Entscheidungsstichwort (Thema)

Offenbarung der steuerlichen Verhältnisse eines Steuerberaters im Verfahren über Berufspflichtverletzungen. Inhalt der Revisionsschrift bei Verfahrensrüge

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wendet sich der Angeklagte nicht gegen die Vernehmung eines Finanzbeamten über seine steuerlichen Verhältnisse, kann dies konkludent als Zustimmung zur Offenbarung im Sinne von § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO gewertet werden.

2. Ein zwingendes öffentliches Interesse an der Offenbarung der steuerlichen Verhältnisse eines Steuerberaters i. S. des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO besteht, wenn die Kenntnis seines Verhaltens in eigenen Steuerangelegenheiten erforderlich ist, um über die wegen Berufspflichtverletzungen naheliegende Maßnahme der Ausschließung aus dem Beruf entscheiden zu können.

3. Nach § 130 Abs. 3 Satz 1 StBerG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO müssen die den Verfahrensfehler enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Dies muß so vollständig geschehen, daß das Revisionsgericht allein aufgrund der Revisionsrechtfertigung prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft.

 

Normenkette

AO § 30 Abs. 4 Nrn. 3, 5; StBerG § 130 Abs. 3 S. 1; StPO § 344 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 24.08.1988; Aktenzeichen 1 StO 6/87)

LG Berlin (Urteil vom 08.09.1987; Aktenzeichen 1 StL 1/87)

 

Tenor

Die Revision des Steuerberaters gegen das Urteil des 1. Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Kammergerichts vom 24. August 1988 wird verworfen.

Der Steuerberater hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

I. Der jetzt 53 Jahre alte ledige Berufsangehörige ist seit 1974 als Steuerberater tätig. 1982, 1983 und 1985 sind in berufsgerichtlichen Verfahren gegen ihn jeweils ein Verweis und Geldbußen in Höhe von 1.000, 2.000 und 4.000 DM verhängt worden. Zugrunde lagen unter anderem die nachlässige Ausführung von Mandantenaufträgen und – im Jahre 1985 auch die Nichterklärung von Umsatzsteuer. Wegen Nichterklärung eigener Umsatzsteuer ist er durch rechtskräftige Urteile des Schöffengerichts Tiergarten vom 30. Oktober 1984 und 5. Mai 1986 zu Geldstrafen von 40 und 35 Tagessätzen zu je 60 DM verurteilt worden.

II. Der Steuerberater wurde im vorliegenden Verfahren durch Urteil der Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Landgericht Berlin vom 8. September 1987 wegen Berufspflichtverletzungen aus dem Beruf ausgeschlossen. Seine Berufung hat der Senat für Steuerberater und Steuerbevollmächtigtensachen beim Kammergericht verworfen, nachdem sie in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden war. Das Landgericht hat folgende – auch der Berufungsentscheidung des Kammergerichts zugrundeliegende – Verstöße festgestellt:

  1. Im Februar 1986 beauftragte der Kaufmann M. den Steuerberater, für ihn die Einkommensteuererklärung 1985 zu erstellen und bezahlte das vereinbarte Honorar von 105 DM. Der Steuerberater führte den Auftrag nicht aus und reagierte weder auf Anfragen des Mandanten noch auf Auskunftsersuchen der Steuerberaterkammer. Erst nach Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens fertigte er die Steuererklärung.
  2. Ähnlich verhielt er sich gegenüber der damals 84jährigen, fast blinden Mandantin B., für die er die Lohnsteuerjahreserklärung für 1985 fertigen sollte.
  3. Im April 1986 teilte der Steuerberater den Eheleuten P. mit, daß er deren Einkommensteuererklärung fertiggestellt habe und mit einer Steuererstattung von 14.402 DM gerechnet werden könne. Trotzdem reichte er ohne Angabe von Gründen die Steuererklärung beim Finanzamt nicht ein. Auf Schreiben des von den Mandanten eingeschalteten Rechtsanwalts reagierte er ebensowenig wie auf Auskunftsersuchen der Steuerberaterkammer.
  4. Den Auftrag des Mandanten H., die Einkommensteuererklärung 1985 zu erstellen, führte er ebenfalls nicht aus. Trotz mehrfacher Mahnungen gab er die ihm überlassenen Unterlagen nicht zurück., so daß der Mandant ein zivilrechtliches Herausgabe-Urteil erwirken mußte.
  5. Der Aufforderung der Steuerberaterkammer vom 14. Januar 1986, die für den Umfang seiner Haftpflichtversicherung maßgeblichen Verhältnisse darzulegen, kam er trotz zweier Erinnerungsschreiben nicht nach.
  6. Seit 1978 gibt der Steuerberater weder Umsatz- noch Einkommensteuererklärungen ab; lediglich in einigen wenigen Fällen gab er monatliche Umsatzsteuererklärungen ab, die zwar Umsatzzahlen, aber keine nachprüfbaren Erklärungen und Belege enthielten. Das Finanzamt schätzte die Umsätze und Einkünfte und ermittelte so von 1982 bis 1987 einen Steuerrückstand von 146.263 DM. Die Bescheide für die Jahre 1978 bis 1981 sind rechtskräftig. Einer Vorladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 10. Oktober 1986 leistete er keine Folge.
 

Entscheidungsgründe

III. Die gegen das Urteil des Kammergerichts gerichtete Revision des Steuerberaters wird mit der Verletzung materiellen und formellen Rechts begründet. Einen Verfahrensfehler sieht der Beschwerdeführer darin, daß das Kammergericht den Finanzbeamten Schüler unter Verletzung des Steuergeheimnisses über die steuerlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers vernommen habe, die Verletzung sachlichen Rechts darin, daß die festgestellten Verfehlungen die Ausschließung aus dem Beruf nicht rechtfertigten. Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Die formelle Rüge entspricht nicht § 130 Abs. 3 Satz 1 StBerG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist daher unzulässig.

a) Unerheblich ist allerdings, daß die Revision nicht mitteilt, was der Zeuge Sch., dessen Vernehmung sie beanstandet, bekundet hat. Denn der Aussageinhalt ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil, von dessen Ausführungen der Senat schon aufgrund der allgemeinen Sachrüge Kenntnis nehmen muß. Danach (Urteil S. 3) hat der Finanzbeamte Sch. über die steuerlichen Verfehlungen des Steuerberaters nach Rechtskraft des Urteils des Schöffengerichts Tiergarten vom 5. Mai 1986 berichtet.

b) Das Revisionsvorbringen reicht nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Aussage unter Verstoß gegen das Steuergeheimnis zustande gekommen ist. Nach § 130 Abs. 3 Satz 1 StBerG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO müssen die den Verfahrensfehler enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Dies muß so vollständig geschehen, daß das Revisionsgericht allein aufgrund der Revisionsrechtfertigung prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft (Kleinknecht/Meyer, StPO 38. Aufl. § 344 Rdn. 21 m. w. Nachw.). Da eine Verletzung des Steuergeheimnisses nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO nicht vorliegt, wenn der Betroffene der Offenbarung seiner steuerlichen Verhältnisse zugestimmt hat, hätte der Beschwerdeführer darlegen müssen, ob ihm und seinem Verteidiger vor der Vernehmung des Zeugen Sch. Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist und ob er und sein Verteidiger der Vernehmung zugestimmt oder ihr widersprochen haben. Nach dem von der Revision nicht mitgeteilten Hauptverhandlungsprotokoll hat das Kammergericht „nach Anhörung und Beratung beschlossen und verkündet: Der Zeuge Sch. soll darüber vernommen werden, wie sich der Steuerberater in seinen eigenen steuerlichen Angelegenheiten seit Januar 1987 verhalten hat” (Bl. 180 d.A.). Demnach sind der Steuerberater und sein Verteidiger zuvor zu dem Beweisthema und dem Beweismittel angehört worden. Daß sie der Beweiserhebung widersprochen hätten, ergibt sich weder aus dem Hauptverhandlungsprotokoll noch aus dem Revisionsvortrag. Ein bestimmtes Prozeßverhalten – etwa keine Einwendungen gegen die Vernehmung – kann konkludent als Zustimmung zu der beabsichtigten Vernehmung und damit als Zustimmung zur Offenbarung im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO gewertet werden (vgl. Schäfer in Leipziger Kommentar, 10. Aufl. § 355 StGB Rdn. 40). Eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende Verfahrensrüge der Verletzung des Steuergeheimnisses hätte daher auch die für eine etwaige Zustimmung oder deren Versagung bedeutsamen Tatsachen mitteilen müssen. Das ist nicht geschehen.

c) Die Rüge wäre im übrigen auch unbegründet. Jedenfalls bestand an der Offenbarung der steuerlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO, soweit die Kenntnis seines Verhaltens in eigenen Steuerangelegenheiten erforderlich war, um über die wegen Berufspflichtverletzungen naheliegende Maßnahme der Ausschließung aus dem Beruf entscheiden zu können. Denn die Ausschließung aus dem Beruf kommt nur in Betracht, wenn der Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter sie gebietet, sie insbesondere zum Schutze der Mandanten und der übrigen Beteiligten notwendig ist (vgl. BVerfGE 66, 337, 360; BGHSt 32, 305, 306 ff.). Der Senat hat keine Bedenken, die auf § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO gestützten Erwägungen, die der Bundesfinanzhof (BStBl. II 1987, 545 ff.) zur Zulässigkeit finanzamtlicher Auskünfte im gewerberechtlichen Untersagungsverfahren gemacht hat, auf einen Fall der hier vorliegenden Art sinngemäß zu übertragen.

2. Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg.

a) Allerdings ist der vom Kammergericht dem Schuldspruch zugrunde gelegte Schuldumfang einzuschränken.

Das Kammergericht geht davon aus, daß infolge der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch die in den Abschnitten II und III des landgerichtlichen Urteils getroffenen Feststellungen und deren rechtliche Würdigung für seine Beurteilung bindend geworden sind (Urteil S. 2). Dabei verkennt es, daß trotz der Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch dem Schuldspruch entgegenstehende Verfahrenshindernisse von Amts wegen zu beachten sind (BGHSt 34, 1; 31, 51 f.).

Nach den zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils unter II 6 und 7 gibt der Steuerberater seit 1978 keine Umsatzsteuer- und Einkommensteuererklärungen ab und unterläßt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Einreichung der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen. Aus den Feststellungen des Kammergerichts zum Rechtsfolgenausspruch (Urteil S. 3) und dem vom erkennenden Senat beigezogenen rechtskräftigen Urteil des Kammergerichts vom 23. Oktober 1985 – StO 2/85 – ergibt sich, daß gegen den Steuerberater rechtskräftig berufsgerichtliche Maßnahmen verhängt worden sind, weil er die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1980 und die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Jahre 1981 und 1982 sowie für die Monate Januar bis August 1983 unterlassen hatte. Damit ist die in der fortgesetzten Nichterklärung von Umsatzsteuer liegende Berufsverfehlung bis zum Tage der damaligen mündlichen Verhandlung vor dem Kammergericht am 23. Oktober 1985 rechtskräftig geahndet worden und durfte daher nicht noch einmal zum Gegenstand der Aburteilung im vorliegenden berufsgerichtlichen Verfahren gemacht werden. Der Senat schränkt deshalb den Schuldumfang entsprechend ein.

Dies führt nicht zur teilweisen oder vollständigen Aufhebung des Schuldspruch. Das gilt unabhängig davon, ob die infolge Rechtskraft der vorherigen Aburteilung wegfallenden Teile der Umsatzsteuerverfehlung sachlichrechtlich als unselbständige Teilakte einer einheitlichen fortgesetzten Steuerhinterziehung zu beurteilen sind. Denn auch wenn es sich insoweit um selbständige Tatkomplexe handeln würde, käme eine Teileinstellung des Verfahrens nicht in Betracht, weil das Verfahrensrecht der Berufsgerichtsbarkeit für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte keine Unterteilung des Sachverhalts in „selbständige” Handlungen kennt (vgl. BGHSt 33, 225, 229; 35, 263, 267). Die Entscheidung des Senats in BGHSt 34, 248 betrifft einen nicht vergleichbaren Fall. Dort wurde zwar eine teilweise Einstellung des berufsgerichtlichen Verfahrens zugelassen, aber nur deshalb, weil für einen Teil der abgeurteilten Berufspflichtverletzung ein wirksamer Eröffnungsbeschluß fehlte und erst dieser die verfahrensrechtliche Einheitlichkeit der abzuurteilenden Pflichtverletzung begründet. Hier ist die Einheitlichkeit des insgesamt abgeurteilten Verfahrens wirksam hergestellt worden.

b) Der Ausspruch über die Ausschließung aus dem Beruf läßt im Ergebnis keinen Rechtsfehler erkennen.

Zutreffend hat das Kammergericht schon die Pflichtverletzungen des Steuerberaters gegenüber seinen Mandanten als schwerwiegend beurteilt, zumal er wegen ähnlicher Verstöße bereits zweimal rechtskräftig zu – im Verhältnis zu seinem Einkommen – erheblichen Geldbußen verurteilt worden ist. Ebenso rechtsfehlerfrei ist die Bewertung seines Verhaltens gegenüber der Steuerberaterkammer, dessen Gesetzwidrigkeit ihm durch die vorangegangenen berufsgerichtlichen Verurteilungen deutlich vor Augen geführt worden war. Bei der die Ausschließung aus dem Beruf tragenden Gesamtabwägung aller die Berufspflichtverletzung und die Persönlichkeit des Steuerberaters kennzeichnenden Umstände hat das Kammergericht der Nichterfüllung seiner berufsbedingten Steuerpflichten ausschlaggebende Bedeutung beigemessen (Urteil S. 5). Auch das ist nicht zu beanstanden.

Das Ergebnis der Abwägung wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß der erkennende Senat den Schuldspruch in dem erörterten Umfang eingeschränkt hat. Die Wertung des Kammergerichts, die jahrelange, unbeeindruckt von berufsgerichtlichen Maßnahmen schuldhaft fortgesetzte Nichterfüllung steuerlicher Pflichten lasse den Berufsangehörigen als untragbar für den Beruf des Steuerberaters erscheinen, stützt sich in erster Linie auf die dem Berufsangehörigen gestellte ungünstige Zukunftsprognose. Die Beurteilung, daß diese schlecht ist, hängt nicht davon ab, ob – wovon auszugehen ist – die Nichterklärung der Umsatzsteuer bis 1985 bereits durch das rechtskräftige Urteil des Kammergerichts vom 23. Oktober 1985 geahndet worden ist oder – wie das Kammergericht zu Unrecht annimmt – durch das angefochtene Urteil geahndet werden soll. Das gilt umsomehr, als dem Schuldspruch zutreffend auch die unverjährte (vgl. § 93 StBerG) Nichtabgabe von Einkommensteuererklärungen seit 1978 zugrunde liegt. Dadurch, daß der Beschwerdeführer vorsätzlich und seit Jahren seine steuerlichen Pflichten nicht erfüllt und den entstandenen Steuerrückstand nicht nur nicht abtrug, sondern bis zur Höhe von 146.263 DM (Stand: 8. September 1987) anwachsen ließ, sowie durch die anderen festgestellten Berufsverfehlungen hat er sich, wie das Berufungsgericht rechtlich zutreffend bemerkt, insgesamt als unbelehrbar erwiesen und gerade auf dem Gebiet des Steuerrechts und des Steuerberatungsrechts eine rechtsfeindliche Einstellung erkennen lassen, die seine Ausschließung aus dem Beruf auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zum Schutz der übrigen Beteiligten erforderlich macht.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1974793

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