Leitsatz (amtlich)
›Zur Berücksichtigung früher gemeinsam getragener Aufwendungen für ein Eigenheim bei der Bemessung des Unterhaltsschadens.‹
Verfahrensgang
LG Ellwangen |
OLG Stuttgart |
Tatbestand
Der Erstkläger ist der Witwer, der am 1. Juli 1983 geborene Zweitkläger und der am 5. Februar 1982 geborene Drittkläger sind die Kinder der am 17. November 1984 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Frau Edith K. Für den Unfall hat die Beklagte als der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners einzustehen. Frau K. war als Realschullehrerin berufstätig. Den Haushalt versorgte sie zusammen mit dem Erstkläger, der ebenfalls Lehrer ist. Zur Betreuung der Kinder während der berufsbedingten Abwesenheit der Eltern war eine stundenweise tätige Hilfskraft engagiert. Die Kläger bewohnen wie schon vor dem Schadensereignis ein Eigenheim.
Die Kläger haben Ersatz des bei dem Unfall entstandenen Sachschadens, Schmerzensgeld für ihre bei dem Unfall erlittenen Verletzungen, Ersatz sowohl ihres durch den Ausfall der Haushaltstätigkeit als auch ihres durch den Ausfall des Einkommens der Getöteten bedingten Unterhaltsschadens sowie die Feststellung begehrt, daß die Beklagte die dem Erstkläger durch die Versteuerung der Witwer- und der Schadensrente entstehenden Belastungen auszugleichen habe. Bezüglich des Unterhaltsschadens hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, ab 18. November 1984 an den Erstkläger eine monatliche Rente von 290,50 DM und an die Kläger zu 2) und 3) monatliche Renten von je 868,75 DM zu zahlen, und zwar abzüglich vor Klageerhebung gezahlter 21.039,75 DM und nach Klageerhebung gezahlter 20.000 DM. Hiergegen hat die Beklagte Berufung mit dem Ziel der Abweisung des Schadensrentenbegehrens des Erstklägers und einer Herabsetzung der an die Kläger zu 2) und 3) ab 18. November 1984 zu zahlenden Renten auf monatlich je 210,75 DM bei Berücksichtigung einer weiteren Zahlung von 5.000 DM eingelegt. Die Kläger haben sich dem Rechtsmittel angeschlossen und u.a. beantragt, dem Erstkläger ab 18. November 1984 eine monatliche Rente von 2.516,50 DM abzüglich der jeweils ausgezahlten Witwerrente zuzubilligen. Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts hat die Beklagte lediglich an die Kläger zu 2) und 3) Schadensrenten zu zahlen, und zwar in Höhe von je 364,77 DM für die Zeit vom 18. November 1984 bis zum 30. November 1984, von monatlich je 616,41 DM in der Zeit vom 1. Dezember 1984 bis zum 31. Dezember 1985, von monatlich je 671,73 DM in der Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Dezember 1986 und von monatlich je 693,71 DM ab 1. Januar 1987, jeweils nebst 4% Zinsen und abzüglich vor Klageerhebung gezahlter 21.039,75 DM sowie nach Klageerhebung am 29. März 1987 gezahlter 20.000 DM und am 13. August 1987 gezahlter 5.000 DM. Der Senat hat die auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten gerichtete sowie an der Anschlußberufung festhaltende Revision der Kläger nur insoweit angenommen, als die Kläger zu 2) und 3) für die Zeit vom 1. Dezember 1984 bis zum 31. Dezember 1985 monatliche Renten von je 762,66 DM, für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Dezember 1986 monatliche Renten von je 817,98 DM und ab 1. Januar 1987 monatliche Renten von je 839,96 DM begehren und der Erstkläger für die Zeit vom 18. bis 30. November 1984 DM 52,27, für die Zeit vom 1. Dezember 1984 bis zum 31. Dezember 1985 monatlich 120,63 DM, für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Dezember 1986 monatlich 231,29 DM und ab 1. Januar 1987 monatlich 275,25 DM begehrt, jeweils nebst 4% Zinsen, jedoch frühestens ab 28. Februar 1986 (Klagezustellung) und bei den Klägern zu 2) und 3) abzüglich der genannten Zahlungen von 21.039,75 DM, 20.000 DM und 5.000 DM. Im Umfange der Annahme der Revision halten die Parteien an ihren schon in zweiter Instanz eingenommenen Standpunkten fest.
Entscheidungsgründe
I.
Soweit der Senat die Revision der Kläger zur Entscheidung angenommen hat, betrifft dies, wie bereits in dem Teilannahmebeschluß vom 19. September 1989 zum Ausdruck gebracht, allein den sog. Barunterhaltsschaden der Kläger, also denjenigen Unterhaltsschaden, der ihnen dadurch entstanden ist, daß das Einkommen der als Realschullehrerin tätig gewesenen Ehefrau und Mutter und damit ihr hieraus geleisteter Beitrag zum Lebensunterhalt der Kläger ausfällt. Das Berufungsgericht hat zur Bemessung dieses Unterhaltsschadens zunächst das für Unterhaltszwecke verfügbare Gesamteinkommen ermittelt. Dabei hat es von den Nettoeinkünften des Erstklägers und seiner bei dem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Ehefrau in Höhe von insgesamt 7.547,90 DM dasjenige abgezogen, was die Ehegatten den Umständen nach nicht für den laufenden Lebensunterhalt der Familie verwendet, sondern der Vermögensbildung zugeführt haben. Für die Höhe dieser Vermögensbildungsrate hat sich das Berufungsgericht an den Zins- und Tilgungsaufwendungen für das Eigenheim der Familie, nach dem eigenen Vorbringen der Kläger monatlich 1.800 DM, orientiert. Diesen Betrag hat es im Hinblick darauf, daß außerdem Sparrücklagen gebildet waren, noch um 200 DM monatlich auf 2.000 DM monatlich aufgerundet. Aus dem nach Abzug dieses Betrages verbleibenden Einkommen von (7.547,90 DM ./. 2.000 DM =) 5.547,90 DM hat das Berufungsgericht weiter - vorerst - die sog. fixen Kosten (weiterlaufende Haushaltskosten) ausgesondert. Insoweit hat es einen Betrag von insgesamt 1.930 DM monatlich zugrunde gelegt, darunter 900 DM monatlich als Mietwert einer vergleichbaren Wohnung. Den verbleibenden Betrag von (5.547,90 DM ./. 1.930 DM =) 3.617,90 DM hat das Berufungsgericht sodann im Verhältnis von 35 : 35 (Eltern) : 15 : 15 (Kinder) aufgeteilt, den auf die Kläger entfallenden Quoten die fixen Kosten im Verhältnis von 50 : 25 : 25 wieder zugesetzt und mit den Endbeträgen die Witwerrente des Erstklägers und die Waisenrenten der Kläger zu 2) und 3) verrechnet.
II.
Diese Schadensrentenbemessung hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfange stand.
1. Allerdings ergeben sich gegen die Methode, derer sich das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Barunterhaltsschadens der Kläger bedient hat (Bestimmung des für Unterhaltszwecke verfügbaren Einkommens unter Ausscheidung der Aufwendungen zur Vermögensbildung, Aussonderung der fixen Kosten, Verteilung des verbleibenden Einkommens auf die Getötete und die Hinterbliebenen nach Quoten, Erhöhung der danach auf die Hinterbliebenen entfallenden Beträge um die [nur] unter ihnen aufgeteilten fixen Kosten) als solche keine Bedenken. Sie entspricht der Rechtsprechung des Senats (s. etwa Senatsurteile vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 155/86 - VersR 1987, 1243 f. und vom 31. Mai 1988 - VI ZR 116/87 - VersR 1988, 954, 955, 957 jeweils m.w.N. sowie zusammenfassend Macke NZV 1989, 249, 250 und Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaften des DAV Bd. 7 S. 9, 10 ff., 20, 23 ff.). Die Aufteilung des verfügbaren Einkommens im Verhältnis von 35 : 35 : 15 : 15 ist nach Lage des Falles ebensowenig zu beanstanden wie die Hinzurechnung der fixen Kosten bei den Klägern im Verhältnis von 50 : 25 : 25. Die Kläger zu 2) und 3) liegen altersmäßig so dicht beieinander, daß sich eine unterschiedliche Behandlung (vgl. hierzu Senatsurteil vom 6. Oktober 1987 aaO S 1244 f.) erübrigt.
2. Dem Berufungsgericht ist indessen insofern ein Fehler unterlaufen, als es bei der Ermittlung des verteilungsfähigen Einkommens nicht nur die Aufwendungen für die Tilgung der für das Eigenheim aufgenommenen Schulden, sondern in vollem Umfange auch die auf diese Schulden zu erbringenden Zinsen als Aufwendungen zur Vermögensbildung angesehen und bei der Bemessung des Unterhaltsschadens gänzlich außer Ansatz gelassen hat. Tatsächlich sind nur die Aufwendungen für die Tilgung von vornherein der Vermögensbildung zuzurechnen, welche unterhaltsrechtlich nicht geschuldet wird und deshalb bei der Bemessung des Unterhaltsschadens außer Betracht zu bleiben hat (s. Senatsurteile vom 3. Juli 1984 - VI ZR 42/83 - VersR 1984, 961, 962, vom 15. Oktober 1985 - VI ZR 55/84 - VersR 1986, 264, 265 und vom 31. Mai 1988 aaO S. 956). Die Zinsbelastungen hingegen dienen wirtschaftlich - jedenfalls auch - der Finanzierung des Wohnbedarfs und sind insofern der Miete vergleichbar. Sie sind daher in Höhe des Mietzinses für eine angemessene Mietwohnung als fixe Kosten zu behandeln (s. Senatsurteile aaO). Angemessen in diesem Sinne ist eine Mietwohnung, die hinsichtlich Lage, Zuschnitt und Bequemlichkeit den Wohnverhältnissen vor dem Unfall entspricht, falls diese nicht oberhalb des unterhaltsrechtlich geschuldeten Standards lagen (vgl. Macke Schriftenreihe DAV aaO S. 20 f.). Im Umfange des Mietwerts einer solcherart vergleichbaren Wohnung sind mithin die für das Eigenheim auf zuwendenden Zinsen zusammen mit den übrigen fixen Kosten nur vorübergehend vor der quotenmäßigen Aufteilung des verfügbaren Einkommens auszusondern, hernach aber den auf die Schadensersatzberechtigten entfallenden Quoten anteilig wieder zuzusetzen. Dann aber dürfen sie in diesem Umfange nicht gleichzeitig als Aufwendungen zur Vermögensbildung behandelt und damit aus dem unterhaltsrelevanten Einkommen - aus dem (auch) der Wohnbedarf erst zu finanzieren ist - gänzlich herausgenommen werden.
Vorliegend haben die Parteien in der Berufungsinstanz unstreitig gestellt, daß der Mietwert für eine vergleichbare Wohnung 900 DM monatlich beträgt. Dementsprechend hat das Berufungsgericht diesen Betrag in Übereinstimmung mit den vorstehend dargelegten Grundsätzen zu Recht als fixe Kosten in die Schadensberechnung eingestellt. In demselben Umfange stellen sich die Zinsaufwendungen für das von den Klägern bewohnte Eigenheim aber nicht als Aufwendungen zur Vermögensbildung, sondern als Finanzierung des Wohnbedarfs aus dem für die Bemessung des Unterhaltsschadens zugrundezulegenden Einkommen dar. Das bedeutet, daß das für Unterhaltszwecke verfügbare Gesamteinkommen um 900 DM monatlich höher liegt als vom Berufungsgericht angenommen. Andererseits ist nichts dafür ersichtlich, daß die Zinsbelastung etwa unter 900 DM monatlich läge und deshalb für die weiteren Rechenschritte die fixen Kosten entsprechend niedriger anzusetzen wären.
Wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler allgemein für das verfügbare Einkommen angenommen hat (BU S. 38 f.), kann auch hinsichtlich dieses zusätzlich verfügbaren Betrages von 900 DM monatlich davon ausgegangen werden, daß er zu gleichen Teilen von dem Erstkläger und seiner bei dem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Ehefrau aufgebracht worden ist. Demzufolge hat die Beklagte insoweit für den Ausfall von 450 DM monatlich aufzukommen. Hiervon entfallen nach dem wiedergegebenen Verteilungsschlüssel von 35 : 35 (Ehegatten): 15 : 15 (Kinder) auf den Erstkläger 35% - 157,50 DM monatlich und auf die Kläger zu 2) und 3) je 15% = je 67,50 DM monatlich. Auf der anderen Seite verbleibt dem Erstkläger der in dem Betrag von 900 DM monatlich enthaltene Anteil von 450 DM, der sich aus seinem Einkommen speiste und aus dem wiederum 35% auf den Unterhaltsbedarf der Ehefrau entfielen, nunmehr ganz. Insofern wird der ihm entstehende Nachteil durch eine gleich hohe Ersparnis ausgeglichen. Dagegen ist die den Klägern zu 2) und 3) zuzubilligende Schadensrente um je 15% aus 450 DM, d.h. um je 67,50 DM monatlich, zu erhöhen. Der Senat entscheidet in dieser Weise auf der Basis des im übrigen unveränderten Rechenwerks des Berufungsgerichts (BU S. 44) abschließend (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Für den Restmonat November 1984 wirkt sich der sich insoweit errechnende zusätzliche Rechnungsposten von je 29,25 DM (13/30 aus 67,50 DM) im Ergebnis nicht aus. Dem Berufungsgericht ist insofern ein Rechenfehler unterlaufen. Es hätte für diesen Monat aus seiner Sicht nur je 267,11 DM (13/30 aus 616,41 DM) zusprechen dürfen. Daher geht die den Klägern zu 2) und 3) für den Restmonat November 1984 zustehende Schadensrente auch bei Berücksichtigung des zusätzlichen Rechnungspostens von je 29,25 DM über den vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrag von je 364,77 DM nicht hinaus.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Sie berücksichtigt die in den Instanzen unterschiedlichen Streitwerte (für die Vorinstanzen s. BU S. 4) einerseits und die zu trennenden Streitwertanteile der Kläger andererseits. Für die Revisionsinstanz war zusätzlich in Rechnung zu stellen, daß sich der Streitwert durch die teilweise Nichtannahme der Revision vermindert hat und Verhandlungsgebühren nur im Umfange der Annahme der Revision angefallen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 2993010 |
BB 1990, 312 |
BGHR BGB § 844 Abs. 2 Fixe Kosten 5 |
MDR 1990, 532 |
VersR 1990, 317 |
r s 1990, 51 |