Leitsatz (amtlich)
Bei der sukzessiv erfolgenden Beurkundung von Vertragsangebot und -annahme kann dem so genannten Zentralnotar, der nur die Vertragsannahme beurkundet, gegenüber dem Anbietenden eine betreuende Belehrungspflicht bezüglich zwischenzeitlich eingetragener Belastungen obliegen.
Normenkette
BeurkG § 17 Abs. 1; BNotO § 14 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Teilend- und Grundurteil des 1. Zivilsenats des OLG München v. 20.2.2003 teilweise aufgehoben und das Urteil des LG München I, 24. Zivilkammer, v. 7.8.2002 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage gegen den Beklagten zu 2) wird abgewiesen.
Die Klage gegen den Beklagten zu 1) ist in Bezug auf den hauptsächlich gestellten Zahlungsantrag dem Grunde nach gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, über den mit dem hauptsächlich gestellten Zahlungsantrag begehrten Schadensersatz hinaus dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstand und noch entsteht, dass der Beklagte zu 1) ihn nicht anlässlich der Beurkundung der Annahme darüber unterrichtete, dass das von ihm zu erwerbende Wohnungseigentum mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (Beschränkung der Nutzung auf Studentenwohnungen mit Büros und Läden) zu Gunsten der Stadt N. belastet war.
Der Kläger hat die Hälfte der Gerichtskosten erster Instanz und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) zu tragen.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über den Betrag des Anspruchs und die übrigen Kosten, einschließlich der Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die I. Wohnbau GmbH (im Folgenden: I.) beabsichtigte, auf einem Grundstück in N. ein Wohngebäude zu errichten. Die Wohnungen sollten als Eigentumswohnungen an Kapitalanleger veräußert werden. Der in N. ansässige erstbeklagte Notar wirkte an dem Vorhaben als sog. Zentralnotar mit. Er entwarf für die I. ein Angebot zum Kauf einer solchen Eigentumswohnung, das der Kapitalanleger an die I. richten und das von einem Notar am Wohnsitz des Anlegers (sog. Ortsnotar) beurkundet werden sollte.
Der Kläger gab auf der Grundlage des Entwurfs des Beklagten zu 1) am 27.11.1992 ein Kaufangebot vor Notar Dr. K. in Sch. ab. Am 23.12.1992 erklärte die I. zur Urkunde des Beklagten zu 1) die Annahme des Kaufangebotes. Entsprechend den Vorgaben des Angebots beantragte der Beklagte zu 1) am 13.5.1993 die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu Gunsten des Klägers, was am 17.8.1993 geschah. Am 27.9.1995 erklärte die I. vor dem Beklagten zu 1) - im eigenen Namen sowie in Vertretung des Klägers - die Auflassung. Die hierüber errichtete Urkunde genehmigte der Kläger am 16.11.1995 unter Verwendung eines von dem Beklagten zu 1) vorbereiteten Entwurfs. Am 7.11.1997 wurde der Kläger als Eigentümer eingetragen.
Die Stadt N. hatte am 18.12.1992 das Bauvorhaben der I. unter der Auflage genehmigt, dass im Grundbuch eine Nutzungseinschränkung auf Studentenwohnungen eingetragen werde. Der Beklagte zu 1) hatte bereits zuvor eine Erklärung der I. entworfen, in der es hieß:
"Der jeweilige Eigentümer des Grundstücks ... verpflichtet sich gegenüber der Stadt N. , das auf dem Grundstück zur Erstellung kommende Anwesen als Studentenwohnungen mit Büros und Läden für immer zu benutzen und zu betreiben.
Zur Sicherung dieser Verpflichtung wird zu Gunsten der Stadt N. an dem vorgenannten Grundbesitz die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit bewilligt und beantragt."
Der Geschäftsführer der I. unterzeichnete die Erklärung am 20.11.1992; die Unterschrift wurde von dem früheren Beklagten zu 2) - in seiner Eigenschaft als amtlich bestellter Vertreter des Beklagten zu 1) - beglaubigt. Mit Schreiben v. 1.12.1992 legte der Beklagte zu 1) die Erklärung der I. dem Grundbuchamt vor mit der Bitte um Vollzug. Die Dienstbarkeit wurde am 9.12.1992 im Grundbuch eingetragen.
Das am 27.11.1992 gemäß dem Entwurf des Beklagten zu 1) beurkundete Kaufangebot des Klägers sah vor, dass der zu erwerbende Grundbesitz, abgesehen von einer noch einzutragenden Kfz-Dienstbarkeit, in Abteilung II des Grundbuchs "frei" von Belastungen sein sollte. Der Beklagte zu 1) unterrichtete den Kläger weder anlässlich der Beurkundung der Annahme des Kaufangebotes durch die I. am 23.12.1992, der Beantragung der Auflassungsvormerkung am 13.5.1993, der Beurkundung der Auflassung am 27.9.1995 noch anlässlich deren Genehmigung am 16.11.1995 über die dinglich gesicherte Nutzungsbeschränkung.
Gestützt auf Gewährleistungsansprüche forderte der Kläger von der I. Schadensersatz. Er verklagte sie und verkündete in jenem Rechtsstreit den Beklagten den Streit. Im Hinblick auf einen als Musterprozess geführten Rechtsstreit eines anderen Anlegers wurde auf übereinstimmenden Antrag der Parteien das Ruhen jenes Verfahrens angeordnet. In dem Musterverfahren hob der BGH durch Urteil v. 30.6.2000 (BGH, Urt. v. 30.6.2000 - V ZR 156/99) das klageabweisende Urteil des Berufungsgerichts auf und sprach den dortigen Klägern einen - der Höhe nach noch zu klärenden - Schadensersatzanspruch gegen die I. zu. Diese beantragte daraufhin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das AG M. entsprach dem Antrag durch Beschluss v. 4.7.2000. Der Rechtsstreit des Klägers gegen die I. ist seitdem unterbrochen.
Mit der am 21.11.2001 eingereichten Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten zu 1) Schadensersatz wegen Verletzung notarieller Amtspflichten. Der Beklagte zu 1) habe es versäumt, ihn auf die Belastung des Wohnungseigentums mit einer nutzungsbeschränkenden Dienstbarkeit hinzuweisen. Der Kläger begehrt Zahlung von 153.530,56 EUR (= 300.279,69 DM) nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums sowie Feststellung, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, ihm den darüber hinaus entstehenden Schaden aus dem Erwerb der Eigentumswohnung zu ersetzen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger für den Fall, dass der in erster Linie gestellte Antrag auf Zahlung von 153.530,56 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums unzulässig sein sollte, beantragt, den Beklagten zu 1) zu verurteilen, 130.522,43 EUR (= 255.279,69 DM) nebst Zinsen ohne Zug-um-Zug-Einschränkung zu zahlen. Das Berufungsgericht hat den Hilfsantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und dem Feststellungsantrag zum Teil stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte zu 1) seinen Antrag, die Klage insgesamt abzuweisen, weiter. Der Kläger hat Anschlussrevision eingelegt mit dem Antrag, den Beklagten entsprechend dem Hauptantrag zur Zahlung Zug um Zug zu verurteilen und dem Feststellungsantrag in vollem Umfang stattzugeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten zu 1) ist unbegründet; die Anschlussrevision des Klägers ist dagegen begründet. Die Klage gegen den Beklagten zu 1) ist hinsichtlich des hauptsächlich gestellten Zahlungsantrages dem Grunde nach gerechtfertigt; der Feststellungsantrag ist in vollem Umfang begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der hauptsächlich gestellte Antrag auf Zahlung Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums sei unbegründet. Der Kläger könne nicht Schadensersatz in Gestalt von Naturalrestitution und deshalb keine Zug-um-Zug-Verurteilung verlangen.
Der Hilfsantrag sei dem Grunde nach gerechtfertigt, weil der Beklagte zu 1) Schadensersatz wegen notarieller Amtspflichtverletzung (§ 19 Abs. 1 S. 1 BNotO) schulde. Der Beklagte zu 1) habe es amtspflichtwidrig und schuldhaft unterlassen, den Kläger über die am 9.12.1992 eingetragene Dienstbarkeit zu unterrichten. Eine Belehrungspflicht habe zwar nicht im Zusammenhang mit der am 23.12.1992 erfolgten Beurkundung der Erklärung von I. , das Kaufangebot des Klägers annehmen zu wollen, bestanden; der Kläger sei insoweit nicht Beteiligter (§§ 6 Abs. 2, 17 Abs. 1 BeurkG) gewesen. Der Beklagte zu 1) habe den Kläger aber anlässlich des Antrages auf Eintragung der Auflassungsvormerkung am 13.5.1993 über die Dienstbarkeit unterrichten müssen. Der Kläger sei an dieser Amtshandlung mittelbar beteiligt gewesen. Die Belastung des Grundstücks mit einer dinglich gesicherten Nutzungsbeschränkung sei ein ihm unbekannter Rechtsmangel der Kaufsache gewesen. Ersichtlich habe der Kläger ein Interesse daran gehabt, die tatsächlichen Grundlagen für die Ausübung seiner vertraglichen Rechte (§§ 434, 440, 320, 326 BGB a. F.) zu erlangen.
Dem Kläger sei durch diese Amtspflichtverletzung ein Schaden entstanden. Hätte er bei der Beantragung der Auflassungsvormerkung am 13.5.1993 von der Dienstbarkeit erfahren, wäre er vom Kaufvertrag zurückgetreten und hätte zumindest weitere Kaufpreiszahlungen vermieden.
Der Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt. Da es sich bei der Beantragung der Auflassungsvormerkung nicht um ein selbstständiges Betreuungsgeschäft gehandelt habe, habe der Kläger zunächst einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit nachgehen, d. h. seine Rechte gegen die I. geltend machen müssen. Erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der I. am 4.7.2000 - weniger als drei Jahre vor Einreichung der Klage am 21.11.2001 - habe festgestanden, dass eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht bestehe.
Der Beklagte zu 1) habe den Kläger über das Bestehen der Dienstbarkeit ferner im Zusammenhang mit der Beurkundung der Auflassung am 27.9.1995 und deren Genehmigung durch den Kläger am 16.11.1995 unterrichten müssen. Durch die unterbliebene Unterrichtung sei dem Kläger jedenfalls insoweit ein Schaden entstanden, als nach dem 27.9.1995 noch "schadensstiftende stornierbare Verfügungen" des Klägers angefallen seien.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass der Beklagte zu 1) dem Kläger dem Grunde nach Schadensersatz zu leisten hat wegen schuldhafter Verletzung notarieller Amtspflichten (§ 19 Abs. 1 S. 1 BNotO).
a) Zu Recht beanstandet aber die Anschlussrevision, dass das Berufungsgericht eine Amtspflichtverletzung des Beklagten zu 1) bei der am 23.12.1992 erfolgten Beurkundung der Annahmeerklärung der I. verneint hat. Der Beklagte zu 1) verletzte bei diesem Urkundsgeschäft eine ihm gegenüber dem Kläger obliegende Hinweis- und Formulierungspflicht (§§ 17 Abs. 1 BeurkG, 14 Abs. 1 S. 2 BNotO).
aa) Nach § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG hat der Notar den Willen der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären und über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren. Damit soll gewährleistet werden, dass die zu errichtende Urkunde den Willen der Parteien vollständig sowie inhaltlich richtig und eindeutig wiedergibt. Demzufolge hat der Notar die Beteiligten über die rechtliche Bedeutung ihrer Erklärungen sowie die Voraussetzungen für den Eintritt der bezweckten Rechtsfolge in dem Umfang zu belehren, wie es zur Errichtung einer dem wahren Willen entsprechenden rechtsgültigen Urkunde erforderlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 2.11.1995 - IX ZR 15/95, MDR 1996, 421 = NJW 1996, 522 [523] m. w. N.). Bestehen Zweifel, ob das Geschäft den wahren Willen der Beteiligten entspricht, so sollen die Bedenken mit den Beteiligten erörtert werden (§ 17 Abs. 2 S. 1 BNotO).
Die vorgenannten Aufklärungs- und Belehrungspflichten beschränken sich allerdings, wenn allein die Annahme eines vorgegebenen Vertragsangebots beurkundet werden soll, grundsätzlich auf die rechtliche Bedeutung der Annahme; der Inhalt des Vertragsangebotes gehört nicht zur rechtlichen Tragweite dieses Urkundsgeschäfts (vgl. BGH v. 25.2.1994 - V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 [223 f.] = MDR 1994, 985; Urt. v. 24.6.1993 - IX ZR 216/92, MDR 1993, 1126 = NJW 1993, 2747 [2750]; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl. 2003, § 14 Rz. 141; Ganter in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, 2004, Rz. 979, 1462). Der die Annahme beurkundende Notar schuldet aber den an diesem Urkundsgeschäft Beteiligten eine "betreuende Belehrung" (§ 14 Abs. 1 S. 2 BNotO), wenn er bei gebotener Sorgfalt erkennen kann, dass der mit der Annahme bewirkte Vertragsschluss ihre Vermögensinteressen gefährdet (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.1993 - IX ZR 216/92, MDR 1993, 1126 = NJW 1993, 2747 [2750]). So liegt der Streitfall.
bb) Der Kläger war mittelbar Beteiligter an der von dem Beklagten zu 1 beurkundeten Annahmeerklärung der I. .
Die aus § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG erwachsende Pflicht zur Rechtsbelehrung obliegt dem Notar gegenüber den formell an der Beurkundung Beteiligten (unmittelbar Beteiligten; BGH, Urt. v. 8.7.1993 - IX ZR 222/92, BGHZ 123, 178 = MDR 1993, 1242 = NJW 1993, 2617 [2618]). Das sind gem. § 6 Abs. 2 BeurkG die Erschienenen, deren im eigenen oder fremden Namen abgegebene Erklärungen beurkundet werden sollen.
Ausnahmsweise können jedoch auch gegenüber anderen Personen, die nicht formell (unmittelbar), wohl aber mittelbar Beteiligte sind, Belehrungspflichten nach §§ 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG, 14 Abs. 1 S. 2 BNotO bestehen (vgl. Ganter in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, 2004, Rz. 1113 ff. [1282]). Mittelbar Beteiligter ist insbesondere, wer im eigenen Interesse bei der Beurkundung anwesend ist, weil er aus dem beurkundeten Rechtsgeschäft verpflichtet werden oder Rechte erwerben soll (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1991 - IX ZR 8/91, MDR 1992, 906 = NJW-RR 1992, 393 [395]); wer von den unmittelbar Beteiligten zu der Beurkundung hinzugezogen wird, um ihn "faktisch einzubinden" (vgl. Ganter in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, 2004, Rz. 1116; unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 9.1.2003 - IX ZR 422/99, MDR 2003, 537 = BGHReport 2003, 413 = NJW 2003, 1940 f.); ferner, wer sich aus Anlass der Beurkundung an den Notar gewandt und ihm eigene Belange anvertraut hat (vgl. BGH BGHZ 58, 343 [353]; Urt. v. 30.6.1981 - VI ZR 197/79, MDR 1982, 132 = NJW 1981, 2705; Urt. v. 29.9.1981 - VI ZR 2/80, DNotZ 1982, 384 [385]).
Der Kläger kann auf Grund der besonderen Ausgestaltung des Beurkundungsverfahrens (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.1981 - VI ZR 197/79, MDR 1982, 132 = NJW 1981, 2705 [2706]) der zuletzt genannten Fallgruppe zugerechnet werden.
(1) Das hier von dem Beklagten zu 1) als sog. Zentralnotar mitgestaltete Beurkundungsverfahren barg wegen der sukzessiv erfolgenden Beurkundung von Vertragsangebot und -annahme von vornherein die Gefahr, dass zwischenzeitlichen Änderungen der Sachlage, insbesondere zwischenzeitlich im Grundbuch eingetragenen Belastungen, nicht Rechnung getragen wurde. Nach dem von ihm vorbereiteten Entwurf des Kaufangebotes sollte der Ortsnotar das Grundbuch nicht einsehen; im Streitfall hätte er die am 1.12.1992 - also nach der Beurkundung des Kaufangebotes am 27.11.1992 - beantragte und am 9.12.1992 eingetragene Dienstbarkeit auch nicht durch Einsicht in das Grundbuch feststellen können. Es kam insoweit alles auf den Beklagten zu 1) an, der als Zentralnotar das Geschehen umfassend überblicken und steuern konnte.
(2) Für den Beklagten zu 1) lag bei der Beurkundung der Annahmeerklärung am 23.12.1992 auf der Hand, dass der von dem Kläger und der I. angestrebte Kaufvertrag die nach der Abgabe des Vertragsangebotes im Grundbuch eingetragene Belastung mit einer nutzungsbeschränkenden Dienstbarkeit nicht berücksichtigte. Der vom Kläger mit Urkunde v. 27.11.1992 angebotene Kaufvertrag sah bezüglich der Belastungen des zu erwerbenden Grundbesitzes vor:
"Der ... Grundbesitz wird wie folgt belastet sein:
Abteilung II: frei
Abteilung III: ... Buchgrundschuld ...
In Abteilung II des Grundbuches kommt jedoch eine Grunddienstbarkeit (Kfz-Dienstbarkeit) ... zur Eintragung."
Die I. schuldete damit dem Kläger (abgesehen von der Kfz-Dienstbarkeit) in Abteilung II des Grundbuchs lastenfreies Eigentum. Daran änderte die der I. in Abschnitt B XIV Buchst. c des Kaufangebotes eingeräumte Vollmacht, Dienstbarkeiten eintragen zu lassen, nichts; diese Regelung betraf lediglich das Außenverhältnis, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat.
Bei der Beurkundung der Annahmeerklärung am 23.12.1992 war die zweite Abteilung indes nicht mehr "frei". Am 9.12.1992 war eine Nutzungsbeschränkung (Studentenwohnungen mit Büros und Läden) für die Stadt N. eingetragen worden. Seitdem konnte die I. das Wohnungseigentum nur belastet mit dieser Dienstbarkeit (und ggf. der im Angebot aufgeführten Kfz-Dienstbarkeit) übertragen. Der Sachverhalt war dem Beklagten zu 1) bekannt. Er hatte das Kaufangebot des Klägers entworfen und in der Niederschrift über die vor ihm erklärte Annahme des Kaufangebotes durch die I. v. 23.12.1992 festgehalten "Der Inhalt diese(s) Angebote(s) ist in allen Teilen und Einzelheiten genau bekannt.". Die Urkunde über die Bewilligung der Dienstbarkeit zu Gunsten der Stadt N. hatte er selbst entworfen und mit Schreiben v. 1.12.1992 die Eintragung der Dienstbarkeit beim Grundbuchamt beantragt.
(3) Es kommt hinzu, dass der Beklagte zu 1) von dem Kläger (und der I.) mit dem Vollzug des Kaufvertrages betraut worden war. In dem gemäß dem Entwurf des Beklagten zu 1) beurkundeten Kaufangebot des Klägers heißt es nämlich: "Die Beteiligten beauftragen und ermächtigen den die Annahme beurkundenden Notar (d.h. den Beklagten zu 1) ..., alle zum Vollzug dieses Vertrages erforderlichen Erklärungen abzugeben und Anträge zu stellen" (Abschnitt B XI des Kaufangebotes).
(4) Hatte der Beklagte zu 1) aber die vorbeschriebene überragende Stellung, dann hatte er zumindest betreuende Belehrungspflichten (§§ 17 Abs. 1 BeurkG, 14 Abs. 1 S. 2 BNotO analog) gegenüber den Erwerbern, die - wie der Kläger - nicht unmittelbar mit ihm in Verbindung getreten sind, aber das unter seiner Mitwirkung entstandene Vertragswerk abschließen (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.1981 - VI ZR 197/79, MDR 1982, 132 = NJW 1981, 2705 [2706]).
cc) Der Beklagte zu 1) hätte am 23.12.1992 nicht die bloße Annahme des Kaufangebotes beurkunden und hierdurch an dem Abschluss des Kaufvertrages zwischen dem Kläger und der I. zu unveränderten Bedingungen mitwirken dürfen. Bei pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage hätte der Beklagte zu 1) erkennen können, dass ein von Seiten der I. teilweise nicht mehr erfüllbarer Kaufvertrag geschlossen wurde, wenn Letztere die uneingeschränkte Annahme des Kaufangebotes des Klägers erklärte. Denn das Angebot war durch die neu eingetragene Dienstbarkeit zu Gunsten der Stadt N. überholt. Die I. konnte dem Kläger nicht mehr, wie im Angebot bestimmt, in Abteilung II des Grundbuchs (abgesehen von der Kfz-Dienstbarkeit) lastenfreies Eigentum übertragen.
Der Beklagte zu 1) hätte vielmehr den Kläger - auf Grund der diesem gegenüber bestehenden betreuenden Belehrungspflicht - vor der Beurkundung der Annahmeerklärung auf die neue Grundbuchlage hinweisen müssen. Sofern die I. weiterhin auf der (sofortigen) Beurkundung bestanden hätte, hätte er - wegen der ihm beiden Vertragsparteien gegenüber obliegenden (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.1997 - IX ZR 163/96, MDR 1997, 985 = NJW-RR 1998, 133 [134]) - Formulierungspflicht (§ 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG) nur die Annahme unter Änderung des angebotenen Kaufvertrages, nämlich unter Berücksichtigung der mittlerweile eingetragenen Dienstbarkeit, vorschlagen dürfen (vgl. § 150 Abs. 2 BGB). Ließ sich die I. darauf nicht ein, etwa weil sie bereits damals beabsichtigte, dem Kläger die Dienstbarkeit im Wege einer späteren versteckten Vertragsänderung unterzuschieben (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.2000 - V ZR 156/99, Umdr. S. 7), hätte der Beklagte zu 1) die Beurkundung gem. § 14 Abs. 2 BNotO ablehnen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.1997 - IX ZR 163/96, MDR 1997, 985 = NJW-RR 1998, 133 [134]). Diesen Amtspflichten ist der Beklagte zu 1) unstreitig nicht nachgekommen.
dd) Der Kläger war als mittelbar Beteiligter des Urkundsgeschäfts in den Schutzbereich der Amtspflichten, die der Beklagte zu 1) verletzt hat, einbezogen (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.1981 - VI ZR 197/79, MDR 1982, 132 = NJW 1981, 2705; Urt. v. 9.1.2003 - IX ZR 422/99, MDR 2003, 537 = BGHReport 2003, 413 = NJW 2003, 1940 f.; Zugehör in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, 2004, Rz. 327).
b) Es ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) die Amtspflichten fahrlässig verletzte.
Ein Verschulden ist insbesondere nicht nach der Kollegialgerichts-Richtlinie zu verneinen. Danach trifft den Beamten - Entsprechendes gilt für den Notar - kein Verschulden, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen (Berufsrichtern) besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. BGH v. 6.2.1986 - III ZR 109/84, BGHZ 97, 97 [107] = MDR 1986, 735; Staudinger/Wurm, BGB, 2002 § 839 Rz. 216, m. w. N.). Diese Richtlinie ist aber dann nicht anzuwenden, wenn die Annahme des Kollegialgerichts, die Amtshandlung sei rechtmäßig gewesen, auf einer unzureichenden tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilungsgrundlage beruhte, etwa deshalb, weil das Gericht den festgestellten Sachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt hat (BGH, Urt. v. 13.7.2000 - III ZR 131/99, WM 2000, 2016 [2017 ]; v. 2.4.1998 - III ZR 111/97, NVwZ 1998, 878). So liegt der Streitfall.
Die Revision hat sich auf das in einem Parallelverfahren ergangene, eine Amtspflichtverletzung des Beklagten zu 1) verneinende Urteil des LG München I (LG München, Urt. v. 7.8.2001 - 4 O 4991/01) bezogen. In dieser Kammerentscheidung hat das LG München I eine Amtspflichtverletzung des Beklagten zu 1) im Zusammenhang mit der Beurkundung der Annahme des Kaufangebotes verneint. Es hat dabei jedoch nicht genügend berücksichtigt, dass das von dem Anleger erklärte Kaufangebot die Übertragung von Wohnungseigentum forderte, das in Abteilung II des Grundbuchs (abgesehen von der Kfz-Dienstbarkeit) lastenfrei war, die annehmende Verkäuferin I. das aber nicht mehr gewährleisten konnte. Nicht im Blick war ferner, dass der Beklagte zu 1) als Zentralnotar die Übersicht über die vor den Ortsnotaren - gemäß seinem Entwurf ohne Grundbucheinsicht - abgegebenen Kaufangebote der Anleger und die jeweilige Grundbuchlage hatte, insbesondere die von ihm selbst beantragte Eintragung der Dienstbarkeit zu Gunsten der Stadt N. kannte; also der Beklagte zu 1) durchaus Anlass hatte, darauf bei der Beurkundung der Kaufannahme hinzuweisen. Keinesfalls durfte sich der Beklagte zu 1) darauf verlassen, die I. werde den Kläger hinreichend unterrichten.
c) Die Amtspflichtverletzung führte zu einem Schaden. Hätte der Beklagte zu 1) der zwischenzeitlich erfolgten Eintragung einer Dienstbarkeit Rechnung getragen, indem er zunächst von einer Beurkundung abgesehen und den Kläger auf die neue Grundbuchlage hingewiesen oder aber die - dem Kläger zu übermittelnde - Erklärung der I. als Annahme unter Änderungen (§ 150 Abs. 2 BGB) formuliert hätte, hätte sich der Kläger von seinem Kaufangebot gelöst oder das geänderte Angebot nicht angenommen und keine Zahlungen auf den Kaufpreis entrichtet.
aa) Die Anschlussrevision weist mit Recht darauf hin, dass der Kläger zur Zeit der Annahmeerklärung (23.12.1992) nicht mehr an sein Angebot gebunden war; er hätte es, wie im Angebot ausdrücklich vermerkt, nach Ablauf des 22.12.1992 frei widerrufen können.
bb) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger hätte von der Möglichkeit des Rücktritts - nichts anderes kann für den Widerruf gelten - Gebrauch gemacht, wenn er erfahren hätte, die käuflich zu erwerbende Eigentumswohnung sei mit einer Dienstbarkeit belastet; er dürfe die Eigentumswohnung deshalb "für immer" nur von Studenten bewohnen lassen. Der Senat erachtet die gegen diese Feststellung erhobenen Verfahrensrügen nicht für durchgreifend; von einer Begründung wird gem. § 564 S. 1 ZPO abgesehen.
d) Der Beklagte zu 1) kann dem Schadensersatzanspruch des Klägers nicht den Einwand des Mitverschuldens (§ 254 BGB) entgegensetzen.
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts musste der Kläger nicht damit rechnen, dass das von der I. angebotene Wohnungseigentum mit einer dinglich gesicherten Nutzungsbeschränkung belastet war, und deshalb selbst Erkundigungen einziehen. Zwar war die zum Kauf angebotene Eigentumswohnung in der Teilungserklärung und anderen Unterlagen, die dem Kaufangebot beigefügt waren, als "Studentenappartement" bezeichnet. Der Kläger durfte und konnte den Begriff "Studentenappartement" aber - wie das Berufungsgericht vertretbar (§ 286 ZPO) beurteilt hat - als Umschreibung für eine einfach gehaltene Kleinwohnung auffassen. Die Nutzungsbeschränkung ergab sich weder aus dem Verkaufsprospekt noch aus der maßgeblichen Gemeinschaftsordnung; es fehlte jeder Hinweis auf die dingliche Belastung (BGH, Urt. v. 30.6.2000 - V ZR 156/99, Umdr. S. 8).
bb) Der Kläger war nicht auf Grund seiner Schadensminderungspflicht gehalten, den mit der Stadtsparkasse N. geschlossenen Darlehensvertrag zu widerrufen. Die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen etwaigen Widerrufsrechts sind nicht festgestellt. Die Revision macht entsprechenden Parteivortrag, den das Berufungsgericht insoweit übergangen haben könnte, nicht namhaft.
e) Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht verjährt.
Dem Beklagten zu 1) unterlief das Belehrungsversäumnis bei der Beurkundung der Annahme des Kaufangebotes durch die I. . Dabei handelte es sich nicht um ein Amtsgeschäft i. S. d. §§ 23, 24 BNotO, sondern um ein Urkundsgeschäft, bei dem die Haftung des Notars für fahrlässige Amtspflichtverletzungen vom Bestehen oder Nichtbestehen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit abhängt (§ 19 Abs. 1 S. 2 BNotO). In einem solchen Fall beginnt die Verjährung (§ 19 Abs. 1 S. 3 BNotO i. V. m. § 852 Abs. 1 BGB a. F.) erst mit der Kenntnis des Geschädigten, dass er auf andere Weise keinen Ersatz erlangen kann (st. Rspr.: BGH, Urt. v. 17.12.1992 - III ZR 114/91, BGHZ 121, 65 [71] = MDR 1993, 214 m. w. N.). Diese Kenntnis hatte der Kläger (frühestens) am 4.7.2000, als das Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. eröffnet wurde und damit - unstreitig - feststand, dass von der I. anderweitiger Ersatz nicht zu erlangen war. Die am 21.11.2001 eingereichte Klage hat die Verjährung mithin rechtzeitig unterbrochen (§ 209 Abs. 1 BGB a. F.).
2. Der Kläger kann gemäß seinem Hauptantrag dem Grunde nach Zahlung von Schadensersatz in Geld Zug um Zug gegen Übertragung der rechtsmangelbehafteten Eigentumswohnung beanspruchen.
Für die Schadensersatzpflicht des Notars nach § 19 BNotO gelten grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB. Im Regelfall wird der Schaden allerdings nicht durch Naturalrestitution, sondern durch Geldersatz zu beseitigen sein (vgl. Zugehör in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, 2004, Rz. 2246 ff.). Der wird vom Kläger auch begehrt. Die beantragte Zug-um-Zug-Verurteilung berücksichtigt den Grundsatz des Vorteilsausgleichs; der Kläger lässt sich empfangene Vorteile, nämlich das Wohnungseigentum an dem Studentenappartement, auf den beanspruchten Schadensersatz in Geld anrechnen (vgl. Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl. 2003, § 14 Rz. 152; zu § 839 BGB: BGH, Urt. v. 22.5.2003 - III ZR 32/02, NVwZ 2003, 1285; RG JW 1937, 1917 [1918 f.]).
3. Dem Kläger steht mithin gegen den Beklagten zu 1) ein Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung bei der Beurkundung der Annahme des Kaufangebotes am 23.12.1992 zu. Schon dieser Anspruch trägt das Grundurteil bezüglich der hauptsächlich begehrten Zahlung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums sowie die beantragte Feststellung. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob der Kläger darüber hinaus Schadensersatz wegen weiterer Amtspflichtverletzungen des Beklagten zu 1) bei der Beantragung der Auflassungsvormerkung am 13.5.1993 und bei der Beurkundung der Auflassung am 27.9.1995 sowie deren Genehmigung durch den Kläger am 16.11.1995 beanspruchen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 1127076 |
BGHZ 2004, 188 |
DB 2004, 1936 |
NJW 2004, 1865 |
BGHR 2004, 730 |
EBE/BGH 2004, 1 |
DNotI-Report 2004, 82 |
EWiR 2004, 699 |
MittBayNot 2004, 374 |
WM 2004, 2031 |
ZIP 2004, 719 |
ZfIR 2004, 582 |
DNotZ 2004, 843 |
MDR 2004, 939 |
GuT 2004, 109 |
NotBZ 2004, 347 |
ZNotP 2004, 243 |