Entscheidungsstichwort (Thema)
Notarielle Amtspflichtverletzung. Kausalität
Leitsatz (redaktionell)
Wird dem Notar eine Pflichtverletzung bei der Gestaltung des Beurkundungsverfahrens oder bei der Beratung eines Beteiligten vorgeworfen, muss deren Ursächlichkeit für den geltend gemachten Schaden belegt werden.
Normenkette
BNotO § 19 Abs. 1; BeurkG § 17 Abs. 1, § 14 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 18.09.2007; Aktenzeichen 16 U 16/07) |
LG Hannover (Entscheidung vom 20.12.2006; Aktenzeichen 11 O 401/05) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 18. September 2007 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Tatbestand
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Die Kläger nehmen den beklagten Notar auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Beurkundung eines Kaufvertrags über eine Eigentumswohnung in Anspruch. Weiterhin haben sie von den vormaligen Beklagten zu 1 bis 3 Schadensersatz mit der Begründung verlangt, diese hätten ihnen in betrügerischem Zusammenwirken die betreffende Wohnung zu einem sittenwidrig überhöhten Kaufpreis verkauft. Eigentümer war der frühere Beklagte zu 2. Dieser hatte die Wohnung 2004 an den vormaligen Beklagten zu 1 verkauft. Die Eigentumsumschreibung war jedoch unterblieben.
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Ende Mai oder Anfang Juni 2004 riet der im Anlagegeschäft tätige frühere Beklagte zu 3 den Klägern, zum Zwecke der Vermögensanlage und der Steuerersparnis eine Eigentumswohnung zu erwerben. Am 14. Juni 2004 begaben sich diese in die Büroräume eines Unternehmens namens H. AG. Dort bot ihnen der frühere Beklagte zu 3 die an den vormaligen Beklagten zu 1 verkaufte, angeblich vermietete Eigentumswohnung zum Erwerb an. Nachdem sich die Kläger – ohne die Wohnung zuvor besichtigt zu haben – hieran interessiert gezeigt hatten, wurden noch am selben Tag ein Beurkundungstermin bei dem beklagten Notar vereinbart und der Kaufvertrag geschlossen. Verkäufer war der frühere Beklagte zu 1, den der vormalige Beklagte zu 3 vertrat. Als Kaufpreis waren 114.900 EUR vereinbart. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 des Kaufvertrags erfolgte die Übergabe der Wohnung vermietet.
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Zur Finanzierung des Kaufpreises nahmen die Kläger einen Kredit in Höhe von 100.000 EUR auf. Später stellten sie fest, dass die Wohnung nicht vermietet war und sich auch in einem nicht vermietbaren Zustand befand. Im Mai 2005 erklärten die Kläger die Anfechtung des Kaufvertrages. Sie wurden daraufhin nicht mehr im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.
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Die Kläger haben alle vier Beklagten gesamtschuldnerisch auf Freistellung von den Kreditverbindlichkeiten, Erstattung der bereits geleisteten Darlehenszahlungen sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für alle weiteren Schäden aus dem Abschluss des Kaufvertrages vom 14. Juni 2004 in Anspruch genommen. Die Klage gegen die vormaligen Beklagten zu 1 und 2 hatte Erfolg. Die gegen den früheren Beklagten zu 3 gerichtete Klage hat das Berufungsgericht abgewiesen. Weiterhin hat es die vom Landgericht ausgesprochene Abweisung der Klage gegen den beklagten Notar bestätigt. Soweit sich die Klage gegen diesen richtet, hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen, weil sich die noch nicht geklärte Rechtsfrage stelle, ob der einen Immobilienkauf beurkundende Notar den Käufer danach befragen müsse, ob er sich über Bestand und Ausgestaltung der zu übernehmenden Mietverhältnisse Kenntnis verschafft habe, und ihn gegebenenfalls vor den Gefahren eines nicht bestehenden Mietverhältnisses warnen müsse, beziehungsweise ob der Notar wenigstens danach zu fragen habe, ob der Käufer einen Mietvertrag gesehen habe.
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Mit ihrem Rechtsmittel verfolgen die Kläger ihr Begehren gegenüber dem beklagten Notar (im Folgenden: Beklagter) weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
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Das Berufungsgericht hat, soweit hier noch von Bedeutung, ausgeführt, der Beklagte habe keine ihm als Notar obliegenden Belehrungs- oder Betreuungspflichten verletzt. Insbesondere habe er sich nicht bei den Klägern danach erkundigen müssen, ob diese überprüft hätten, ob das in § 4 Abs. 1 Satz 2 des Kaufvertrages erwähnte Mietverhältnis tatsächlich bestehe und ob sie den Mietvertrag eingesehen hätten. Ebenso wenig sei ein Hinweis auf die Risiken erforderlich gewesen, die mit dem Unterlassen einer solchen Prüfung verbunden gewesen seien. Der Beklagte habe keine Anhaltspunkte dafür gehabt, dass sich die Kläger über wesentliche Umstände des Vertragsgegenstandes nicht im Klaren gewesen seien. Der Beklagte habe nicht damit rechnen müssen, dass die Erklärung, die Übergabe der Wohnung erfolge vermietet, falsch sei. Vielmehr habe er annehmen dürfen, dass sich die Kläger bereits im Vorfeld der Beurkundung aus eigenem Antrieb ein Bild von dem Kaufobjekt und den für ihre Kaufentscheidung maßgeblichen wirtschaftlichen Faktoren gemacht und sich somit auch über die an der Immobilie bestehenden Mietverhältnisse unterrichtet hätten. Hieran ändere die Kurzfristigkeit des anberaumten Beurkundungstermins nichts. Es sei auch nicht ersichtlich, dass den Klägern durch die unterlassene Übersendung des Kaufvertragsentwurfs der von ihnen geltend gemachte Schaden entstanden sei.
II.
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Die Revisionszulassung ist, wie sich aus ihrer Begründung ergibt (vgl. zur Beschränkung der Rechtsmittelzulassung aufgrund der Entscheidungsbegründung z.B: BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 – XII ZB 78/07 – NJW 2008, 2351 f, Rn. 15 f m.w.N.), beschränkt auf die Aufklärungs- beziehungsweise Belehrungspflichtverletzungen, die die Kläger dem Beklagten im Zusammenhang mit der Beurkundung des Kaufvertrags vorwerfen. Der weiteren – von der Vorinstanz verneinten – Frage, ob der Beklagte auch im Zusammenhang mit der Auszahlung der bei ihm hinterlegten Darlehensvaluta ihm den Klägern gegenüber obliegende Amtspflichten verletzt hat, ist deshalb nicht mehr nachzugehen.
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Soweit das angefochtene Urteil der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt, hält es ihr stand. Auf der Grundlage des für die Beurteilung durch das Revisionsgericht maßgeblichen Parteivortrags bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (§ 559 Abs. 1 ZPO) scheidet ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen den Beklagten wegen einer Amtspflichtverletzung als Notar (§ 19 Abs. 1 BNotO) aus.
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1. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Beklagten wegen eines Verstoßes gegen seine aus § 17 Abs. 1 BeurkG folgenden Pflichten verneint.
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Allerdings ist der Notar verpflichtet, die Grundstückskäufer darauf hinzuweisen, dass durch einen Grundstücksverkauf Miet- und Pachtverhältnisse nicht erlöschen (Winkler, Beurkundungsgesetz, 16. Aufl., § 17 Rn. 230), und abzuklären, ob noch Regelungsbedarf im Zusammenhang mit dem Übergang der Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag (§§ 566 ff BGB), etwa im Hinblick auf den Zeitpunkt der Übertragung der Mietzinsansprüche im Innenverhältnis der Kaufvertragsparteien oder der Übergabe von Mietsicherheiten, besteht (vgl. auch Albrecht in Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, 8. Aufl., Rn. 527; Brambring in Beck'sches Notarhandbuch, 4. Aufl., A I Rn. 10 Buchstabe (d), Rn. 131). Zweck dieser Amtspflicht ist es, zu gewährleisten, dass die Kaufvertragsparteien die Möglichkeit erhalten, sich über die im Einzelfall auf sie zukommenden Rechtsfolgen des Übergangs der Mietverhältnisse im Klaren zu werden. Ungeachtet der Frage, ob der hier geltend gemachte Schaden, der auf die Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse (Leerstand) zurückzuführen ist, in den Schutzzweck dieser Pflicht des Notars fällt, hätten die Kläger jedenfalls vortragen müssen, dass sie entsprechende Hinweise des Beklagten zum Anlass für weitere Nachfragen genommen hätten, daraufhin der Leerstand aufgedeckt worden wäre und sie sodann von einem Kaufvertragsabschluss abgesehen hätten. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen; die Revision hat insoweit auch keinen übergangenen Sachvortrag zu rügen vermocht.
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2. Ebenfalls an der fehlenden Ursächlichkeit eines etwaigen Verstoßes des Beklagten gegen seine Amtspflichten für den geltend gemachten Schaden scheitert ein Anspruch der Kläger aus § 19 Abs. 1 BNotO wegen Verletzung seiner aus § 14 Abs. 3 BNotO folgenden Pflicht zur ordnungsgemäßen Gestaltung des Beurkundungsverfahrens, zu der nach Nummer II Satz 3 der Richtlinien der Notarkammer Celle für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten der Mitglieder der Notarkammer vom 28. April 1999 und 3. Mai 2000 (NdsRpfl 2000, 353) auch gehört, dass den Beteiligten ausreichend Gelegenheit eingeräumt wird, sich mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinander zu setzen. Auch insoweit fehlt jeder Tatsachenvortrag der Kläger dazu, dass sie bei Einhaltung einer angemessenen Frist vor der Beurkundung weitere Überlegungen angestellt, Erkundigungen über das angebliche Mietverhältnis eingeholt und daraufhin von dem Vertragsschluss Abstand genommen hätten.
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3. Aus denselben Gründen sind entgegen der Auffassung der Revision auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der aus § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO abgeleiteten sogenannten erweiterten Belehrungspflicht jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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4. An dieser Beurteilung der Sach- und Rechtslage ändert auch nichts das von den Klägern vorgelegte, während des Revisionsverfahrens ergangene Urteil der 15. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Hannover vom 12. März 2008. Zwar könnte diese Entscheidung den Vortrag der Parteien zu den dem Beklagten vorgeworfenen Amtspflichtverletzungen in ein anderes Licht setzen als in den Tatsacheninstanzen. Die Strafkammer hat darin ein Urteil des Amtsgerichts Hannover bestätigt, durch das der Beklagte wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden war. Das Landgericht hat es als erwiesen angesehen, dass der Beklagte im Jahr 2004 über 100 von der H. AG vermittelte Beurkundungen vorgenommen habe. Die Geschäftsleitung dieses Unternehmens habe, wie dem Beklagten bewusst gewesen sei, gezielt die Strategie verfolgt, den Kunden keine Bedenkzeit zu lassen. In dieses auf Überrumpelung ausgerichtete System sei der Beklagte als sogenannter Mitternachtsnotar eingebunden gewesen.
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Allerdings darf der Senat dieses, eine andere als die hier gegenständliche Beurkundung betreffende Strafurteil nicht mehr berücksichtigen. Gemäß § 559 Abs. 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Ferner können nur die Tatsachen berücksichtigt werden, aus denen sich ein Verfahrensverstoß ergibt. Hiervon hat die Rechtsprechung zwar aus prozesswirtschaftlichen Gründen nicht wenige Ausnahmen zugelassen, um zu verhindern, dass die vom Tatsachenausschluss betroffene Partei einen weiteren Rechtsstreit, gegebenenfalls durch mehrere Instanzen, führen muss (BGH, Urteil vom 21. November 2001 – XII ZR 162/99 – NJW 2002, 1130, 1131 m.w.N.). Keiner dieser Ausnahmefälle (vgl. die Aufstellungen bei Ball in Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 559 Rn. 8-10 und Wenzel in MünchKommZPO, 3. Aufl., § 559 Rn. 25-31) liegt jedoch vor.
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Überdies würde die Berücksichtigung des Strafurteils nicht über den fehlenden Sachvortrag zur Ursächlichkeit einer Amtspflichtverletzung des Beklagten für den geltend gemachten Schaden hinweg helfen.
Unterschriften
Schlick, Wurm, Herrmann, Wöstmann, Hucke
Fundstellen