Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung für Architektenleistungen
Leitsatz (amtlich)
a) Wird ein Architekt auf Veranlassung des Bauherrn vor Abschluß eines in Aussicht genommenen Vertrages tätig, bedarf es der Prüfung, ob ihm ein Auftrag erteilt oder ob er ohne vertragliche Bindung akquisitorisch tätig ist. Ist ein Auftrag erteilt, ist zu klären, ob und in welcher Höhe eine Vergütung dafür geschuldet ist.
b) Die Umstände, nach denen Architektenleistungen nur gegen Vergütung zu erwarten sind, muß der Architekt darlegen und beweisen.
c) Wird die Bauvoranfrage als isolierte Leistung in Auftrag gegeben, ist sie nicht gemäß § 632 Abs. 2 BGB nach der HOAI zu vergüten.
a) Bei berechtigter Kündigung des Architektenvertrages aus wichtigem Grund durch den Auftraggeber hat der Architekt Anspruch auf Vergütung für erbrachte Leistungen, wenn diese mangelfrei erbracht sind. Der Architekt hat dies im Prozeß vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen.
b) Ist die Werkleistung mangelfrei erbracht, kann der Auftraggeber demgegenüber einwenden, daß die Leistung unabhängig von ihrer Mangelfreiheit für ihn nicht brauchbar oder ihre Verwertung nicht zumutbar ist. Er hat diesen Nachweis zu führen.
Normenkette
BGB § 632 Abs. 1-2; HOAI §§ 5, 15; BGB §§ 242, 633
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 6. März 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
2. In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger E. und I. J. betreiben in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (in den Urteilen der Vorinstanzen bezeichnet als „die Klägerin”) das „Büro für Bau- und Städteplanung”. Sie verlangen von der Beklagten Architektenhonorar.
Die Beklagte beabsichtigte den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses in B. Sie veranlaßte die Kläger zunächst, eine Bauvoranfrage zu fertigen, die diese am 12. März 1991 beim Landratsamt R. einreichten. Das Landratsamt erklärte ein zweigeschossiges Gebäude für genehmigungsfähig. Darauf schlossen die Parteien am 14. Dezember 1991 einen Architektenvertrag. Danach übertrug die Beklagte gemäß 2.2 die Grundleistungen der Phasen 1 bis 9 „entsprechend dem Leistungsbild § 15, Abs. 2 HOAI” an die Kläger. „Besondere Leistungen” (§ 15 Abs. 2 HOAI) sollten gemäß 3.6 des Vertrages vom Auftraggeber nach gesonderter Auftragserteilung nach Stundensätzen vergütet werden.
Am 16. April 1992 stellten die Kläger den Bauantrag. Die Beklagte erklärte wegen der Kostensteigerung von 3 Millionen DM in der Kostenschätzung auf 5, 5 Millionen DM in der Kostenberechnung am 18. Juni 1992 gegenüber dem Landratsamt die vorläufige Aussetzung des Baugenehmigungsverfahrens. Auf Schreiben der Baubehörde wegen der gegenüber dem Vorbescheid veränderten Planung reagierten die Kläger mit der Androhung von Schadensersatzansprüchen. Am 21. August 1992 kündigte die Beklagte den Architektenvertrag aus wichtigem Grund. Die Kündigung wurde darauf gestützt, daß die Kläger ohne Wissen der Beklagten den Bauantrag mit erhöhten Kosten eingereicht, einen geforderten Nachweis gegenüber der Behörde mit einer kopierten Unterschrift des Komplementärs der Beklagten versehen und auf das Abstimmungsersuchen der Stadt B. lediglich mit Hinweis auf eventuelle Schadensersatzansprüche reagiert hätten.
Die Kläger verlangen „entsprechend § 15 Abs. 1 Nr. 1 HOAI” in der „Honorar-Rechnung Nr. 1” einen Betrag von 7.353 DM für die Bauvoranfrage und in der „Honorar-Rechnung Nr. 2” für ihre weiteren erbrachten und nicht erbrachten Leistungen 213.813,67 DM.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 170.356,62 DM stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Kläger hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung von 71.959,35 DM verurteilt. Mit der hiergegen gerichteten Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klagabweisung weiter. Die Revision der Kläger hat der Senat nicht angenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Honorar-Rechnung Nr. 1 vom 7. Dezember 1992 in Höhe von 7.353. DM
1. Das Berufungsgericht erkennt den Klägern aus der Honorarrechnung Nr. 1 in Höhe von 7.353 DM für die Bauvoranfrage als eine dem Architektenvertrag vorausgehende isolierte Leistung unter Berücksichtigung eines Minderungsbetrages von 15% nach Maßgabe des Einigungsvertrages einen Betrag von 6.250,05 DM zu. Da von einem Vertragsschluß auszugehen sei, richte sich die Vergütungspflicht nach § 631 Abs. 1 BGB. Eine Vergütung gelte als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten sei. Daß hier eine vom Regelfall abweichende Vereinbarung getroffen worden sei, habe die Beklagte nicht dargetan.
2. Dies beanstandet die Revision zu Recht. Das Berufungsgericht verkennt die Voraussetzungen, die eine Vergütung für die hier in Frage stehende Leistung begründen.
Fertigt ein Architekt auf Veranlassung des Bauherrn vor Abschluß eines in Aussicht genommenen Vertrages eine Bauvoranfrage, so ist zunächst zu prüfen, ob damit ein Auftrag erteilt oder ob der Architekt ohne vertragliche Bindung akquisitorisch tätig wird (a). Ist ein Auftrag erteilt, ist zu klären, ob und in welcher Höhe eine Vergütung dafür geschuldet ist (b).
a) Aus dem Tätigwerden allein kann noch nicht der Abschluß eines Vertrages hergeleitet werden; dessen Zustandekommen hat vielmehr der Architekt vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen. Die HOAI regelt diese Frage nicht (Senatsurteil vom 14. März 1996 – VII ZR 75/95 = BauR 1996, 414 = ZfBR 1996, 211 = NJW-RR 1996, 728). Sie stellt öffentliches Preisrecht dar und enthält keine vertragsrechtlichen Regelungen (Senatsurteil vom 24. Oktober 1996 – VII ZR 283/95 = BGHZ 133, 399).
Demnach hätte das Berufungsgericht nicht ohne weiteres vom Zustandekommen eines Vertrages ausgehen dürfen. Es hat sich mit entscheidungserheblichem Vortrag der Beklagten nicht auseinandergesetzt. Diese hat vorgetragen und unter Beweis gestellt, sie habe den Klägern zweifelsfrei vor Erarbeitung der Bauvoranfrage zu verstehen gegeben, daß sie (gemeint die Kläger) insofern honorarfrei arbeiten. Diesen sei klar gewesen, daß sie bei Nichteinhaltung der abgesprochenen Honorarfreiheit niemals den Auftrag erhalten hätten. Darin kann das Bestreiten eines Vertragsschlusses liegen.
b) Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Vergütung und ihrer Höhe begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Gemäß § 632 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Fehlt eine Vereinbarung zur Höhe, ist bei Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen (§ 632 Abs. 2 BGB).
aa) § 632 Abs. 1 BGB setzt voraus, daß die Parteien sich über die Vergütung nicht geeinigt haben. Die Kläger haben nicht die vertragliche Vereinbarung einer bestimmten Vergütung behauptet, sondern sind der Meinung, die Bauvoranfrage sei in § 15 Abs. 2 Nr. 2 HOAI als Besondere Leistung „angesiedelt”. Sie rechnen diese nach der Grundleistung der Grundlagenermittlung „entsprechend § 15 Abs. 1 Nr. 1 HOAI” mit 3% des Grundhonorars ab. Damit haben sie entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts eine Vergütungsvereinbarung nicht schlüssig vorgetragen.
bb) § 632 Abs. 1 BGB greift allerdings nur ein, wenn die Erstellung der Bauvoranfrage den Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten war. Die Umstände, nach denen Architektenleistungen nur gegen Vergütung zu erwarten sind, muß der Architekt darlegen und beweisen (Senatsurteil vom 9. April 1997 – VII ZR 266/86 = BauR 1987, 454= ZfBR 1987, 187 = BGHR BGB § 632 Abs. 1 Architektenvertrag 1). Für die Beurteilung kann von Bedeutung sein, ob die geschuldete Leistung über das hinausging, was nach dem seinerzeit ins Auge gefaßten, später geschlossenen Architektenvertrag ohnehin zu erbringen sein würde. War das nicht der Fall, so spricht viel dafür, daß eine gesonderte Vergütung nur dann zu erwarten war, wenn ein Architektenvertrag nicht zustande kommen würde, die Leistung aber im Falle des Zustandekommens des späteren Architektenvertrages mit der Honorierung für die vereinbarte Architektenleistung abgegolten sein sollte.
cc) Für den Fall, daß das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt und der übergangene, unter Beweis gestellte Vortrag der Beklagten, es sei vereinbart worden, daß die Kosten des Vorbescheidsantrags mit der späteren Auftragserteilung an die Kläger abgegolten sein sollten, nicht zutrifft, ist die Höhe festzustellen. Sie kann nicht – wie von den Klägern beantragt und vom Berufungsgericht angenommen – gemäß § 632 Abs. 2 aus der HOAI hergeleitet werden.
Nach der Rechtsprechung und der Literatur (vgl. hierzu Nachweise bei Locher/Kneble/Frik, HOAI, 7. Aufl., § 2 Rdnr. 17 sowie Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 8. Aufl. Rdnr. 898; a.A. Weyer, Probleme der Honorarabrechnung, Festschrift für Locher, S. 303) wird die Bauvoranfrage als isolierte Leistung nicht von der HOAI erfaßt. Dieser Ansicht folgt der Senat; denn die HOAI enthält in § 5 Abs. 4 und Abs. 5 eine Honorarbestimmung für Besondere Leistungen nur, insoweit, als diese zu den Grundleistungen hinzu- oder an ihre Stelle treten. Beides ist hier nicht gegeben. Die Kläger werden also für diesen Fall zur üblichen Höhe einer solchen Vergütung vorzutragen haben.
II.
Honorar-Rechnung Nr. 2 vom 7. Dezember 1992 in Höhe von 213.813,67 DM
1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, den Klägern stehe keine Restvergütung für die Leistungsphasen 5 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI zu. Die Beklagte habe zu Recht wegen pflichtwidrigen Verhaltens der Kläger fristlos gekündigt. Diese rechtsfehlerfreie Würdigung nimmt die Beklagte als ihr günstig hin. Für die Leistungsphasen 1 bis 4 erkennt das Berufungsgericht den Klägern einen Betrag von 65.709,30 DM zu.
2. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten mit Erfolg. Sie beanstandet zu Recht, daß das Berufungsgericht den Klägern nach dem derzeitigen Sachstand überhaupt ein Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 zuerkannt hat.
a) Nach einer berechtigten Kündigung aus wichtigem Grund steht dem Architekten für noch nicht erbrachte Leistungen keine Vergütung zu. Für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen kann er nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 10. Mai 1990 – VII ZR 45/89 = BauR 1990, 632, 634 = ZfBR 1990, 227 = NJW-RR 1990, 1109) grundsätzlich den Anteil seines Honorars verlangen, der seinen tatsächlich erbrachten Leistungen entspricht. Eine Vergütung ist allerdings nicht geschuldet, wenn das Architektenwerk so schwerwiegende Mängel aufweist, daß es nicht nachbesserungsfähig und deshalb für den Auftraggeber wertlos ist (Urteile vom 9. Dezember 1971 – VII ZR 211/69 = BauR 1972, 185; vom 20. März 1975 – VII ZR 65/74 = BauR 1976, 285; vom 11. März 1982 – VII ZR 128/81 = BauR 1982, 290, 292). Dem hat sich der X. Senat für die Werkleistung der Erstellung einer Individualsoftware (Urteil vom 25. März 1993 – X ZR 17/92 = NJW 1993, 1972) angeschlossen. Er hat darüber hinaus entschieden, daß der Auftraggeber den Nachweis der Wertlosigkeit zu führen hat.
Dem Architekten obliegt es zunächst, im Prozeß vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, daß die erbrachten Leistungen, unabhängig von der durch die Kündigung veranlaßten Unvollständigkeit, mangelfrei sind. Ein Mangel kann z.B. darin liegen, daß der Architekt seine Planung nicht nach den vertraglichen Vorgaben des Bauherrn ausrichtet und der Auftraggeber deshalb gehalten ist, nach Kündigung eine neue Planung erstellen zu lassen. Ist die Werkleistung mangelfrei erbracht, kann der Auftraggeber einwenden, daß die Leistung unabhängig von ihrer Mangelfreiheit für ihn nicht brauchbar oder ihre Verwertung nicht zumutbar ist. Dieser Einwand steht ihm aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu, da er den Vertrag zu Recht zu einer Zeit gekündigt hat, zu der der Architekt den werkvertraglich geschuldeten Erfolg noch nicht herbeigeführt hat. Unzumutbar kann die Verwertung einer an sich mangelfreien Architektenleistung z.B. dann sein, wenn ein mit der Fertigstellung des Architektenwerkes beauftragter Architekt die erbrachten Teilleistungen nicht verwerten kann oder aus anerkennenswerten Gründen nicht verwerten will. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit sind alle Umstände des Falles von Bedeutung, vor allem die Gründe der außerordentlichen Kündigung wie ein etwaiges pflichtwidriges oder schuldhaftes Verhalten des Architekten, unabhängig davon, daß letzteres auch zu Schadensersatzansprüchen führen kann (Senatsurteil vom 20. Juni 1966 – VII ZR 40/64 = BGHZ 45, 372, 375). Gelingt dem Auftraggeber der ihm obliegende Nachweis, so schuldet er kein Honorar für die Leistungen oder Teilleistungen, die für ihn nicht brauchbar sind oder deren Verwertung ihm nicht zumutbar ist.
b) Das Berufungsgericht hat nur festgestellt, daß Teilleistungen erbracht worden sind, nicht aber, ob diese Teilleistungen mangelfrei waren. Die Beklagte behauptet, die Pläne der Kläger seien mangelhaft, insbesondere nicht nach ihren Vorstellungen ausgerichtet und nicht genehmigungsfähig gewesen. Den Klägern, die unstreitig eine geforderte Nachbesserung abgelehnt haben, obliegt es, die Mangelfreiheit zu beweisen. Für die Frage der Zumutbarkeit kann die Behauptung der Beklagten, das derzeit laufende Bauvorhaben sei keine Fertigstellung des Projekts der Kläger, sondern ein völlig neues ihres Vertragspartners, von Bedeutung sein. Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt der Beklagten Gelegenheit, dazu ergänzend vorzutragen.
III.
Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 609617 |
BGHZ, 33 |
NJW 1997, 3017 |
JurBüro 1998, 106 |
WM 1998, 135 |
ZIP 1997, 1885 |
MDR 1997, 1023 |