Leitsatz (amtlich)

  • Zur Amtspflicht des Notars, bei der Bestätigung des Eintritts der für die Kaufpreiszahlung vereinbarten Fälligkeitsbedingungen den falschen Anschein zu vermeiden, der bisher schwebend unwirksame Grundstückskaufvertrag sei wirksam geworden.
  • Bestätigt der Notar im Rahmen des übernommenen Treuhandauftrages zur Verwahrung des Grundstückskaufpreises den Beteiligten, daß die vereinbarten Voraussetzungen für die Zahlung auf sein Anderkonto erfüllt seien, so ist bei einer fahrlässig pflichtwidrigen Ausführung dieses Amtsgeschäfts die Verweisung auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ausgeschlossen.
 

Normenkette

BNotO §§ 19, 23-24

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.10.1982)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Oktober 1982 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Notar Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung.

Am …. … 1979 beurkundete der zum amtlichen Vertreter des Beklagten bestellte Rechtsanwalt Dr. T… einen Kaufvertrag, durch den die Klägerin der Firma … Immobilien-, Ankaufs- und Vertriebsgesellschaft mbH drei Baugrundstücke zum Preise von 1 140 000 DM verkaufte. Dabei wurde die Käuferin von dem Kaufmann Bo… vertreten; er handelte angeblich “im Auftrag für den alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer”, ohne jedoch eine Vollmachtsurkunde vorzulegen.

Am 22. April 1979 ging im Büro des Beklagten eine von dem Geschäftsführer der Firma … unter dem 12. April 1979 unterschriebene, als Vollmacht bezeichnete Erklärung folgenden Inhalts ein:

“Hiermit erteilen wir Herrn Gerhard Bo…, wohnhaft in 6231 Sch…, F…-Eb…-Str.…, Vollmacht für den Kaufvertrag vom vor dem Notar Urkundenrolle mit der Maßgabe, daß die … berechtigt ist, bis zum von dem Kaufvertrag zurückzutreten, ohne daß die eine Vertragspartei gegen die andere oder umgekehrt Ansprüche gegen die andere Partei herleiten kann. …”

Der Beklagte übersandte der Klägerin am 23. April 1979 eine Abschrift des Kaufvertrages. Mit Schreiben vom 11. Mai 1979 teilte er der Käuferin mit, daß die Voraussetzungen zur Zahlung des Kaufpreises auf das Notar-Anderkonto erfüllt seien. Eine Durchschrift dieses Schreibens übersandte er der Klägerin. Am 15. Mai 1979 erteilte er ihr eine vollstreckbare Ausfertigung des Kaufvertrages.

Unter Bezugnahme auf den in der Vollmacht vom 12. April 1979 enthaltenen Vorbehalt trat die Firma … mit Schreiben vom 11. Juni 1979 von dem Kaufvertrag zurück. Die Klägerin verkaufte daraufhin die Grundstücke anderweitig für 1 Mio. DM. Gegen die Firma … und gegen Bo… machte sie in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Frankfurt am Main (2/22 0 478/79) Schadensersatz in Höhe von 198 955,09 DM geltend; dem Beklagten verkündeten die dortigen Parteien den Streit. Das Verfahren wurde durch Prozeßvergleich vom 6. Februar 1980 beendet. Darin verpflichteten sich die damaligen Beklagten zur Zahlung von 60 000 DM in monatlichen Raten von 5 000 DM; darüber hinaus wurde vereinbart, daß von den Beträgen, welche die Parteien von dem hier verklagten Notar erlangen sollten, die Klägerin 2/3 und die damaligen Beklagten 1/3 erhalten. Aufgrund dieses Vergleiches erwirkte die Klägerin – zum Teil im Wege der Zwangsvollstreckung – Zahlung von 60 000 DM.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin von dem Beklagten und von dem mitverklagten Rechtsanwalt Dr. T… Schadensersatz von 146 537,99 DM (nebst Zinsen) beansprucht.

Das Landgericht hat den Klageanspruch gegen Rechtsanwalt Dr. T… durch rechtskräftiges Teilurteil und den Anspruch gegen den Beklagten durch Schlußurteil abgewiesen. Die – mit einer erhöhten Zinsforderung verbundene – Berufung der Klägerin gegen das Schlußurteil ist erfolglos geblieben.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin den im Berufungsverfahren gestellten Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Zutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Beklagte eine der Klägerin gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt hat (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO).

Der Notar ist bei jeder Amtstätigkeit verpflichtet, einen falschen Anschein und die damit verbundene Gefahr eines Irrtums der Beteiligten zu vermeiden (BGH Urteile vom 25. Februar 1969, VI ZR 225/67, DNotZ 1969, 507 = VersR 1969, 474 und vom 30. Mai 1972, VI ZR 11/71, LM BNotO § 14 Nr. 2 = DNotZ 1973, 245, 248; Seybold/Hornig, BNotO 5. Aufl. § 19 Rdn. 15, 34; Reithmann in: Reithmann/Röll/Geßele, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, 5. Aufl. Rdn. 183 f). Gegen diese Pflicht hat der Beklagte fahrlässig verstoßen. Das ergibt sich aus den rechtsbedenkenfreien Feststellungen des Berufungsgerichts.

Danach hat der Beklagte bei dem ihm übertragenen Vollzug des – von dem Notarvertreter Dr. T… beurkundeten – Kaufvertrages vom 18. April 1979 nicht beachtet, daß dieser Vertrag, den für die Käuferin der Kaufmann Bo… ohne Nachweis seiner Vertretungsmacht geschlossen hatte, schwebend unwirksam war und daß die am 22. April 1979 nachgereichte Vollmacht das Rechtsgeschäft nicht deckte. Zwar ist der Geschäftsführer der Klägerin, wie das Berufungsgericht unterstellt, von einem Bürolehrling des Beklagten über den Inhalt der Vollmacht unterrichtet und auf Bedenken hingewiesen worden, die dieser Lehrling gegen die Vollmacht hatte; der Beklagte selbst hat jedoch später der Klägerin gegenüber den Anschein erweckt, die Mängel der Vollmacht seien behoben und der Vertrag nunmehr vollzugsreif. Diesen Eindruck hat er durch sein an die Käuferin gerichtetes und der Klägerin zur Kenntnis gegebenes Schreiben vom 11. Mai 1979 hervorgerufen. Denn darin hat er die Käuferin zur Kaufpreiszahlung aufgefordert und bestätigt, daß nach der vollzogenen Eintragung der Auflassungsvormerkung und nach Eingang der im Vertrag erwähnten behördlichen Genehmigungen die “Voraussetzungen zur Zahlung des Kaufpreises auf das Notar-Anderkonto erfüllt” seien. Wenn das Berufungsgericht hieraus folgert, die Klägerin habe nun nicht mehr daran zweifeln können, daß der Kaufvertrag wirksam geworden sei, so ist diese Würdigung nicht zu beanstanden. Für die Dauer der schwebenden Unwirksamkeit bestand kein fälliger Kaufpreisanspruch (BGHZ 65, 123, 126); die notarielle Bestätigung der Fälligkeit und die Zahlungsaufforderung an die Käuferin konnten deshalb die Klägerin zu dem Irrtum verleiten, der Vertrag sei wirksam. Der Beklagte hätte diese Gefahr eines folgenschweren Irrtums sehen und durch einen klarstellenden Hinweis vermeiden müssen.

Zu Recht ist das Berufungsgericht auch der Ansicht, der Beklagte habe noch ein weiteres Mal, nämlich durch die Erteilung der Vollstreckungsklausel am 15. Mai 1979, der Klägerin den irreführenden Eindruck vermittelt, dem Vollzug des Vertrages stehe der Mangel der Vertretungsmacht nicht mehr entgegen.

2. Rechtsirrig ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte könne auf Ersatz des durch die Amtspflichtverletzung angeblich verursachten Schadens deswegen nicht in Anspruch genommen werden, weil er in Anbetracht des ihn nur treffenden Vorwurfs der Fahrlässigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO lediglich subsidiär hafte und die Klägerin auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit durch den mit der Firma … und Bo… geschlossenen Prozeßvergleich vom 6. Februar 1980 schuldhaft verzichtet habe.

Die Verweisung auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ist gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 (2. Halbs.) BNotO bei Amtsgeschäften der in §§ 23, 24 BNotO bezeichneten Art im Verhältnis zwischen dem Notar und seinem Auftraggeber ausgeschlossen. Um ein derartiges Geschäft handelte es sich bei der Bestätigung im Schreiben des Beklagten vom 11. Mai 1979, daß die vertraglichen Voraussetzungen zur Kaufpreiszahlung erfüllt seien, und bei der gleichzeitigen Aufforderung an die Käuferin, die Zahlung auf sein Anderkonto zu leisten.

Soweit § 20 Abs. 1 Satz 2 BNotO die Ausstellung von Bescheinigungen über amtlich wahrgenommene Tatsachen dem Beurkundungsgeschäft zuordnet, ist anerkannt, daß diese Vorschrift nur bloße Zeugnisurkunden betrifft, nicht aber Notarbestätigungen der hier vorliegenden Art, bei denen der Notar auch bewerten und beurteilen muß, ob ein bestimmter Umstand in seiner Bedeutung und Tragweite dem entspricht, was bestätigt werden soll; solche Bestätigungen fallen in den Rahmen der betreuenden Amtstätigkeit (Seybold/Hornig, BNotO 5. Aufl. § 24 Rdn. 18 ff; Arndt, BNotO 2. Aufl. § 14 Anm. II B 2. 3. a.E., § 24 Anm. II 2.2.).

Bei der betreuenden Amtstätigkeit des Notars ist zu unterscheiden, ob sie im engen sachlichen Zusammenhang mit der Beurkundung steht und deshalb eine ihr zuzurechnende Nebentätigkeit darstellt oder ob sie Gegenstand eines selbständigen – von dem Haftungsprivileg ausgenommenen – Betreuungsgeschäfts im Sinne des § 24 BNotO ist (vgl. BGH Urteile vom 22. Februar 1973, VI ZR 2/72, LM BNotO § 18 Nr. 2 = VersR 1973, 443, 444 f; vom 12. Juli 1977, VI ZR 61/76, LM BNotO § 19 Nr. 11 = DNotZ 1978, 177, 179 und vom 10. Juni 1983, V ZR 4/82, WM 1983, 964). Die hier von dem Beklagten übersandte Fälligkeitsmitteilung gehörte nicht zu dem Beurkundungsgeschäft, sondern diente der Vorbereitung des übernommenen Treuhandauftrages zur Verwahrung des Kaufpreises. Die Übernahme des Kaufpreises zur Aufbewahrung und zur späteren bestimmungsgemäßen Auszahlung ist ein typisches Amtsgeschäft der in § 23 BNotO bezeichneten Art, gerade auch wenn dem Notar dieser Auftrag aus Anlaß der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages übertragen wird (BGH Urteile vom 29. November 1966, VI ZR 38/65, WM 1967, 53, 54 = VersR 1967, 162, 163; vom 12. Juli 1977 aaO und vom 22. November 1977, VI ZR 176/76, LM BNotO § 23 Nr. 2 = DNotZ 1978, 373, 376; Arndt aaO § 19 Anm. II 2.5.1. a.E.; BGB-RGRK/Kreft 12. Aufl. § 839 Rdn. 441). Dem Verwahrungsgeschäft vorgeschaltet war hier als zusätzliche Betreuungsaufgabe die Bestätigung des Eintritts der für die Zahlung des Kaufpreises auf das Anderkonto vereinbarten Fälligkeitsbedingungen. Diese Bestätigung war daher eine auf besonderem Auftrag beruhende “sonstige Betreuung” im Sinne des § 24 Abs. 1 BNotO.

Soweit daher die Klägerin als Folge der pflichtwidrigen Ausführung des Treuhandauftrages einen Schaden erlitten hat, kann sie auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht verwiesen werden, also auch nicht darauf, daß sie von einer solchen Möglichkeit schuldhaft keinen Gebrauch gemacht habe.

Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, daß die Klägerin bereits durch den irreführenden Inhalt des Schreibens vom 11. Mai 1979, und nicht erst durch die spätere Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung, zu der Annahme verleitet wurde, der Vertrag sei wirksam. Für den hierauf beruhenden Schadensersatzanspruch ist somit bedeutungslos, daß die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung ein dem Haftungsprivileg des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO unterliegendes Amtsgeschäft darstellte. Unerheblich ist auch, ob der Beklagte – wie das Berufungsgericht meint – nach Erhalt der unzureichenden Vollmacht vom 12. April 1979 die Käuferin zur Vorlage einer ordnungsgemäßen Vollmachtsurkunde hätte auffordern müssen und ob bei einer sich etwa aus diesem Versäumnis ergebenden Amtspflichtverletzung und einem hierdurch verursachten Schaden nur eine subsidiäre Haftung in Betracht gekommen wäre; denn das Berufungsgericht unterstellt, daß die Klägerin – wie vom Beklagten behauptet – von einem Bürolehrling auf die Mängel der Vollmacht hingewiesen worden ist, und hält deshalb ein vorangegangenes pflichtwidriges Verhalten des Beklagten nicht für schadensursächlich. Das Berufungsgericht legt dem Beklagten auch nicht zur Last, daß etwa der Notarvertreter bei der Beurkundung irgendeine den Nachweis der Bevollmächtigung betreffende Prüfungs- und Belehrungspflicht verletzt hat; damit ist die Erwägung der Revisionserwiderung, daß der Beklagte für den Fall einer diesbezüglichen Pflichtverletzung und eines dadurch entstandenen Schadens nur subsidiär gehaftet hätte, gegenstandslos. Ferner ist entgegen dem Standpunkt der Revisionserwiderung nicht von Belang, daß die Vertragsurkunde – sprachliche – Ungenauigkeiten aufweist, indem dort die Käuferin mehrfach als “der Käufer” bezeichnet ist und die sich aus § 433 BGB ergebenden Hauptpflichten der Vertragsparteien nicht als Willenserklärungen besonders hervorgehoben sind; denn das Berufungsgericht geht nicht davon aus, daß darin die Schadensursache liegt.

3. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben.

Zu einer abschließenden Entscheidung ist der Senat nicht in der Lage, da bisher nicht festgestellt ist, ob der Klägerin durch die hier gegebene Amtspflichtverletzung der behauptete Schaden entstanden ist. Tatrichterlicher Prüfung bedarf dann auch noch die Frage des Mitverschuldens (§ 254 BGB). In diesem Punkt ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig, so daß die Erwägungen, die das Berufungsgericht unter der rechtsirrig angenommenen Voraussetzung einer bloß subsidiären Notarhaftung – insoweit aus der richtigen Sicht der Darlegungspflicht der Klägerin – veranlaßt haben, in dem Abschluß des Prozeßvergleiches vom 6. Februar 1980 einen schuldhaften Verzicht auf eine sonst durchsetzbar gewesene anderweitige Ersatzmöglichkeit zu sehen, nicht ohne weiteres ein Mitverschulden belegen.

In diesem Zusammenhang wird auch die unstreitige Tatsache zu würdigen sein, daß der Vergleich auf Vorschlag des Gerichts geschlossen worden ist.

Die Sache ist mithin zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Dr. Thumm, Dr. Eckstein, Vogt, Räfle, Lambert-Lang

 

Fundstellen

Haufe-Index 1384502

DNotZ 1985, 48

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