Leitsatz (amtlich)
Der Auftragnehmer kann nach § 2 Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 VOB (B) für eine über den ihm erteilten Auftrag hinausgehende Bauleistung, die zur Durchführung des Vertrages notwendig war, dem mutmaßlichen willen des Auftraggebers entsprach und diesem unverzuglich angezeigt wurde, eine Vergütung auch dann verlangen, wenn der Auftraggeber eine Gemeinde ist und es an einem Auftrag für die notwendig gewordenen weiteren Bauleistungen deshalb fehlt, weil bei deren Vergabe die Gemeinde nicht wirksam vertreten war.
Verfahrensgang
OLG Hamm (Entscheidung vom 29.06.1972) |
LG Arnsberg |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm vom 29. Juni 1972 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision, einschließlich der Kosten der Streithelferin, zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin hat in den Jahren 1968/1969 die Bundesstraße 7 innerhalb der Ortsdurchfahrt der beklagten Gemeinde ausgebaut. Diese war die Auftraggeberin für die Erstellung der Gehwege und der Parkspuren. Die Parteien hatten vereinbart, daß u.a. die VOB (B) gelten sollte. Um die vorgesehene Breite der Gehwege und Parkspuren einhalten zu können, verhandelte Bürgermeister L., der damalige erste Beigeordnete der Beklagten, wegen des dazu erforderlichen Landerwerbs mit verschiedenen Anliegern. Seine Bemühungen blieben erfolglos. Daraufhin brachte er dem Bauleiter der Klägerin gegenüber zum Ausdruck, daß dann eben vor den Häusern Nr. 47, 70, 72 zusätzliche Stützmauern errichtet werden müßten. Die Klägerin erstellte die Stützmauern und erteilte darüber der Beklagten Rechnungen in einer Gesamthöhe von 42.692,84 DM.
Im vorliegenden Verfahren verlangt sie die Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Klägerin bittet, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht verneint Ansprüche der Klägerin aus einem von der beklagten Gemeinde wirksam erteilten zusätzlichen Bauauftrag hinsichtlich der Stützmauern, auch unter Berücksichtigung der Grundsätze über die Anscheins- und Duldungsvollmacht. Es erkennt der Klägerin den mit der Klage geforderten Betrag jedoch nach § 2 Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 VOB (B) zu. Die von der Klägerin insoweit ohne Auftrag erbrachten Leistungen seien zur Durchführung des Vertrags zum Bau der Ortsdurchfahrt notwendig gewesen, hätten dem mußmaßlichen Willen der Beklagten entsprochen und seien ihr auch unverzüglich angezeigt worden.
II.
Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1.
Zu Unrecht meint sie, der vom Berufungsgericht bejahte Anspruch sei schon deshalb ausgeschlossen, weil die Parteien als besondere Vertragsbedingung vereinbart hätten, daß jede Vertragsänderung der Schriftform bedürfe. Hier geht es jedoch nicht um eine Änderung des von den Parteien geschlossenen Vertrags. Das Berufungsgericht geht gerade davon aus, daß sich die Parteien über eine Erweiterung des Bauauftrags nicht wirksam geeinigt haben. In diesem Falle hatte die Klägerin einen Vergütungsanspruch nur noch unter den besonderen, strengeren Voraussetzungen des § 2 Nr. 7 VOB (B). Es ist nicht zu erkennen, daß die Parteien diese Bestimmung abbedungen hätten.
2.
Das Berufungsgericht folgt dem Gutachten des von ihm zugezogenen Sachverständigen Garnen, wonach die Verkehrssicherheit der von der Klägerin zu bauenden Ortsdurchfahrt nur gewährleistet war, wenn der Gehweg und die Parkspuren in der ursprünglich vorgesehenen Breite angelegt wurden. Dazu hätten die Stützmauern errichtet werden müssen. Die von der Beklagten später vorgeschlagenen Ersatzlösungen wären nicht in Einklang mit den Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Straßenbaus zu bringen gewesen.
Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Eine Bauleistung, durch die allein erreicht wird, daß die Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße verkehrssicher wird, ist notwendig im Sinne des § 2 Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 VOB (B).
3.
Das Berufungsgericht nimmt weiter an, die Errichtung der drei Stützmauern habe auch dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprochen. Das ist ebenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Unter dem mutmaßlichen Willen in § 2 Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 VOB (B) ist dasselbe zu verstehen wie in den §§ 677 und 683 BGB, nämlich der für einen verständigen Betrachter bei objektiver Beurteilung aller gegebenen Umstände vorauszusetzende Wille (Senatsurteil vom 2. März 1972 - VII ZR 143/70 - = WM 1972, 616, 618 insoweit nicht abgedruckt in NJW 1972, 940). Das ist zugleich der Wille, der mangels anderer Anhaltspunkte dem wohlverstandenen Interesse des Geschäftsherrn entspricht (BGHZ 47, 370, 374).
Wurde allein der Ausbau der Straße unter Errichtung von Stützmauern dem allgemeinen Interesse an größtmöglicher Verkehrssicherheit gerecht und war nur diese Lösung mit den Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Straßenbaus in Einklang zu bringen, dann entsprach der Bau der Mauern auch dem mutmaßlichen Willen der beklagten Gemeinde. Demgegenüber müssen alle jetzt von ihr vorgetragenen weniger aufwendigen Möglichkeiten außer Betracht bleiben. Denn sie wären nach der rechtsfehlerfreien Beurteilung des Berufungsgerichts unzureichend gewesen und hätten das vorrangige Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit im Straßenverkehr nicht befriedigt, das auch die Beklagte beim Ausbau der Ortsdurchfahrt im Auge behalten mußte.
4.
Die Klägerin hat den Bau der Stützmauern der Beklagten unverzüglich angezeigt. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich aus dem Berufungsurteil, daß dies vor Beginn der insoweit notwendigen Bauarbeiten geschehen ist. Das war in jedem Falle unverzüglich im Sinne des § 2 Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 VOB (B).
5.
Die Revision bemängelt noch, daß das Berufungsgericht der Klägerin die volle Vergütung (einschließlich des Unternehmergewinns) zugebilligt hat. Auch das läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
Liegen die besonderen Voraussetzungen des § 2 Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 VOB (B) vor, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf ein Entgelt, wie wenn die Leistung vertraglich vereinbart worden wäre. Das ergibt sich schon aus der Gleichstellung mit dem in § 2 Nr. 7 Abs. 2 Satz 1 VOB (B) erwähnten Fall, daß der Auftraggeber nachträglich die zunächst ohne Auftrag erbrachte Leistung anerkennt. Aber auch nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag gilt nichts anderes. Denn nach § 683 Satz 1 BGB kann der Geschäftsführer die übliche Vergütung für seine Leistungen dann verlangen, wenn die Geschäftsbesorgung in einer von ihm im Rahmen seines Gewerbebetriebes entfalteten Tätigkeit besteht (BGH NJW 1971, 609, 612 Nr. 4). So ist es hier.
6.
Die von der Revision zu den einzelnen Punkten erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (Art. 1 Ziffer 4 EntlG).
III.
Nach alledem ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge der §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018689 |
DB 1975, 252 (Volltext) |
NJW 1974, 1241 |
NJW 1974, 1241 (amtl. Leitsatz) |
DVBl 1974, 953 (amtl. Leitsatz) |
MDR 1974, 749 (Volltext mit amtl. LS) |