Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob ein in den Verkaufsbedingungen enthaltener und aufgrund jahrelanger Geschäftsbeziehungen dem Käufer bekannter Eigentumsvorbehalt trotz einer Abwehrklausel in den Einkaufsbedingungen als sogenannter nachträglicher Eigentumsvorbehalt wirksam geworden ist.
Normenkette
BGB §§ 455, 929
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 07.04.1981) |
LG Stuttgart |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. April 1981 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Firma Kl. GmbH & co. KG (künftig Gemeinschuldnerin) bestellte Anfang August 1979 fernmündlich bei der Klägerin, mit der sie schon seit Jahren in Geschäftsverbindung stand, Fahrgestelle für Steinbrechanlagen. Am 8. August 1979 übersandte die Klägerin der Gemeinschuldnerin „Auftragsbestätigungen” in denen sie auf ihre beiliegenden Verkaufs- und Lieferungsbedingungen hinwies. In Nr. VI dieser Bedingungen behielt sich die Klägerin das Eigentum an den Fahrgestellen vor. Mit Schreiben vom 14. August 1979 schickte die Gemeinschuldnerin der Klägerin unter Bezugnahme auf ihre auf der Rückseite abgedruckten Einkaufsbedingungen „Bestellungen” für die Fahrgestelle. In diesen Einkaufsbedingungen heißt es u.a.:
„Wir bestellen unter Zugrundelegung unserer Einkaufsbedingungen. Andere Bedingungen werden nicht Vertragsinhalt, auch wenn wir ihnen nicht ausdrücklich widersprechen.”
Am 5. Dezember 1979 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Anschlußkonkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Dieser lehnte am 10. Dezember 1979 die von der Klägerin geltend gemachten „Eigentumsvorbehaltsrechte” an zwei Fahrgestellen ab.
Da die in Steinbrechanlagen eingebauten Fahrgestelle nach Eröffnung des Anschlußkonkursverfahrens veräußert worden waren, erhob die Klägerin Klage auf Zahlung von 46.239,60 DM nebst Zinsen, des angeblichen „Gesamtlieferwertes” der beiden Fahrgestelle. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.
Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten entsprechend ihrem Antrag.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht ist zu Recht der Auffassung, daß ein Eigentumsvorbehalt nicht vereinbart worden war.
1. Es hat festgestellt, daß der Vertrag der Gemeinschuldnerin mit der Klägerin bei der fernmündlichen Bestellung Anfang August 1979 zustande gekommen war, weil die Vertragspartner sich dabei über alle wesentlichen Bestandteile des Kaufs der Fahrgestelle geeinigt hatten. Das wird von der Revision nicht beanstandet und läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
2. Die „Auftragsbestätigungen” der Klägerin wurden demnach erst nach Vertragsschluß der Beklagten zugesandt. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß infolgedessen die „Auftragsbestätigungen” der Klägerin kaufmännische Bestätigungsschreiben waren. Während nämlich die Auftragsbestätigung die Annahme eines Vertragsangebots ist, setzt das kaufmännische Bestätigungsschreiben einen bereits zustande gekommenen oder doch zumindest nach Ansicht des gutgläubigen Bestätigenden rechtswirksam abgeschlossenen Vertrag voraus, den es überwiegend zu Beweiszwecken inhaltlich festlegen und in Nebenpunkten ergänzen soll (BGHZ 61, 282, 285 m.w.Nachw.).
3. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben dann nicht als Zustimmung gilt, wenn der Bestätigende angesichts des Inhalts des Bestätigungsschreibens von vornherein nicht mit einer widerspruchslosen Hinnahme durch den Vertragspartner rechnen und daher dessen Schweigen nach Treu und Glauben nicht als stillschweigende Zustimmung ansehen kann (BGHZ 61, 282, 286 m.w.Nachw.). So war es hier. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts kannte die Klägerin die Einkaufsbedingungen der Gemeinschuldnerin, insbesondere die oben im Tatbestand wiedergegebene Abwehrklausel. Die Klägerin und die Gemeinschuldnerin standen nämlich seit Jahren in Geschäftsbeziehungen, ohne eine Klärung hinsichtlich der Geltung der Verkaufsbedingungen der Klägerin oder der Einkaufsbedingungen der Gemeinschuldnerin herbeizuführen, weil man – wie das Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt hat – diese Frage nicht „hochspielen” wollte, um die Durchführung der Verträge nicht zu gefährden. Unter diesen Umständen konnte die Klägerin, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht davon ausgehen, daß die Beklagte nunmehr die Verkaufsbedingungen der Klägerin akzeptieren werde (vgl. Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, Kommentar zum Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen § 2 Rdn. 57 m.w.Nachw.).
4. Da auch Nr. I 1 Satz 2 der Verkaufsbedingungen der Klägerin eine Abwehrklausel enthält, wurden die ebenfalls erst nach Vertragsschluß übersandten Einkaufsbedingungen der Gemeinschuldnerin gleichfalls nicht Vertragsinhalt. Es ist daher unerheblich, ob durch die Abwehrklausel in den Einkaufsbedingungen lediglich die von diesen abweichenden Verkaufsbedingungen der Klägerin, dagegen nicht zusätzliche Bedingungen – wie der Eigentumsvorbehalt – ausgeschlossen wurden, denen die Gemeinschuldnerin nicht ausdrücklich widersprochen hatte (vgl. dazu Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, a.a.O. § 2 Rdn. 47 m.w.Nachw.; Staudinger/Schlosser, § 2 AGBG Rdn. 85; BGH Urteil vom 30. Mai 1979 – VIII ZR 232/78 = MM 1979, 805 = NJW 1979, 2199). Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob möglicherweise in einem formularmäßigen Ausschluß der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts eine unangemessene Beeinträchtigung des Vertragspartners gemäß § 9 Abs. 1 AGBG läge (vgl. BGHZ 78, 305).
II. Die Klägerin hat sich nämlich das Eigentum an den Fahrgestellen durch nachträgliche Erklärung wirksam vorbehalten.
1. Einen derartigen Eigentumsvorbehalt hat das Berufungsgericht nicht geprüft, weil die Klägerin – so meint es – ihren Klageanspruch hierauf nicht gestützt habe. Mit dieser Beurteilung hat das Berufungsgericht die Bedeutung des Vortrags der Klägerin verkannt. Das Vorbringen der Klägerin ist nämlich dahin zu verstehen, daß es nach ihrer Rechtsauffassung deshalb nicht darauf ankomme, ob sie nachträglich einen Eigentumsvorbehalt erklärt habe, weil ein Eigentumsvorbehalt schuldrechtlich vereinbart worden sei.
2. a) Das Berufungsgericht hat nicht ausdrücklich festgestellt, daß die Gemeinschuldnerin den in den Verkaufsbedingungen der Klägerin enthaltenen Eigentumsvorbehalt kannte. Doch ist es ersichtlich von einer Kenntnis der Gemeinschuldnerin ausgegangen. Zudem hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, daß die Gemeinschuldnerin die Verkaufsbedingungen der Klägerin einschließlich des Eigentumsvorbehalts gekannt habe.
b) Dann aber hat die Klägerin die Fahrgestelle nicht bedingungslos übereignet. In der Übergabe der Ware an den Käufer ist zwar grundsätzlich ein Angebot zur bedingungslosen Übereignung zu sehen. Das gilt jedoch dann nicht, wenn ein Eigentumsvorbehalt vereinbart worden war oder wenn bei der Übergabe dem Käufer ein nachträglicher (vertragswidriger) Eigentumsvorbehalt zuging und dem Käufer die Kenntnisnahme von diesem Eigentumsvorbehalt zumutbar war (vgl. BGH Urteile vom 25. Oktober 1978 – VIII ZR 206/77 = WM 1978, 1322 = NJW 1979, 213 und vom 30. Mai 1979 – VIII ZR 232/78 = WM 1979, 805 = NJW 1979, 2199; vgl. auch Senatsurteil vom 3. Februar 1982 – VIII ZR 316/80 = WM 1982, 486 = ZIP 1982, 447 mit Arm. Hermann-Josef Bunte) oder wenn der Käufer den in den Verkaufsbedingungen des Verkäufers enthaltenen Eigentumsvorbehalt gar kannte. Der letzte Fall ist hier gegeben. War der in den Verkaufsbedingungen der Klägerin enthaltene Eigentumsvorbehalt der Gemeinschuldnerin bekannt, so wußte diese nämlich, daß die Übergabe der Fahrgestelle nicht als Angebot zur bedingungslosen Übereignung zu verstehen war, daß vielmehr das Übereignungsangebot unter der Bedingung der Zahlung des Kaufpreises stand.
III. Die Klägerin war somit Eigentümerin der beiden Fahrgestelle geblieben und hatte einen Anspruch auf deren Herausgabe. Da die Fahrgestelle mit den Steinbrechern in der Zwischenzeit veräußert wurden, könnte die Klägerin gemäß § 46 KO Ersatzaussonderung beanspruchen, wenn der von dem Beklagten für die Fahrgestelle erzielte Erlös nicht mit Massegeldern vermengt worden wäre (Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. § 59 Rdn. 12). Andernfalls stünden der Klägerin Ansprüche aus §§ 812 ff BGB, 59 Abs. 1 Nr. 4 KO oder aus §§ 989 BGB, 59 Abs. 1 Nr. 1 KO zu. Bei dem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung käme es wiederum darauf an, welchen Erlös der Beklagte erzielt hatte. Lägen die Voraussetzungen des § 989 BGB vor, so konnte die Klägerin vollen Schadensersatz einschließlich des entgangenen Gewinns beanspruchen (BGB-RGRK, 10. Aufl. § 989 Rdn. 18 m.w.Nachw.; Jaeger/Lent, a.a.O. § 59 Rdn, 12; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO, 9. Aufl. § 9 Rdn. 19). Das Urteil des Berufungsgerichts kann mithin keinen Bestand haben. Da Feststellungen zur Höhe des Anspruchs der Klägerin erforderlich sind, war das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Diesem war auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen, weil sie vom endgültigen Erfolg oder Mißerfolg der Klage abhängt.
Unterschriften
Braxmaier, Dr. Hiddemann, Hoffmann, Wolf, Treier
Fundstellen
Haufe-Index 1134365 |
NJW 1982, 1751 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1982, 845 |