Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Urteil vom 02.05.2002) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 2. Mai 2002 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags und Meineids zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt und im übrigen das Verfahren nach § 154 StPO eingestellt. Gegen die Verurteilung wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge.
I.
Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Das Tatopfer K. W. war im November 1989 von L. nach … K. in R. gezogen. Im Februar oder März 1990 lernte sie den Angeklagten kennen, den sie am 11. Oktober 1990 heiratete. Die Eheleute mieteten zum 1. Dezember 1990 eine gemeinsame Wohnung. Die bisher von K. W. bewohnte Wohnung war zum Monatsende Dezember 1990 gekündigt worden. Ihre Sachen hatte der Angeklagte aus ihrer alten Wohnung in die angemietete Ehewohnung geschafft, wo sie, soweit sie noch nicht ausgepackt waren, in Umzugskartons lagerten. Am 28. November 1990 hatte K. W. entweder allein, aber mit Kenntnis des Angeklagten, oder in Anwesenheit des Angeklagten von dem gemeinsamen Girokonto und dem gemeinsamen Sparbuch insgesamt 4.000 DM abgehoben. Am 7. Dezember 1990 erzählte K. W. vormittags einer Arbeitskollegin, daß sie mit dem Angeklagten am Nachmittag Sitzmöbel ansehen wolle. Gegen 15.00 Uhr verließ sie mit dem Angeklagten ihre Arbeitsstelle. Danach ist K. W. nicht mehr lebend gesehen worden. Ihre Leiche wurde am 1. April 1991 vergraben in einem Erdloch in einem Acker entdeckt, das sich 250 km von … K. entfernt in Frankreich befand. Die Liegezeit der Leiche betrug bei ihrem Auffinden zwei bis vier Monate, identifiziert als K. W. wurde sie erst 1994. Als wahrscheinliche Todesursache wurde Ersticken mit einem weichen Textilgegenstand festgestellt, nicht ausgeschlossen werden konnte aber auch eine Vergiftung mit einem chemisch nicht nachweisbaren Gift. Spuren von sonstiger Gewaltanwendung wurden nicht festgestellt. Die Kleidung des Tatopfers war geordnet, der Ehering des Opfers war – im Gegensatz zu zwei weiteren Ringen – verschwunden.
Das Landgericht geht davon aus, daß es am Nachmittag des 7. Dezember 1990 zu einem Streit zwischen den Eheleuten kam, in dessen Verlauf der Angeklagte seine Frau erstickte. Anschließend vergrub er ihre Leiche – allein oder mit Hilfe anderer – am späteren Fundort und beseitigte ihre Umzugskartons und sonstigen persönlichen Sachen.
In der Folge betrieb er das Scheidungsverfahren. Vor dem Familienrichter bekundete und beeidete er – als Partei vernommen – am 17. September 1991, daß seine Ehefrau ihn am 7. Dezember 1990 unter Mitnahme ihrer Sachen und von 4.000 DM aus den gemeinsamen Guthaben verlassen habe.
Der Angeklagte hat seine Täterschaft bestritten. Nach seiner Einlassung hat er am Nachmittag des 7. Dezember 1990 sich allein Sitzmöbel angesehen, weil K. W. nicht mitkommen wollte. Bei seiner Rückkehr seien sowohl seine Frau wie ihre Umzugskartons und ihre persönliche Habe verschwunden gewesen. Am nächsten Tag habe er festgestellt, daß seine Frau vom Sparbuch und Girokonto am 28. November 1990 ohne sein Wissen insgesamt 4.000 DM abgehoben hatte.
Entscheidungsgründe
II.
Mit der Revision wendet sich der Angeklagte gegen die nach seiner Auffassung lückenhafte und einer ausreichenden Tatsachengrundlage entbehrenden Beweiswürdigung.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die tatrichterliche Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden.
Allein dem Tatrichter ist die Aufgabe übertragen, ohne Bindung an Beweisregeln eigenverantwortlich zu prüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Geschehen überzeugen kann (BGHSt 10, 208, 209). Beachtet er dabei die ihm gezogenen Grenzen, so hat das Revisionsgericht die gewonnene Überzeugung hinzunehmen. Dies ist hier der Fall.
a) Zu Recht ist die Strafkammer davon ausgegangen, daß als Alternative zu einer Tötung der K. W. durch den Angeklagten allein in Betracht kommt, daß K. W. den Angeklagten unter Mitnahme ihrer Besitztümer und der abgehobenen 4.000 DM ohne vorherige Ankündigung – gegebenenfalls mit einem Dritten – verlassen hat und danach von einem Dritten getötet worden ist. Daß nur diese Alternative ernsthaft in Erwägung zu ziehen ist, wird auch von der Revision nicht in Frage gestellt. Die Überzeugung, daß eine „heimliche Flucht” nicht vorgelegen hat, sondern der Angeklagte seine Ehefrau getötet hat, hat die Strafkammer auf folgende Feststellungen gestützt:
- Die Leiche wurde mit Bekleidungsstücken gefunden, die auf eine Tötung im geheizten Raum hindeuten.
- Sie trug Schmuck mit Ausnahme ihres Eherings, in dem der Name T. eingraviert war.
– Weder die Eltern noch die Schwester des Tatopfers, zu denen eine enge Beziehung bestand, aber auch nicht die Mutter des Angeklagten, der Angeklagte selbst oder die Arbeitskollegen der K. W. hatten Anhaltspunkte dafür, daß K. W. in ihrer Ehe unglücklich war oder eine Beziehung zu einem anderen Mann unterhielt.
– Eine frühere Beziehung war noch vor der Eheschließung einvernehmlich beendet worden. Der frühere Freund, der wieder in L. lebte, war eine enge Beziehung zu einer anderen Frau eingegangen und auch zeitlich nicht in der Lage gewesen, K. W. am Nachmittag des 7. Dezember 1990 abzuholen.
– K. W. hat am 4. Dezember 1990 mit ihrer Schwester telefoniert und am gleichen Tag einen Brief an ihre Eltern geschrieben, in denen sie über die in den nächsten Tagen und Wochen anstehenden Ereignisse und Vorhaben berichtete, nämlich über eine am 10. bis 14. Dezember 1990 anstehende Allergiebehandlung, den Geburtstag ihres Ehemanns am 18. Dezember 1990 und das von ihr besorgte Geschenk, den bevorstehenden Besuch gemeinsam mit ihrem Ehemann bei ihren Verwandten in L. zu Weihnachten und die von ihr bereits besorgten Geschenke für ihre Neffen und ihren Ehemann (ein Portemonnaie, das sie im November im Beisein ihrer Kolleginnen gekauft hatte).
– Die Abhebung der 4.000 DM ist nicht unmittelbar, sondern bereits zehn Tage vor dem Verschwinden K. W. s erfolgt.
– K. W., die ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern und ihrer Schwester hatte, hat sich auch in der Folgezeit nicht gemeldet.
Auch aus dem Verhalten des Angeklagten nach dem 7. Dezember 1990 hat das Landgericht zu Recht Indizien für seine Täterschaft abgeleitet. So hat der Angeklagte keine Vermißtenanzeige erstattet, gegenüber den Angehörigen seiner Frau aber auf wiederholte Nachfragen angegeben, daß er bei der Polizei gewesen sei und Vermißtenanzeige erstattet habe. Ferner hat er 1991 auf Fragen im Zusammenhang mit dem Verschwinden seiner Frau einer Freundin erklärt, daß er ihr das, was wirklich mit K. passiert sei, in 25 Jahren erzählen werde und diese schließlich auch gefragt, ob sie glaube, daß er seine Frau verbuddelt habe. Einer anderen Freundin hatte er 1991 zudem gebrauchten Schmuck – eine Goldkette und Ohrringe mit einer Perle – geschenkt. Solchen Schmuck hatte auch K. W. besessen. Schließlich hat er die Verfügungsberechtigung K. W. s über das Girokonto erst im Februar 1991 widerrufen, obwohl seine Ehefrau nach seiner Einlassung die 4.000 DM ohne sein Wissen vor ihrem Untertauchen abgehoben haben soll.
Diese Umstände stellen in ihrer Gesamtheit eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Überzeugung der Kammer dar, daß der Angeklagte K. … W. getötet hat. Mit der Möglichkeit, daß K. W. ihren Ehemann am 7. Dezember 1990 verlassen haben kann, hat sich die Kammer ausführlich auseinandergesetzt, sie aber aufgrund beanstandungsfreier Würdigung ausgeschlossen.
b) Durchgreifende Rechtsfehler hat auch die Revision nicht aufgezeigt:
Daß es gelegentlich aufgrund eines dominanten und eifersüchtigen Verhaltens des Angeklagten zu Spannungen in der Ehe gekommen sein kann, hat die Kammer gesehen. Daß die Ehe sich dennoch nach dem Eindruck dem Ehepaar nahestehender Personen als glücklich und ungetrübt darstellte, steht dazu nicht im Widerspruch. Insbesondere konnte die Kammer aus den nur wenige Tage vor dem 7. Dezember 1990 erfolgten Äußerungen des Tatopfers gegenüber den Eltern und der Schwester schließen, daß dieses nicht daran dachte, aus der Ehe auszubrechen. Entgegen der Auffassung der Revision konnte die Kammer in diesem Zusammenhang auch den Zeitpunkt der Abhebung der 4.000 DM – zehn Tage vor einer etwaigen „Flucht” – als wesentliches gegen eine solche „Flucht” sprechendes Indiz werten. Daß die Abhebung in dieser Zeit hätte entdeckt werden können, lag angesichts des Zeitraums – Monatsende/Monatsanfang – nahe. Zudem bestand Geldbedarf, weil die Eheleute ersichtlich größere Anschaffungen planten. Fehlerfrei ist die Kammer auch davon ausgegangen, daß die weiteren von ihr gewürdigten Indizien ihr Beweisergebnis stützen. Daß sie sich jedenfalls teilweise – wie der Revision zuzugeben ist – auch mit der Version der „heimlichen Flucht” und Tötung durch einen Dritten vereinbaren lassen, erschüttert die insgesamt recht breite Tatsachengrundlage nicht. Soweit die Kammer einzelne Umstände nicht ausdrücklich auch in dieser Richtung gewürdigt hat, ist auszuschließen, daß sie dies bei ihrer intensiven Auseinandersetzung gerade mit dieser Alternative übersehen hat. Ihre Schlußfolgerungen sind nachvollziehbar und möglich, zwingend müssen sie nicht sein.
2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Prüfung stand.
Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer einen minder schweren Fall nach § 213 1. Alt. StGB verneint. Zwar darf dem Täter kein Nachteil daraus erwachsen, daß er die Tat bestreitet und damit nicht in der Lage ist, Umstände vorzutragen, die sich strafmildernd auswirken können. Deshalb ist in solchen Fällen von der für den Angeklagten günstigsten Möglichkeit auszugehen, die nach den gesamten Umständen in Betracht kommt (vgl. BGHR StGB § 213 Beweiswürdigung 1 m.w.N.). Der Zweifelssatz bedeutet jedoch nicht, daß das Gericht von der dem Angeklagten jeweils (denkbar) günstigsten Fallgestaltung auch dann ausgehen muß, wenn hierfür keine Anhaltspunkte bestehen (st. Rspr.; BGH StV 2001, 666 f.). Solche Anhaltspunkte hat die Strafkammer hier zu Recht nicht gesehen. Denn allein die Tatsache, daß der Angeklagte sich im Verlauf eines Streites mit K. W. zu einer derartigen Gewalttat hinreißen ließ, legt für sich genommen noch nicht nahe, daß es zu einer Tatprovokation durch das Tatopfer gekommen ist. Nichts anderes hat die Strafkammer mit der allerdings mißverständlichen Formulierung, daß ein solcher Streit nicht „zwingend mit einer Mißhandlung … oder Beleidigung durch das Opfer verbunden gewesen sein” muß, zum Ausdruck bringen wollen. Auch die übrigen Strafzumessungserwägungen sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Otten, Rothfuß, Fischer, Roggenbuck
Fundstellen
Haufe-Index 2558739 |
NStZ-RR 2003, 166 |