Leitsatz (amtlich)
Hat der Rechtspfleger im Verfahren nach § 19 BRAGO die vom Rechtsanwalt geforderte Vergütung in voller Höhe festgesetzt und eine nach § 118 Abs. 2 BRAGO in Betracht kommende Anrechnung einer außergerichtlichen, bereits gezahlten Gebühr mit der unzutreffenden Begründung abgelehnt, darüber sei „im Klageverfahren” zu entscheiden, so kann die Anrechnung nicht im Wege der Vollstreckungsgegenklage gegen den Gebührenfestsetzungsbeschluß geltend gemacht werden.
Normenkette
ZPO §§ 322, 767; BRAGO § 19
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. Februar 1996 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die verklagten Rechtsanwälte vertraten den Kläger zunächst außergerichtlich gegenüber der U. I. GmbH, die gegen diesen aus abgetretenem Recht eine Forderung aus einem Kreditvertrag geltend machte. Hierüber erteilten sie dem Kläger mit Schreiben vom 16. November 1993 eine „Kostenvorschußrechnung” über 1.696,02 DM, die der Kläger bezahlte. Bis zum 1. Februar 1994 korrespondierten die Beklagten mit den gegnerischen Rechtsanwälten. Auf Antrag der U. I. GmbH vom 22. November 1994 erließ das Amtsgericht einen Mahnbescheid gegen den Kläger. Hiergegen legten die Beklagten für ihn Widerspruch ein. Am 5. Januar 1995 kündigte der Kläger das Mandatsverhältnis mit den Beklagten, nachdem diese ihm am 3. Januar 1995 eine weitere Kostenvorschußrechnung erteilt hatten. Mit Schriftsatz vom 23. Januar 1995 beantragten die Beklagten nach § 19 BRAGO die Festsetzung ihrer Gebühren für das gerichtliche Verfahren in Höhe von 2.696,55 DM, ohne hiervon die frühere Vorschußzahlung abzuziehen. Dem widersprachen die nunmehrigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers. Die Rechtspflegerin beim Landgericht Münster, an das der damalige Rechtsstreit inzwischen abgegeben worden war, setzte durch Beschluß vom 5. Juli 1995 die vom Kläger an die Beklagten zu zahlende Vergütung unter Abzug von lediglich 12 DM Kopierkosten nebst Mehrwertsteuer auf 2.682,75 DM fest. Die Anrechnung der vorgerichtlichen Zahlung lehnte sie mit der Begründung ab, die Gebühr nach § 118 Abs. 1 BRAGO sei eine Rahmengebühr; sie könne deshalb nur im Wege der Klage geltend gemacht werden.
Der Kläger legte gegen den Festsetzungsbeschluß kein Rechtsmittel ein. Statt dessen möchte er die nach seiner Ansicht gerechtfertigte Anrechnung eines Betrages von 1.638,32 DM mit der im jetzigen Rechtsstreit erhobenen Vollstreckungsgegenklage erreichen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei mit seiner bereits im Vergütungsfestsetzungsverfahren erhobenen Einwendung im jetzigen Prozeß nach § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
a) Mit der Vollstreckungsgegenklage gegen einen Gebührenfestsetzungsbeschluß nach § 19 BRAGO können gemäß § 676 Abs. 2 ZPO nur solche Einwendungen geltend gemacht werden, die erst nach Erlaß des Beschlusses entstanden sind. Das beruht darauf, daß ein solcher Beschluß – anders als ein Kostenfestsetzungsbeschluß nach § 104 ZPO – den Vergütungsanspruch nicht nur unter gebührenrechtlichen Gesichtspunkten der Höhe nach festgestellt, sondern über den Anspruch als solchen entscheidet (BGHZ 21, 199, 203). Einwendungen, über die im Gebührenfestsetzungsverfahren nicht entschieden werden kann, bleiben nicht, wie im Verfahren nach den §§ 103 ff. ZPO, unbeachtet, sondern führen dazu, daß die Festsetzung unterbleibt, soweit sich solche Einwendungen auf den Vergütungsanspruch auswirken. Unterläßt es der Auftraggeber, derartige Einwendungen zu erheben, oder werden sie im Festsetzungsverfahren unanfechtbar zurückgewiesen, so können sie wegen der materiellen Rechtskraft, in die der festgesetzte Gebührenanspruch erwächst, in einem späteren Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden (BGH, Urt. v. 10. Mai 1976 – III ZR 120/74, LM ZPO § 767 Nr. 44; v. 22. Juni 1994 – XII ZR 39/93, NJW 1994, 3292, 3293).
b) Diese Grundsätze verwehren im vorliegenden Fall dem Kläger den Einwand, seine Zahlung auf die Gebührenrechnung der Beklagten vom 16. November 1993 müsse – teilweise – auf den Gebührenanspruch aus deren Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren angerechnet werden. § 767 Abs. 2 ZPO sichert, wie das Berufungsgericht zutreffend betont hat, die Rechtskraftwirkung unanfechtbar gewordener Entscheidungen (BGH, Urt. v. 10. Mai 1976 a.a.O.). Im Streitfall hat die Rechtspflegerin freilich – dies läßt die Begründung des Beschlusses vom 5. Juli 1995 eindeutig erkennen – über die Berechtigung des Anrechnungseinwands des Klägers dadurch, daß sie ihn „nicht beachtete”, nicht endgültig entscheiden wollen. Sie hat vielmehr gemeint, darüber müsse „im Wege der Klage gegen den Auftraggeber” entschieden werden, weil nur dort die zutreffende Höhe der in der Rechnung der Beklagten vom 16. November 1993 enthaltenen Rahmengebühr endgültig festgestellt werden könne. Diese rechtliche Beurteilung war unzutreffend. Für eine Klage der Anwälte gegen den Kläger war kein Raum, weil die Rechnung vom 16. November 1993 in vollem Umfang beglichen war. Auch eine etwaige Rückforderungsklage des Mandanten – also des jetzigen Klägers – kam jedenfalls zunächst nicht in Betracht, weil über die Berechtigung des damaligen Rechnungsbetrages mit der darin enthaltenen Rahmengebühr nicht gestritten wurde. In einem solchen Fall ist die Zahlung auf die vorprozessual verdiente Gebühr von dem durch die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren entstandenen Vergütungsanspruch ohne weiteres abzusetzen, sofern die Voraussetzungen dafür nach § 118 Abs. 2 BRAGO vorliegen; die auf eine solche Anrechnung gerichtete Einwendung des Mandanten betrifft das Gebührenrecht und muß deshalb im Gebührenfestsetzungsverfahren beschieden werden (vgl. OLG Celle JurBüro 1968, 888 f.).
Die Rechtspflegerin hat danach den Anrechnungseinwand des Klägers – unzutreffend – wie eine unzulässige Aufrechnung behandelt. Gibt ein Gericht einer Klage statt, weil es die vom Beklagten erklärte Aufrechnung für unzulässig hält, dann ist zwar damit über die Aufrechnungsforderung nicht mit Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 2 ZPO) entschieden, so daß sie in einem neuen Rechtsstreit erneut zur Prüfung gestellt werden kann (BGH, Beschl. v. 3. Oktober 1989 – XI ZR 90/89, BGHR ZPO § 322 Abs. 2 Aufrechnung 1; v. 24. Februar 1994 – VII ZR 209/93, NJW 1994, 1538; vgl. auch Beschl. v. 25. Mai 1988 – VIII ZR 18/88, WM 1988, 1322, 1323; vgl. ferner BGHZ 38, 259, 265 f. für das Verfahren vor einem – ausländischen – Schiedsgericht). Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Aufrechnung zu Recht als unzulässig angesehen worden ist. Daraus folgt aber nur, daß die Aufrechnungsforderung in einem neuen Rechtsstreit geltend gemacht werden kann. Es ist hier nicht zu entscheiden, ob im vorliegenden Fall, in dem es nicht um eine wirkliche Aufrechnung, sondern um den Anrechnungseinwand nach § 118 Abs. 2 BRAGO ging, eine Klage auf Rückzahlung der Vorschußleistung – von der Frage der Berechtigung der späteren Anrechnung abgesehen – Erfolg haben könnte, obwohl im Zeitpunkt der Zahlung ein entsprechender Anspruch der Beklagten bestand. Der von der Rechtspflegerin unbeschieden gelassene Anrechnungseinwand kann jedenfalls ebensowenig wie eine nicht zugelassene Aufrechnung im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden. Das verbietet der Zweck des § 767 Abs. 2 ZPO, die materielle Rechtskraft der Entscheidung, aus der vollstreckt werden soll, abzusichern (BGHZ 125, 351, 353).
2. Die Voraussetzungen für eine Durchbrechung der Rechtskraft auf der Grundlage des § 826 BGB (vgl. BGHZ 101, 380, 383 ff.; 103, 44, 46 ff.; BGH, Urt. v. 24. Juni 1993 – III ZR 43/92, NJW 1993, 3204, 3205) sind hier nicht gegeben. Ob der Beschluß vom 5. Juli 1995 – auch – im Ergebnis unrichtig ist, hängt davon ab, ob der für die Anrechnung nach § 118 Abs. 2 BRAGO erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen der außergerichtlichen und der gerichtlichen Tätigkeit gewahrt war und ob, wie der Kläger meint, dafür die in § 13 Abs. 5 Satz 2 BRAGO bestimmte Frist von zwei Jahren von Bedeutung ist (vgl. dazu Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO 12. Aufl. § 118 Rdnr. 25; Riedel/Sußbauer/Chemnitz, BRAGO 7. Aufl. § 118 Rdnr. 63). Die Frage braucht hier nicht beantwortet zu werden. Es fehlt jedenfalls an der weiteren Voraussetzung der Kenntnis der Beklagten von einer etwaigen Unrichtigkeit des Titels. Die Beklagten stellen sich noch in diesem Rechtsstreit auf den Standpunkt, der Zeitraum von etwas mehr als zehn Monaten zwischen der Beendigung der außergerichtlichen Tätigkeit und dem Beginn des Mahnverfahrens sei für eine Anrechnung der früher verdienten Vergütung zu lang gewesen. Das ist, wenngleich das Berufungsgericht in seinen das Urteil nicht tragenden Ausführungen hierzu gute Gründe für den gegenteiligen Standpunkt genannt hat, nicht von vornherein unvertretbar. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß die Beklagten mit der Vollstreckung aus dem Festsetzungsbeschluß bewußt von einem unrichtigen Titel Gebrauch machten.
3. Das Berufungsgericht hat die Frage erörtert – und für rechtsgrundsätzlich gehalten –, ob wegen des im Festsetzungsbeschluß vom 5. Juli 1995 erweckten Anscheins, hinsichtlich der Anrechnung nach § 118 Abs. 2 BRAGO komme ein Rechtsmittel gegen den Beschluß nicht in Betracht, dessen Rechtmäßigkeit insoweit unter dem Gesichtspunkt der „Meistbegünstigung” mit der Vollstreckungsgegenklage überprüft werden könne. Dies ist zu verneinen. Die Grundsätze über die Meistbegünstigung gelten dann, wenn ein Gericht eine Entscheidung in einer falschen Form getroffen hat, nicht aber, wenn die der Form nach korrekte Entscheidung in der Sache unrichtig ist (BGH, Beschl. v. 19. November 1992 – V ZB 37/92, NJW 1993, 332, 333).
Fundstellen
Haufe-Index 609808 |
NJW 1997, 743 |
AnwBl 1999, 131 |
MDR 1997, 397 |
ZfS 1999, 180 |