Leitsatz (amtlich)
Ermäßigt sich ein Zinssatz nach § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG auf 4%, so ist in die Erstattung darüber hinausgehender Zinszahlungen ein Disagio einzubeziehen.
Normenkette
VerbrKrG § 6 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 21 U 209/98) |
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2/10 O 450/97) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juni 1999 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die zuerkannten Zinsen nicht neben, sondern statt der vom Landgericht zuerkannten Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen sind.
Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen der fehlenden Angabe des effektiven Jahreszinses in zwei dem Verbraucherkreditgesetz unterliegenden Darlehensverträgen.
Die Kläger nahmen zur Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung bei der beklagten Sparkasse im Oktober 1992 zwei Darlehen über insgesamt 206.000 DM auf, die in einer Summe bis Ende des Jahres 2021 zu tilgen sind. Für die ersten drei Jahre der Vertragslaufzeit war ein Festzins von 4,9% und ein über diesen Zeitraum zu verrechnendes Disagio von 10% vorgesehen. Der effektive Jahreszins war nicht angegeben. Im Oktober 1995 vereinbarten die Parteien eine neue Festschreibung der Zinsen bis zum 30. Oktober 1997, bei der der effektive Jahreszins mit 5,72% angegeben wurde.
Im Sommer 1997 wiesen die Kläger auf die fehlende Effektivzinsangabe in der ursprünglichen Darlehensvereinbarung hin und vertraten die Ansicht, der Beklagten stünden nur Zinsen in Höhe von 4% zu. Die Beklagte erstattete daraufhin für die Zeit vom 3. November 1992 bis zum 30. Oktober 1995 und für die weitere Festzinszeit die 4% übersteigenden Jahreszinsen.
Die Kläger halten das für nicht ausreichend. Sie haben mit ihrer Klage die Feststellung begehrt, auf das Darlehen bis zum vertraglichen Rückzahlungszeitpunkt nur Zinsen in Höhe von 4% effektiv zahlen zu müssen. Hilfsweise haben sie Rückzahlung des Disagios von 20.600 DM nebst 4,9% Zinsen seit dem 30. Oktober 1992 verlangt, weil das auf die erste Festschreibungsperiode verrechnete Disagio als „vorausgezahlter Nominalzins” in die Erstattung einzubeziehen sei.
Das Landgericht hat die Beklagte auf den Hilfsantrag zur Zahlung von 20.600 DM nebst 4% Zinsen seit dem 26. Juni 1998 verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Auf die mit der Berufung der Kläger verbundene Erweiterung des Hilfsantrags hat das Berufungsgericht, dessen Urteil in OLGR Frankfurt 1999, 312 veröffentlicht ist, das landgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß aus 20.600 DM weitere 4% Zinsen vom 3. November 1992 bis zum 30. Oktober 1997 sowie weitere 5,72% Zinsen seit dem 1. November 1997 zu zahlen sind. Im übrigen sind die beiderseits eingelegten Berufungen erfolglos geblieben. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nur hinsichtlich eines Teils der Zinsforderung begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, ausgeführt:
Das Landgericht habe den Klägern zu Recht einen Anspruch auf Rückzahlung des Disagios zuerkannt. Das Disagio sei vorliegend eine Vorauszahlung laufzeitabhängiger Zinsen und als Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzins in der Festzinszeit anzusehen. Der vereinbarte Nominalzins liege deshalb deutlich unter dem für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses üblichen Zinsniveau von ca. 9%. Das Disagio sei deshalb ebenso zu erstatten wie der über 4% liegende, auf 4,9% bezifferte Zins der ersten Festschreibungsperiode. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, daß für die Ermäßigung des Zinssatzes nach § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG der dem Kreditvertrag zugrunde gelegte Zinssatz (§ 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. d VerbrKrG) maßgebend und dies vorliegend nur der Nominalzins von 4,9% sei. Wenn es sich beim Disagio um eine Zinszahlung handele, setze sich der dem Kreditvertrag zugrunde gelegte und damit auf 4% zu ermäßigende Zinssatz aus dem bezifferten Nominalzins und dem Disagio zusammen.
Aus der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. Nr. L 42/48 vom 12. Februar 1987, „Verbraucherkreditrichtlinie”) lasse sich für die Auslegung von § 6 VerbrKrG nichts herleiten. Zwar finde die Richtlinie auf Kreditverträge, die zum Erwerb von Grundeigentum bestimmt sind, keine Anwendung. Der nationale Gesetzgeber sei jedoch nicht gehindert, den Verbraucherschutz über den Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie hinaus auszudehnen.
Die Kläger könnten auch Erstattung der auf den Disagio-Anteil berechneten Zinsen entsprechend ihrem in der Berufungsinstanz erweiterten Hilfsantrag verlangen. Die für die Zinsberechnung maßgebliche Darlehenssumme setze sich aus dem Auszahlungsbetrag von 90% und dem Disagio zusammen, sei also um 1/9 höher als der von den Klägern benötigte und ihnen effektiv zur Verfügung gestellte Betrag. Aus dem Disagio-Anteil von 20.600 DM, der selbst Zins sei, habe die Beklagte also „gleichsam Zinseszinsen” berechnet. Bei einer Rückzahlung des Disagios entfalle die Grundlage für die Berechnung von Zinsen aus diesem Darlehensteil, so daß die hieraus bis zur Erstattung berechneten und gezahlten Zinsen ebenso zurückzugewähren seien wie das Disagio selbst.
II.
Diese Beurteilung hält mit Ausnahme der Ausführungen zum Zinsanspruch der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Rückzahlung des Disagiobetrags in Höhe von 20.600 DM verurteilt. Die Beklagte hat das von ihr mit dem Darlehensauszahlungsanspruch verrechnete Disagio rechtsgrundlos erlangt (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG stehen ihr aus dem streitgegenständlichen Kreditvertrag nämlich nur Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4% (§ 246 BGB) zu. In der Kreditzusage der Beklagten fehlte die in § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. d VerbrKrG vorgeschriebene Angabe des effektiven Jahreszinses. Der dem Kreditvertrag zugrunde gelegte Zinssatz ermäßigt sich deshalb nach § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG auf den gesetzlichen Zinssatz. Von dieser Ermäßigung wird auch ein verrechnetes Disagio mit laufzeitabhängigem Charakter erfaßt.
a) Die Klageforderung läßt sich allerdings nicht bereits damit begründen, die Heilungswirkung des § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG beziehe sich von vornherein nicht auf den verrechneten Disagiobetrag, weil insoweit mangels Auszahlung kein „Empfang” des Darlehens durch die Kläger bzw. keine „Inanspruchnahme” vorliege (vgl. LG Mannheim BB 1999, 2049, 2050). Der Empfang des Darlehens liegt auch im Falle der Verrechnung des Auszahlungsanspruchs mit einer Verbindlichkeit des Verbrauchers gegenüber dem Kreditgeber vor (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB 13. Bearb. § 6 VerbrKrG Rdn. 20). Bei Vereinbarung eines Disagios wird die Zahlungsverpflichtung des Kreditnehmers im Zeitpunkt der Kreditauszahlung sofort fällig und sogleich im Verrechnungswege erfüllt (Senatsurteile vom 12. Oktober 1993 - XI ZR 11/93, WM 1993, 2003, 2004 und vom 27. Januar 1998 - XI ZR 158/97, WM 1998, 495, 496).
b) Der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch ergibt sich jedoch daraus, daß die Kläger durch Zahlung des Nominalzinses und Verrechnung des Disagios mehr Zinsen gezahlt haben, als der Beklagten nach § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG zustehen.
aa) Nach den in verschiedenen Kombinationen vorliegenden Angeboten der Kreditinstitute haben Kreditnehmer die Wahl, ob sie bei gleich hohem Nennbetrag ein Darlehen mit geringem Disagio und höherem Nominalzins oder mit höherem Disagio und geringerem Nominalzins in Anspruch nehmen. Disagio und Zinsen werden dabei zu austauschbaren Entgeltbestandteilen. Deshalb ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei nicht subventionierten Darlehen das Disagio in der Regel als laufzeitabhängiger Ausgleich für den vertraglich vereinbarten niedrigeren Nominalzinssatz und damit als Teil des Entgelts für die Überlassung der Kapitalnutzung sowie integraler Bestandteil der Zinskalkulation anzusehen (BGHZ 111, 287, 290 f.; 133, 355, 358 f.; Senatsurteile vom 11. Juli 1995 - XI ZR 28/95, WM 1995, 1617, vom 27. Januar 1998 - XI ZR 158/97 aaO und vom 9. November 1999 - XI ZR 311/98, WM 1999, 2547, 2548). Hiervon ist das Berufungsgericht aufgrund der gebotenen Vertragsauslegung ausgegangen. Diese Bewertung läßt Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision hingenommen.
bb) Je nachdem, ob ein Darlehen mit einer Auszahlung zu 100% und dem deshalb höheren Nominalzinssatz oder einem Disagio und einem deshalb niedrigeren Nominalzinssatz vereinbart ist, wirkt sich die von der Beklagten vertretene, nur den Wortlaut von § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG berücksichtigende Herabsetzung des Nominalzinssatzes unterschiedlich aus. Im ersten Fall wird der höhere Nominalzins auf 4% reduziert, im letzten Fall würde das Disagio, mit dem der niedrigere Zinssatz erkauft wurde, nicht berücksichtigt. Dieses Ergebnis wird im Schrifttum zu Recht als „willkürlich anmutend” beanstandet (Drescher, Verbraucherkreditgesetz und Bankenpraxis Rdn. 157; Staudinger/Kessal-Wulf aaO § 6 VerbrKrG Rdn. 32). Deshalb soll durch eine Umrechnung auf die sog. 100%-Kondition, d.h. also den Zinssatz, den der Verbraucher im Falle einer vollständigen Auszahlung ohne Disagio zu zahlen hätte, dieser Wertungswiderspruch vermieden werden (Wagner-Wieduwilt, in: Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt, Verbraucherkreditgesetz 2. Aufl. § 6 Rdn. 8, 16; § 4 Rdn. 60; Staudinger/Kessal-Wulf aaO). Dieser am Zweck der in der Ermäßigung des Zinssatzes liegenden Sanktion orientierten Auslegung von § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG schließt sich der erkennende Senat an.
(1) Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG ermäßigt sich „der dem Kreditvertrag zugrunde gelegte Zinssatz (§ 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchstabe d)” auf den gesetzlichen Zinssatz. Unter dem vertraglich zugrunde gelegten Zinssatz ist ebenso wie in § 6 Abs. 4 VerbrKrG der Nominalzinssatz zu verstehen (Staudinger/Kessal-Wulf aaO § 6 VerbrKrG Rdn. 30; MünchKomm/Ulmer, 3. Aufl. § 6 VerbrKrG Rdn. 23; Seibert, Handbuch zum Gesetz über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozeßordnung und anderer Gesetze S. 46). Hieraus folgt entgegen der Ansicht der Revision jedoch nicht, daß für die Zinsermäßigung nach § 6 Absatz 2 Satz 2 VerbrKrG nur auf den im Kreditvertrag angegebenen Nominalzinssatz abzustellen ist, weil das Disagio zu den „sonstigen Kosten” des Kredits i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. d VerbrKrG gehöre.
(a) Die Einordnung des Disagios im Rahmen von § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. d VerbrKrG wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Zum einen wird es ohne Berücksichtigung seines Rechtscharakters im Einzelfall stets den Kreditkosten zugerechnet (Erman/Klingsporn/Rebmann, BGB 9. Aufl. § 4 VerbrKrG Rdn. 13; Peters, in: Lwowski/Peters/Gößmann, Verbraucherkreditgesetz 2. Aufl. S. 124; Seibert aaO S. 33; Scholz, Verbraucherkreditverträge 2. Aufl. Rdn. 208). Zum anderen wird das Disagio mit Entgeltcharakter zwar den Kosten zugerechnet, soll dabei aber als Vomhundertsatz ausgedrückt werden, um den laufzeitabhängigen Charakter hervorzuheben (MünchKomm/Ulmer, 3. Aufl. § 4 VerbrKrG Rdn. 41 Fn. 83; i. E. ebenso Staudinger/Kessal-Wulf aaO § 4 VerbrKrG Rdn. 52). Nach einer weiteren Auffassung gehören alle laufzeitabhängigen Kosten zum Zinssatz (von Rottenburg, in: von Westphalen/Emmerich/von Rottenburg, Verbraucherkreditgesetz 2. Aufl. § 4 Rdn. 104), wobei eine Einbeziehung von „Ersatzzinskosten” in einen einheitlichen Nominalzinssatz gefordert (Bruchner, in: Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt aaO § 4 Rdn. 92) oder eine separate Ausweisung des Disagios für ausreichend erachtet wird (von Rottenburg aaO). Wieder andere rechnen ein als Zinsvorauszahlung zu behandelndes Disagio zwar dem Zins zu, lassen aber offen, welche Auswirkungen sich hieraus für die Nominalzinsangabe ergeben sollen (Vortmann, Verbraucherkreditgesetz § 4 Rdn. 12 f.; Metz, Verbraucherkreditgesetz § 4 Rdn. 21). Schließlich wird die Ansicht vertreten, ein Disagio sei im Rahmen von § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. d VerbrKrG nur anzugeben, sofern es ausnahmsweise zu den Einmalkosten gehöre; komme ihm dagegen Zinscharakter zu, müsse es – nur – in den Gesamtbetrag nach Buchst. b einbezogen werden (Bülow, Verbraucherkreditgesetz 3. Aufl. § 4 Rdn. 70, 81 f.).
(b) Welcher Meinung zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung, wenn das Disagio im Vertrag wie vorliegend beziffert ist. Auf die formale Einordnung des Disagios als Zins oder Kosten i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d VerbrKrG kommt es für die Auslegung des § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG nicht entscheidend an. Wesentlich ist vielmehr das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis zwischen einem angegebenen Nominalzinssatz und einem vereinbarten Disagio mit Zinscharakter, das im wirtschaftlichen Ergebnis zu einer beliebigen Austauschbarkeit von Disagio und Zins als Entgeltbestandteilen führt (BGHZ 81, 124, 127; BGH, Urteil vom 1. Juni 1989 - III ZR 219/87, WM 1989, 1011, 1013). Dem kann nicht entgegengehalten werden, in § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. d und in § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG sei jeweils von „Zinssatz” die Rede. Im Gesetzgebungsverfahren ist diesem Begriff keine für das Normverständnis wesentliche Bedeutung beigemessen worden. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. d VerbrKrG (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c RegE) sollte die Vorschrift dazu dienen, „Zinsen und alle Kosten … auszuweisen”; als Kreditkosten wurden dabei sämtliche Aufwendungen eingeordnet, die der Kreditnehmer nach dem Vertrag „neben den Zinsen” zu tragen hat, um den Kredit zu erhalten (vgl. BT-Drucks. 11/5462, S. 19). Aus Sicht des Gesetzgebers besteht der wesentliche Gegensatz daher in der Abgrenzung zwischen den Zinsen auf der einen und allen weiteren – laufzeitunabhängigen – Kreditkosten auf der anderen Seite.
(2) Die Außerachtlassung des zinsähnlichen Disagios bei der Anwendung von § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gerechtfertigt.
(a) Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 11/5462, S. 21 zu § 5 Abs. 2 RegE; s. auch schon den Referentenentwurf, ZIP 1988, 1215, 1219) soll § 6 Abs. 2 VerbrKrG den Verbraucherkreditnehmer, der sich auf die Nutzung des Darlehenskapitals eingestellt hat, davor schützen, gemäß § 812 BGB das Kapital sofort zurückzahlen zu müssen. Dem Kreditgeber soll dabei – anders als nach § 1a Abs. 3 Satz 2 AbzG – nicht auferlegt werden, das Darlehen für die vereinbarte Laufzeit zinslos zur Verfügung zu stellen; vielmehr soll im Wege eines angemessenen Kompromisses auch seinem Interesse an dem Erhalt von Zinsen und sonstigen Kreditkosten angemessen Rechnung getragen werden (BGHZ 134, 94, 98 f.).
(b) Mit dem Zweck dieser Sanktionsvorschrift ist eine Rechtsanwendung unvereinbar, die bei vollständiger Auszahlung des Darlehens ohne Disagio zu einer Reduzierung des höheren Nominalzinssatzes auf den gesetzlichen Zinssatz führt, dagegen bei Vereinbarung eines den Zinsen zuzuordnenden Disagios nur den niedrigeren Nominalzins ermäßigt und dem Kreditgeber damit die im Disagio liegende Zinsvorauszahlung beläßt. Eine solche Auslegung würde – bei sachlich gleichbleibendem Verstoß des Kreditgebers – zwei in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis übereinstimmende Sachverhalte unterschiedlich sanktionieren, ohne daß ein dahingehender Differenzierungswille des Gesetzgebers feststellbar ist, und damit zu einem Wertungswiderspruch führen. Eine solche Auffassung ließe sowohl das Wesen eines Disagios mit Zinscharakter als auch dessen Wechselbezüglichkeit mit dem konkret vereinbarten Nominalzins außer Betracht, obwohl nur beide Elemente zusammen den „Preis” des Kredits bestimmen (vgl. Boest NJW 1993, 40, 42). Bei einem hohen Disagio und einem deshalb dem gesetzlichen Zinssatz weitgehend angenäherten Nominalzins wäre die Sanktionswirkung des § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG aufgehoben. Dies ist nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung durch nichts zu rechtfertigen.
(3) Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch unter Berücksichtigung der Verbraucherkreditrichtlinie (i.d. Fassung der Änderungsrichtlinie 90/88/EWG des Rates vom 22. Februar 1990, ABl. Nr. L 61/14 vom 10. März 1990). Daß die Richtlinie nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a unter anderem auf Kreditverträge, die hauptsächlich zum Erwerb von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder einem vorhandenen oder noch zu errichtenden Gebäude bestimmt sind, keine Anwendung findet, ist für das nationale Recht, das einen weitergehenden Verbraucherschutz anordnen kann, ohne Bedeutung.
2. Teilweise mit Erfolg beanstandet die Revision allerdings das Berufungsurteil hinsichtlich des zuerkannten Zinsanspruchs.
Den Klägern stand bereits im Zeitpunkt der Verrechnung des Disagiobetrages nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ein Zahlungsanspruch in Höhe von 20.600 DM zu, da sie nur 4% Zinsen aus 206.000 DM, nicht aber 4,9% Zinsen und 20.600 DM Zinsvorauszahlung schuldeten. Dieser Bereicherungsanspruch erstreckt sich nach § 818 Abs. 1 BGB auch auf die Nutzungen, die die Beklagte aus dem ihr durch Verrechnung zugeflossenen Betrag gezogen hat. Diese Nutzungen sind für die Zeit seit Auskehrung des Darlehens am 3. November 1992 bis zum 30. Oktober 1997 auf 4,9% und für die Folgezeit auf 5,72% p.a. festzusetzen, da sich aus den vorliegend vereinbarten Vertragszinsen eine entsprechende Schätzungsgrundlage für die Bemessung von Nutzungszinsen ergibt (§ 287 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat für die Zeit vom 3. November 1992 bis zum 30. Oktober 1997 im Hinblick auf § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG bereits Zinsen erstattet. Diese Beträge sind auf die herauszugebenden gezogenen Nutzungen anzurechnen, so daß insoweit – wie das Berufungsgericht im Ergebnis richtig ausgesprochen hat – nur noch 4% aus 20.600 DM als Nutzungszinsen zu zahlen sind.
Weitergehende Zinsansprüche stehen den Klägern nicht zu (vgl. Senatsurteil vom 12. Mai 1998 - XI ZR 79/97, NJW 1998, 2529, 2531). Rechtshängigkeitszinsen, wie sie von den Vorinstanzen zugesprochen worden sind, sollen den Nachteil ausgleichen, den ein Gläubiger dadurch erleidet, daß er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners an der Nutzung des ihm zustehenden Geldbetrags gehindert ist. Werden ihm aber bereits Nutzungen zugesprochen, die der Schuldner gezogen hat und die er selbst – jedenfalls mangels anderweitigen Vortrags – nicht höher hätte ziehen können, ist dieser Nachteil ausgeglichen.
III.
Da die weitergehende Zinsforderung der Kläger auch nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt ist (§ 563 ZPO) und weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Unterschriften
Nobbe, Dr. Schramm, Dr. van Gelder, Dr. Müller, Dr. Joeres
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.04.2000 durch Weber, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539476 |
BB 2000, 1421 |
DB 2000, 1556 |
NJW 2000, 2816 |
NWB 2000, 2611 |
BGHR |
EWiR 2000, 791 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 1243 |
WuB 2000, 949 |
WuB 2000, 955 |
ZAP 2000, 999 |
ZIP 2000, 1101 |
ZfIR 2000, 783 |
MDR 2000, 895 |
VuR 2000, 271 |
ZBB 2000, 270 |
Kreditwesen 2001, 179 |