Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassene Anzeige gefahrerhöhender Betriebserweiterung. Leistungsfreiheit des Versicherers § 23 VVG. Gesamtabwägung der jeweiligen Gefahrenlagen durch den Tatrichter

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Frage der Leistungsfreiheit des Versicherers nach den §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG ist die Gefahrenlage bei Abschluss des Versicherungsvertrages mit derjenigen zu vergleichen, die nach einer Veränderung der für die versicherte Gefahr maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Dabei ist die jeweilige Gefahrenlage auf Grund einer Gesamtabwägung aller gefahrrelevanten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Wie die Versicherer bestimmte Umstände bewerten und wie sich diese Umstände auf die Prämiengestaltung auswirken, hat in diesem Zusammenhang zwar erhebliche Indizwirkung, ersetzt die vom Tatrichter geforderte eigene Gesamtabwägung aber nicht.

 

Normenkette

VVG § 23 Abs. 1, § 25 Abs. 1; AFB §§ 87, 6 Nr. 2

 

Verfahrensgang

Brandenburgisches OLG

LG Potsdam

 

Tenor

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt vom beklagten Versicherer aus einer gebündelten Sachversicherung Ersatz für ein durch einen Brand am 12.5.1994 weitgehend zerstörtes Gaststättengebäude.

Das ursprünglich in Volkseigentum der DDR stehende Gaststättengrundstück wurde noch vor In-Kraft-Treten des Einigungsvertrages an private Erwerber verkauft, die es ihrerseits mit Kaufvertrag v. 19.3.1992 an eine aus den jetzigen Liquidatoren der Klägerin bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) weiterveräußerten. Mit Übergabe des Grundstücks (1.4.1992) vermietete die GbR dieses an die Klägerin, die es fortan bis zum Frühjahr 1994 nutzte. Die genannten Grundstückskaufverträge sind später nicht vollzogen worden, statt dessen wurde das Gaststättengrundstück 1998 an den früheren Rechtsträger, die Gemeinde, zurückverkauft.

Am 29.3.1993 hatte die Klägerin den Abschluss der gebündelten Sachversicherung beantragt. Auf einem ergänzenden Fragebogen für Gaststättenhotels, Vergnügungslokale und ähnliche Betriebe war zur Bestimmung der Art des zu versichernden Betriebes angegeben worden: Restaurant/Speiselokal mit Tanz. Ergänzend ist vermerkt:

"Unregelmäßige Gesellschaftstanzveranstaltungen möglich (z. B. Klassentreffen, Brigadeabende, Seniorentreffen usw.), geschlossene Gesellschaften, eventuell 14-tägig? ist noch in Planung ohne Diskothek."

Dem darauf mit Versicherungsbeginn am 1.4.1993 zu Stande gekommenen Vertrag liegen u. a. die Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung (AFB 87) und die Sonderbedingungen für die gleitende Neuwertversicherung (SIGN 88) zu Grunde.

Etwa ab Juni 1993 verpachtete die Klägerin den Gaststättenbetrieb. Der Pächter betrieb fortan eine Schankwirtschaft und nutzte die Gaststätte an Wochenenden auch als Diskothek. Allerdings lief der Diskothekenbetrieb nach dem Jahreswechsel 1993/94 aus, nachdem die Küche von den zuständigen Behörden wegen mangelnder Hygiene geschlossen und die Stromversorgung infolge unbezahlter Rechnungen eingestellt worden war. Der Pächter räumte das Objekt zum 31.3.1994, seither wurde das Gebäude nicht mehr genutzt.

Anfang April 1994 kam es zu zwei Einbrüchen in das leer stehende Gebäude, wobei die Täter Vandalismusschäden an Fenstern und Türen hinterließen. Mehrfach wurden Fenster und Türen zu Sicherungszwecken vernagelt.

Nach dem Brand v. 12.5.1994 machte die Klägerin aus der Feuerversicherung einen auf 960.000 DM bezifferten Neuwertschaden geltend. Die Beklagte lehnte eine Regulierung ab und kündigte statt dessen das Versicherungsverhältnis mit Schreiben v. 3.6.1994 fristlos, weil die Klägerin mehrere Gefahrerhöhungen vorgenommen habe. Denn zurzeit des Brandes sei die Gefahrenlage hinsichtlich des Feuerrisikos gemessen am Zustand zu Beginn des Versicherungsverhältnisses erheblich erhöht gewesen. Im Laufe des Jahres 1993 sei an Wochenenden eine Diskothek betrieben worden; Diskothekenbetriebe versichere sie wegen des hohen Risikos schon seit 25 Jahren nicht mehr. Der Niedergang des Gaststättenbetriebes habe sich bereits Monate vor Rückgabe des Objekts durch den Pächter abgezeichnet. Die Klägerin habe beabsichtigt, das Gebäude abzureißen, und es deshalb dem Verfall preisgegeben. Der Brand sei der Klägerin insoweit sehr gelegen gekommen. Im Übrigen sei allenfalls der gemeine Wert des Gebäudes zu erstatten.

Dem hält die Klägerin entgegen, es sei geplant gewesen, das alte Gebäude aufzustocken und daneben einen Neubau (Bettenhaus) zu errichten. Einen Abriss des alten Gebäudes habe sie nicht beabsichtigt. Das Gebäude habe bis zum Brand auch viel zu kurz leer gestanden, um von einer Gefahrerhöhung zu sprechen. Überdies habe sie alles getan, um mögliche gefahrerhöhende Umstände auszuschalten. Der angebliche Zustand des Gebäudes sei im Übrigen nicht kausal für den Brand, der Diskothekenbetrieb sei längst eingestellt gewesen.

Mit Urteil v. 15.5.1997 hat das LG die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat am 25.3.1999 die Berufung der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, der Versicherungsvertrag sei mangels eines in der Person der Klägerin, ihrer Gesellschafter und der von ihnen gegründeten GbR bestehenden versicherten Interesses gegenstandslos. Das beruhe darauf, dass die Genannten nicht Eigentümer des versicherten Objekts geworden seien und auch zu keiner Zeit eine gesicherte Erwerbsaussicht gehabt hätten.

Der Senat (BGH, Urt. v. 18.10.2000 - IV ZR 100/99, MDR 2001, 215 = VersR 2001, 53) hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Im nunmehr angefochtenen Berufungsurteil v. 26.6.2003 ist die Berufung der Klägerin erneut zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt wieder zur Aufhebung des Berufungsurteils. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 S. 2 ZPO Gebrauch und verweist die Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.

I. Das Berufungsgericht führt aus:

1. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Brand v. 12.5.1994 auf Veranlassung der Geschäftsführer der Klägerin gelegt worden sei oder sie den Versicherungsfall in anderer Weise vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt hätten.

2. Leistungsfreiheit nach den §§ 23, 25 VVG, 6 Nr. 2 AFB 87 sei auch nicht schon dadurch eingetreten, dass das Gebäude leer gestanden habe und zunehmend verwahrlost sei. Denn zum einen stellten der Auszug bisheriger Bewohner und das bloße Leerstehenlassen eines Wohngebäudes oder Gewerbeobjekts nach der Rechtsprechung für sich genommen noch keine Gefahrerhöhung dar. Zum anderen handele es sich bei dem - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erst ab April 1994 einsetzenden - Verrottungs- und Verwilderungsprozess, der insbesondere durch die während zweier Einbrüche verursachten Vandalismusschäden gekennzeichnet sei, nicht um eine gewollte Maßnahme des Versicherungsnehmers i. S. v. § 23 Abs. 1 VVG. Vielmehr habe die Klägerin sogar eine Reihe von Sicherungsmaßnahmen ergriffen (Bauzaun, behelfsmäßige Reparatur einer Fensterscheibe, Vernageln von Fenstern und Türen). Die ab April 1994 fortschreitende Verwahrlosung sei deshalb allein an den Regeln über die nicht veranlasste Gefahrerhöhung (§§ 27 ff. VVG) zu messen. Die Klägerin habe zwar spätestens innerhalb einer Woche nach dem zweiten Einbruch die Beklagte über die erhöhte Gefahrenlage unterrichten müssen. Die Beklagte sei aber deshalb nicht leistungsfrei geworden, weil - wie das Berufungsurteil näher ausführt - der Versicherungsfall noch innerhalb der Monatsfrist des § 28 Abs. 1 VVG eingetreten sei.

3. Die Beklagte sei aber nach den §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG, 6 Nr. 4 AFB 87 leistungsfrei geworden, weil die Klägerin ihr eine gefahrerhöhende Betriebserweiterung, nämlich den Diskothekenbetrieb im zweiten Halbjahr 1993, nicht angezeigt habe.

Nach der Beweisaufnahme hätten die Geschäftsführer der Klägerin von der Änderung des Betriebes - Diskothekenveranstaltungen an mindestens zwei Wochenenden im Monat, manchmal auch an jedem Wochenende - Kenntnis gehabt. Es liege auf der Hand und sei im Übrigen durch die Beweisaufnahme bestätigt, dass bei Diskotheken das Brandrisiko besonders groß sei. Wie ein Zeuge vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft anhand statistischen Materials glaubhaft bekundet habe, sei das Brandrisiko bei Diskotheken sowohl hinsichtlich der Schadenshöhe als auch der Schadenshäufigkeit signifikant höher als bei gewöhnlichen Gaststätten. Das habe nach den Angaben einer weiteren Zeugin aus der Versicherungswirtschaft zu deutlich höheren Prämiensätzen und Jahresnettoprämien für Diskotheken geführt. Diese erhöhten Prämien würden auch dann noch erhoben, wenn eine Diskothek ihren Betrieb eingestellt habe. Denn auch die Stilllegung werde von den Versicherern als gefahrerhöhender Umstand bewertet. Diskotheken seien im Übrigen im fraglichen Zeitraum nur noch von einer aus zehn Versicherungsgesellschaften bestehenden Zeichnungsgemeinschaft versichert worden. Der Gruppenleiter der Abteilung Sachversicherung der Beklagten habe insoweit glaubhaft bekundet, dass die Beklagte das Objekt bei Kenntnis der Diskothekenveranstaltungen nicht versichert hätte.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht verkennt, dass weder die AFB 87 noch das Versicherungsvertragsgesetz an die Verletzung der Obliegenheit aus § 6 Nr. 4 AFB 87, eine Betriebsaufnahme oder -veränderung unverzüglich anzuzeigen, die Sanktion der Leistungsfreiheit des Versicherers knüpfen. Nur für den Fall, dass mit der Betriebsaufnahme oder -veränderung zugleich eine Gefahrerhöhung verbunden ist, verweist § 6 Nr. 4 AFB 87 auf die gesetzlichen Regelungen der §§ 23 bis 30 VVG. Grund für eine mögliche Leistungsfreiheit des Versicherers ist dann aber nicht die Verletzung der Anzeigeobliegenheit, sondern die Gefahrerhöhung selbst (§§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG, vgl. dazu Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 6 AFB 87 Rz. 3).

2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Denn auf der Grundlage der bisherigen tatrichterlichen Würdigung lässt sich nicht entscheiden, ob die Beklagte wegen der mit dem Diskothekenbetrieb möglicherweise verbundenen Gefahrerhöhung nach den §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG, 6 Nr. 2 AFB 87 leistungsfrei ist.

a) Es fehlt insoweit eine einzelfallbezogene Gesamtbewertung der für die Gefahranalyse maßgeblichen Umstände.

aa) Durch die Vorschriften über die Gefahrerhöhung (§§ 23 ff. VVG) soll das Gleichgewicht zwischen dem vom Versicherer übernommenen Risiko und der vereinbarten Prämie erhalten werden; der Versicherer soll nicht gezwungen sein, am Versicherungsvertrag festzuhalten, obwohl das Verhältnis zwischen Prämie und Risiko nicht mehr der Risikolage entspricht, die er bei Abschluss des Versicherungsvertrags voraussetzen durfte. Dabei ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise geboten. Es kommt nicht darauf an, ob einzelne neue Gefahrenquellen (hier der vorübergehende Diskothekenbetrieb) entstanden sind, sondern darauf, ob sich die Risikolage insgesamt gesehen erhöht hat (BGH, Urt. v. 6.6.1990 - IV ZR 142/89, MDR 1990, 991 = VersR 1990, 881 unter III; v. 11.12.1980 - IVa ZR 18/80, BGHZ 79, 156 [158, 159] = MDR 1981, 296). Der BGH hat beispielsweise mehrfach darauf hingewiesen, dass das Leerstehen eines Gebäudes in der Feuerversicherung keineswegs immer eine Gefahrerhöhung bedeutet, weil dadurch zwar manche neuen Gefahrenquellen entstehen, andere aber wegfallen (BGH, Urt. v. 6.6.1990 - IV ZR 142/89, MDR 1990, 991 = VersR 1990, 881 unter III, m. w. N.). Für die Frage der Leistungsfreiheit nach den §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG ist deshalb die Gefahrenlage bei Abschluss des Versicherungsvertrages mit derjenigen zu vergleichen, die nach einer Veränderung der für die versicherte Gefahr maßgeblichen Umstände eingetreten ist, wobei die jeweilige Gefahrenlage auf Grund einer Gesamtabwägung aller gefahrrelevanten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen ist. Dabei sind alle aus dem Parteivortrag ersichtlichen gefahrerheblichen Tatsachen in Betracht zu ziehen. Soweit gefahrerhöhenden Umständen gefahrvermindernde entgegenstehen, sind sie gegeneinander abzuwägen (sog. Gefahrkompensation, vgl. dazu BGH v. 11.12.1980 - IVa ZR 18/80, BGHZ 79, 156 [158] = MDR 1981, 296 m. w. N.; Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., N III Rz. 18 ff.; Langheid in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., §§ 23-25 Rz. 31 ff.; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 23 Rz. 15, jeweils m. w. N.) Wie die Versicherer bestimmte Umstände bewerten und wie sich diese Umstände auf die Prämiengestaltung auswirken, kann zwar erhebliche Indizwirkung haben, die vom Tatrichter geforderte eigene Abwägung aber nicht ersetzen.

Aus der Entscheidung BGHZ 79, 156, 159, 160 (BGH v. 11.12.1980 - IVa ZR 18/80, BGHZ 79, 156 [159, 160] = MDR 1981, 296) ergibt sich nichts Anderes. Zwar ist dort ausgeführt, wenn feststehe, dass sowohl gefahrerhöhende als auch gefahrvermindernde Umstände vorlägen, obliege es dem Versicherer, näher darzutun, welches Gewicht diesen Umständen zukomme und wie sie sich auf die Entwicklung der Gefahr ausgewirkt hätten. Der Versicherer müsse sich insbesondere darüber erklären, welche Erkenntnisse der Versicherungswirtschaft über die Feuergefährlichkeit von Diskotheken vorlägen und welche Folgerungen daraus für die Prämienbemessung gezogen würden. Auch sei darzulegen, wie vom versicherungstechnischen Standpunkt aus das Brandrisiko einer stillgelegten Diskothek in einem nicht benutzten und mangelhaft gesicherten Gebäude zu beurteilen sei. Erst danach sei eine Abwägung der gefahrerhöhenden und gefahrvermindernden Umstände möglich. Der Darlegungspflicht könne durch Vorlage der maßgeblichen Prämienrichtlinien genügt werden.

Diese Ausführungen beziehen sich aber erkennbar auf die Sachlage in dem dort entschiedenen Fall. Sie dürfen nicht dahin missverstanden werden, dass sich die oben beschriebene Gesamtbewertung der gefahrerhöhenden und gefahrvermindernden Umstände regelmäßig schon in der Ermittlung der angesprochen versicherungstechnischen Daten erschöpft.

bb) Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Gefahrenlage mehrfach geändert hat. Insbesondere ist der vorübergehend über ein halbes Jahr an Wochenenden veranstaltete Diskothekenbetrieb vor dem Versicherungsfall eingestellt worden.

Eine Änderung der Gefahrenlage gegenüber der bei Vertragsschluss vorausgesetzten kann sich hier aus dem vorübergehenden, an den Wochenenden veranstalteten Diskothekenbetrieb ergeben. Eine dadurch möglicherweise eingetretene Gefahrerhöhung kann aber auch durch nachträglich eingetretene Umstände entfallen, so etwa hier durch die Einstellung des Diskothekenbetriebes, es sei denn, dass trotz der Einstellung die Gefahren dieses Betriebes fortwirken oder neue gefahrrelevante Umstände hinzutreten. Deshalb kommt es im vorliegenden Fall darauf an, ob sich nach Einstellung des Diskothekenbetriebes ein Zustand erhöhter Gefahr gegenüber dem bei Vertragsschluss vorausgesetzten feststellen lässt.

Dem Berufungsurteil ist schon nicht zu entnehmen, welche Fallumstände das Berufungsgericht neben den ermittelten versicherungsstatistischen Daten in seine Gefahrbewertung einbezogen hat. Die Ausführungen stehen teilweise in einem nicht hinreichend aufgelösten Widerspruch zu der Aussage, das bloße Leerstehenlassen auch gewerblicher Gebäude begründe noch keine Gefahrerhöhung. Andererseits wird die Gefahr einer betriebenen Diskothek ohne weiteres mit derjenigen einer stillgelegten zumindest gleichgesetzt, wobei anscheinend der Leerstand als solcher hinsichtlich der Feuergefahr als dem Diskothekenbetrieb gleichwertig angesehen wird. In welchen Merkmalen einer Diskothek gefahrerhöhende Umstände gesehen werden und inwiefern die Sachlage nach Beendigung des Diskothekenbetriebs hinsichtlich der Feuergefahr gleichwertig sein soll (welche Gefahrumstände entfielen, wodurch werden sie kompensiert?), lässt das Berufungsgericht selbst dann nicht ausreichend erkennen, wenn man annimmt, es habe die an anderer Stelle des Urteils erörterten Umstände des Leerstandes erneut in seine Betrachtung einbezogen. Auch bleibt offen, ob und inwieweit sich die dargestellten allgemeinen Überlegungen zur Gefährdung einer Diskothek auf den konkreten Einzelfall, bei dem der Diskothekenbetrieb nur auf Wochenenden beschränkt war, übertragen lassen.

b) Gemäß § 25 Abs. 3, Letzter Halbs. VVG tritt Leistungsfreiheit des Versicherers nicht ein, wenn die Gefahrerhöhung weder Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls noch auf den Schadensumfang hatte. Die Beweislast für diesen Kausalitätsgegenbeweis liegt beim Versicherungsnehmer. Das Berufungsurteil prüft die Kausalitätsfrage nicht. Ersichtlich kann aber jedenfalls der Diskothekenbetrieb selbst den Brand im Mai 1994 nicht mehr begünstigt haben, weil der Betrieb schon zum Jahreswechsel 1993/94 eingestellt war und das Gebäude seit April 1994 leer stand. Da das Berufungsurteil nicht deutlich macht, worin der Grund für die Fortdauer einer erhöhten, vom früheren Diskothekenbetrieb ausgehenden Brandgefahr auch noch nach Betriebsschließung zu sehen sein soll, lässt sich die Kausalitätsfrage auch nicht aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe beantworten.

Dass die Beklagte nicht bereit war, einen Diskothekenbetrieb zu versichern, führt nicht weiter. Denn insoweit sind die Rechte des Versicherers durch das in § 24 VVG geregelte Kündigungsrecht gewahrt. Das Kausalitätserfordernis des § 25 Abs. 3 VVG bezieht sich allein auf die tatsächliche Frage, ob die Gefahrerhöhung den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Schadensverlauf beeinflusst hat.

3. Soweit das Berufungsgericht Leistungsfreiheit der Beklagten gem. § 28 Abs. 1 VVG verneint hat, dringt die Revisionserwiderung mit der Gegenrüge nicht durch. Selbst wenn die Anzeige des ersten Einbruchs in das Gebäude bei der Polizei bereits am 8.4.1994 erstattet wurde, handelte die Versicherungsnehmerin hier auch dann noch unverzüglich i. S. d. § 27 Abs. 2 VVG, wenn sie die Anzeige an den Versicherer erst nach kurzer Frist erstattete. Denn dem Versicherungsnehmer muss Gelegenheit verbleiben, die Gefahrenlage auch unter Prüfung möglicher noch durchzuführender gefahrmindernder Maßnahmen einzuschätzen. Insoweit ist die vom Berufungsgericht der Versicherungsnehmerin zugebilligte kurze Prüfungszeit, bis zu deren Ablauf die Anzeige gegenüber dem Versicherer noch als unverzüglich anzusehen ist, hier nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1167218

BGHR 2004, 1154

NJW-RR 2004, 1098

MDR 2004, 1116

VersR 2004, 895

ZfS 2004, 370

GuT 2004, 181

IVH 2004, 148

JWO-VerbrR 2004, 218

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge