Leitsatz (amtlich)
Wer unter aufschiebender Bedingung einen GmbH-Anteil erworben hat, erleidet bei Pfändung des Rechts durch einen Gläubiger des Veräußerers keinen Schaden, wenn der Notar durch weisungswidrige Auszahlung der Kaufpreisvaluta an Zessionare des Veräußerers den Bedingungseintritt herbeiführt.
Normenkette
BNotO § 19 Abs. 1; BGB § 161 Abs. 1; ZPO §§ 840, 857 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.11.2000) |
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.02.2000) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden die Urteile des 8. Zivilsenats des OLG Frankfurt am Main v. 7.11.2000 und der 22. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main v. 24.2.2000 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der beklagte Notar beurkundete am 8.10.1997 einen Kauf und Abtretungsvertrag, mit welchem die p. GmbH und der Streitverkündete W. ihre Geschäftsanteile an der M. S. GmbH Recycling-Anlagen-Management (im Folgenden: GmbH) an den bisherigen Mitinhaber und Geschäftsführer So. verkauften und übertrugen (Nr. 3../97 der Urkundenrolle). Im unmittelbaren Anschluss daran beurkundete der Beklagte eine Treuhandvereinbarung, in welcher dieselben Beteiligten das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft des Kauf- und Abtretungsvertrages unter eine Anzahl aufschiebender Bedingungen stellten, Kaufpreishöhe und -zahlungsweise bestimmten und den Urkundsnotar gemeinschaftlich anwiesen, über die Kauf- und Abtretungsurkunde erst nach Eintritt aller Bedingungen zu verfügen (Nr. 3../97 der Urkundenrolle). Hierzu gehörte der Eingang von 240.000 DM als Kaufpreis für den Geschäftsanteil W. s auf dem Notaranderkonto des Beklagten.
Am 18. und 23.10.1997 trat W. seinen Kaufpreisanspruch in mehreren Teilen ab und ersuchte den Beklagten, die abgetretenen Beträge direkt an die Zessionare auszukehren.
Mit Beschluss des AG Frankfurt am Main v. 6.11.1997 - Geschäftsnummer 83 M 1../97 - ließ die Klägerin den Geschäftsanteil W. s an der GmbH pfänden. Am 27.11.1997 erteilte So. der Deutschen Bank den Auftrag, 240.000 DM auf das Anderkonto des Beklagten zu überweisen, wobei er als Verwendungszweck angab: "Kaufpreisanteil Ph. W. für UR-Nrn. 3../97 u. 3../97 zu Gunsten (Angabe der Klägerin) gem. Pfändungs- u. Überweisungsbeschluss 83 M 1../97". Der Überweisungsträger wurde dem Beklagten am folgenden Tag in Kopie übermittelt.
Mit Telefaxschreiben v. 1.12.1997 teilte die GmbH der Klägerin die Überweisung des Kaufpreises auf das Notaranderkonto zu ihren Gunsten mit und berief sich im Übrigen auf die Anteilsveräußerung v. 8.10.1997. Ebenfalls am 1.12.1997 hielt der Beklagte die in der Treuhandvereinbarung genannten Bedingungen für erfüllt und überwies den Kaufpreis für den Geschäftsanteil W. s an die von diesem benannten Zessionare. W. leistete am 9.2.1999 die eidesstattliche Offenbarungsversicherung.
Am 11./12.3.1998 trat So. mögliche Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten an die Klägerin ab.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe seine Amtspflichten gegenüber So. fahrlässig verletzt, indem er das Guthaben W. s gemäß dessen Weisung ohne klärende Rückfrage bei So. an die Zessionare ausgekehrt habe. Hierdurch sei So. geschädigt worden; denn um einen unbelasteten Geschäftsanteil zu erwerben, müsse er nunmehr den Betrag von 240.000 DM ein zweites Mal aufwenden.
Die Klägerin ist mit diesem Anspruch in den Vorinstanzen durchgedrungen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat gemeint, der Beklagte sei auf Grund der Treuhandvereinbarung verpflichtet gewesen, die Zahlungsanweisung So. s auszuführen. Jedenfalls sei er zur Rücksprache mit So. verpflichtet gewesen, bevor er den Betrag an die Zessionare W. s habe auskehren dürfen. Die Pfändung der Geschäftsanteile bei W. sei trotz der Abtretung v. 8.10.1997 nicht unwirksam, sondern allenfalls mangelhaft gewesen. Diesen Mangel habe die Genehmigung So. s v. 1.12.1997 geheilt. Im Falle weisungsgemäßer Auszahlung des Beklagten an die Klägerin würde So. einen unbelasteten Geschäftsanteil von W. erworben haben, während er dafür nach dem tatsächlichen Verlauf nochmals zahlen müsse.
II.
Das beruht auf fehlerhafter Rechtsanwendung. Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht von So. gegen den Beklagten kein Schadensersatzanspruch (§ 19 Abs. 1 BNotO) zu, weil ihr Zedent durch die Eigenmacht des Beklagten nicht geschädigt worden ist.
1. Revisionsrechtlich bindend ist die tatrichterliche Auslegung des Berufungsgerichts, nach welcher für die Veräußerung der Geschäftsanteile an der GmbH v. 8.10.1997 beide an diesem Tage errichteten Urkunden des Beklagten als Einheit gewertet werden müssen und danach (auch) die Abtretung der Geschäftsanteile von vornherein unter den aufschiebenden Bedingungen der unmittelbar nachfolgenden Treuhandvereinbarung stand.
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Telefaxschreiben an die Klägerin v. 1.12.1997 genehmige die Pfändung des von So. aufschiebend bedingt erworbenen Gesellschaftsanteils, verstößt gegen die §§ 133, 157 BGB. Das auf einen Briefbogen der GmbH gesetzte und von So. als deren Geschäftsführer unterzeichnete Schreiben lautet:
"Unter Bezugnahme auf den ... Pfändungs- und Überweisungsbeschluss" (gegen Herrn Ph. W. , Aktenzeichen 83 M .../97) "teilen wir Ihnen mit, dass Herr Ph. W. seine Geschäftsanteile an unserer Gesellschaft bereits am 08.10.1997 gemäß Urkunden Nr. 3../97 und 3../97 des Notars ... veräußert hat.
Den Herrn Ph. W. zustehenden Kaufpreis über DM 240.000,- haben wir dem vorgenannten Notar auf ein Anderkonto zu Ihren Gunsten überwiesen."
Dieses Schreiben enthält weder nach seinem Absender - der GmbH - noch nach seinem Inhalt die Genehmigung einer gem. § 161 Abs. 1 S. 2 BGB nur vorläufig wirksamen Pfändung in den aufschiebend bedingt abgetretenen Geschäftsanteil.
Genehmigungsbefugt war allein der nach § 161 Abs. 1 BGB in seinem Anwartschaftsrecht geschützte bedingte Erwerber persönlich (BGH v. 10.10.1984 - VIII ZR 244/83, BGHZ 92, 280 [288] = MDR 1985, 571; vgl. auch BGHZ 40, 115 [119] zum rechtsähnlichen Fall des § 2113 Abs. 1 BGB), nicht die von ihm vertretene GmbH. Diese hat sich allerdings nach § 840 ZPO bei der Anteilspfändung als Drittschuldnerin erklärt. Auf diese Umstände ist das Berufungsgericht nicht eingegangen.
Das Schreiben v. 1.12.1997 kann nach seinem gesamten Inhalt nicht als Genehmigung der Pfändung verstanden werden, obwohl die Revisionserwiderung einen entsprechenden Verlautbarungswillen in dem zweiten Abs. des Schreibens erkennen möchte, der auf die Überweisung des Kaufpreises zu Gunsten der Klägerin hinweist. Aus diesem Hinweis geht jedoch nur hervor, dass die GmbH irrtümlich annahm, die Klägerin habe auch die bedingte Kaufpreisforderung von W. gegen So. aus den Verträgen v. 8.10.1997 gepfändet und zur Einziehung überwiesen erhalten. Eine solche Pfändung erwirkte die Klägerin jedoch erst am 17.12.1997; sie ging wegen der Abtretungen v. 18. und 23.10.1997 ins Leere. In Bezug auf die Pfändung des Geschäftsanteils gibt das Schreiben v. 1.12.1997 keinerlei Rechte preis, die So. durch die Vereinbarungen v. 8.10.1997 erworben hatte. Die Mitteilung dieses Veräußerungsvorgangs unter Betonung des zeitlichen Vorrangs vor der Pfändung war im Rahmen der Drittschuldnererklärung der GmbH gerade deshalb nötig, weil auf das die Veräußerung hindernde Recht So. s nach § 857 Abs. 1, § 840 Abs. 1 Nr. 2 ZPO hingewiesen werden musste. Ob das Anwartschaftsrecht des bedingten Anteilserwerbers wie im Falle des Vorbehaltskäufers bei Zwangsvollstreckung gegen den Vorbehaltsverkäufer zur sofortigen Drittwiderspruchsklage berechtigt (zu letzterem Fall vgl. BGH BGHZ 55, 20 [27]; s. auch § 773 ZPO und Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 771 Rz. 20, 21), bedarf im vorstehenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Wollte So. das Anwartschaftsrecht als bedingter Anteilserwerber gegen die Klägerin auch nach Bedingungseintritt nicht geltend machen, so hätte es nahe gelegen, dass die von ihm vertretene GmbH auch dies in ihre Drittschuldnererklärung aufnahm. Das ist nicht geschehen. Die stattdessen mitgeteilte Kaufpreisüberweisung von So. konnte auch nicht als Ablösung eines von So. anerkannten Pfändungspfandrechts an dem Geschäftsanteil verstanden werden. Denn weder ist dieser Leistungszweck angegeben worden, noch wäre hierfür die Kaufpreisschuld ausschlaggebend gewesen. Maßgeblich hätte vielmehr für diesen Zweck nur die Höhe der durch das Pfändungspfandrecht gesicherten Forderung der Klägerin sein können und in zweiter Linie der Verkehrswert des gepfändeten Gesellschaftsanteils im Falle der Verwertung nach den §§ 844, 857 Abs. 2 ZPO. Auch diese Umstände hat das Berufungsgericht verkannt.
3. Rechtsfehlerhaft ist ferner der Schluss des Berufungsgerichts, So. hätte den aufschiebend bedingt abgetretenen Gesellschaftsanteil lastenfrei erworben, wenn der Beklagte dessen rechtlich verfehlte Weisung bei Einzahlung der Kaufpreisvaluta auf sein Notaranderkonto am 27.11.1997 befolgt hätte.
Diese - mit einschränkender Weisung versehene - Kaufpreiszahlung hat die Verpflichtung von So. aus der Treuhandvereinbarung v. 8.10.1997 gegenüber W. noch nicht erfüllt. Denn eine solche Einschränkung war mit diesen Abreden nicht vereinbar. Weder für den Anteilsverkauf noch für die verfügende Anteilsabtretung wäre die aufschiebende Bedingung der Treuhandvereinbarung deshalb eingetreten, wenn der Beklagte die erhaltene Weisung befolgt hätte. Die Klägerin hätte die weisungsgemäße Auszahlung vom Notaranderkonto stattdessen ohne Rechtsgrund erlangt, weil sie die Kaufpreisforderung von W. am 27.11.1997 noch nicht gepfändet und zur Einziehung überwiesen erhalten hatte (§§ 829, 835, 836 ZPO). Ihre spätere Pfändung ging ohnehin ins Leere, weil W. seine aufschiebend bedingte Kaufpreisforderung bereits am 18. und 23.10.1997 vollständig an Dritte abgetreten hatte. Gerade die Ausführung seiner Weisung hätte So. folglich erst in die zu Unrecht dem Beklagten zur Last gelegte Lage gebracht, den Kaufpreis ein zweites Mal zahlen zu müssen, um den Gesellschaftsanteil endgültig erwerben zu können.
4. Der Beklagte hat, indem er die Weisung So. s zur Auszahlung an die Klägerin ignorierte und stattdessen die in Wahrheit berechtigten Zessionare nach der älteren Weisung W. s befriedigte, die bedingte Kaufpreisverbindlichkeit So. s nach § 158 Abs. 1 BGB endgültig entstehen lassen und erfüllt. Denn aus der Sicht der Zessionare W. s war nicht erkennbar, dass der Beklagte mit der Weiterleitung der Kaufpreisteile an sie gegen Weisungen des Käufers verstieß. Nach ihrem Empfängerhorizont überbrachte der Beklagte die vertragliche Leistung des Käufers So. , für die sie nach Abtretung des aufschiebend bedingten Kaufpreisanspruchs empfangsberechtigt waren. Der Beklagte hatte damit - eigenmächtig - auch die aufschiebende Bedingung für den Anteilsübergang von W. an So. herbeigeführt, für den So. bei weisungsgemäßem Verhalten des Beklagten den Kaufpreis ein zweites Mal zur Befriedigung der Zessionare hätte aufbringen müssen. So konnte So. sogleich gegenüber der Klägerin nach den §§ 771 ZPO, 161 Abs. 1 S. 2 BGB vorgehen, um sein nach der Begründung der Anwartschaft besseres Recht gegen sie durchzusetzen. Ein Schaden So. s, auf den sich die Klage stützt, ist durch die Eigenmacht des Beklagten nicht verursacht, sondern verhindert worden. Zu einer Zahlung an die Klägerin hatte So. keinerlei rechtlich begründete Veranlassung.
Fundstellen
Haufe-Index 1128779 |
DB 2004, 1936 |
BuW 2004, 385 |
BuW 2004, 427 |
BGHR 2004, 871 |
EBE/BGH 2004, 2 |
NJW-RR 2004, 1073 |
NZG 2004, 517 |
WM 2004, 752 |
WuB 2004, 557 |
InVo 2004, 376 |
MDR 2004, 879 |
SJ 2004, 38 |
UM 2004, 364 |