Leitsatz (amtlich)
›Der Schiedsspruch beruht auf einem unzulässigen Verfahren, wenn das Schiedsgericht nicht vorschriftsmäßig besetzt ist. Das ist der Fall, wenn der Schiedsrichter geschäftsunfähig geworden ist. Eine bloße Minderung der geistigen Kräfte des Schiedsrichters, die noch durch das Bestimmungsrecht der Parteien gedeckt ist, reicht nicht aus. Allenfalls können dann die Parteien zur Ablehnung des Schiedsrichters berechtigt sein.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien waren Partner eines Schiffbauvertrages. Nach dessen Scheitern hat die Antragsgegnerin in einem Schiedsgerichtsverfahren, in dem der Vorsitzende Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht Dr. L. als Obmann sowie Z. und Rechtsanwalt L. als Beisitzer mitgewirkt haben, die der Antragstellerin geleistete Anzahlung von 11.096.000,-- DM zurückgefordert.
Mit (Haupt-)Schiedsspruch vom 25. April 1980 hat das Schiedsgericht die Klage abgewiesen und mit Ergänzungsschiedsspruch vom 31. Juli 1980 die Antragsgegnerin verurteilt, der Antragstellerin Verfahrenskosten in Höhe von 101.160,10 DM nebst Zinsen zu erstatten.
Die Antragstellerin betreibt die Vollstreckbarerklärung des Ergänzungsschiedsspruchs. Dem hat die Antragsgegnerin mit der Begründung widersprochen, das Schiedsgericht sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil der Schiedsrichter Z. bei Erlaß beider Entscheidungen nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen sei.
Das Berufungsgericht hat der Antragsgegnerin gemäß § 356 ZPO Gelegenheit gegeben, die Einwilligung des Z. in seine psychiatrische Untersuchung beizubringen. Daraufhin hat sie gegen ihn Klage erhoben mit den Anträgen, ihn zu verurteilen,
1. in eine Untersuchung durch einen vom Gericht zu bestimmenden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie einzuwilligen zum Zwecke der Feststellung, ob er in der Zeit vom 10. August 1979 bis zum 25. August 1980 infolge Verfalls seiner Geisteskraft nicht in der Lage gewesen ist, verantwortlich als Schiedsrichter tätig zu sein, und an dieser Untersuchung mitzuwirken,
2. einzuwilligen, daß das von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. unter dem 20. November 1980 über den Gesundheitszustand des Z. erstattete Gutachten in gerichtlichen Verfahren und zur Erstattung medizinischer Gutachten verwendet wird.
Das unter Ziff. 2 erwähnte Gutachten befaßt sich auf der Grundlage ärztlicher Untersuchungen des Z. mit der von der Antragsgegnerin für klärungsbedürftig gehaltenen Frage nach seinem Geisteszustand. Z. hatte die prozessuale Verwertung des Gutachtens zunächst gestattet, seine Einwilligung jedoch später widerrufen.
Die gegen Z. gerichtete Klage ist in beiden Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Das Verfahren ist derzeit unter dem Aktenzeichen III ZR 233/84 beim erkennenden Senat anhängig.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Landgericht den Ergänzungsschiedsspruch für vollstreckbar erklärt. Das Oberlandesgericht hat die von der Antragsgegnerin eingelegte Berufung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Antragsgegnerin.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht weist die Besetzungsrüge mit der Begründung zurück, es stehe nicht fest und sei auch mit den Mitteln des Zivilprozesses nicht beweisbar, daß Z. zur Zeit seiner Mitwirkung an den Schiedssprüchen außerstande gewesen sei, verantwortlich als Schiedsrichter zu handeln. Die Einholung eines medizinischen Gutachtens scheiterte daran, daß Z. es abgelehnt habe, sich einer Begutachtung zu unterziehen, und er dazu mangels einer gesetzlichen Ermächtigung auch nicht gezwungen werden könne. Eine Begutachtung ohne persönliche Untersuchung und Befragung verspreche keinen Erfolg. Sie könnte sich nur auf das Privatgutachten Dr. P., dessen prozessuale Verwertbarkeit zweifelhaft sei, und auf die Zeugenaussagen stützen. Diese Erkenntnisquellen seien jedoch für die Begutachtung unergiebig.
Das hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
I. Der Antrag, einen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, ist unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen, wenn einer der in § 1041 ZPO bezeichneten Aufhebungsgründe vorliegt (§ 1042 Abs. 2 ZPO). Die Aufhebung kann u.a. dann beantragt werden, wenn der Schiedsspruch auf einem unzulässigen Verfahren beruht (§ 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Ein solcher Fall ist bei unvorschriftsmäßiger Besetzung des Schiedsgerichts gegeben (BGHZ 51, 255, 263; 54, 392, 400; BGH Urteil vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 232/71 = NJW 1973, 98).
Wirkt bei einem staatlichen Gericht ein geschäftsunfähiger Richter mit, so ist es nicht vorschriftsmäßig besetzt (RG JW 1928, 821; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 44. Aufl. § 551 Anm. 2). Fraglich ist, ob die Besetzungsrüge auch dann durchgreifen kann, wenn der staatliche Richter zwar nicht geschäftsunfähig, jedoch infolge krankhaften oder altersbedingten Verfalls seiner Geisteskraft nicht mehr imstande ist, einen Sachverhalt in seinen rechtserheblichen Strukturen zu erfassen, ihn unter Berücksichtigung erhobener Beweise tatsächlich und rechtlich zu würdigen und der Verhandlung wie der Beratung in dem gebotenen Umfang zu folgen. Es liegt im Interesse der Funktionsfähigkeit gerichtlicher Verfahren nahe, die Zulässigkeit einer solchen Rüge zu verneinen.
Indessen bedarf dies hier keiner abschließenden Entscheidung, weil für die Schiedsgerichtsbarkeit insoweit besondere Regeln gelten. Ein Schiedsgericht ist in derartigen Fällen nur dann nicht ordnungsgemäß besetzt, wenn der betreffende Richter seine Geisteskraft in solchem Maße eingebüßt hat, daß er geschäftsunfähig geworden ist. Das folgt aus dem Recht der Parteien, den Schiedsrichter frei zu bestimmen, also auch solche Personen zu Schiedsrichtern zu ernennen, die dieser Aufgabe geistig nicht gewachsen sind. Das Bestimmungsrecht wird insoweit allein durch § 104 BGB begrenzt; sind dessen Voraussetzungen erfüllt, so ist die Bestimmung unwirksam. Soweit dagegen die Tätigkeit des Schiedsrichters noch durch das Bestimmungsrecht gedeckt ist, liegt ein Fall unvorschriftsmäßiger Besetzung nicht vor. Allenfalls können die Parteien dann zur Ablehnung des Schiedsrichters berechtigt sein (Schlosser in Stein/Jonas ZPO 20. Aufl. § 1032 Rn. 29; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1032 Anm. 2 D).
II. Vergeblich rügt die Revision, daß das Berufungsgericht Z. nicht für verpflichtet hält, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen und dabei mitzuwirken. Sie übersieht, daß er nicht Partei dieses Rechtsstreits ist und seine Verpflichtung daher in diesem Verfahren nicht Gegenstand der Prüfung sein kann. Im übrigen besteht die von der Revision angenommene Verpflichtung nicht. Das hat der Senat im Verfahren III ZR 233/84 mit Urteil vom heutigen Tage entschieden. Danach kann ein Schiedsrichter - bei Fehlen einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung des hier streitigen Punktes - auch dann nicht zu einer psychiatrischen Untersuchung gezwungen werden, wenn ernsthafte Zweifel bestehen, ob er infolge krankhaften oder altersbedingten Verfalls seiner Geisteskraft dem Schiedsrichteramt gewachsen ist oder bei Erlaß des Schiedsspruchs gewachsen war. Eine solche Maßnahme würde ihn in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Persönlichkeitsrecht verletzen. Sie kann deshalb nicht gegen seinen Willen angeordnet werden.
III. Entgegen der Auffassung der Revision ist auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Geisteszustand des Z. nicht auf der Grundlage des vorhandenen Prozeßstoffs, insbesondere des Privatgutachtens Dr. P., durch einen Sachverständigen hat begutachten lassen.
Das Gutachten Dr. P. ist als Privatgutachten urkundlich belegter Parteivortrag (Senatsurteil vom 27. Mai 1982 - III ZR 201/80 = NJW 1982, 2874, 2875). Seine Verwertung als Sachverständigengutachten ist nur mit Zustimmung beider Parteien zulässig (Zöller/Stephan ZPO 14. Aufl. § 402 Rn. 2). Die Antragstellerin hat jedoch der Verwertung widersprochen.
Eine Verwertung des Gutachtens Dr. P. als urkundlich belegter Parteivortrag kann nicht zu der von der Klägerin erstrebten Aufhebung des Schiedsspruchs führen. Die Aufhebung käme nur dann in Betracht, wenn nicht auszuschließen wäre, daß ein gerichtlicher Sachverständiger allein auf der Grundlage des Privatgutachtens und der Zeugenaussagen zu dem Schluß kommen könnte, daß Z. infolge Verfalls seiner Geisteskraft nicht mehr in der Lage gewesen ist, verantwortlich als Schiedsrichter tätig zu sein. Das hat das Berufungsgericht indessen im Ergebnis rechtsfehlerfrei verneint. Dabei hat es nicht verkannt, daß angesichts der einander widersprechenden Zeugenaussagen die Beantwortung der Frage, ob ein Sachverständigengutachten einzuholen war, entscheidend vom Beweiswert des Gutachtens Dr. P. abhängt. Nur wenn dessen Aussagekraft ersichtlich so gering ist, daß es als taugliche Grundlage für ein gerichtliches Gutachten ausscheidet, durfte von der Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe abgesehen werden.
Ob das Berufungsgericht den Inhalt des Privatgutachtens in allen Punkten richtig wiedergegeben hat, kann dahinstehen. Wenn es den Beweiswert des Gutachtens für so gering erachtet, daß ein gerichtlicher Sachverständiger darauf keine Begutachtung stützen kann, so ist dies jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Wertungen des Privatgutachters beruhen nämlich, worauf er selbst ausdrücklich hinweist, weitgehend auf Vorgängen und Erkenntnissen aus der letzten Untersuchung des Z. vorausgegangenen Behandlungszeit, die im Gutachten nur bruchstückhaft wiedergegeben sind. Es fehlt die gesamte Krankengeschichte; Krankenpapiere aus der Zeit der ambulanten und stationären Behandlung sind weder beigefügt noch inhaltlich wiedergegeben; welche Methoden der Gutachter - abgesehen von der persönlichen Befragung des Z. - zur Erlangung seiner Erkenntnisse angewandt hat, bleibt unerwähnt. Gehen danach die wesentlichen Grundlagen der Begutachtung aus dem Gutachten selbst nicht hervor, so könnte nur eine ergänzende Vernehmung des Dr. P. als sachverständiger Zeuge die fehlenden Angaben erbringen und damit die Voraussetzungen schaffen, unter denen die Einholung eines Sachverständigengutachtens ohne eine Untersuchung des Z. geboten wäre. Dr. P. steht jedoch als Zeuge nicht zur Verfügung; er hat das Zeugnis verweigert, nachdem Z. seine Dr. P. gegenüber abgegebene Erklärung, er entbinde ihn von der Verschwiegenheitspflicht, widerrufen hat. Gegen die Zulässigkeit des Widerrufs bestehen in einem solchen Fall keine Bedenken (Zöller/Stephan § 385 Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 385 Anm. 2 c).
IV. Ebensowenig dringt die Revision mit der Rüge durch, das Berufungsgericht hätte den vorliegenden Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die von der Antragsgegnerin gegen Z. erhobene Klage gemäß § 148 ZPO aussetzen müssen.
Es ist schon zweifelhaft, ob hier die Voraussetzungen, unter denen eine Aussetzung zulässig ist, erfüllt waren. § 148 ZPO dient dem Zweck, eine doppelte Prüfung derselben Frage in mehreren Prozessen zu vermeiden (Schumann in Stein/Jonas ZPO 20. Aufl. § 148 Rn. 4). Dagegen ist die Aussetzung grundsätzlich nicht dazu bestimmt, den Parteien die Möglichkeit zu Beschaffung von Prozeßunterlagen zu geben (Wieczorek ZPO 2. Aufl. § 148 Anm. A II a 3). Darum ging es hier jedoch. Ziel der von der Antragsgegnerin gegen Z. erhobenen Klage war die Erlangung eines (weiteren) Beweismittels für das Vollstreckbarkeitsverfahren. Es liegt nahe, in solchen Fällen, wie das Berufungsgericht dies getan hat, nach § 356 ZPO zu verfahren und die Zulässigkeit einer Aussetzung (nach Erhebung der auf die Erlangung des Beweismittels gerichteten Klage) zu verneinen (Wieczorek aaO; vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 148 Anm. 1 E).
Die Revision könnte aber auch dann keinen Erfolg haben, wenn eine Aussetzung zulässig gewesen wäre. Die Antragsgegnerin ist nämlich schon jetzt so gestellt, als hätte das Berufungsgericht die Aussetzung angeordnet. Nicht nur die Vorinstanz, sondern auch der erkennende Senat hat in beiden Verfahren gleichzeitig entschieden. Damit war gewährleistet, daß das Ergebnis der Sache III ZR 233/84 bei der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits berücksichtigt werden konnte. Mehr hätte die Antragsgegnerin auch im Falle der Aussetzung nicht erreichen können.
Fundstellen
Haufe-Index 2992851 |
BB 1987, 299 |
NJW 1986, 3079 |
DRsp IV(432)129f-g |
WM 1986, 1331 |
MDR 1986, 1005 |