Leitsatz (amtlich)
›Nach baden-württembergischem Landesrecht ist die Betrauung von Beamten im Vorbereitungsdienst mit Aufgaben eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle den für die Ausbildung des Beamten Verantwortlichen übertragen.‹
Verfahrensgang
Gründe
Ein Verstoß gegen §§ 226, 338 Nr. 5 StPO liegt nicht vor. Die Auffassung des Beschwerdeführers, die Hauptverhandlung habe zeitweise ohne einen ordnungsgemäß bestellten Urkundsbeamten der Geschäftsstelle stattgefunden, ist unzutreffend. Auf den Beschluß des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 3. April 1984 (NStZ 1984, 327) läßt sie sich nicht stützen. Dieser bezieht sich ausschließlich auf das niedersächsische Landesrecht, welches die Entscheidung über die Betrauung mit den Aufgaben eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 153 Abs. 5 GVG ausdrücklich dem Behördenleiter vorbehält (§ 8 der AV des Justizministers über die Geschäftsstellen der ordentlichen Gerichte und Staatsanwaltschaften vom 3. Dezember 1980 - NdsRpfl. S. 273, 275). Da das im vorliegenden Fall anzuwendende baden-württembergische Landesrecht einen entsprechenden Vorbehalt nicht macht, kann offenbleiben, ob den Ausführungen des 5. Strafsenats zu den strafprozessualen Folgen eines Eingriffs in die Kompetenz des Landgerichtspräsidenten zuzustimmen ist.
Für Baden-Württemberg ist die Bestellung von Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 153 Abs. 5 GVG in der Verordnung des Justizministeriums über die Geschäftsstellen der ordentlichen Gerichte und der Staatsanwaltschaften vom 17. März 1982 (GBl. S. 122) geregelt. Für Beamte im Vorbereitungsdienst sieht § 1 Abs. 2 dieser Verordnung vor, daß ihnen "im Rahmen ihrer Ausbildung die Wahrnehmung der Aufgaben... des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zeitweilig übertragen werden" kann. Der für die Übertragung Zuständige ist in dieser Vorschrift zwar nicht ausdrücklich genannt. Aus der Tatsache, daß in den §§ 2, 5 und 6 der Verordnung auch die Frage der Zuständigkeit für die Übertragung von Aufgaben des mittleren auf den gehobenen Dienst und den umgekehrten Fall sowie insbesondere für die Bestellung von Angestellten zu Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ausdrücklich und eingehend geregelt ist, ergibt sich jedoch, daß § 1 Abs. 2 keine Lücke aufweist, daß das Justizministerium vielmehr die Zuständigkeit hinsichtlich der Beamten im Vorbereitungsdienst durch die Worte "im Rahmen ihrer Ausbildung" als hinreichend umrissen ansah. Daß damit die Bestellungsbefugnis generell den für die Ausbildung des einzelnen Beamten Verantwortlichen übertragen ist und die Bestimmung des im konkreten Fall Zuständigen der Geschäftsverteilung in Justizverwaltungsangelegenheiten überlassen bleibt, ist nicht zu beanstanden.
Soweit die Revision meint, eine derartige Regelung verstoße gegen § 12 Nr. 3 des baden-württembergischen AGGVG vom 16. Dezember 1975 (GBl. S. 868), übersieht sie, daß diese Vorschrift lediglich eine Ermächtigung zur Regelung der Zuständigkeiten enthält, also keine Verpflichtung geschaffen hat, diese Zuständigkeiten in allen Einzelheiten verbindlich festzulegen. Die Verordnung der Landesregierung über die Ausbildung und Prüfung der Juristen vom 16. Dezember 1981 (GBl. 1982 S. 3) und die Ausbildungsund Prüfungsordnung für den mittleren Justizdienst vom 8. Mai 1984 (GBl. S. 391) können zur näheren Bestimmung der Zuständigkeit nach § 153 Abs. 5 GVG schon deshalb nicht herangezogen werden, weil beide nicht auf Grund der Ermächtigung des § 12 des baden-württembergischen AGGVG erlassen worden sind.
Die Bestellung der Beamten im Vorbereitungsdienst, die in der Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer Protokoll geführt haben, entspricht der Geschäftsverteilung beim Landgericht Karlsruhe:
1. Referendar He war einem Richter der erkennenden Strafkammer zur Ausbildung zugewiesen. Nach der vom Präsidenten des Landgerichts ausdrücklich gebilligten allgemeinen Praxis wurde er mit ausdrücklicher Zustimmung des Strafkammervorsitzenden zu Ausbildungszwecken an zwei Hauptverhandlungstagen als Protokollführer eingesetzt. Nach der dienstlichen Äußerung des Kammervorsitzenden vom 28. Januar 1985 steht fest, daß bei dem Referendar auch die materiellen Voraussetzungen des § 153 Abs. 5 GVG erfüllt waren.
2. Referendar Bi wurde in einer Zivilkammer ausgebildet, war jedoch für den sechsten Hauptverhandlungstag der erkennenden Strafkammer im Auftrag des Landgerichtspräsidenten durch die Justizoberinspektorin Sch "zur Ausbildung" zugewiesen. Nach Abschnitt IV der vom Landgerichtspräsidenten verfügten Geschäftsverteilung der Rechtspfleger und Geschäftsstellenbeamten war die Justizoberinspektorin Sch damit betraut, den Protokolldienst, soweit nicht allgemein geregelt, von Fall zu Fall zu bestimmen. Die Zuweisung des Referendars "zur Ausbildung" für einen Tag umfaßte danach die Bestellung zum Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und wurde von allen Beteiligten auch so verstanden. Sie erfolgte mit Zustimmung des Kammervorsitzenden, der in seiner dienstlichen Äußerung im übrigen auch den erforderlichen Ausbildungs- und Kenntnisstand des Referendars ausdrücklich bestätigt hat.
3. Die Justizassistentenanwärterin Ho war der Justizangestellten Me, der die Verwaltung der Geschäftsstellen der Strafkammern I bis III oblag, zur Ausbildung zugewiesen und hatte bereits während ihrer Ausbildung beim Amtsgericht mehrfach Protokoll in Strafsachen geführt. Durch die Justizoberinspektorin Sch wurde sie für den letzten Hauptverhandlungstag zur Protokollführung bei der erkennenden IV. Strafkammer eingeteilt. Auch insoweit handelte die Justizoberinspektorin Sch im Rahmen der ihr durch den Präsidenten des Landgerichts übertragenen Aufgabe, den Protokolldienst in den Strafkammern zu regeln und dazu auch Beamte im Vorbereitungsdienst heranzuziehen.
Fundstellen
Haufe-Index 2992794 |
NJW 1985, 3033 |
MDR 1985, 862 |
StV 1985, 492 |
StV 1987, 46 |