Leitsatz (amtlich)
Zu den Amtspflichten einer Behörde, die in ständiger Verwaltungsübung Mindestwartezeiten für eine Beförderung festlegt.
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 28. März 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Lehrer an den Beruflichen Schulen des Kreises P. Er wurde vom beklagten Land zum 1. März 1981 als Studienrat z.A. eingestellt. Mit Wirkung vom 1. März 1984 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Studienrat ernannt. Die Beförderung zum Oberstudienrat erfolgte auf Antrag des Klägers vom 3. Oktober 1995 mit Wirkung zum 1. August 1996.
Das Kultusministerium des beklagten Landes hatte die Beförderung von Lehrkräften durch Erlaß vom 10. Juni 1977 geregelt. Diesen „Empfehlungen” zufolge sollten „zwischen zwei Beförderungen” mindestens drei Jahre liegen (Nr. 2.3 des vorgenannten Erlasses). Bei der (ersten) Beförderung vom Studienrat zum Oberstudienrat ging die Praxis des Ministeriums ebenfalls dahin, daß eine bestimmte Wartezeit eingehalten sein mußte. Das Ministerium bezog in die Auswahl für die – nicht ausgeschriebenen und nicht mit einer Funktionsänderung verbundenen – Beförderungsstellen nur solche Studienräte ein, die das für den Beförderungstermin maßgebliche Dienstalter erreicht hatten. Die Anforderungen an das Dienstalter verschärften sich im Laufe der Jahre. 1995 wurde – bis zum Inkrafttreten des neuen Beförderungserlasses zum 10. November 1995 – schließlich eine Wartezeit von zwölf Dienstjahren verlangt.
Der Kläger fiel, weil er die geforderte Wartezeit nicht erfüllte, bis 1995 nicht in den Kreis der Studienräte, die für eine Beförderung in Betracht kamen. Er macht geltend, die von dem beklagten Land geübte Beförderungspraxis sei amtspflichtwidrig gewesen; sie habe gegen den Leistungsgrundsatz verstoßen. Im Wege des Schadensersatzes begehrt er, so gestellt zu werden, als wäre er bereits zum 1. Mai 1992 zum Oberstudienrat befördert worden. Er hat beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 28.239,16 DM nebst Zinsen zu zahlen, sowie festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihm jeglichen weiteren Schaden zu ersetzen, der aus der nicht zum 1. Mai 1992 erfolgten Beförderung von einer Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 auf eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 entstanden ist und entstehen wird. Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die vorgenannten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) verneint und hierzu ausgeführt:
Zwar sei ein Beförderungsverfahren, wie es das beklagte Land von 1990 bis 1995 praktiziert habe, rechtlich bedenklich. Eine Wartezeit von zwölf Jahren laufe dem verfassungsrechtlichen Gebot zuwider, dem Leistungsgrundsatz bei Beförderungsentscheidungen den Vorrang zu geben. Erwägenswerte Gründe für eine derart lange Wartezeit seien nicht ersichtlich. Ob eine solche Wartezeit dennoch ausnahmsweise vertretbar sei, wenn wenigen Beförderungsstellen eine Vielzahl von Beförderungskandidaten der obersten Notenstufe gegenüberstehe (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Beschluß vom 19. April 1996 – 3 M 14/96 S. 3), könne offenbleiben. Die Bediensteten des beklagten Landes hätten jedenfalls keine Amtspflicht verletzt, die ihnen gegenüber dem Kläger als „Dritten” im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB obgelegen hätten. Die Festlegung der Wartezeiten sei ein Verwaltungsinternum gewesen und – wie eine ministerielle Verordnung oder ein allgemeiner Erlaß – ausschließlich im öffentlichen Interesse geschehen. Es habe weder einen sicher abgrenzbaren Kreis von Personen gegeben, die von dieser Regelung unrechtmäßig benachteiligt worden sein könnten, noch überhaupt Anträge, über die ablehnend entschieden worden sei.
II.
Die Gründe des Berufungsurteils halten der rechtlichen Prüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
1. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß die vom beklagten Land für die Beförderungen der Jahre 1992 bis 1994 praktizierte zehnjährige, für 1995 zwölfjährige Mindestwartezeit mit dem Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2, 5 GG; §§ 10 Abs. 1; 20 Abs. 1 LBG Schleswig-Holstein i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. Juni 1991, GVOBl. Schl.-H. S. 275) kaum zu vereinbaren war.
Grundsätzlich verstoßen Mindestwartezeiten, die durch Verwaltungsvorschriften oder durch eine rein tatsächliche Übung eingeführt werden können (vgl. BVerwG, Beschluß vom 7. April 1990 – 2 B 21/00 – juris; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder 5. Aufl. ≪Stand Juli 2002≫ § 25 LBG NW Rn. 2b), nicht gegen die allgemeinen Auswahlgrundsätze. Sie dienen vielmehr der Verwirklichung des Leistungsprinzips: Die Übertragung eines höheren Amtes setzt voraus, daß der Beamte den Anforderungen dieses Amtes voll entspricht. Um hierfür eine hinreichend sichere Beurteilungsgrundlage zu haben, ist eine gewisse Mindestbewährungszeit in dem niedrigeren Amt unabdingbar (vgl. OVG Rheinland-Pfalz ZBR 1981, 378; NVwZ-RR 1998, 246; DVBl. 1999, 1446; Fürst in Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht ≪Stand September 2002≫ Rn. 20 f vor § 15 BBG; Schütz/Maiwald aaO; Plog/Wiedow/Lemhöfer, BBG ≪Stand August 2002≫ § 23 Rn. 2). Die Mindestwartezeit ist daneben ein Instrument zur Gewährleistung der Chancengleichheit im beruflichen Wettbewerb: Der in höher bewertete Ämter führende Personalfluß muß stets in einem Maße erhalten bleiben, daß auch in der Breite der Mitarbeiterschaft eine möglichst günstige, durch reale Beförderungsaussichten unterstützte Leistungsmotivation vorhanden ist. Es dient deshalb nicht nur dem Interesse aller Beamten, sondern auch dem öffentlichen Interesse an einer möglichst effektiven Verwaltungsarbeit, wenn der Dienstherr das Entstehen eines sogenannten Beförderungsstaues nach Möglichkeit vermeidet. Hierfür eignet sich die am Planstellenangebot orientierte zeitliche Bemessung der Beförderungschancen durch die Festlegung entsprechender Wartezeiten (vgl. OVG Rheinland-Pfalz ZBR 1981, 378 und DVBl. 1999, 1446; Schröder/Lemhöfer/Krafft, Das Laufbahnrecht der Bundesbeamten ≪Stand 1. Januar 2001≫ § 12 BLV Rn. 8; Plog/Wiedow/Lemhöfer aaO). Dementsprechend werden die in den Laufbahnverordnungen des Bundes und der Länder vorgeschriebenen Mindestwartezeiten aus beamten- wie verfassungsrechtlicher Sicht nicht für bedenklich erachtet (vgl. Schütz/Maiwald aaO und Rn. 2c).
Eine solche maßvolle Mindestbewährungszeit lag im Streitfall wohl nicht mehr vor. Die vom beklagten Land ab dem Beförderungsjahr 1992 festgelegte Wartezeit von zehn Jahren, von sogar zwölf Jahren im Beförderungsjahr 1995, dürfte den Leistungsgrundsatz zum Nachteil junger, leistungsstarker Beamter unverhältnismäßig eingeschränkt haben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz NVwZ-RR 1998, 246, 247). Sie wurden durch das strikte, formale Wartezeiterfordernis – bereits für die erste Beförderung – für mindestens ein volles Jahrzehnt von dem Beförderungsgeschehen ferngehalten.
2. Die Amtshaftung setzt – außer der Verletzung einer Amtspflicht, die hier naheliegt – voraus, daß es sich um eine drittgerichtete Amtspflicht handelt (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das hat das Berufungsgericht unter Berufung auf das Senatsurteil BGHZ 21, 256 verneint. Dort hat der Senat ausgesprochen, kein Beamter könne Schadensersatzansprüche allein aus der Tatsache herleiten, daß er trotz Erfüllung aller Voraussetzungen für eine Beförderung nicht befördert worden sei. Denn mangels eines Rechtes auf Beförderung liege in der Nichtbeförderung keine Einwirkung in rechtlich geschützte Güter des Beamten. Die mit der Bearbeitung der Beförderungsangelegenheiten befaßten Beamten erfüllten deshalb auch bei der Auswahl der Bewerber keine diesen gegenüber obliegende Amtspflicht, sondern nur ihre allgemeinen Dienstpflichten (Senatsurteil aaO 257 f).
Der Streitfall nötigt nicht zu entscheiden, ob an diesen Grundsätzen uneingeschränkt festzuhalten ist und ob eine vergleichbare Fallgestaltung vorliegt. Das Berufungsurteil stellt sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§§ 561 ZPO n.F., 26 Nr. 7 Satz 1 EGZPO).
3. Eine Ersatzpflicht des beklagten Landes tritt nicht ein, weil der (unterstelltermaßen) verletzte Kläger es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB).
Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB sind nicht nur die in Verfahrensvorschriften vorgesehenen und dem prozeßtechnischen Begriff eines Rechtsmittels unterfallenden Behelfe, sondern alle rechtlich möglichen und geeigneten, förmlichen oder formlosen Rechtsbehelfe, die sich unmittelbar gegen die schädigende Vornahme oder Unterlassung der Amtshandlung selbst richten und nach gesetzlicher Ordnung ihre Beseitigung oder Berichtigung bezwecken und ermöglichen. Besteht die Pflichtverletzung in der rechtswidrigen Ablehnung oder Unterlassung einer Maßnahme, so muß das Rechtsmittel geeignet sein, die Vornahme der betreffenden Amtshandlung zu erwirken (st. Rspr. des Senats, z.B. BGHZ 123, 1, 7 f; Staudinger/Wurm, BGB ≪2002≫ § 839 Rn. 347 m.w.N.). Ein solches Rechtsmittel hat der Kläger versäumt zu ergreifen.
Nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts erkundigte sich der Kläger zwar seit Ende der achtziger Jahre, zuletzt im Februar 1992, mündlich bei seinem Schulleiter nach der Möglichkeit einer Beförderung. Der Schulleiter teilte ihm mit, die Auswahl der zur Beförderung anstehenden Lehrkräfte erfolge ausschließlich durch das zuständige Kultusministerium. Der Kläger gab sich mit dieser Auskunft zufrieden. Erst am 3. Oktober 1995 beantragte er formell seine Beförderung, wurde daraufhin im Dezember 1995 beurteilt und mit Wirkung zum 1. August 1996 zum Oberstudienrat ernannt. Er muß sich deshalb entgegenhalten lassen, den Antrag auf Beförderung nicht schon 1992 gestellt und gegebenenfalls mit Widerspruch, Verpflichtungsklage und dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung verfolgt zu haben. Auf diese Weise hätte er sich gegen die mit der Festsetzung der Wartezeit verbundene faktische Beförderungssperre wenden und seinen Anspruch auf seiner Eignung entsprechenden Zugang zu öffentlichen Ämtern (Art. 3 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG, vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 1993 – III ZR 68/92 – NVwZ 1994, 825, 826) durchsetzen können.
Dem Kläger wird damit entgegen der Auffassung der Revision nicht zugemutet, im Falle einer Ablehnung seines Beförderungsantrags gleichsam „auf Verdacht” Klage zu erheben. Wenn er sich um ein Beförderungsamt beworben hätte, hätte ihn das beklagte Land vom Ausgang des Auswahlverfahrens unterrichten müssen und ihn damit in die Lage versetzt abzuschätzen, ob ein Rechtsbehelf Erfolg versprach oder nicht (vgl. Senat BGHZ 129, 226, 230). Dem Beamten steht ein Wahlrecht zwischen alsbaldigem Primärrechtsschutz gegen eine rechtswidrige Benachteiligung und einem späteren Schadensersatzbegehren nicht zu (Senat BGHZ 98, 85; 113, 17, 22; BVerwGE 107, 29, 32, 34; BVerwG NVwZ 1999, 542 f; DÖV 2002, 865, 866; Staudinger/Wurm aaO Rn. 344). Der Kläger muß dementsprechend gemäß § 839 Abs. 3 BGB gegen sich gelten lassen, daß er das für rechtswidrig gehaltene Unterbleiben der Beförderung bis Oktober 1995, als er den zum Erfolg führenden Beförderungsantrag gestellt hat, hingenommen hat.
Unterschriften
Rinne, Streck, Schlick, Kapsa, Galke
Fundstellen
Haufe-Index 888190 |
BGHR 2003, 325 |
BGHR |
NVwZ 2003, 502 |
Nachschlagewerk BGH |
BayVBl. 2003, 348 |
DVBl. 2003, 609 |