Leitsatz (amtlich)

1. Gibt ein Gesellschafter ohne Vorlage einer Vollmacht Erklärungen für die Gesellschaft ab, so liegt es im eigenen Interesse des Erklärungsempfängers, von sich aus zu klären, ob und in welchem Umfang die übrigen Gesellschafter Vollmacht erteilt haben.

2. Die Regelung im Gesellschaftsvertrag einer BGB-Gesellschaft ... "Die Geschäftsführer sind zur Vertretung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen berechtigt" ..., ist nicht lediglich die Festlegung der internen Geschäftsführung, sondern sie beinhaltet vielmehr (auch) die anch außen wirkende Vertretungsberechtigung des Geschäftsführers.

3. Eine formularmäßige Zweckerklärung hinsichtlich einer Grundschuld im Zusammenhang mit einer Darlehensgewährung hat überraschenden Charakter i. S. des § 3 AGBG, wenn sie von den Erwartungen des Sicherungsgebers deutlich abweicht. Solche Erwartungen können durch eine bestimmte Darlehensgewährung geprägt sein, wenn zwischen der Darlehensgewährung und der Grundschuldbestellung mit Zweckerklärung ein unmittelbarer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn zwischen der Darlehensgewährung an die BGB-Gesellschaft und der Grundschuldbestellung mit Zweckerklärung neun bis zehn Monate liegen.

 

Verfahrensgang

OLG F. (Entscheidung vom 29.03.1995)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts F. vom 29. März 1995 aufgehoben.

  • 2.

    Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die vier Kläger gründeten am 6. Januar 1988 eine BGB-Gesellschaft, um gemeinsam ein Hausgrundstück in Bad W. zu erwerben und zu bewirtschaften. Die Kläger zu 2) bis 4) hatten bereits am 11. Dezember 1987 einen notariellen Kaufvertrag über das Grundstück geschlossen; am 20. Februar 1990 wurden sie im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Zur Kaufpreisfinanzierung erhielten die Kläger von der beklagten Bank am 30. August 1988 einen Kredit von 300.000,00 DM. Am gleichen Tag gewährte die Beklagte außerdem den Klägern zu 2) und 3) einen Barkredit von 120.000,00 DM und einer unter dem Namen des Klägers zu 2) firmierenden S. und T. GmbH einen Barkredit von 300.000,00 DM. Zur Sicherung wurde der Beklagten am 9. Juni 1989 eine Grundschuld über 800.000,00 DM bewilligt und am 26. Juli 1989 im Grundbuch eingetragen. Am 22. Juni 1989 unterzeichneten die vier Kläger eine von der Beklagten vorformulierte Zweckbestimmungserklärung; darin heißt es, die Grundschuldbestellung erfolge "zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche", die der Beklagten gegen die vier namentlich aufgeführten Kläger und die S.-GmbH "einzeln oder gemeinsam zustehen".

Am 4. Februar 1992 verkauften die Kläger zu 2) bis 4) das Grundstück. Aus dem Verkaufserlös überwies der Kläger zu 2) einen Betrag von 946.961,32 DM an die Beklagte. Sie glich damit die Schulden der BGB-Gesellschaft und der S.-GmbH aus. Den danach noch verbleibenden Betrag von 199.288,50 DM verrechnete die Beklagte mit dem Debetsaldo auf dem Privatkonto der Kläger zu 2) und 3). Dagegen wendet sich die Klage mit dem Antrag, die Beklagte zur Zahlung des verrechneten Restbetrags nebst Zinsen an die Kläger zur gesamten Hand zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Zahlungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Im Berufungsurteil wird zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt: Die Beklagte habe mit dem Teil des Verkaufserlöses, der zum Ausgleich der Darlehenskonten der BGB-Gesellschaft und der S.-GmbH nicht erforderlich gewesen sei, die privaten Verbindlichkeiten der Kläger zu 2) und 3) zurückführen dürfen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die Zweckbestimmungserklärung nach dem AGB-Gesetz wirksam sei oder die Beklagte ein Pfandrecht an dem Verkaufserlös erworben habe. Auch komme es nicht darauf an, ob die Kläger hätten nachweisen können, daß die Grundschuld nur Sicherheit für die Darlehen an die Gesellschaften habe bieten sollen. Entscheidend sei vielmehr, daß die umstrittene Verwendung des Verkaufserlöses einer vom Kläger zu 2) 1992 mit der Beklagten getroffenen Verwertungsvereinbarung entsprochen habe. Der Kläger zu 2) habe bei dieser Vereinbarung wirksam für die übrigen Kläger handeln können, da ihm im Gesellschaftsvertrag Alleinvertretungsberechtigung eingeräumt worden sei, im übrigen aber auch die Voraussetzungen für eine Anscheinsvollmacht vorgelegen hätten, da der Kläger zu 2) der ständige Ansprechpartner der Beklagten in sämtlichen Kreditangelegenheiten gewesen sei und alles geregelt habe. § 181 BGB sei auf die Verwertungsvereinbarung nicht anzuwenden.

II.

Die Begründung des angefochtenen Urteils hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1.

Auf eine 1992 mit dem Kläger zu 2) getroffene Vereinbarung kann die Beklagte die umstrittene Erlösverrechnung nicht stützen. Selbst wenn man von den Feststellungen des Berufungsgerichts über Abschluß und Inhalt dieser Vereinbarung ausgeht und die hilfsweise dagegen erhobenen Verfahrensrügen der Revision unberücksichtigt läßt, sind die Kläger an die Vereinbarung jedenfalls deswegen nicht gebunden, weil der Kläger zu 2) beim Abschluß ohne Vertretungsmacht handelte.

a)

Zwar heißt es in § 4 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags vom 6. Januar 1988, der Kläger zu 2) sei alleinvertretungsbefugt. Der folgende Abs. 2 enthält jedoch Einschränkungen der Vertretungsmacht: Nach b) bedurften u.a. "alle Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte, durch die die Gesellschaft im Einzelfall mit einem Betrag von mehr als DM 10.000 verpflichtet wird", der vorherigen Genehmigung durch die Gesellschafterversammlung. Die vom Berufungsgericht festgestellte Vereinbarung regelte die Verwertung eines Erlösbetrags von fast 200.000,00 DM und fiel damit unter die Einschränkung des § 4 Abs. 2 b); eine Genehmigung durch die Gesellschafterversammlung ist unstreitig nicht erfolgt. Darauf ist das Berufungsgericht, obwohl der Gesellschaftsvertrag bereits mit der Klageschrift vorgelegt worden war, nicht eingegangen. Vergeblich beruft sich die Beklagte in der Revisionserwiderung darauf, § 4 Abs. 2 führe nur zu einer internen Bindung des nach außen zur Vertretung berechtigten Geschäftsführers. Eine solche Auslegung des Gesellschaftsvertrages ist rechtlich nicht möglich: Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vertragsbestimmung ("Die Geschäftsführer sind zur Vertretung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen berechtigt:") beziehen sich die Einschränkungen des § 4 Abs. 2 nicht auf die interne Geschäftsführungsbefugnis, sondern auf die nach außen wirkende Vertretungsberechtigung der Geschäftsführer. Der Sachvortrag der Parteien enthält keinerlei Anhaltspunkte für einen abweichenden Willen der Vertragschließenden.

b)

Auch dagegen, daß das Berufungsgericht hilfsweise eine Anscheinsvollmacht bejaht hat, wendet sich die Revision mit Recht. Als Begründung reicht die Feststellung, der Kläger zu 2) sei, solange der Zeuge Ba. die Filiale der Beklagten geleitet habe, dessen Ansprechpartner im Zusammenhang mit der Verwertung des Hauses und für sämtliche Kreditangelegenheiten gewesen und habe auch alles geregelt, nicht aus.

Nach der Regelung des BGB müssen die Gesellschafter grundsätzlich gemeinschaftlich tätig werden (§§ 709, 714 BGB). Das Gesetz kennt keine gesetzliche Vertretung der übrigen Gesellschafter durch einen von ihnen (Palandt/Thomas 55. Aufl. § 714 BGB Rdn. 1). Gibt ein Gesellschafter ohne Vorlage einer Vollmacht Erklärungen für die Gesellschaft ab, so liegt es im eigenen Interesse des Erklärungsempfängers, von sich aus zu klären, ob und in welchem Umfang die übrigen Gesellschafter Vollmacht erteilt haben. Das Auftreten als Vertreter kann allein kein Vertrauen des Geschäftspartners in das Bestehen einer Vollmacht begründen. Nur wenn der Vertretene den Rechtsschein einer Vollmacht schuldhaft verursacht hat, kann er sich nicht auf den Mangel der Vertretungsmacht berufen (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - IVa ZR 49/85 = NJW-RR 1987, 308 = BGHR BGB § 167 Anscheinsvollmacht 2); er braucht das Handeln des Vertreters zwar nicht zu kennen; notwendig ist aber, daß er es bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte kennen und verhindern können (BGH, Urteil vom 9. Juni 1986 - II ZR 193/85 = WM 1986, 901).

Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen hier nicht aus, um diese Voraussetzungen zu bejahen: Daraus, daß der Kläger zu 2) Ansprechpartner für alle Kreditangelegenheiten war, durfte die Beklagte nicht schließen, daß er auch uneingeschränkt berechtigt war, insoweit bindende Vereinbarungen allein zu treffen, insbesondere wenn solche Vereinbarungen ihn und die Klägerin zu 3) zu Lasten der übrigen Gesellschafter begünstigten. Die unsubstantiierte Feststellung, der Kläger zu 2) habe "alles geregelt", ist unzureichend. Mit Recht verweist die Revision darauf, daß sämtliche bei den Akten befindlichen Urkunden über frühere, erhebliche Geschäfte der Gesellschaft, insbesondere auch die Zweckbestimmungserklärung vom 22. Juni 1989, von allen beteiligten Gesellschaftern unterzeichnet worden sind. Das spricht dagegen, daß der Kläger zu 2) jemals vorher Vereinbarungen, die unter die Einschränkungen des § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages fielen, allein geschlossen hatte und die übrigen Gesellschafter das wissen konnten.

2.

Die umstrittene Resterlösverrechnung entspricht jedoch der Zweckbestimmungserklärung vom 22. Juni 1989. Danach sollte die Grundschuld alle bestehenden und künftigen Ansprüche sichern, die der Beklagten gegen die namentlich genannten Kläger "einzeln oder gemeinsam" zustehen. Die Sicherungsabrede umfaßt also auch Bankforderungen, die sich nicht gegen alle vier Kläger in ihrer gesellschaftlichen Verbundenheit, sondern nur gegen einzelne von ihnen richten.

a)

Die Klausel unterliegt allerdings der Wirksamkeitskontrolle nach den §§ 3, 9 AGBG. Die maschinenschriftliche Eintragung der Grundstücksbezeichnung und der Schuldnernamen stellt den AGB-Charakter der Zweckbestimmungserklärung nicht in Frage (BGHZ 102, 152, 158; 118, 229, 238). Zudem enthält bereits der vorgedruckte Text die entscheidenden Worte "einzeln oder gemeinsam".

b)

Ein Verstoß gegen § 9 AGBG scheidet jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon deswegen aus, weil Inhalt und Umfang der schuldrechtlichen Zweckbindung einer Grundschuld nicht gesetzlich festgelegt sind, sondern freier Vereinbarung unterliegen (Senatsurteil vom 28. März 1995 - XI ZR 151/94 = WM 1995, 790, 791/792 m.w.Nachw.).

c)

Überraschenden Charakter im Sinne des § 3 AGBG hat eine formularmäßige Zweckerklärung dann, wenn sie von den - durch den Anlaß der Sicherungsabrede begründeten - Erwartungen des Sicherungsgebers deutlich abweicht. Solche Erwartungen können durch eine bestimmte Darlehensgewährung geprägt sein, wenn zwischen der Darlehensgewährung und der Grundschuldbestellung mit Zweckerklärung ein unmittelbarer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht (Senatsurteil vom 28. März 1995 a.a.O. S. 791 m.w.Nachw.).

Diese - vom Sicherungsgeber darzulegenden - Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Zwischen der Darlehensgewährung an die BGB-Gesellschaft am 30. August 1988 und der Grundschuldbestellung mit Zweckerklärung (9./22. Juni 1989) lagen neun bis zehn Monate. Außerdem hatte die Beklagte am 30. August 1988 nicht nur der BGB-Gesellschaft und der S.-GmbH Darlehen von je 300.000,00 DM gewährt, sondern am gleichen Tag den Klägern zu 2) und 3) persönlich einen Barkredit von 120.000,00 DM. Auch die Höhe der Grundschuld (800.000,00 DM nebst Zinsen) spricht eher für eine Sicherung aller drei Darlehen als dagegen.

3.

Die Beklagte kann sich allerdings auf die Formularzweckerklärung nicht berufen, wenn die Erweiterung der Grundschuldhaftung auf persönliche Schulden einzelner Kläger durch Individualabrede gemäß § 4 AGBG abbedungen worden ist; solche Individualabreden können auch konkludent getroffen werden (BGH, Urteil vom 19. Mai 1988 - III ZR 38/87 = WM 1988, 1222 m.w.Nachw. und Urteil vom 1. Juni 1989 - III ZR 219/87 = WM 1989, 1011, 1013). Die Kläger haben behauptet, bei Unterzeichnung der Zweckerklärung seien die Parteien darüber einig gewesen, daß die Grundschuld ausschließlich zur Sicherung der Darlehen an die BGB-Gesellschaft und die S.-GmbH dienen sollte. Das Landgericht hat darüber den Zeugen B. vernommen und ist in seiner Entscheidung dessen Aussage gefolgt, irgendwelche Nebenabreden über die formularmäßige Zweckbestimmungserklärung hinaus seien nicht getroffen worden. Die Kläger haben die erstinstanzliche Beweiswürdigung mit der Berufung angegriffen und eine erneute Vernehmung des Zeugen B. beantragt. Das Berufungsgericht hat einen entsprechenden Beweisbeschluß erlassen, den Zeugen geladen, von seiner Vernehmung dann aber abgesehen, nachdem es zu der Auffassung gekommen war, die spätere Verwertungsvereinbarung mit dem Kläger zu 2) mache eine Entscheidung über die Wirksamkeit der Zweckbestimmungserklärung entbehrlich. Die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es zu der von den Klägern behaupteten Individualabrede die notwendigen eigenen Feststellungen treffen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018918

NJW-RR 1996, 673-674 (Volltext mit red. LS)

WM 1996, 2233-2234 (Volltext mit red. LS)

ZBB 1997, 68

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