Leitsatz (amtlich)
Zur Ermittlung der Einkünfte eines unterhaltspflichtigen Alleingesellschafter-Geschäftsführers, der sich seine Geschäftsführerbezüge wegen rückläufiger Betriebsergebnisse herabgesetzt hat.
Normenkette
ZPO § 323; BGB § 1578
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 17.12.2002; Aktenzeichen 12 UF 93/02) |
AG Lingen |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision des Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats - 4. Senat für Familiensachen - des OLG Oldenburg v. 17.12.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um Abänderung eines Urteils über nachehelichen Ehegattenunterhalt.
Durch Urteil des OLG Oldenburg v. 1.10.1991 wurde der Beklagte u.a. verurteilt, an die Klägerin ab Januar 1990 monatlich nachehelichen Ehegattenunterhalt i.H.v. 500 DM zu zahlen. Dabei ging das Gericht von einem Einkommen des Beklagten i.H.v. monatlich 8.000 DM sowie von Vorsorgeaufwendungen i.H.v. monatlich 2.000 DM und Zahlungen auf Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 1.200 DM, mithin von einem anrechenbaren monatlichen Nettoeinkommen i.H.v. 4.800 DM (= 2.454,20 EUR) aus. Unter Berücksichtigung eines fiktiven Einkommens der Klägerin i.H.v. 370 DM hatte das Gericht daraus einen Unterhaltsbedarf der Klägerin i.H.v. gerundet 1.900 DM (3/7x 4.430 DM ?4.800 DM -- 370 DM ≫) errechnet. Auf diesen Bedarf wurde der Wohnvorteil für eine vom Beklagten der Klägerin mietfrei überlassene Wohnung i.H.v. 800 DM angerechnet. Weiterhin angerechnet wurde ein Betrag von monatlich 200 DM für Wohnkostenbeiträge der im Haushalt der Klägerin lebenden zwei Söhne sowie ein weiterer Betrag i.H.v. monatlich 400 DM für den Vorteil aus der sozio-ökonomischen Lebensgemeinschaft mit dem Zeugen R.
Die Klägerin, die seit Dezember 2002 Altersrente bezieht und Ende März 2002 aus der Wohnung des Beklagten ausgezogen ist, begehrt unter Hinweis auf ein angestiegenes Einkommen des Beklagten Erhöhung des Unterhalts für die Zeit ab November 2000. Der gemeinsame Sohn A. war schon im Jahre 1999 ausgezogen; der 33 Jahre alte Sohn M. wohnt nach wie vor in dem gemeinsamen Haushalt.
Der Beklagte hat in erster Instanz einen Anstieg seines Gesamteinkommens einschließlich seiner Einkünfte als Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft S. GmbH (im Folgenden Betriebsgesellschaft) auf 8.422 DM (= 4.306 EUR) eingeräumt, wovon Vorsorgeaufwendungen i.H.v. 1.617,85 DM (= 827,19 EUR) abzusetzen seien. Auf dieser Grundlage hat er in der mündlichen Verhandlung v. 10.7.2002 für die Zeit ab dem 1.4.2002 einen um 800 DM erhöhten Unterhaltsanspruch anerkannt.
Das AG ist von einem ungedeckten Unterhaltsbedarf der Klägerin i.H.v. 630 DM seit November 2000 bzw. i.H.v. 1.915 DM seit April 2002, einschließlich der auf das Sozialamt übergegangenen Unterhaltsansprüche ausgegangen. Es hat der Abänderungsklage teilweise stattgegeben und der Klägerin zuletzt ab August 2002 einen Unterhalt i.H.v. monatlich 857,43 EUR über dem bereits titulierten Unterhalt von 255,65 EUR zugesprochen (= 1.113,08 EUR. Auf die Berufung des Beklagten, der ein Absinken seiner Einkünfte infolge rückläufiger Geschäftsergebnisse eingewandt hat, hat das OLG das Urteil unter Abweisung der weiter gehenden Klage und Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin teilweise abgeändert und ihr geringere monatliche Unterhaltsbeträge in unterschiedlicher Höhe, zuletzt ab Dezember 2002 laufend i.H.v. 808 EUR zuerkannt. Dagegen richten sich die zugelassene Revision der Klägerin und die unselbstständige Anschlussrevision des Beklagten, mit der sie ihre jeweiligen zweitinstanzlichen Anträge weiter verfolgen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision des Beklagten führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe in erster Instanz ein monatliches Einkommen i.H.v. 8.422 DM mit Geständniswirkung eingeräumt. Ein späteres Absinken dieses Einkommens habe der Beklagte "nicht glaubhaft" dargelegt, zumal es für die Absenkung des Geschäftsführergehalts an einer Schilderung des betrieblichen Hintergrunds fehle. Weitere Einkünfte des Beklagten aus der Verpachtung des Betriebsgeländes an die Betriebsgesellschaft seien nicht festzustellen. Den Kostenbeitrag für den im Haushalt der Klägerin lebenden Sohn M. hat das OLG im Hinblick auf vorhandene "Synergieeffekte" neu mit monatlich 130 EUR bemessen. Bei der Bewertung des voll auf den Unterhaltsbedarf angerechneten Vorteils aus dem Bestehen einer sozioökonomischen Lebensgemeinschaft mit dem Zeugen R. ist das OLG dem AG gefolgt, das diesen Vorteil nach Beweisaufnahme als noch fortbestehend angesehen, aber nunmehr nur noch mit monatlich 250 DM (= 127,82 EUR) bemessen hat. Die Bewertung lasse keinen Rechtsfehler erkennen und sei deswegen "einer Überprüfung durch den Senat entzogen".
II.
Das hält nicht in allen Punkten den Angriffen der Revision und der Anschlussrevision stand.
1. Schon die Ermittlung des unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Einkommens des Beklagten ist nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Die Klägerin nimmt - als ihr günstig - das Einkommen des Beklagten aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft i.H.v. monatlich 4.306 EUR hin. Dem seien allerdings weitere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hinzuzurechnen, die der Beklagte unter seiner Firma S. Verpachtung, L. (EMS) erziele. Er habe durch die Verpachtung an die Betriebsgesellschaft ausweislich der vorgelegten Unterlagen in den Jahren 1999 bis 2001 monatliche Einnahmen zwischen 7.371 EUR (= jährlich 173.000 DM) und 10.226 EUR (= jährlich 240.000 DM) erzielt, die ab Januar 2002 weiter auf 13.403 EUR angestiegen seien. Nach Abzug der Zinsbelastungen von 89.103 DM sei ihm im Jahre 2001 ein Überschuss i.H.v. 77.152 EUR verblieben. Tilgungsleistungen könnten als Leistungen der Vermögensbildung nicht in Abzug gebracht werden. Dieses gelte schon deswegen, weil in den Jahren 1999 bis 2001 zusätzlich sehr hohe jährliche Abschreibungen zwischen 146.808,79 DM und 201.573,71 DM berücksichtigt seien.
b) Der Beklagte rügt demgegenüber mit seiner Anschlussrevision, dass sein ursprünglich eingeräumtes Einkommen i.H.v. 4.306 EUR trotz Absenkung seines Geschäftsführergehaltes auch für die Zukunft zu Grunde gelegt wurde. Eine Verringerung seines Einkommens als Geschäftsführer und die Verschlechterung der finanziellen Situation der Betriebsgesellschaft habe er substanziiert vorgetragen und belegt. Auch aus Vermietung und Verpachtung habe er nur 1999 einen geringen Überschuss und sodann ab 2000 höhere Verluste erzielt. Die im Jahresabschluss enthaltenen Abschreibungen seien linear berücksichtigt.
c) Beiden Angriffen hält das Berufungsurteil nicht stand.
Im Abänderungsverfahren nach § 323 ZPO muss der Abänderungskläger die Grundlagen des früheren Unterhaltstitels und die inzwischen eingetretenen Veränderungen darlegen und beweisen (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., Rz. 6/726 m.w.N.; Graba, Die Abänderung von Unterhaltstiteln, 3. Aufl., Rz. 271). Für die Zeit bis Juli 2002 ist das Berufungsgericht von monatlichen Einkünften des Beklagten i.H.v. 4.306 EUR ausgegangen. Schon das erschöpft den Vortrag der Klägerin nicht vollständig. Zwar hat der Beklagte unstreitig dieses Einkommen als Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft erzielt. Ob dem noch weitere Einkünfte aus seiner Beteiligung an der Betriebsgesellschaft oder aus Vermietung und Verpachtung hinzuzurechnen sind, hat das Berufungsgericht aber nicht hinreichend geprüft, obwohl der abzuändernden Entscheidung auch Einkünfte des Beklagten aus beiden Einkunftsarten zu Grunde lagen. Weitere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durfte es zudem nicht mit dem bloßen Hinweis auf die den Pachteinnahmen gegenüberstehenden Kredite verneinen. Die Revision macht geltend, dass bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung regelmäßig zwar Zinsbelastungen, nicht aber Tilgungsbeträge abgesetzt werden können, die einseitig der Vermögensbildung dienen, ohne bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt zu haben. Ob und in welchem Umfang das hier der Fall ist und ob dies schon im Ausgangsverfahren eingeflossen ist, kann der Senat auf der Grundlage des angefochtenen Urteils nicht überprüfen. Das OLG wird seine Feststellungen auf der Grundlage des streitigen Sachverhalts insoweit ergänzen und prüfen müssen, inwieweit diese Einkunftsarten schon im Ausgangsverfahren berücksichtigt wurden und auch heute noch relevant sind. Dabei wird das Berufungsgericht auch zu prüfen haben, ob die in den Jahresabschlüssen aufgeführten Abschreibungen nach der Handhabung im Ausgangsverfahren unterhaltsrechtlich gerechtfertigt sind (vgl. Wendl/Kemper, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., Rz. 1/150 ff., 1/243 ff.) und ob daneben überhaupt noch Tilgungsleistungen berücksichtigt werden können.
Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet dafür ist, dass ein von ihm für die Vergangenheit eingeräumtes Einkommen aus betriebsbedingten Gründen abgesunken ist. Zwar war ursprünglich die Klägerin für eine Veränderung der dem früheren Urteil zu Grunde gelegten Verhältnisse beweisbelastet. Als Folge des gerichtlichen Geständnisses in 1. Instanz, das auch in der Berufungsinstanz seine Wirksamkeit behält (§§ 288, 535 ZPO), ist jedoch von dem eingeräumten Einkommen im Zeitpunkt des Geständnisses auszugehen und der Beklagte für eine neuerliche Einkommensreduzierung beweispflichtig (vgl. BGH, Urt. v. 14.4.1999 - IV ZR 289/97, NJW-RR 1999, 1113). Seine dahingehende Behauptung durfte das Berufungsgericht indessen nicht mit der Begründung als unsubstanziiert ansehen, die im Einzelnen vorgetragenen Verluste der Gesellschaft seien angesichts der Umsatzerlöse irrelevant. Die Umsatzerlöse sagen über den Gewinn aus der Gesellschaft nichts aus. Zwar spricht die tatsächliche Verringerung des Geschäftsführergehalts des Beklagten ab August 2002 für eine entsprechende Einkommensreduzierung. Weil der Beklagte allerdings auch Alleingesellschafter dieser Betriebsgesellschaft ist, ist dieser Schluss keineswegs zwingend. Das Berufungsgericht wird auf das substantiierte Bestreiten der Klägerin mit Hinweis u.a. auf die erheblich gestiegenen Pachtzinszahlungen an den Beklagten persönlich deswegen der unter Beweis gestellten Behauptung des Beklagten nachgehen müssen, die Reduzierung des Geschäftsführergehalts sei aus betrieblichen Gründen notwendig geworden.
2. Auch die Bewertung und Bemessung des Vorteils der sozio-ökonomischen- Lebensgemeinschaft mit dem Zeugen R. greift die Revision mit Erfolg an. Das Berufungsgericht war im Ausgangsverfahren von einem Vorteil aus der neuen Lebensgemeinschaft i.H.v. monatlich 400 DM ausgegangen. In einem auf Antrag des Beklagten eingeleiteten Abänderungsverfahren ist es in seinem Urt. v. 21.12.1993 wegen des Alters und des Gesundheitszustandes der Klägerin nicht mehr von einem fiktiv zu berücksichtigenden Einkommen der Klägerin ausgegangen, hat allerdings den Vorteil der weiter verfestigten und auf Dauer angelegten sozio-ökonomischen Lebensgemeinschaft neu mit monatlich 700 DM bewertet.
Soweit das Berufungsgericht jetzt unter Hinweis auf die Feststellungen des AG einen wirtschaftlichen Vorteil der Klägerin aus der sozio-ökonomischen Lebensgemeinschaft i.H.v. 127,82 EUR (= 250 DM) berücksichtigt hat, wird dies nicht von ausreichenden Feststellungen zur Änderung der tatsächlichen Verhältnisse getragen. Das AG, auf dessen Ausführungen das OLG sich stützt, hatte festgestellt, dass sich die Klägerin und der Zeuge R. zumindest beim Einkaufen gegenseitig Hilfestellung leisten; es sei aber nicht widerlegt, dass auch darüber hinausgehende Gemeinsamkeiten bestehen und es zum Austausch von Diensten und Leistungen komme. Damit hat es weder den genauen Umfang der Gemeinsamkeiten ermittelt, noch festgestellt, dass sich gegenüber der früheren Entscheidung nichts geändert habe. Gegen Letzteres spricht schon die im Vergleich zur früheren Entscheidung (monatlich 700 DM) deutlich geringere Bewertung des Vorteils durch das Berufungsgericht (127, 82 EUR = 250 DM). Ob gegenseitige Hilfen beim Einkaufen überhaupt einen zu bewertenden Vorteil begründen können, kann nicht ohne konkrete Feststellungen zu deren Häufigkeit und Umfang beantwortet werden. Solche Feststellungen hat das Berufungsgericht weder hinreichend konkret getroffen, noch werden diese von den protokollierten Inhalten der Zeugenaussagen getragen. Zwar ist die Beweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung des BGH grundsätzlich Aufgabe der Instanzgerichte und vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen. Die Revision weist aber zu Recht darauf hin, dass der Zeuge R. und die Klägerin derartige Gemeinsamkeiten gerade bestritten haben und die Zeugin v. D. solches nur auf der Grundlage von Erzählungen ihrer Schwiegermutter für die Zeit bis zu deren Tod im Juli 2000 bekunden konnte. Das Berufungsgericht führt nicht aus, wie es auf dieser Grundlage zu einer - jedenfalls von der früheren Bewertung abweichenden - Feststellung über den Umfang der Gemeinsamkeiten gelangt ist.
3. Auch die von der Ausgangsentscheidung abweichende Bewertung des Kostenbeitrags für den im Haushalt der Klägerin wohnenden Sohn M. greift die Revision zu Recht an. Das Berufungsurteil lässt weder die Grundlagen der früheren Bewertung mit monatlich 100 DM erkennen, noch führt es konkret aus, was sich daran geändert hat. Zwar ist der Sohn inzwischen 33 Jahre alt und erzielt als Taxifahrer im Schichtbetrieb erheblich höhere Einkünfte, während er im Zeitpunkt der abzuändernden Entscheidung 20 Jahre und als Auszubildender tätig war. Daraus allein erschließt sich allerdings noch nicht der Umfang der geänderten Bewertung durch das Berufungsgericht.
4. Sollte das Berufungsgericht erneut zu einem konkreten Vorteil aus der sozio-ökonomischen Lebensgemeinschaft der Klägerin mit dem Zeugen R. gelangen, wird es zu beachten haben, dass dieser nach der Rechtsprechung des Senats nicht im Wege der Anrechnungsmethode, sondern der Differenzmethode zu berücksichtigen ist (vgl. insoweit BGH, Urt. v. 5.9.2001 - XII ZR 336/99, BGHReport 2001, 962 = FamRZ 2001, 1693). Der Senat hat die in der Literatur und der Rechtsprechung gegen diese Rechtsprechung gerichteten Argumente geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Er hält auch weiterhin an seiner Rechtsauffassung fest, wonach Vorteile aus der Versorgung eines neuen Partners als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes seiner Haushaltsführung während der Ehe anzusehen und deswegen im Wege der Differenzmethode in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen sind. Insoweit verweist der Senat auf die Urt. v. 5.5.2004 in den Verfahren XII ZR 132/02 und XII ZR 10/03 (BGH, Urt. v. 5.5.2004 - XII ZR 132/02; Urt. v. 5.5.2004 - XII ZR 10/03; jeweils z.V.b.).
Fundstellen
Haufe-Index 1168614 |
DB 2004, 1550 |
BGHR 2004, 1220 |
FamRZ 2004, 1179 |
FuR 2004, 504 |
NJW-RR 2004, 1155 |
FPR 2004, 496 |
FamRB 2004, 386 |
NJW-Spezial 2004, 153 |
ZFE 2004, 245 |
FK 2004, 169 |
JWO-FamR 2004, 217 |