeführt und in BGHZ 124, 128, 145 f. nochmals verdeutlicht hat, hat der fehlerhaft behandelnde Arzt von den wirtschaftlichen Belastungen, die aus der von ihm zu verantwortenden Geburt eines Kindes hergeleitet werden, nur denjenigen Teil zu übernehmen, der für die Existenzsicherung des Kindes erforderlich ist. Deshalb kann der Verdienstausfall, der den Eltern eines Kindes im Zusammenhang mit dessen Betreuung entsteht, dem Arzt haftungsrechtlich nicht zur Last gelegt werden, zumal dieser Vermögensnachteil von ihm allenfalls mittelbar verursacht ist (vgl. Senatsurteil vom 2. Dezember 1980 – VI ZR 175/78 – VersR 1981, 278, 280; ebenso OLG Köln, VersR 1993, 883, 885; vgl. auch OLG Saarbrücken, NJW 1986, 1549, 1550) und häufig auch kaum festzustellen sein wird, inwieweit die Unterlassung einer Erwerbstätigkeit von den Umständen her geboten ist oder von einer freien Willensentschließung der Eltern abhängt.
Der Senat verkennt nicht, daß die dargelegte Haftungsbegrenzung des Arztes in solchen Fällen aus dogmatischer Sicht Schwierigkeiten begegnet (vgl. Senatsurteil BGHZ 76, 259, 270), hält sie aber unter dem Blickpunkt sowohl des erforderlichen Zurechnungszusammenhangs wie auch des Schutzzwecks des Behandlungsvertrages für geboten. Andernfalls würde dem Arzt eine unabsehbare Haftung für alle aus der Geburt eines Menschen herrührenden Konsequenzen auferlegt, die mit dem Zweck seiner Beauftragung schlechterdings nicht mehr in Einklang stünde. Das muß auch und gerade bei Beratungs- oder Behandlungsverträgen der vorliegenden Art gelten, bei denen anders als etwa in Fällen fehlerhafter Familienplanung (vgl. hierzu die Nachweise im Senatsurteil BGHZ 124, 128, 135/136) nicht einmal die wirtschaftliche Belastung durch den Unterhalt eines Kindes im Vordergrund steht, sondern die Vermeidung der Geburt eines Kindes mit schwerer anlagebedingter Schädigung.
Deshalb können elterliche Betreuungsleistungen in einem solchen Fall nur unter dem Blickpunkt des durch die Schädigung des Kindes bedingten Mehraufwandes Berücksichtigung finden (Senatsurteile BGHZ 86, 240, 247; 89, 95, 104/105; 124, 128, 145 f.). Das Berufungsgericht wird daher im Fall der erneuten Bejahung eines Schadensersatzanspruchs zu prüfen haben, ob und inwieweit der behinderungsbedingte Mehrbedarf des Kindes bereits durch die Verdoppelung des Regel-Unterhaltssatzes (dazu oben b)) abgegolten ist oder ob daneben noch weitere wirtschaftliche Belastungen in Frage kommen, die als schadensbedingter Mehrbedarf erstattungsfähig sein könnten.
III.
Nach alldem kann das vorliegende Urteil keinen Bestand haben. Es war deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Unterschriften
Groß, Bischoff, Dr. v. Gerlach, Dr. Müller, Dr. Dressler
Fundstellen
Haufe-Index 1128063 |
NJW 1997, 1638 |
NWB 1997, 1716 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1997, 644 |