Leitsatz (amtlich)
›a) Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserungskosten, die den Unternehmer zur Verweigerung der Nachbesserung berechtigt, wird in aller Regel nur anzunehmen sein, wenn ein objektiv geringes Interesse des Bestellers an einer völlig ordnungsgemäßen Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb unangemessener Aufwand gegenübersteht. Ist die Funktionsfähigkeit des Werkes spürbar beeinträchtigt, so kann Nachbesserung regelmäßig nicht wegen hoher Kosten verweigert werden.
b) Nachbesserungsmehrkosten, die durch den Aufwand für die Erbringung der mangelhaften Leistung oder deren Beseitigung, für die Leistungserbringung außerhalb des normalen Leistungszusammenhangs sowie durch Kostensteigerung in folge von Zeitablauf bedingt sind, gehören zum Erfüllungsrisiko des Unternehmers und können regelmäßig den Einwand der Unverhältnismäßigkeit nicht rechtfertigen.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien sind Partner eines Generalunternehmervertrags über einen Hotelausbau für rund 2 Mio. DM pauschal.
Von dem Streit der Parteien ist in der Revisionsinstanz nur noch der von der Klägerin eingebaute Aufzug von Inter esse. Dieser weist nur die Hälfte der vereinbarten Tragfähigkeit aus und ist auch wesentlich kleiner als geschuldet. Der Beklagte verlangt insoweit in der Revisionsinstanz nur noch, daß dieser Aufzug unter Erhöhung der vom Berufungsgericht allein zugesprochenen Minderung durch Anhebung der Tragfähigkeit und Anpassung an die Verhältnisse des Aufzugschachtes nachgebessert werden solle.
Das Landgericht hat der Widerklage insoweit stattgegeben. Es hat nämlich den vollen vertragsgemäßen Neueinbau des Aufzugs nach Maßgabe des Widerklageantrages des Beklagten ausgesprochen. Das Oberlandesgericht hat die Nachbesserung für unverhältnismäßig gehalten und lediglich eine Minderung von 80.000 DM zugesprochen.
Mit der Revision begehrt der Beklagte Nachbesserung in dem von dem Berufungsgericht als modifizierte Nachrüstung bezeichneten Umfang zuzüglich einer Minderung von insgesamt 100.000 DM.
Der Senat hat die Revision nur in diesem Umfang angenommen. Im übrigen hat er die weitergehenden Revisionen der Klägerin und des Beklagten nicht angenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat im Umfang der Annahme Erfolg. Sie führt in diesem Umfang zur Verurteilung der Klägerin nach Maßgabe der Revisionsanträge.
I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der eingebaute Aufzug weiche erheblich von den vertraglichen Vorgaben ab. Es sei jedoch eine Nachbesserung im Sinne dieser Vorgaben wegen zu befürchtender Schädigung des Gebäudes, aber auch wegen zu hoher Kosten nicht möglich. Hingegen komme eine modifizierte Nachbesserung nach Maßgabe der Vorschlage des Sachverständigen S. an sich in Frage. Die dafür erforderlichen Kosten von 150.000 DM seien jedoch unverhältnismäßig, weshalb die Klägerin diese Form der Nachbesserung verweigern könne. Mit dem zugesprochenen Minderungsbetrag von 80.000 DM könne der Beklagte die Tragfähigkeit des Aufzugs auf 525 kg erhöhen, was etwa 20.000 DM koste, mit den restlichen 60.000 DM sei die verbleibende Wertdifferenz mit einem Hotel mit vertragsgemäßem großzügigen Aufzug abgedeckt.
II. Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin mit Erfolg.
a) Nach § 633 Abs. 2 S. 2 BGB, § 13 Nr. 6 VOB/B kann der Unternehmer die Beseitigung eines Mangels verweigern, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Nach der Senatsrechtsprechung (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71 = BGHZ 59, 365, 367 = BauR 1973, 112 = NJW 1973, 138) ist das der Fall, wenn mit der Nachbesserung der in Richtung auf die Beseitigung des Mangels erzielbare Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür erforderlichen Geldaufwandes steht.
Danach wird Unverhältnismäßigkeit in aller Regel nur anzunehmen sein, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer völlig ordnungsgemäßen Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht. Hat der Besteller hingegen objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrages, was vor allem anzunehmen ist, wenn die Funktionsfähigkeit des Werks spürbar beeinträchtigt ist (MünchKomm/Soergel, 2. Aufl., § 633 Rdn. 136), so kann ihm regelmäßig nicht wegen hoher Kosten die Nachbesserung verweigert werden.
Die danach anzustellenden Abwägungen haben nichts mit dem Preis/Leistungsverhältnis des Vertrages zu tun. Ohne Bedeutung ist auch das Verhältnis von Nachbesserungsaufwand und den zugehörigen Vertragspreisen, ebensowenig allein das Verhältnis von Nachbesserungsaufwand und der dadurch zu erreichenden Wertsteigerung (BGH, Urteil vom 23. Februar 1995 - VII ZR 235/93 = BauR 1995, 540 = ZfBR 1995, 197 = NJW 1995, 1836). Dem Besteller kann der Anspruch auf ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrages in aller Regel nicht mit dem Argument abgeschnitten werden, diese sei zu teuer oder unwirtschaftlich. Vielmehr ist der Einwand der Unverhältnismäßigkeit nur dann gerechtfertigt, wenn das Bestehen auf ordnungsgemäßer Vertragserfüllung sich mit Rücksicht auf das objektive Interesse an ordnungsgemäßer Erfüllung im Verhältnis zu dem dafür erforderlichen Aufwand unter Abwägung aller Umstände als Verstoß gegen Treu und Glauben dar stellt (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71 = BGHZ 59, 365, 367 = BauR 1973, 112 = NJW 1973, 138, BGH, Urteil vom 23. Februar 1995 - VII ZR 235/93 = BauR 1995, 540 = ZfBR 1995, 197 = NJW 1995, 1836). Bei der danach gebotenen Abwägung ist unter anderem auch zu berücksichtigen, ob und in welchem Ausmaß der Unternehmer den Mangel verschuldet hat (BGH Urteil vom 23. Februar 1995 - VII ZR 235/93 = BauR 1995, 540 = ZfBR 1995, 197 = NJW 1995, 1836).
Diese Auslegung ergibt sich aus der vertraglichen Risikoverteilung. Der Unternehmer trägt grundsätzlich das Erfüllungsrisiko für die versprochene Leistung, und zwar ohne Rücksicht auf den dafür erforderlichen Aufwand. Er kann da gegen nicht einwenden, dieser sei höher, oder auch unverhältnismäßig höher, als der vereinbarte Preis. Vielmehr ist er grundsätzlich bis an die Grenze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu jedem erforderlichen Aufwand verpflichtet. Diese Risikoverteilung wird nicht dadurch verändert, daß der Unternehmer mangelhaft leistet. Deshalb können im Regelfall weder die für die mangelhafte Leistung aufgewandten Kosten, noch auch der etwa für ihre Beseitigung erforderliche Aufwand, noch ferner die Mehrkosten für die Erbringung außerhalb des normalen Leistungszusammenhanges noch schließlich auch Kostensteigerungen durch Zeitablauf eine Rolle spielen. Alle diese Umstände, die den Nachbesserungsaufwand erhöhen können, gehören grundsätzlich zum Erfüllungsrisiko des Unternehmers. Es darf auch keinen Unterschied machen, ob der Unternehmer, wozu er verpflichtet ist, Fehler des Werkes aus freien Stücken nachbessern oder ob er es darauf ankommen läßt, eine fehlerhafte Leistung abzuliefern, um sich dann auf Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserung zu berufen.
b) Das hat das Berufungsgericht nicht beachtet und den Sachverhalt nur unvollständig gewürdigt.
Das Interesse des Beklagten an einer ordnungsgemäßen Erfüllung muß als sehr hoch eingeschätzt werden. Das ergibt sich schon daraus, daß ein unzulänglicher Aufzug in einem Hotel dessen Funktionsfähigkeit beeinträchtigt. Ein Aufzug, der lediglich eine Person mit Gepäck befördern kann, ist für die Zwecke eines Hotels weitgehend unbrauchbar. Er führt zu für die Gaste unzumutbaren Wartezeiten in den Stoßzeiten am Morgen (Frühstück und Abreise). Daß beispielsweise nicht einmal ein Ehepaar mit Gepäck den Aufzug gemeinsam benutzen kann, können Hotelgäste berechtigterweise als unzumutbar empfinden. Eine derart mangelhafte Aufzugsleistung ist ein deutlicher Komfortmangel der Gesamtanlage. Sie wirkt sich wertmindernd auf die Gesamtinvestition aus. Die vom Sachverständigen vorgeschlagene Nachbesserung kann zwar die Nutzbarkeit nicht auf das vertraglich geschuldete Maß erhöhen, sie kann sie aber spürbar verbessern und deshalb einen wesentlichen Teilerfolg in Richtung auf eine vertragsgemäße Leistung bewirken.
Gegenüber der Beeinträchtigung der Gesamtinvestition sind die Kosten der nach Sachlage allein möglichen Nachrüstung nach Maßgabe der Vorschlage des Sachverständigen eher als gering und deshalb keinesfalls als unverhältnismäßig einzuordnen. Hinzu kommt noch, daß die unzureichende Größe des Aufzugs auf einer Planabweichung beruht, die nicht ohne Verschulden des Beklagten zustande gekommen sein kann.
Auch nach der Nachrüstung ist die Anlage als im Vergleich zur vertragsgemäßen Leistung deutlich wertgemindert einzuschätzen, weil die dann mögliche Nutzung immer noch erheblich hinter der vertraglich geschuldeten Nutzbarkeit zurückbleibt, sich also weiterhin als Komfortmangel des Hotels auswirkt. Danach kann die Klägerin neben den Nachbesserungskosten für den verbleibenden Mangel Minderung jedenfalls im geltend gemachten Umfang von weiteren 20.000 DM verlangen.
III. Die Sache ist nach alledem auch entscheidungsreif. Weitere Aufklärung ist nicht zu erwarten.
Somit hat die Klägerin den Aufzug im Sinne der Nachbesserung der vom Sachverständigen S. vorgeschlagenen "modifizierten" Nachrüstung nachzubessern. Für die verbleiben de Wertminderung kann der Beklagte die geforderte Minderung beanspruchen.
Fundstellen
Haufe-Index 2993426 |
BB 1996, 2271 |
DB 1996, 2384 |
NJW 1996, 3269 |
BGHR BGB § 633 Abs. 2 S. 2 Nachbesserungskosten 1 |
BGHR VOB/B § 13C Nr. 6 Nachbesserungskosten 1 |
BauR 1996, 858 |
DRsp I(138)774a-b |
WM 1996, 2062 |
ZIP 1996, 1905 |
MDR 1996, 1237 |
ZfBR 1996, 313 |