Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 12. September 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht über einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2 wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung zum Nachteil des Klägers erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt u.a. die Beklagte zu 2 als Gründungsgesellschafterin einer Fondsgesellschaft wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Fondsbeteiligung auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Der Kläger erklärte am 12. April 2010 seinen Beitritt als Treugeber für eine Kommanditbeteiligung an der A. GmbH & Co. KG (künftig: Fondsgesellschaft). Die Zeichnungssumme betrug 750.000 € abzüglich eines Discounts in Höhe von 30.000 €. Der am 7. Oktober 2009 aufgestellte Verkaufsprospekt lag dem Kläger vor Zeichnung der Beteiligung vor.
Rz. 3
Die Beklagte zu 2 ist Rechtsnachfolgerin der A. C. GmbH, die Rechtsnachfolgerin der A. R. GmbH ist. Sie ist Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft und fungierte als deren geschäftsführende Kommanditistin.
Rz. 4
Auf Seite 81 des Prospekts wird u.a. Folgendes ausgeführt:
"Geschäftsbesorgungsvertrag Eigenkapitalvermittlung
Das Beteiligungskapital wird durch die A. Ca. GmbH als Generalvermittler auf Basis des Geschäftsbesorgungsvertrages mit der Fondsgesellschaft vom 07.10.2009 platziert."
Rz. 5
Auf Seite 85 des Prospekts heißt es u.a. weiter:
"Vertriebsbeauftragte
Das Beteiligungskapital wird auf Grundlage des Geschäftsbesorgungsvertrages Eigenkapitalvermittlung durch die A. Ca. GmbH als Generalvermittler sowie deren Vertriebsbeauftragte, mit denen entsprechende Vertriebsvereinbarungen getroffen werden, platziert. Die A. Ca. GmbH und die Vertriebsbeauftragten sind selbständige Unternehmer. Sie und ihre Mitarbeiter treten nicht als Erfüllungsgehilfen der Anbieterin dieses Beteiligungsangebotes auf. […]"
Rz. 6
Das Fondskonzept sah vor, dass sich die Fondsgesellschaft mittelbar an der Projektgesellschaft Am. S.A. beteiligt, die in die Bewirtschaftung des natürlichen Amazonas-Tropenwaldes und die Aufforstung bereits gerodeten Regenwaldes in Brasilien investieren sollte.
Rz. 7
Der Kläger macht u.a. verschiedene Prospektfehler geltend und meint, die Beklagte zu 2 sei ihm aufgrund ihrer Stellung als Gründungsgesellschafterin wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung zum Schadensersatz verpflichtet.
Rz. 8
Mit seiner Klage begehrt der Kläger (1.) die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 720.000 € zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung des Gesellschaftsanteils des Klägers an der Fondsgesellschaft, (2.) die Feststellung, dass sich die Beklagten mit der Annahme der Zug-um-Zug-Leistung im Verzug befänden, (3.) die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, den Kläger von allen Schäden und Nachteilen freizustellen, die unmittelbar oder mittelbar aus der Zeichnung der Fondsanteile resultieren, und (4.) die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 11.813,73 €.
Rz. 9
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers blieb erfolglos. Der Senat hat die Revision insoweit zugelassen, als das Berufungsgericht über einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2 wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung zum Nachteil des Klägers erkannt hat. Insoweit verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
Die Revision hat Erfolg.
I.
Rz. 11
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 12
Eine Haftung der Beklagten als Gründungsgesellschafterinnen aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB werde durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (künftig: aF) verdrängt. Die spezialgesetzliche Prospekthaftung schließe in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB aus. Ansprüche nach der spezialgesetzlichen Prospekthaftung seien gemäß § 46 BörsG aF verjährt.
II.
Rz. 13
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB wegen einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung werde durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 ff. BörsG aF verdrängt, kann die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage nicht abgewiesen werden.
Rz. 14
1. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt allerdings zutreffend angenommen, dass eine Haftung der Beklagten zu 2 als Gründungsgesellschafterin aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden kann.
Rz. 15
Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird nach gefestigter Senatsrechtsprechung durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 22 ff., vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 7 f. in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, WM 2022, 1908 und vom 26. Juli 2022 - XI ZB 23/20, WM 2022, 2137 Rn. 50 ff., jeweils mwN). Diese Senatsrechtsprechung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2023 - II ZR 57/21, BGHZ 238, 302 Rn. 11).
Rz. 16
Auf den am 7. Oktober 2009 aufgestellten Prospekt findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (künftig: aF) i.V.m. § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF eröffnet.
Rz. 17
Nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF haften neben denjenigen, die für den Prospekt im Sinne des § 8g VerkProspG aF die Verantwortung übernommen haben (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF), im Falle von dort enthaltenen unrichtigen oder unvollständigen wesentlichen Angaben auch diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF). Die Beklagte zu 2 ist Prospektverantwortliche im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF, da sie Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. Februar 2022 - XI ZB 32/20, BGHZ 233, 47 Rn. 2, 19 und vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 12 in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, WM 2022, 1908; Senatsurteile vom 11. Juni 2024 - XI ZR 489/21, BKR 2024, 816 Rn. 15 und XI ZR 491/21, BKR 2024, 812 Rn. 16).
Rz. 18
Die Beklagte zu 2 haftete somit als Prospektverantwortliche für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF. Neben dieser ist eine Haftung der Beklagten zu 2 unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung allein aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB ausgeschlossen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 26).
Rz. 19
2. Ein Gründungsgesellschafter kann gegenüber Anlegern allerdings aus anderen Gründen als durch Verwenden einer Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung - etwa wegen unrichtiger mündlicher Zusicherungen - nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB haften. Insoweit schließt die spezialgesetzliche Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF eine Haftung aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB nicht aus (Senatsbeschlüsse vom 27. April 2021 - XI ZB 35/18, BKR 2021, 774 Rn. 8, vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 16 in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, WM 2022, 1908, vom 11. Juli 2023 - XI ZB 20/21, BGHZ 237, 346 Rn. 41 und vom 19. September 2023 - XI ZB 16/21, NZG 2024, 24 Rn. 23; Senatsurteile vom 11. Juni 2024 - XI ZR 489/21, BKR 2024, 816 Rn. 17 und XI ZR 491/21, BKR 2024, 812 Rn. 18).
Rz. 20
Wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden und im Einzelnen begründet hat, kommt eine Haftung eines Gründungsgesellschafters nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF auch dann in Betracht, wenn der Gründungsgesellschafter dadurch einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand setzt, dass er entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernimmt oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung trägt (Senatsbeschluss vom 11. Juli 2023 - XI ZB 20/21, BGHZ 237, 346 Rn. 41 ff.; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2023 - II ZR 57/21, BGHZ 238, 302 Rn. 11; Senatsurteile vom 11. Juni 2024 - XI ZR 489/21, BKR 2024, 816 Rn. 18 und XI ZR 491/21, BKR 2024, 812 Rn. 19).
Rz. 21
Vertriebsverantwortung kann durch verschiedene Umstände begründet werden. Vertriebsverantwortung trägt ein Altgesellschafter, wenn er selbst den Vertrieb übernimmt, beispielsweise als Vertriebsgesellschaft. Vertriebsverantwortung kann jedoch auch bestehen, wenn ein Altgesellschafter den Vertrieb nicht selbst übernimmt. Vertriebsverantwortung tragen danach, soweit der Vertriebsauftrag von der Fondsgesellschaft erteilt wurde, die geschäftsführungsbefugten Altgesellschafter (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2023 - II ZR 57/21, BGHZ 238, 302 Rn. 30 und Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 2023 - XI ZR 60/22, BKR 2023, 718 Rn. 7 und XI ZB 20/21, BGHZ 237, 346 Rn. 44 und vom 5. März 2024 - XI ZB 17/22, WM 2024, 887 Rn. 50, 53).
Rz. 22
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beklagte zu 2 für den Vertrieb der Fondsanteile verantwortlich. Aus dem Prospekt ergibt sich, dass die A. Ca. GmbH von der Fondsgesellschaft auf der Basis eines Geschäftsbesorgungsvertrags vom 7. Oktober 2009 mit dem Vertrieb beauftragt wurde. Die Komplementärin der Fondsgesellschaft war nach den Angaben im Prospekt (S. 77) ausdrücklich von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Geschäftsführende Kommanditistin der Fondsgesellschaft war vielmehr die Beklagte zu 2 (Prospekt, S. 73). Diese ist danach für den Vertrieb der Fondsanteile verantwortlich, da der Vertriebsauftrag, wie hier, von der Fondsgesellschaft erteilt wurde (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 2023 - XI ZB 20/21, BGHZ 237, 346 Rn. 44; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2023 - II ZR 57/21, BGHZ 238, 302 Rn. 31; Senatsurteile vom 11. Juni 2024 - XI ZR 489/21, BKR 2024, 818 Rn. 20 und XI ZR 491/21, BKR 2024, 812 Rn. 21). Eine Haftung der Beklagten zu 2 wegen einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB kann damit - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, die Haftung werde durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt.
III.
Rz. 23
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Sache ist vielmehr zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), um diesem Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen zu treffen.
Ellenberger Grüneberg Derstadt
Schild von Spannenberg Ettl
Fundstellen
Dokument-Index HI16717355 |