Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährungsbeginn der Primär- und Sekundärhaftung des Steuerberaters aufgrund des Steuerschadens wegen fehlerhafter Steuererklärung
Leitsatz (amtlich)
1. Setzt wegen einer Pflichtwidrigkeit des Steuerberaters bei der Fertigung der Steuererklärung ein nicht angefochtener Bescheid Steuern zu hoch fest, so beginnt die Verjährung des Anspruchs des Auftraggebers auf Schadensersatz mit dem Eintritt der Bestandskraft des Bescheides, auch wenn später aufgrund einer Außenprüfung zuviel gezahlte Steuern zurückerstattet werden (Abweichung BGH, 27.11.1985, IVa ZR 97/84, BGHZ 96, 290).
2. Eine erneute Verletzung eines fortbestehenden Auftrags, die einen weiteren Schadensersatzanspruch begründet und die Erkenntnis des zuvor begangenen Fehlers verhindert hat, kann ein ausreichender Anlaß dafür sein, daß der Steuerberater über seine auf der früheren Pflichtwidrigkeit beruhende Haftung und über die Verjährungsvorschrift hätte belehren müssen.
Leitsatz (redaktionell)
Die Erfüllung des Steuertatbestandes (§ 38 AO 1977) ist auf das Entstehen der Haftung des Steuerberaters ohne Einfluß.
Normenkette
StBerG § 68; AO §§ 38, 169 Abs. 2, § 170 Abs. 2, §§ 172, 193
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 28.08.1990; Aktenzeichen 18a U 90/90) |
LG Offenburg (Urteil vom 20.07.1988; Aktenzeichen 3 O 117/88) |
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der beklagten Steuerberatungsgesellschaft Schadensersatz wegen falscher Beratung.
Für die Jahre 1980 bis 1983 entwarf die Beklagte für den Kläger und dessen geschiedene Ehefrau die Einkommensteuererklärungen, reichte sie beim Finanzamt ein und prüfte die darauf ergangenen Bescheide. Obwohl ein 1963 geborener ehelicher Sohn körperlich und geistig behindert ist und seit 1980 in einer Heimsonderschule und einem Behindertenzentrum untergebracht war, nahm sie in die Steuererklärungen des Klägers den hälftigen Ausbildungsfreibetrag nach § 33 a Abs. 2 EStG und den hälftigen Behindertenfreibetrag nach § 33 b Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 3 EStG nicht auf. Den Behindertenfreibetrag berücksichtigte sie in voller Höhe in den Einkommensteuererklärungen der Mutter.
Deshalb wurden dem Kläger endgültig und ohne Vorbehalt der Nachprüfung für
1980 durch den seit 13. Januar 1982
unanfechtbaren Bescheid 1.987,20 DM,
1981 durch den seit 14. Dezember 1982
unanfechtbaren Bescheid 1.821,96 DM,
1982 durch den seit 21. September 1983
unanfechtbaren Bescheid 2.457,00 DM
und 1983 durch den seit 5. September 1984
unanfechtbaren Bescheid 1.900,80 DM,
––––––
insgesamt 8.166,96 DM,
zuviel Einkommen- und Kirchensteuern festgesetzt.
Ab dem Veranlagungszeitraum 1984 erreichte ein anderer Steuerberater, daß das Finanzamt jene hälftigen Freibeträge beim Einkommen des Klägers berücksichtigte. Im Oktober 1986 teilte er der Beklagten mit, daß sie auf eine Berichtigung der Steuerbescheide für 1980 bis 1983 dringen möge. Diese wurde vom Finanzamt abgelehnt.
Der im März 1988 erhobenen Klage auf Zahlung von 8.166,96 DM nebst Prozeßzinsen gab das Landgericht statt. Auf die Berufung, mit der die Beklagte die Einrede der Verjährung erhob, wies das Oberlandesgericht die Klage ab, soweit der Kläger einen Schaden für den Veranlagungszeitraum 1980 in Höhe von 1.987,20 DM geltend gemacht hatte, und hielt im übrigen die Verurteilung zur Zahlung von 6.179,76 DM nebst Prozeßzinsen aufrecht. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Die Anschlußrevision des Klägers erstrebt die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten führt zur Abweisung der Klage, soweit das Berufungsgericht mehr als 4.278,96 DM nebst Zinsen zuerkannt hat und ist im übrigen unbegründet. Die Anschlußrevision hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht stellt von der Revision der Beklagten unbeanstandet und zutreffend fest, daß diese den Kläger bei der Abfassung der Steuererklärungen für die Jahre 1980 bis 1983 schuldhaft nicht entsprechend den Pflichten des Beratungsvertrags über ihm zustehende Steuervergünstigungen aufgeklärt hat. Sie hätte in Erfüllung ihrer aus dem Steuerberatungsauftrag fließenden Beratungspflichten darauf hinweisen müssen, daß der Kläger sowohl den Ausbildungsfreibetrag nach § 33 a EStG als auch den Behindertenfreibetrag nach § 33 b Abs. 5 mit Abs. 3 Satz 3 EStG je zur Hälfte geltend machen könne, wenn er keine abweichende Vereinbarung mit seiner geschiedenen Ehefrau getroffen habe. Im Falle richtiger Beratung hätte der Kläger, wie in den Vorinstanzen unstreitig war, die Gewährung der beiden Freibeträge in seinen Steuererklärungen beantragt; dementsprechend wäre in den Bescheiden für 1981 bis 1983 die Einkommen- und Kirchensteuer um die im Tatbestand wiedergegebenen Beträge niedriger festgesetzt worden.
Gegen den Eintritt eines Schadens in dieser Höhe macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten im ersten und zweiten Rechtszug nicht beachtet, im Falle eines (wegen der geringeren Steuerschuld) höheren Einkommens des Klägers hätte dieser wahrscheinlich höheren Unterhalt zahlen müssen.
Die Rüge ist unbegründet. Zwar können mit den durch die Pflichtverletzung entstandenen Schäden auch Vermögensvorteile erwachsen sein. Diese müssen im Wege der Vorteilsausgleichung nach § 249 BGB als schadensmindernd berücksichtigt werden, wenn sie durch das Schadensereignis adäquat verursacht sind und ihre Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes sowie der Billigkeit entspricht. Der Schädiger hat darzutun, daß und gegebenenfalls in welcher Höhe der Geschädigte einen auszugleichenden Vermögensvorteil erlangt habe (Senatsurt. v. 31. Januar 1991 – IX ZR 124/90 m.w.N., z.V.b.). Dieser die Beklagte treffenden Darlegungslast genügte ihr im zweiten Rechtszug nicht mehr wiederholtes und auch nicht unter Beweis gestelltes Vorbringen nicht. Es war so wenig substantiiert, daß es den Kläger, insbesondere nachdem das Landgericht die Schadenshöhe für unstreitig erachtet hatte, nicht zu einer Darstellung seiner Unterhaltspflichten zwang.
2. Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, ist jedoch der Anspruch auf Ersatz des Schadens, der dem Kläger durch den Beratungsfehler der Beklagten erwachsen ist, nach § 68 mit § 72 StBerG verjährt. Nach diesen Vorschriften verjährt der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und einem Steuerberater oder einer Steuerberatungsgesellschaft bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entsteht.
Die Entstehung eines Schadensersatzanspruchs, die nach dem Gesetz (§ 198 BGB, § 51 BRAO, § 68 StBerG) den Lauf der Verjährungsfrist beginnen läßt, ist dann zu bejahen, wenn der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen, ferner wenn durch die Verletzungshandlung eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist, ohne daß feststehen muß, ob ein Schaden bestehen bleibt und damit endgültig wird, oder wenn eine solche Verschlechterung der Vermögenslage oder auch ein endgültiger Teilschaden entstanden ist und mit der nicht entfernt liegenden Möglichkeit des künftigen Auftretens bisher noch nicht erkennbarer, adäquat verursachter Nachteile bei verständiger Würdigung gerechnet werden kann (BGHZ 100, 228, 231 f). In diesen Fällen kann und muß der Ablauf der Verjährungsfrist durch Erhebung einer Klage auf Feststellung der Pflicht, den noch nicht bezifferbaren entstandenen und entstehenden Schaden zu ersetzen, unterbrochen werden.
Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß die Verjährungsfrist ohne Rücksicht darauf, ob und wann der Kläger von seinem Schaden erfahren hat, spätestens mit dem Eintritt der Bestandskraft der für die Jahre 1980 bis 1983 erlassenen, den Kläger belastenden Steuerbescheide zu laufen begonnen hat. Die Erfüllung des Steuertatbestandes (§ 38 AO) ist auf das Entstehen der Haftung des Steuerberaters ohne Einfluß.
a) Setzt wie hier ein Bescheid im Sinne von §§ 172 ff AO Steuern infolge einer schuldhaften Pflichtverletzung eines Steuerberaters zu hoch fest, so mag ein Schaden noch nicht entstanden sein, wenn aufgrund eines fristgerechten und deshalb noch zulässigen Einspruchs (§§ 348 Abs. 1 Nr. 1, 355 AO) das Finanzamt alsbald zugunsten des Steuerpflichtigen entscheiden könnte und müßte. Denn die Finanzbehörde hat auf rechtzeitigen Einspruch die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen (§ 367 Abs. 2 AO) und entsprechend einer nunmehr vom Steuerberater berichtigten fehlerfreien Steuererklärung die richtige Entscheidung im Sinne des § 38 AO zu treffen.
b) Ein Steuerbescheid wird jedoch bestandskräftig im Sinne der §§ 172 ff AO, wenn innerhalb der Rechtsbehelfsfrist (§ 355 AO) der Einspruch versäumt worden ist. Dann ist ein Vermögensnachteil in Höhe des Betrages eingetreten, um den jener Bescheid die Steuer im Vergleich zur Steuerbelastung aufgrund fehlerfreier Steuererklärung zu hoch festgesetzt hat. Gemäß § 172 Nr. 2 a AO darf ein bestandskräftiger Bescheid zugunsten des Steuerpflichtigen nicht mehr geändert werden, es sei denn, er ist von einer unzuständigen Behörde erlassen (Nr. 2 b) oder die Änderung ist gesetzlich zugelassen (Nr. 2 d). § 173 Abs. 1 Nr. 2 a AO erlaubt die Änderung eines den Steuerpflichtigen belastenden, bestandskräftigen Bescheids durch Festsetzung niedrigerer Steuern nur, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, daß die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt wurden. Das Verschulden eines steuerlichen Beraters muß sich der Steuerpflichtige zurechnen lassen (BFH, Urt. v. 13. Juni 1989, BStBl II 1989, 789, 791 m.w.N.). Dementsprechend blieben auch die 1986 gestellten Abänderungsanträge unstreitig ohne Erfolg.
c) Ein bestandskräftiger Steuerbescheid kann allerdings aufgrund einer Außenprüfung beim Steuerpflichtigen (§§ 193 bis 203 AO) nicht nur zum Nachteil, sondern auch zugunsten des Steuerpflichtigen abgeändert werden. Diese Möglichkeit der Abänderung zum Vorteil des Steuerpflichtigen reicht, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht aus, die Schadensersatzforderung des Steuerpflichtigen gegen seinen Steuerberater erst in dem Zeitpunkt als entstanden anzusehen, in dem der Beratungsfehler, der zur bestandskräftigen Festsetzung überhöhter Steuern geführt hatte, auch aufgrund einer Außenprüfung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist (§§ 169 – 171 AO) nicht mehr zugunsten des Steuerpflichtigen korrigiert werden kann. Ist eine Steuererklärung nach gesetzlicher Vorschrift einzureichen, so beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Danach würde die dreijährige Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des Schadens, der auf einer vom Steuerberater zu verantwortenden fehlerhaften Steuererklärung beruht, frühestens mit dem Ende des vierten Jahres nach Ablauf des Jahres beginnen, in dem die Steuererklärung eingereicht wurde; die Verjährung nach § 68 StBerG träte mithin immer mehr als sieben Jahre nach Abgabe der fehlerhaften Steuererklärung ein.
Die dahingehende Auffassung des Klägers widerspricht eindeutig dem Wortlaut und Zweck des § 68 StBerG. Wenn allerdings die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den Steuerberater im Falle einer Außenprüfung erst mit deren Abschluß begänne (so BGHZ 96, 290), so dürfte folgerichtig die Verjährung nach § 68 StBerG auch dann, wenn eine Außenprüfung bisher unterblieben ist, nicht beginnen, solange aufgrund einer solchen Prüfung der bestandskräftige Steuerbescheid noch geändert werden könnte, weil die Festsetzungsfrist (§ 169 AO) noch nicht abgelaufen ist. Der erkennende, nunmehr für Entscheidungen über die Haftung der Steuerberater allein zuständige Senat hält jedoch die Prämisse, daß die Verjährungsfrist im Falle der Außenprüfung immer mit deren Abschluß beginne, nicht für richtig.
aa) Er ist allerdings mit dem VII. und dem IVa-Zivilsenat der Auffassung, daß durch eine Pflichtwidrigkeit des Steuerberaters verursachte Schäden im Falle einer Außenprüfung dann erst im Sinne des § 68 StBerG entstanden sind, wenn aufgrund der Außenprüfung höhere Steuern erhoben werden und die Mehrbeträge ohne den Fehler des Steuerberaters auch nach dem Ergebnis der Außenprüfung nicht festgesetzt worden wären (so BGHZ 73, 363; BGH, Urt. v. 14. Juli 1982 – IVa ZR 10/81, VersR 1982, 1053). Denn in diesem Fall hat sich der Fehler des Steuerberaters erst mit dem Abschluß der Außenprüfung ausgewirkt und die Pflicht begründet, vermeidbare Steuern zu zahlen.
bb) Soweit jedoch aufgrund der Außenprüfung wegen fehlerhafter Beratung zu hoch festgesetzte Steuern zurückerstattet werden, ist in Höhe des Erstattungsbetrags ein bereits eingetretener Schaden gemindert worden. Die vorangegangenen überhöhten Steuerzahlungen haben in der Regel weitere Nachteile, insbesondere den Aufwand für Schuldzinsen oder den Verlust von Kapitalerträgen verursacht, die aufgrund der Außenprüfung nicht ausgeglichen werden. Alle diese Schäden waren bereits mit der Unanfechtbarkeit der Bescheide entstanden, die wegen der Pflichtverletzung des Steuerberaters zu hohe Steuern festgesetzt hatten. Wegen der Bestandskraft dieser Steuerbescheide stand dem Grunde nach fest, daß der Steuerberater Schadensersatz schuldet. Die Vermögenslage des Steuerschuldners hatte sich verschlechtert, weil er überhöhte Steuern zahlen mußte. Die dafür maßgebenden Steuerbescheide hätten auf seinen Antrag nur unter den engen Voraussetzungen des § 173 AO zu seinen Gunsten geändert werden können. Einen Anspruch auf Außenprüfung hat der Steuerpflichtige nicht. Aus diesen Gründen folgt der erkennende Senat der Rechtsprechung des IVa-Zivilsenats (BGHZ 96, 290, 296) nicht, soweit im Falle einer Außenprüfung ohne Rücksicht auf ihr Ergebnis erst mit deren Abschluß der Schadensersatzanspruch im Sinne des § 68 StBerG entstanden sein soll. Dann aber entfällt der einzige Grund, den Beginn der Verjährungsfrist bis zu dem Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem auch aufgrund einer Außenprüfung wegen Festsetzungsverjährung (§§ 169, 170 AO) der bestandskräftige Bescheid, der infolge der Pflichtwidrigkeit des Steuerberaters ungerechtfertigt hohe Steuern festgesetzt hat, nicht mehr geändert werden kann. Damit ist der Kritik an der Entscheidung BGHZ 96, 290 (vgl. Graefe/Lenzen/Rainer, Steuerberaterhaftung 2. Aufl. Rdnr. 895 ff m.w.N.; Späth, Die zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters 3. Aufl. Rdnr. 431 f) Rechnung getragen.
dd) Nach alledem waren die Ansprüche des Klägers auf Ersatz des Schadens, die jeweils mit der Unanfechtbarkeit der Steuerbescheide in den Jahren 1982 bis 1984 entstanden waren, zur Zeit der Erhebung der Klage im März 1988 schon verjährt; die Beklagte verweigert deshalb zu Recht die Erfüllung der Klagforderungen (§ 222 BGB), soweit sie sich auf Verjährung berufen darf.
3. a) Das Berufungsgericht meint, die Beklagte dürfe sich auf die mit dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerbescheide am 14. Dezember 1982, am 21. September 1983 und am 5. September 1984 beginnende Verjährung der Schadensersatzansprüche des Klägers nicht berufen. Zur Begründung führt das Berufungsgericht aus: Der Steuerberater habe seinen Mandanten über seine Pflichtverletzung und die Verjährung etwaiger Ansprüche gegen sich zu belehren. Sonst mache er sich schadensersatzpflichtig und habe seinen Mandanten so zu stellen, wie wenn er ordnungsgemäß belehrt hätte. Der aus der unterlassenen Belehrung hergeleitete sekundäre Schadensersatzanspruch setze eine erneute schuldhafte Pflichtverletzung des Steuerberaters voraus. Eine solche habe die Beklagte begangen, weil sie in den Steuererklärungen für die Jahre 1981 bis 1983 den Fehler, der ihr bereits bei Anfertigung der Steuererklärung für 1980 unterlaufen sei, wiederholt habe. Anders als bei der Durchsicht eines Steuerbescheids habe die Beklagte bei Erstellung einer jeden neuen Steuererklärung die Pflicht, auch die Grundlagen der Besteuerung erneut zu prüfen. Ein sorgfältig und gewissenhaft arbeitender Steuerberater hätte Anlaß gehabt, zumindest Rücksprache mit dem Mandanten zu halten, ob die Geltendmachung des Behindertenfreibetrags für die geschiedene Ehefrau des Klägers wie im Vorjahr erfolgen solle. Es wäre dann das Versehen aufgedeckt worden. Die Unterbringung des Sohnes in Einrichtungen für Behinderte hätte die Beklagte veranlassen müssen, die Frage des Ausbildungsfreibetrags erneut zu prüfen. Danach habe sie bei Erstellung der jeweiligen Steuererklärungen, beginnend mit derjenigen für das Jahr 1981, belehren müssen. Der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs für die Jahre 1981 bis 1983 stehe auch nicht entgegen, daß der Kläger ab 1984 durch einen anderen Steuerberater beraten und auf den Fehler des Beklagten aufmerksam gemacht worden sei.
b) Diese Ausführungen begegnen zum Teil durchgreifenden Bedenken.
Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, ein Steuerberater mache sich erneut schadensersatzpflichtig und dürfe sich deshalb nicht auf Verjährung des Regreßanspruchs berufen, wenn er Pflichten aus einem noch bestehenden Steuerberatungsvertrag vor Verjährung des Regreßanspruchs dadurch verletzt, daß er über die Möglichkeit einer eigenen Haftung seinen Mandanten nicht unterrichtet und über die maßgebenden Verjährungsvorschriften nicht belehrt. Diese sogenannte Sekundärhaftung des Steuerberaters ist derjenigen des Rechtsanwalts nachgebildet (BGHZ 83, 17; Urt. v. 20. Januar 1982 – IVa ZR 283/80, NJW 1982, 1288; vgl. auch BGHZ 96, 290, 298).
Das Berufungsgericht beachtet aber nicht genügend, daß eine solche erneute Pflichtverletzung nur angenommen werden kann, wenn sie nicht mit der den Regreßanspruch auslösenden identisch ist und wenn während des Laufs der Verjährungsfrist und vor Beendigung des Auftrags zur Steuerberatung ein begründeter Anlaß zur Belehrung gegeben war und diese dennoch unterblieben ist. Ein solcher Anlaß zur Belehrung besteht insbesondere dann, wenn der Anwalt (oder Steuerberater) aus einem Urteil, einem Schriftsatz oder einem sonstigen Hinweis erkannt hat, daß er für einen Schaden seines Mandaten verantwortlich ist. Hatte der Anwalt (oder Steuerberater) während des Laufs der Verjährung des Regreßanspruchs und vor dem Ende des Mandats keinen begründeten Anlaß, eine durch seine Pflichtwidrigkeit verursachte Schädigung des Mandanten zu erkennen und diesem die Durchsetzbarkeit des Regreßanspruchs zu ermöglichen, so beruht die eingetretene Verjährung nicht auf dem Verhalten des Anwalts (oder Steuerberaters) und kann ihm nicht als Verletzung seines Auftrags zugerechnet werden. Der erkennende Senat hat diese Rechtslage in dem grundlegenden Urteil zur sogenannten Sekundärhaftung des Rechtsanwalts (BGHZ 94, 380, 385 ff) eingehend dargelegt und daran in den nachfolgenden Entscheidungen (Urt. v. 11. Juli 1985 – IX ZR 11/85, NJW 1985, 2941, 2943; v. 10. Oktober 1985 – IX ZR 153/84, NJW 1986, 581; v. 18. September 1986 – IX ZR 204/85, NJW 1987, 326; v. 1. Oktober 1987 – IX ZR 202/86, NJW 1988, 265; v. 21. Januar 1988 – IX ZR 65/87, WM 1988, 629; v. 1. Februar 1990 – IX ZR 82/89, LM BRAO § 51 Nr. 15) festgehalten. Diese Grundsätze gelten auch für die Sekundärhaftung des Steuerberaters. Danach steht dem Kläger ein Anspruch, daß die Beklagte ihn so stelle, als seien seine Regreßansprüche nicht verjährt, nur zu, soweit diese mit den Steuerbescheiden für 1981 und 1982 entstanden sind:
aa) Es kann unterstellt werden, daß die Beklagte im Oktober 1986 durch ein Schreiben des neuen Steuerberaters des Klägers von dem von ihr zu verantwortenden Schaden des Klägers erfahren hat. Darin wäre ein begründeter Anlaß zur Belehrung über den Regreßanspruch zu sehen. Aber im Oktober 1986 waren die Regreßansprüche, die sich aus den bis September 1983 bestandskräftig gewordenen Bescheiden für die Jahre 1980 bis 1982 ergaben, bereits verjährt. Die Unterlassung der Belehrung im Oktober 1986 war nicht mehr ursächlich dafür, daß die Verjährung jener Regreßansprüche nicht durch Klageerhebung unterbrochen wurde.
bb) Die mit der Bestandskraft des Bescheids für 1983 am 5. September 1984 beginnende Verjährungsfrist war allerdings im Oktober 1986 noch nicht abgelaufen. Aber der erkennende Senat muß, weil der Kläger spätestens 1985 einen anderen Steuerberater mit der Fertigung der Steuererklärung für 1984 und danach beauftragt hat, davon ausgehen, daß das Mandat der Beklagten jedenfalls 1986 bereits beendet war. Dann aber fehlte es an einer vertraglichen Pflicht, die noch hätte verletzt werden können (vgl. Senatsurt. v. 1. Februar 1990, aaO). Ein sonstiger Anlaß für die Beklagte, noch während des Fortbestands des Mandatsverhältnisses den Kläger über ihre Schadensersatzpflicht zu unterrichten, bestand nicht.
cc) Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist ein etwaiger Sekundäranspruch, sich nicht auf die am 13. Januar 1985 eingetretene Verjährung des Regreßanspruchs zu berufen, der mit dem seit 13. Januar 1982 bestandskräftigen Bescheid für 1980 entstanden war, wegen des Ablaufs der gemäß § 68 StBerG am 13. Januar 1985 beginnenden ebenfalls dreijährigen Frist, also seit 13. Januar 1988, verjährt, weil die Klage erst im März 1988 erhoben worden ist. Der Sekundäranspruch ist spätestens sechs Jahre nach Beginn der Verjährung des Regreßanspruchs verjährt (vgl. BGHZ 94, 380). Die Anschlußrevision ist demnach unbegründet.
dd) Nur soweit Schäden mit den seit 14. Dezember 1982 und 21. September 1983 bestandskräftigen Bescheiden für 1981 und 1982 erwachsen sind, kann es darauf ankommen, ob die Fertigung der nachfolgenden Steuererklärungen für die Jahre 1982 und 1983 die Beklagte hätte veranlassen müssen, den Kläger über ihre Haftung für zuviel gezahlte Steuern und über den Wortlaut der Verjährungsvorschrift des § 68 StBerG (nicht aber über den Beginn oder das Ende der Verjährung) zu belehren.
Die Pflichtwidrigkeit, die einen Schaden des Mandanten verursacht hat, löst den Sekundäranspruch nicht aus. Eine erneute Verletzung eines fortbestehenden Auftrags, die einen weiteren Schadensersatzanspruch begründet, kann jedoch zugleich die Erkenntnis eines zuvor begangenen Fehlers verhindern. Wäre die Vertragspflicht erfüllt worden, hätte ein ausreichender Anlaß dafür bestanden, daß der Steuerberater über seine auf einer früheren Pflichtwidrigkeit beruhende Haftung und über die Verjährungsvorschrift belehre. Das hat auch dann zu gelten, wenn sich die gleiche Pflichtwidrigkeit bei der Bearbeitung der Steuererklärung für das nächste oder die folgenden Jahre im Rahmen eines einheitlichen Mandats wiederholt, der Steuerberater seinen Fehler also nicht erkannt hat.
(1) Die Beklagte hätte danach bei der Vorbereitung der Steuererklärungen für 1982 und 1983 jeweils durch Rückfrage beim Kläger klären müssen, ob die Voraussetzungen für die Steuervergünstigungen wegen der Behinderung seines Sohnes vorliegen. Bei Erfüllung dieser aus dem Steuerberatungsvertrag fließenden Pflicht hätte die Beklagte erkennen müssen, daß sie in den Steuererklärungen für die Jahre 1981 und 1982 schuldhaft jene Steuervergünstigungen nicht hatte beantragen lassen. Die Perpetuierung dieses schon 1981 begangenen Fehlers bis zur Steuererklärung für das Jahr 1983 kann die Beklagte nicht entschuldigen. Deshalb war die Beklagte aus dem noch bestehenden Beratungsvertrag verpflichtet, mit der Fertigung der zutreffenden Steuererklärung für 1982 und 1983 in dem jeweils folgenden Jahr den Kläger auf ihre Haftung wegen der fehlerhaften Steuererklärung für das jeweils vorausgegangene Jahr und die Verjährungsvorschrift hinzuweisen. Weil sie diese vertragliche Pflicht nicht innerhalb der noch laufenden Verjährungsfrist erfüllt hat, darf sich die Beklagte nicht auf die Verjährung der Schadensersatzansprüche berufen, die mit dem seit 14. Dezember 1982 unanfechtbaren Steuerbescheid für 1981 in Höhe von 1.821,96 DM und durch den seit 21. September 1983 unanfechtbaren Bescheid für 1982 in Höhe von 2.457,– DM entstanden waren. Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 4.278,96 DM nebst Prozeßzinsen ist mithin gerechtfertigt.
(2) Die Pflichtverletzung, die zur fehlerhaften Steuererklärung für das Jahr 1983 und dann zu dem seit 5. September 1984 bestandskräftigen Steuerbescheid geführt hat, konnte jedoch eine Pflicht zur Belehrung über diesen Haftungstatbestand nicht auslösen. Das hat das Berufungsgericht übersehen. Der mit der Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids am 5. September 1984 entstandene Schadensersatzanspruch auf Zahlung von 1.900,80 DM ist verjährt. Insoweit ist die Revision der Beklagten begründet.
Fundstellen
BGHZ, 150 |
BB 1991, 999 |
NJW 1991, 2828 |
ZIP 1991, 589 |