Leitsatz (amtlich)
a) Dem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH, Urt. v. 18.7.2017 - VI ZR 465/16, VersR 2017, 1282 Rz. 7). Abzustellen ist dabei auf die letztlich festgestellte oder unstreitig gewordene Schadenshöhe (BGH, Urt. v. 11.7.2017 - VI ZR 90/17, VersR 2017, 1155 Rz. 19; v. 18.1.2005 - VI ZR 73/04 VersR 2005, 558, 559 f.).
b) Auf den für den Ersatzanspruch maßgeblichen Gegenstandswert hat es keinen werterhöhenden Einfluss, dass der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts noch davon ausgegangen ist, seine Hauptforderung sei zu einem höheren als dem später festgestellten oder unstreitig gewordenen Betrag begründet.
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.01.2017; Aktenzeichen 2-15 S 119/16) |
AG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.06.2016; Aktenzeichen 32 C 532/16 (27)) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 11.1.2017 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erstattung weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte allein haftet, in Anspruch.
Rz. 2
Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Eigentümer eines damals acht Jahre alten Pkw, eines VW Touran, der durch ein bei der Beklagten versichertes Kraftfahrzeug beschädigt wurde. Nachdem der Kläger ein Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe eingeholt hatte, beauftragte er seinen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung des darin ermittelten Schadens von 4.557,85 EUR, in dem Reparaturkosten von 3.882,04 EUR netto unter Zugrundelegung von Stundenverrechnungssätzen der VW-Niederlassung in F. enthalten waren. Daraufhin verwies die Beklagte den Kläger unter Vorlage eines Prüfberichts auf die Möglichkeit, die Reparatur bei einer anderen Fachwerkstatt mit niedrigeren Stundenverrechnungssätzen zu Kosten i.H.v. 2.979,78 EUR durchführen zu lassen, und leistete auf dieser Grundlage Schadensersatz i.H.v. 3.650,59 EUR. Ausgehend von diesem Gegenstandswert erstattete sie zudem 413,64 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Demgegenüber hatte der Kläger, ausgehend von einem Gegenstandswert von 4.557,85 EUR, Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 492,54 EUR verlangt. Mit der Klage macht er die Differenz von 78,90 EUR nebst Zinsen geltend.
Rz. 3
Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das amtsgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert, dass es die Klage abgewiesen hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass dem Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten grundsätzlich derjenige Gegenstandswert zugrunde zu legen sei, welcher der letztlich festgestellten oder unstreitig gewordenen Schadenshöhe entspreche. Dem Schädiger könnten Rechtsanwaltskosten nur insoweit als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden, als es um die Durchsetzung eines begründeten Begehrens gehe. Der Schaden habe - unter Berücksichtigung der späteren Einwendung der Beklagten - von Anfang an nur in Höhe der Reparaturkosten der Verweiswerkstatt bestanden. Der Zeitpunkt der Geltendmachung der Einwendung sei nicht maßgeblich. Als unstreitig gewordene Schadenshöhe sei die von der Beklagten geleistete Zahlung anzusehen, da der Kläger die Kürzung seines Schadensersatzanspruchs in der Hauptsache hingenommen habe. Darauf, ob in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen vorlägen, unter denen der Schädiger den Geschädigten auf eine günstigere Alternativwerkstatt verweisen könne, komme es demnach nicht an.
II.
Rz. 5
Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Gegenstandswert, der der Bemessung der Höhe der zu erstattenden Rechtsanwaltskosten zugrunde zu legen ist, unter Berücksichtigung des von dem Kläger hinsichtlich der Hauptforderung hingenommenen Verweises der Beklagten auf eine günstigere Fachwerkstatt bestimmt.
Rz. 6
1. Der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 18.7.2017 - VI ZR 465/16, VersR 2017, 1282 Rz. 6; v. 10.1.2006 - VI ZR 43/05, VersR 2006, 521 Rz. 5; v. 18.1.2005 - VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559; v. 8.11.1994 - VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350; BGH, Urt. v. 23.10.2003 - IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 446) hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.
Rz. 7
a) Beauftragt der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer, so ist der Umfang des Ersatzverlangens nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis). Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte vom Schädiger dagegen grundsätzlich nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber auch objektiv berechtigt ist (BGH, Urt. v. 18.7.2017 - VI ZR 465/16, VersR 2017, 1282 Rz. 7; v. 18.1.2005 - VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559; BGH, Urt. v. 7.11.2007 - VIII ZR 341/06, NJW 2008, 1888 Rz. 13; v. 13.4.1970 - III ZR 75/69, NJW 1970, 1122, 1123). Die von einem - einsichtigen - Geschädigten für vertretbar gehaltenen Schadensbeträge sind demgegenüber nicht maßgeblich (BGH, Urt. v. 18.7.2017 - I ZR 465/16, VersR 2017, 1282 Rz. 7; BGH, Urt. v. 13.4.1970 - III ZR 75/69, NJW 1970, 1122, 1123). Denn Kosten, die dadurch entstehen, dass dieser einen Anwalt zur Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs beauftragt, können dem Schädiger nicht mehr als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden (BGH, Urt. v. 18.7.2017 - VI ZR 465/16, VersR 2017, 1282 Rz. 7; v. 18.1.2005 - VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559; vgl. auch BGH, Urt. v. 10.1.2006 - VI ZR 43/05, VersR 2006, 521 Rz. 6; BGH, Urt. v. 13.4.1970 - III ZR 75/69, NJW 1970, 1122, 1123). Damit ist dem Anspruch des Geschädigten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH, Urt. v. 18.7.2017 - VI ZR 465/16, VersR 2017, 1282 Rz. 7; BGH, Urt. v. 7.11.2007 - VIII ZR 341/06, NJW 2008, 1888 Rz. 13).
Rz. 8
Da es sich bei dem Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten um eine Nebenforderung handelt, deren Höhe sich erst bestimmen lässt, wenn die Hauptforderung konkretisiert ist (Senat, Urt. v. 7.2.2012 - VI ZR 249/11, Schaden-Praxis 2012, 180, 181), ist ihm grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der letztlich festgestellten oder unstreitig gewordenen Schadenshöhe entspricht (BGH, Urt. v. 11.7.2017 - VI ZR 90/17, VersR 2017, 1155 Rz. 19; v. 18.1.2005 - VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559 f. m.w.N.). Nimmt der Geschädigte die von Schädigerseite erbrachte Leistung auf die Hauptforderung als endgültig hin und stellt die Höhe der Hauptforderung nicht zur gerichtlichen Entscheidung, so ist für die Bestimmung des dem Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten zugrunde zu legenden Gegenstandswerts von der Berechtigung der Hauptforderung (nur) in Höhe der Erfüllungsleistung auszugehen (vgl. BGH, Urt. v. 13.4.1970 - III ZR 75/69, NJW 1970, 1122, 1123).
Rz. 9
b) Entgegen der Ansicht der Revision hat es auf den für den Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten maßgeblichen Gegenstandswert keinen werterhöhenden Einfluss, dass der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts noch davon ausgegangen ist, seine Hauptforderung sei zu einem höheren als dem später festgestellten oder unstreitig gewordenen Betrag begründet. Ob die Hauptforderung in der geltend gemachten Höhe letztlich objektiv berechtigt ist, hängt nicht nur davon ab, ob die den Anspruch einschließlich der Anspruchshöhe begründenden Voraussetzungen erfüllt sind und der Anspruch, wie von der Revision formuliert, "zunächst begründet" ist, sondern auch davon, ob und inwieweit der Anspruchsgegner mit Einwendungen oder Einreden gegen den Anspruchsgrund oder die Anspruchshöhe Erfolg hat. So bestimmt sich die Höhe einer dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzforderung im Anwendungsbereich des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB danach, ob der Geschädigte dem in dieser Regelung enthaltenen Wirtschaftlichkeitsgebot Genüge leistet, zusätzlich aber auch danach, ob er einer etwaigen sich aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens genügt oder eine diesbezügliche Einwendung des Anspruchsgegners, dass dem nicht so sei, berechtigt ist. Demnach darf zwar der Geschädigte, der einen Anspruch auf Ersatz fiktiver Reparaturkosten hat, diesem gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (st.Rspr., s. nur BGH, Urt. v. 7.2.2017 - VI ZR 182/16, VersR 2017, 504 Rz. 7 m.w.N.). Der Geschädigte ist im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, worauf die Revision insoweit zu Recht verweist, weder zu weitergehender Marktforschung verpflichtet noch dazu, die Schadensbehebung oder -berechnung von vornherein dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer zu überlassen (vgl. BGH, Urt. v. 27.9.2016 - VI ZR 673/15, VersR 2017, 56 Rz. 9, 11 zur Ermittlung des Restwerts des beschädigten Fahrzeugs im Fall der Ersatzbeschaffung). Sind aber sämtliche Voraussetzungen erfüllt, unter denen der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer den Geschädigten im Hinblick auf die Schadensminderungspflicht des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer "freien" Fachwerkstatt verweisen darf (s. dazu nur BGH, Urt. v. 7.2.2017 - VI ZR 182/16, VersR 2017, 504 Rz. 7 m.w.N.; v. 20.10.2009 - VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rz. 9 ff.), muss der Geschädigte eine Kürzung der von ihm geltend gemachten Hauptforderung auf Ersatz der fiktiven Reparaturkosten hinnehmen und damit seiner Nebenforderung auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten einen entsprechend niedrigeren Gegenstandswert zugrunde legen. Ebenso ist von dem niedrigeren Gegenstandswert auszugehen, wenn der Geschädigte die auf den Verweis auf die günstigere Fachwerkstatt gestützte Kürzung der Hauptforderung hinnimmt.
Rz. 10
Da es zur Bestimmung des Gegenstandswerts für die Nebenforderung auf die letztlich festgestellte oder unstreitig gewordene Höhe der Hauptforderung ankommt, ist es somit entgegen der Ansicht der Revision ohne Belang, ob die auf § 254 BGB gestützte Einwendung von Schädigerseite vor oder nach der Beauftragung des Rechtsanwalts oder der Geltendmachung des Anspruchs durch den Geschädigten erhoben wird (a.A. wohl AG Düsseldorf, AGS 2016, 595 mit zust. Anmerkung Seutter, DAR 2016, 491 ff.; Mardner, NJW 2016, 1546, 1548, der auf den Zeitpunkt der Beauftragung und den "Beauftragungswert" abstellt) und ob der Geschädigte bis zur Erhebung der Einwendung davon ausgehen durfte, dass die im Gutachten ermittelte Schadenshöhe zutreffend ist (so aber wohl AG Frankfurt, AGS 2012, 91 f.). Ferner ist unerheblich, seit wann die tatsächlichen Voraussetzungen für die Berechtigung der auf § 254 Abs. 2 BGB gestützten Einwendung erfüllt waren. Schließlich stellt der berechtigte Verweis auf eine günstigere Reparaturwerkstatt entgegen der Ansicht der Revision (ebenso: Seutter, DAR 2016, 491, 492 f.; Jaeger, ZfS 2016, 490, 492) - anders als eine nachträgliche Erfüllung - nicht eine teilweise Erledigung des Anspruchs dar, die in dem hier maßgeblichen Außenverhältnis unter Umständen den Gegenstandswert unberührt lässt.
Rz. 11
2. Nach den insoweit von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger - bezogen auf die Hauptforderung - den Verweis der Beklagten auf die günstigere Reparaturmöglichkeit und die damit verbundene Kürzung des Anspruchs auf Ersatz fiktiver Reparaturkosten hingenommen. Es kommt daher, wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen und von der Revision nicht in Frage gestellt, nicht darauf an, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für einen berechtigten Verweis auf eine günstigere Fachwerkstatt vorlagen. Der für den Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten maßgebliche Gegenstandswert richtet sich daher nach der entsprechend reduzierten Summe der Hauptforderung i.H.v. 3.650,59 EUR.
Fundstellen