Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz für aufgewandte Personalkosten. fehlerhafter Rechnungsprüfungsbericht. Berechnung Personalbedarf „allgemeiner Sozialdienst”. fehlerhafte Stellenbedarfsberechnung
Leitsatz (amtlich)
Die unzutreffende Feststellung einer personellen Unterbesetzung für einen bestimmten Verwaltungsbereich im Prüfungsbericht der überörtlichen Rechnungsprüfung bietet keine Verlässlichkeitsgrundlage für die geprüfte öffentlich-rechtliche Körperschaft, eine personelle Aufstockung vorzunehmen, ohne sich zuvor von deren Notwendigkeit unter dem Blickwinkel der ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung eigenverantwortlich zu vergewissern.
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34 S. 1; BayKPrVG Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 3 Abs. 1 Nr. 4; BayLKrO Art. 55 Abs. 2, Art. 91 Abs. 1, Art. 92 Abs. 1 Nrn. 3-4
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG München vom 2.8.2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der klagende Landkreis macht gegen den Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband wegen eines fehlerhaften Rechnungsprüfungsberichts Schadensersatz für von ihm aufgewandte Personalkosten geltend.
[2] Der Kläger ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über den Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband (BayKPrVG) vom 24.4.1978 (BayGVBl. S. 131), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.7.2004 (BayGVBl. S. 272), Pflichtmitglied beim Beklagten. Dieser führt nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayKPrVG die überörtliche Rechnungs- und Kassenprüfung u.a. nach Art. 91, 92 der Bayerischen Landkreisordnung (BayLKrO) bei seinen Mitgliedern durch.
[3] Mit Schreiben vom 4.11.1999 teilte der Verbandsprüfer des Beklagten dem Kläger mit, dass im Prüfungsturnus die Aufbau- und Ablauforganisation der Kreisjugendämter grundsätzlich mit untersucht werde. Die Einbeziehung der sozialpädagogischen Fachkräfte sei grundsätzlich möglich und im Rahmen der Rechnungsprüfung machbar. Von Januar bis September 2000 prüfte der Beklagte die Jahresrechnung des Klägers von 1993 bis 1999. Die Prüfung erstreckte sich auch auf den Personalbedarf des Amtes für Jugend und Familie, Bereich "Allgemeiner Sozialdienst".
[4] Bei der Berechnung des Personalbedarfs für den Bereich "Allgemeiner Sozialdienst" unterlief ein Fehler. Es hieß im Prüfungsbericht, der dem Kläger unmittelbar nach der Prüfung mündlich erläutert wurde, der Bereich "Allgemeiner Sozialdienst", in dem damals 10,8 Arbeitskräfte tätig gewesen waren, sei um rund 1,7 Kräfte unterbesetzt. In Wirklichkeit lag jedoch rechnerisch eine Überbesetzung um mehr als zwei Stellen vor. Der Beklagte empfahl aufgrund der fehlerhaften Stellenbedarfsberechnung, die vermeintliche Unterbesetzung teilweise aus anderen Bereichen auszugleichen, die Wochenarbeitszeit von Teilzeitkräften zu erhöhen und eine Vollzeitkraft einzustellen. Durch verschiedene personalwirtschaftliche Maßnahmen glich der Kläger den angeblichen Fehlbedarf an Arbeitskräften aus. Der Kläger macht geltend, dass ihm hierfür Personalkosten i.H.v. 250.368 EUR entstanden seien.
[5] Das LG hat die vom Kläger erhobene Schadensersatzklage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vom OLG zurückgewiesen worden.
[6] Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
[7] Die Revision ist unbegründet.
I.
[8] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Schadensersatzansprüche wegen einer Pflichtverletzung bei der Erfüllung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags entsprechend § 280 BGB stünden dem Kläger nicht zu, da ein Vertragsschluss über einen gesonderten Auftrag außerhalb der turnusmäßigen überörtlichen Rechnungsprüfung fehle. Auch Amtshaftungsansprüche bestünden nicht. Der Beklagte habe keine dem Kläger gegenüber bestehende drittgerichtete Amtspflicht verletzt. Ebenso stünden dem Kläger keine Schadensersatzansprüche aus §§ 89, 31 BGB oder aus einer öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung zu.
II.
[9] Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
[10] 1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG zu.
[11] In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass "Dritter" i.S.d. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB auch eine juristische Person sein kann. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der für die haftpflichtige Behörde tätig gewordene Beamte der geschädigten Körperschaft bei Erledigung seiner Dienstgeschäfte in einer Weise gegenübertritt, wie sie für das Verhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn einerseits und dem Staatsbürger andererseits charakteristisch ist. Wirken hingegen der Dienstherr des Beamten und eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung widerstreitender Interessen derart zusammen, dass sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen, dann können jene Pflichten, die dem Beamten im Interesse der Förderung des gemeinsam angestrebten Ziels obliegen, nicht als drittgerichtete Amtspflichten angesehen werden, deren Verletzung außenrechtliche Amtshaftungsansprüche der geschädigten Körperschaft auslöst (BGH BGHZ 153, 198, 201 f m.w.N.). In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat entschieden, dass die kommunale Rechtsaufsicht Amtspflichten der Aufsichtsbehörde auch ggü. der zu beaufsichtigenden kommunalen Gebietskörperschaft als einem geschützten Dritten begründen kann (Senat, a.a.O., S. 202 ff.). Ob diese Grundsätze auch für die vorliegende Fallgestaltung herangezogen werden können - weil nach Auffassung der Revision die überörtliche Rechnungsprüfung "aufsichtsrechtliche Elemente" enthält, kann dahinstehen. Denn selbst wenn man annehmen würde, dass dem Beklagten bei seiner Prüftätigkeit auch Schutzpflichten gegenüber seinen Mitgliedern obliegen können, vermag die fehlerhafte Feststellung des Beklagten im mündlich erläuterten Prüfungsbericht zur personellen Unterbesetzung im Bereich "Allgemeiner Sozialdienst" keine Haftung des Beklagten auszulösen. Denn die hier konkret gegebene Empfehlung im Prüfungsbericht bot keine hinreichende Verlässlichkeitsgrundlage für den Kläger, eine personelle Aufstockung vorzunehmen, ohne sich zuvor von deren Notwendigkeit unter dem Blickwinkel der ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung eigenverantwortlich zu vergewissern. Dies schließt einen Anspruch bereits nach der objektiven, durch das Amtshaftungsrecht gewährten Reichweite des Vermögensschutzes aus, was der Mitverschuldensprüfung vorgeschaltet ist (BGH, Urt. v. 11.10.2007 - III ZR 301/06, VersR 2008, 252, 253 Rz. 17 m.w.N.).
[12] a) Zweck der überörtlichen (Pflicht-)Rechnungsprüfung, die der Beklagte nach Art. 91 Abs. 1 BayLKrO i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayKPrVG bei dem Kläger als seinem Mitglied vorgenommen hat, ist nach Art. 92 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BayLKrO die Kontrolle, ob die für die Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze eingehalten sind, sowie insb., ob wirtschaftlich und sparsam verfahren wird oder die Aufgaben mit geringerem Personal- oder Sachaufwand erfüllt werden können. Die Überprüfung des Personaleinsatzes zielt deshalb darauf, ob eine Überbesetzung vorliegt (Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung [März 1992] § 106 GO Anm. 2 V). Die Ergebnisse der überörtlichen Prüfung richten sich in erster Linie an den geprüften Landkreis. Er soll u.a. die Möglichkeit erhalten, seine Verwaltung zu verbilligen (vgl. Klappstein DVBl. 1985, 363, 366).
[13] Ob sich hier die Überprüfung des Personaleinsatzes im Bereich "Allgemeiner Sozialdienst" durch den Beklagten als Teil der allgemeinen Pflichtprüfung darstellt oder als eine auf Antrag des Klägers erfolgte besondere Prüfung nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayKPrVG, kann dabei offen bleiben. Eine andere Zweckrichtung oder einen anderen Umfang der Prüfung macht der Kläger insoweit nicht geltend.
[14] b) Die Prüfung des Beklagten hatte zwar das fehlerhafte Ergebnis, dass eine personelle Unterbesetzung im Bereich "Allgemeiner Sozialdienst" vorgelegen habe. Gleichwohl durfte der Kläger aufgrund der Prüfung sich nicht herausgefordert fühlen, weiteres Personal zu beschäftigen und damit entgegen dem Wirtschaftlichkeitsgebot des Art. 55 Abs. 2 Satz 1 BayLKrO sein Verwaltungshandeln zu verteuern. Letzteres wäre allenfalls dann angezeigt gewesen, wenn aus der Sicht des Klägers keine ordnungsgemäße Aufgabenerledigung in dem fraglichen Bereich festzustellen gewesen wäre und das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltungstätigkeit nach Art. 50 BayLKrO personalwirtschaftliche Maßnahmen erfordert hätte. Weder hat der Kläger solches vorgetragen, noch enthält der Prüfungsbericht dahingehende Feststellungen.
[15] c) Die Aussagen des Beklagten konnten aber auch deshalb ohne konkreten Bezug zur ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung in dem betreffenden Bereich nicht Grundlage für eine Stärkung der Personalausstattung sein, weil sich die Prüfung allein nach Erfahrungswerten des Beklagten ausrichtete - worauf der Kläger im mündlich erläuterten Prüfungsbericht hingewiesen worden war - und nicht die konkreten Besonderheiten im Einzelfall erfasste. Vielmehr ging der Beklagte von statistischen Durchschnittswerten aus. Regionale oder personenbezogene Besonderheiten - z.B. Krankheiten oder Behinderungen der Sachbearbeiter - erfasste die Prüfung nicht. Die Prüfungsberichte des Beklagten sind auch von der Zielsetzung nicht als strikte Handlungsanweisung gedacht. Nach Nr. 3 zu § 8 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zur Kommunalwirtschaftlichen Prüfungsverordnung (BayVVKommPrV) vom 26.11.1981 (MABl. S. 155), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 12.11.2001 (BayAllMBl. S. 676), haben die kommunalen Körperschaften die Prüfungsberichte zügig auszuwerten und die Entscheidungen ihrer zuständigen Organe herbeizuführen. Regelmäßig wird es nicht nur eine einzige Möglichkeit der Reaktion auf eine Feststellung in einem Prüfungsbericht geben.
[16] d) Der Kläger war aufgrund der Feststellung im mündlich erläuterten Prüfungsbericht des Beklagten auch nicht zur Vermeidung kommunalaufsichtrechtlicher Maßnahmen gezwungen, weiteres Personal einzustellen. Die überörtliche Rechnungsprüfung ist keine Rechtsaufsicht (Hölzl/Hien/Huber, a.a.O., [Juli 2007] Art. 105 GO Anm. 3; Widtmann/Grasser, Bayerische Gemeindeordnung, [November 1987] Art. 105 Anm. 2; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze [März 2001] Art. 105 GO Rz. 5; Klappstein in: von Mutius, Festgabe Unruh, S. 479, 496). Sie hat keine aufsichtsrechtlichen Mittel zur Verfügung, um auf die geprüfte Körperschaft Einfluss auszuüben. Zwar erhält die Rechtsaufsichtsbehörde nach § 8 der Bayerischen Verordnung über das Prüfungswesen zur Wirtschaftsführung der Gemeinden, der Landkreise und der Bezirke (BayKommPrV) vom 3.11.1981 (BayGVBl. S. 492), zuletzt geändert durch Verordnung vom 29.5.1987 (BayGVBl. S. 195), einen Prüfungsbericht. Der Bericht wird nach Nr. 4 zu § 8 BayVVKommPrV in erster Linie zur Unterrichtung übersandt. Die Rechtsaufsichtsbehörde hat dann in eigener Verantwortung zu entscheiden, ob und ggf. welche Maßnahmen sie für erforderlich hält, soweit Beanstandungen im Prüfungsbericht des Beklagten enthalten sind. Im vorliegenden Fall bestand jedoch aufgrund der Feststellungen des Beklagten überhaupt kein Anhaltspunkt für ein Tätigwerden der Kommunalaufsichtsbehörde. Diese belegten jedenfalls keine unwirtschaftliche Aufgabenerfüllung durch den Kläger. Verbleibt die Entscheidungsbefugnis über einen Vorgang - hier die personelle Aufstockung - aber allein bei der geschädigten öffentlichen-rechtlichen Körperschaft, so spricht dies grundsätzlich für ihre eigene haftungsrechtliche Verantwortlichkeit (vgl. BGH BGHZ 170, 356, 368 Rz. 27).
[17] 2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflichten aus einer verwaltungsrechtlichen Sonderbeziehung zu, den der Kläger neben dem geltend gemachten Amtshaftungsanspruch mit seiner Revision allein weiterverfolgt.
[18] In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass auf die zwischen einem öffentlich-rechtlich organisierten Verband und seinen Pflichtmitgliedern bestehende verwaltungsrechtliche Sonderbeziehung die schuldrechtlichen Regelungen entsprechend anzuwenden sein können (vgl. BGH BGHZ 21, 214, 218 ff.; 135, 341, 344 ff.; 166, 268, 276 f Rz. 17; v. 14.12.2006 - III ZR 303/05, NJW 2007, 1061, 1062 Rz. 9; v. 5.3.1987 - III ZR 265/85, VersR 1987, 768 sowie v. 8.3.2007 - III ZR 55/06, NVwZ 2007, 1221 Rz. 9 [landwirtschaftlicher Wasser- und Bodenverband]; v. 22.11.2007 - III ZR 280/06, NVwZ-RR 2008, 169 Rz. 7 [Entwässerungsverband]; BVerwG RdL 1994, 265, 266 [Jagdgenossenschaft]; vgl. MünchKomm/BGB/Papier, 4. Aufl., § 839 Rz. 76). Es kann dahinstehen, ob diese für die Pflichtmitgliedschaft von Bürgern entwickelte Rechtsprechung auch auf die nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayKPrVG bestehende Pflichtmitgliedschaft des Klägers beim Beklagten anzuwenden ist. Ein Anspruch scheitert jedenfalls daran, dass der geltend gemachte Schaden aus den bereits genannten Gründen (II. 1.) nicht dem Schutzzweck der mit der Pflichtmitgliedschaft verbundenen Prüfungspflicht des Beklagten unterfällt. Eine andere Zweckvereinbarung der Parteien hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und wird von der Revision auch nicht geltend gemacht.
Fundstellen
Haufe-Index 2014944 |
BGHZ 2008, 37 |
BGHR 2008, 1010 |
EBE/BGH 2008 |
NVwZ-RR 2008, 671 |
DÖV 2008, 871 |
MDR 2008, 1034 |
VersR 2009, 358 |
BayVBl. 2009, 27 |
FSt 2009, 521 |