Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschulden eines Dritten nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo, wenn dieser in besonderem Maß Vertrauen für sich in Anspruch genommen oder ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Abschluß des Geschäfts hat. Haftung des Initiators oder Hintermanns eines Kapitalanlagemodells. Überprüfung des Fortbestehens der Parteifähigkeit einer juristischen Person durch das Gericht
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Initiator oder Hintermann eines Kapitalanlagemodells, der nicht Vertragspartner des Anlegers geworden ist und nicht in besonderem Maß persönliches Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, ist nicht nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo schadensersatzpflichtig, sondern haftet nur unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung für die Vollständigkeit und Richtigkeit des Inhalts des ausgegebenen Prospekts.
2. Bei einer juristischen Person, bei der außer Frage steht, dass sie ursprünglich rechts- und parteifähig war, ist im allgemeinen vom Fortbestand dieser Eigenschaft auszugehen und eine Überprüfung nur dann vorzunehmen, wenn für das Gericht hinreichende Anhaltspunkte für das Gegenteil gegeben sind.
Normenkette
Culpa in contrahendo; BGB § 826; ZPO § 50
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 19.12.2002; Aktenzeichen 11 U 58/01) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 19.12.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht ihres Bruders wegen des Verlusts von Kapitalanlagebeträgen auf Schadensersatz in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Beklagte, eine in New York ansässige Aktiengesellschaft amerikanischen Rechts, veranlasste im Jahr 1990 die Gründung der D. AG.
Die Aktien wurden von den Mitgliedern des Aufsichtsrats und des Vorstands treuhänderisch für die Beklagte übernommen. Die D. AG legte u.a. ein DAX-Programm, das den Handel mit Terminkontrakten auf den Deutschen Aktien Index (DAX) zum Inhalt hatte, auf. Für eine Beteiligung an diesem Fonds wurde mit einem Zeichnungsprospekt geworben, der auf der Titelseite als Angebot der D. AG bezeichnet und mit dem Emblem der Beklagten versehen war. In ihm hieß es insbes., dass die D. AG, eine Tochtergesellschaft der Beklagten, die Aufgabe der Vermögensverwalterin wahrnehmen werde. Die im Jahr 1870 gegründete Beklagte sei das älteste private Mitglied der New-Yorker Börse.
Die Klägerin zeichnete am 13.4.1993 und am 21.7.1993 Anteile an dem DAX-Programm von 10.000 DM und 20.000 DM. Ihr Bruder zeichnete am 12.8.1993 einen Anteil von 40.000 DM.
Im Frühjahr 1993 kam der Verdacht auf, dass ein Angestellter der B. AG unter Mitwirkung von Mitarbeitern der D. AG unzulässige Insidergeschäfte vorgenommen hatte. Das DAX-Programm war hiervon nicht unmittelbar betroffen. Mit Vertrag v. 22./27.7.1993 verkaufte die Beklagte daraufhin die Aktienrechte an der D. AG. Am 28.7.1993 bestellte deren Aufsichtsrat auf Veranlassung des Käufers einen neuen Vorstand. Bis zu diesem Zeitpunkt waren im DAX-Programm Gewinne erzielt worden. In den folgenden Monaten wurden die von der Klägerin und ihrem Bruder angelegten Beträge insbes. dadurch aufgezehrt, dass die D. AG mittels des Abschlusses einer Vielzahl von Verträgen Provisionsschinderei betrieb ("Churning"). Im Frühjahr 1994 wurde das Konkursverfahren über ihr Vermögen eröffnet.
Die Klägerin begehrt mit der im Mai 2001 erhobenen Klage Schadensersatz i.H.v. 72.400 DM nebst Zinsen. Hierin sind gezahlte Agios von 2.400 DM enthalten. Sie macht geltend, dass zwischen ihr und ihrem Bruder sowie der Beklagten ein auf Verwaltung des Anlagevermögens gerichteter Vertrag zu Stande gekommen sei. Sie stützt ihren Anspruch insbes. auch auf den Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss. Die Beklagte habe das DAX-Programm initiiert sowie den Zeichnungsprospekt gekannt und gebilligt. Indem im Zeichnungsprospekt mit ihrem Ansehen und ihrer Branchenerfahrung geworben worden sei, habe sie persönlich das Vertrauen der Klägerin und ihres Bruders in Anspruch genommen. Sie habe diese daher über den Verkauf der Aktienrechte an der D. AG und die Auswechselung des Vorstands informieren müssen. In diesem Fall hätten sie, die Klägerin und ihr Bruder, ihre Beteiligungen an dem DAX-Programm gekündigt und ihre - zu diesem Zeitpunkt sogar leicht gestiegenen - Einlagen zurückgefordert bzw. von der Beteiligung an dem DAX-Programm abgesehen.
Die Beklagte bestreitet, für das DAX-Programm und den Zeichnungsprospekt verantwortlich zu sein. Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat sie geltend gemacht, dass sie bereits im Jahr 1998 liquidiert worden sei und als Rechtsperson nicht mehr existiere.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat ihr stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Aus der Verbreitung des DAX-Prospekts durch die D. AG hätten sich für die Beklagte den Anlegern gegenüber Pflichten ergeben, deren Verletzung zu Schadensersatzansprüchen der Klägerin und ihres Bruders führe. Der DAX-Prospekt sei dazu geeignet und bestimmt gewesen, bei den Anlegern das Vertrauen zu schaffen, die Beklagte garantiere mit ihrem guten Namen, ihrer langjährigen geschäftlichen Erfahrung und ihrer Bonität für die Sicherheit der Einlagen. Hieraus habe sich eine Garantenstellung der Beklagten ergeben, weil die D. AG mit Wissen und Billigung der Beklagten deren good will bei der Werbung für das DAX-Programm in Anspruch genommen habe. Bereits der Gründung der D. AG auf Veranlassung der Beklagten habe der Gedanke zu Grunde gelegen, unter Verwendung des eingeführten Namens und des Rufs der Beklagten Investoren für Börsentermingeschäfte zu gewinnen. Die Beklagte habe die maßgebliche Kontrolle über die geschäftlichen Aktivitäten der D. AG gehabt. Die wesentlichen Umstände des DAX-Programms, insbes. dessen Prospekt und seine Vertriebsart, seien der Beklagten bekannt gewesen.
Die Beklagte sei kraft ihrer durch die Inanspruchnahme von Vertrauen begründeten Garantenpflicht gehalten gewesen, vor Übertragung der Anteile an der D. AG die bereits im DAX-Programm engagierten Anleger von dem bevorstehenden Wechsel der Aktionäre zu informieren. Diesen habe ein aus § 242 BGB herzuleitendes Sonderkündigungsrecht zugestanden. Bei Kenntnis des Gesellschafterwechsels hätte die Klägerin ihren am 13.4.1993 gezeichneten Anteil gekündigt. Ferner hätten weder sie noch ihr Bruder die weiteren Anlagen von 20.000 DM und 40.000 DM getätigt. Den für die Beklagte handelnden Personen falle zumindest fahrlässiges Verhalten zur Last. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin sei nicht verjährt, weil die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. maßgeblich sei. Lediglich Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne seien in analoger Anwendung von § 20 KAGG der kurzen sechsmonatigen Verjährung unterworfen. Für die hier maßgebliche Haftung aus culpa in contrahendo gelte dies jedoch nicht.
Die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung, die Beklagte existiere als Rechtsperson nicht mehr, sondern sei bereits im Jahr 1998 liquidiert worden, nötige nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung oder zu einer anderen Entscheidung des Rechtsstreits. Das entsprechende Vorbringen der Beklagten, dessen Zulassung eine Beweisaufnahme notwendig machen und damit eine erhebliche Verfahrensverzögerung bewirken würde, sei verspätet (§ 528 ZPO a.F.).
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Soweit das Berufungsgericht es abgelehnt hat, der Behauptung der Beklagten nachzugehen, sie existiere als Rechtsperson nicht mehr, ist dies im Ergebnis richtig.
a) Unzutreffend ist allerdings die Begründung, die das Berufungsgericht dafür gegeben hat.
Die rechtliche Existenz und damit die Parteifähigkeit jeder an einem Rechtsstreit beteiligten Partei gehört zu den Prozessvoraussetzungen, deren Mangel das Gericht nach § 56 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen hat (BGH v. 21.11.1996 - IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 [118] = MDR 1997, 473). Der Beklagte ist zwar nach § 282 Abs. 3 ZPO verpflichtet, Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, innerhalb einer ihm gesetzten Frist zur Klageerwiderung oder spätestens in der ersten mündlichen Verhandlung geltend zu machen. Zulässigkeitsrügen des Beklagten, die eine der in § 56 Abs. 1 ZPO genannten Prozessvoraussetzungen betreffen und auf die er daher nicht verzichten kann, dürfen aber in erster Instanz nicht wegen Verspätung zurückgewiesen werden (§ 296 Abs. 3 ZPO) und können in den Rechtsmittelinstanzen zu der dort ebenfalls von Amts wegen durchzuführenden Überprüfung der Prozessvoraussetzungen des § 56 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH v. 21.11.1996 - IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 [118] = MDR 1997, 473) Anlass geben. Sie sind deshalb in der Berufungsinstanz einer Zurückweisung wegen Verspätung nicht zugänglich.
Das Berufungsgericht hat sich daher zu Unrecht auf § 528 ZPO a.F. gestützt, als es die erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung der Beklagten über ihre angebliche Nichtexistenz unbeachtet ließ.
b) Auf diesem Fehler beruht das Berufungsurteil jedoch nicht. Das Berufungsgericht war aus einem anderen Grund berechtigt, das Vorbringen der Beklagten über ihre angebliche Nichtexistenz unbeachtet zu lassen.
aa) § 56 Abs. 1 ZPO verpflichtet die Gerichte nicht, in jedem Rechtsstreit von Amts wegen eine umfassende Überprüfung aller in der Vorschrift genannten Prozessvoraussetzungen vorzunehmen. Sie haben in dieser Hinsicht lediglich einen "Mangel ... von Amts wegen zu berücksichtigen". Für die Prozessvoraussetzung der Prozessfähigkeit hat der BGH daher ausgesprochen, dass im Allgemeinen von ihrem Vorhandensein auszugehen und ihre Überprüfung nur dann angezeigt ist, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass Prozessunfähigkeit vorliegen könnte (BGH v. 22.12.1982 - V ZR 89/80, BGHZ 86, 184 [189] = MDR 1983, 388). Behauptet eine Partei, sie sei prozessunfähig, so muss die Darlegung von Tatsachen erwartet werden, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Behauptung richtig sein könnte (BGH BGHZ 18, 184 [189 f.]; Urt. v. 4.2.1969 - VI ZR 215/67, NJW 1969, 1574; v. 10.10.1985 - IX ZR 73/85, WM 1986, 58 [59]). Anderenfalls braucht das Gericht die Prozessfähigkeit nicht zu überprüfen.
Entsprechendes gilt für die Prozessvoraussetzung der Parteifähigkeit. Jedenfalls bei einer juristischen Person, von der, wie hier, außer Frage steht, dass sie ursprünglich rechts- und parteifähig i.S.d. § 50 Abs. 1 ZPO war, ist im Allgemeinen vom Fortbestand dieser Eigenschaft auszugehen und eine Überprüfung nur dann veranlasst, wenn hinreichende Anhaltspunkte für das Gegenteil gegeben sind. Eine beklagte Partei, die behauptet, sie habe ihre Rechts- und Parteifähigkeit inzwischen verloren, muss daher Tatsachen darlegen, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit ihrer Behauptung ergeben. Das gilt in besonderem Maße dann, wenn die beklagte Partei, wie hier, erst nach jahrelangem Rechtsstreit und nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz mit der Behauptung hervortritt, sie sei bereits vor dem Zeitpunkt, in dem sie in die Beklagtenrolle geriet, rechtlich nicht mehr existent gewesen. In derartigen Fällen müssen die Gerichte besonders sorgfältig prüfen, ob sich aus den vorgetragenen Tatsachen hinreichend konkrete Anhaltspunkte ergeben, die es rechtfertigen, in eine - in aller Regel zeitaufwändige - Überprüfung der Parteifähigkeit einzutreten. Das ist auch deshalb geboten, weil anderenfalls der Gefahr der mutwilligen Prozessverschleppung Tür und Tor geöffnet würde.
bb) Das Berufungsgericht war danach nicht verpflichtet, die Rechts- und Parteifähigkeit der Beklagten einer Überprüfung zu unterziehen. Für eine solche Überprüfung bot der Vortrag der Beklagten keine hinreichenden Anhaltspunkte. Da die Beklagte bereits seit vielen Jahren in zwei Instanzen am Rechtsstreit teilgenommen hatte und ihr Präsident in beiden Beweisterminen vor dem Berufungsgericht ohne jeden Hinweis auf eine Liquidation aufgetreten war, durfte von ihr erwartet werden, dass sie ihre überraschende Behauptung, schon vor dem Beginn des Rechtsstreits infolge Liquidation die rechtliche Existenz verloren zu haben, durch einen substantiierten Tatsachenvortrag plausibel machte. Dem ist die Beklagte nicht gerecht geworden.
Die Behauptung der Beklagten, sie sei bereits vor Jahren liquidiert worden, reicht für sich allein nicht aus, um eine Überprüfung ihrer Rechts- und Parteifähigkeit zu rechtfertigen. Das gilt schon deshalb, weil die Rechtsfähigkeit und die daran anknüpfende Parteifähigkeit (§ 50 Abs. 1 ZPO) der in den Vereinigten Staaten von Amerika gegründeten Beklagten sich gemäß Art. XXV Abs. 5 S. 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages v. 29.10.1954 nach deren Gründungsrecht richtet (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2003 - VIII ZR 155/02, BGHZ 153, 353 [355 ff.] = MDR 2003, 647 = GmbHR 2003, 534 = BGHReport 2003, 613 m.w.N.) und die Beklagte nichts darüber ausgeführt hat, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Liquidation nach ihrem Gründungsrecht den Verlust der Rechtsfähigkeit zur Folge hat. Im Übrigen hat die Beklagte auch keine überprüfbaren Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, ob und in welcher Weise eine Liquidation stattgefunden hat. Aus den von ihr in Ablichtung und ohne Übersetzung ins Deutsche vorgelegten beiden englischsprachigen Verträgen v. 30.9.1998 ist nur ersichtlich, dass sie damals einen Teil ihrer Vermögenswerte und Verbindlichkeiten auf ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft D. LLC übertragen hat. Dabei handelt es sich um eine Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten von einer Konzernmutter auf eine Tochtergesellschaft. Eine Liquidation der Konzernmutter liegt darin nicht.
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen Schadensersatzansprüche der Klägerin aus Verschulden bei Vertragsschluss, die nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht einer Verjährungsfrist von dreißig Jahren unterlagen (§ 195 BGB a.F.), bejaht.
a) Das Berufungsgericht hat diese Frage allerdings zutreffend nach deutschem Recht beurteilt. Die Parteien haben sich zur Begründung und zur Abwehr der geltend gemachten Ansprüche ausschließlich auf deutsche Rechtsvorschriften und die Rechtsprechung des BGH zur Prospekthaftung berufen. Dies rechtfertigt die Annahme, dass die Parteien sich jedenfalls im Rechtsstreit stillschweigend auf die Geltung deutschen Rechts verständigt haben (st.Rspr., vgl. BGH v. 24.9.1986 - VIII ZR 320/85, BGHZ 98, 263 [274] = MDR 1987, 228; v. 18.1.1988 - II ZR 72/87, BGHZ 103, 84 [86] = MDR 1988, 473; Urt. v. 9.12.1998 - IV ZR 306/97, MDR 1999, 355 = WM 1999, 916 [917], insoweit in BGHZ 140, 167 ff. nicht veröffentlicht; v. 19.1.2000 - VIII ZR 275/98, MDR 2000, 692 = WM 2000, 1643 [1645]). Davon gehen sie auch in der Revisionsinstanz übereinstimmend aus.
b) Aus Verschulden bei Vertragsschluss haftet grundsätzlich nur, wer Vertragspartner ist oder werden soll. Ausnahmsweise kann allerdings der für einen Beteiligten auftretende Vertreter, Vermittler oder Sachwalter selbst aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat oder wenn er - was vorliegend nicht in Betracht kommt - ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Abschluss des Geschäfts hatte (st.Rspr., BGH BGHZ 56, 81 [83 f.]; v. 19.12.1977 - II ZR 164/76, BGHZ 70, 337 [341 f.]; v. 22.3.1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103 [108]; v. 20.3.1995 - II ZR 205/94, BGHZ 129, 136 [170] = AG 1995, 368 = GmbHR 1995, 665; Urt. v. 29.1.1997 - VIII ZR 356/95, MDR 1997, 455 = WM 1997, 1431 [1432]; vgl. nunmehr § 311 Abs. 3 BGB). Dies gilt auch dann, wenn unter Verwendung von Prospekten verhandelt worden ist und eine sog. Prospekthaftung i.w.S. in Betracht kommt (vgl. BGH v. 22.3.1982 - II ZR 114/81, BGHZ 83, 222 [227] = MDR 1982, 644).
Als Vertreter der D. AG oder als Vermittler der Kapitalanlage ist die Beklagte gegenüber der Klägerin und ihrem Bruder nicht tätig geworden. Die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens durch einen Sachwalter setzt in jedem Fall voraus, dass er entweder an den Vertragsverhandlungen selbst beteiligt ist oder im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit einem Anspruch auf Vertrauen hervortritt (BGH, Urt. v. 4.5.1981 - II ZR 193/80, GmbHR 1982, 108 = MDR 1982, 207 = WM 1981, 1021 [1022]; v. 21.5.1984 - II ZR 83/84, MDR 1985, 28 = WM 1984, 889 [890], v. 17.2.1986 - II ZR 238/84, WM 1986, 583; v. 3.2.2003 - II ZR 233/01, DStR 2003, 1494 [1495]). Letzteres ist allerdings nicht nur dann der Fall, wenn er die Verhandlungen selbst führt. Es genügt, dass er diese von einem anderen für sich führen lässt und dem Vertragspartner gegenüber als die Person erscheint, von deren Entscheidung der Abschluss des Vertrags abhängt (BGH, Urt. v. 21.5.1984 - II ZR 83/84, MDR 1985, 28 = WM 1984, 889 [890], v. 17.2.1986 - II ZR 238/84, WM 1986, 583).
Dass die Beklagte in dieser Weise unmittelbar oder mittelbar an den Verhandlungen beteiligt war, die zur Zeichnung der Anteile an dem DAX-Programm durch die Klägerin und ihren Bruder geführt haben, ist, wie die Revision zu Recht rügt, weder von den Parteien vorgetragen noch vom Berufungsgericht festgestellt worden. Das Vertrauen der Klägerin und ihres Bruders, dass die Beklagte mit ihrer langjährigen geschäftlichen Erfahrung und ihrer sich daraus ableitenden Zuverlässigkeit und Sachkunde als Muttergesellschaft hinter der D. AG steht und, wie das Berufungsgericht angenommen hat, für die Sicherheit der Einlagen garantiert, gründet sich vielmehr ausschließlich auf die Angaben über die Beklagte sowie ihren Einfluss auf die D. AG und das DAX-Programm im Zeichnungsprospekt. Ist ein Initiator oder Hintermann eines Kapitalanlagemodells nicht Vertragspartner des Anlegers und nimmt er nicht in besonderem Maße persönliches Vertrauen für sich in Anspruch, so kommen unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung nur Ansprüche aus Prospekthaftung i.e.S. für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektinhalts in Betracht (vgl. zu den Voraussetzungen der Prospekthaftung i.e.S.: BGH v. 24.4.1978 - II ZR 172/76, BGHZ 71, 284 [286 ff.]; v. 16.11.1978 - II ZR 94/77, BGHZ 72, 382 [384 ff]; v. 22.5.1980 - II ZR 209/79, BGHZ 77, 172 [175 ff] = MDR 1980, 911; v. 6.10.1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 [340 ff] = MDR 1981, 648; v. 26.9.2000 - X ZR 94/98, BGHZ 145, 187 [196] = AG 2001, 129; Urt. v. 1.12.1994 - III ZR 93/93, WM 1995, 344 [345]; zu deren Anwendungsbereich: v. 31.5.1990 - VII ZR 340/88, BGHZ 111, 314 [316 ff] = MDR 1991, 140; Urt. v. 26.9.1991 - VII ZR 376/89, BGHZ 115, 213 [218 f.] = MDR 1992, 157; v. 5.7.1993 - II ZR 194/92, BGHZ 123, 106 [109] = AG 1994, 32 = MDR 1993, 1068; v. 7.9.2000 - VII ZR 443/99, BGHZ 145, 121 [125 f.] = BGHReport 2001, 74; Urt. v. 4.5.1981 - II ZR 193/80, GmbHR 1982, 108 = MDR 1982, 207 = WM 1981, 1021 [1022]).
III.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 S. 1 ZPO). Dieses wird zu prüfen haben, ob die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt als dem des Verschuldens bei Vertragsschluss gerechtfertigt sind. Dabei kommen, da vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien nicht bestehen, insbes. Ansprüche der Klägerin aus § 826 BGB in Betracht, etwa weil der Zeichnungsprospekt über die besonderen Risiken von Termingeschäften sowie die Auswirkungen der der D. AG als Vermögensverwalterin zufließenden Provision von 228 DM pro gehandelten DAX-Terminkontrakt für das Verlustrisiko und die Verringerung der Gewinnchancen der Kapitalanleger nicht ausreichend informiert (vgl. BGH, Urt. v. 17.3.1992 - XI ZR 204/91, MDR 1992, 668 = WM 1992, 770 [771]; Urt. v. 14.5.1996 - XI ZR 188/95, MDR 1996, 924 = WM 1996, 1214 [1215]).
Sollte die Beklagte ihren bislang ungenügenden Vortrag zu ihrer angeblich fehlenden Parteifähigkeit hinreichend präzisieren, so wird das Berufungsgericht vorrangig zu prüfen haben, ob die Klage unter diesem Gesichtspunkt als unzulässig abgewiesen werden muss. Im Fall der Abweisung der Klage als unzulässig wird das Berufungsgericht bei seiner Kostenentscheidung § 97 Abs. 2 ZPO zu beachten und darüber hinaus auch § 34 GKG in Erwägung zu ziehen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1168619 |
BGHR 2004, 1259 |
NJW-RR 2005, 23 |
JWO-VerbrR 2004, 217 |