Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 23.07.2018) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Juli 2018 im Strafausspruch aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen einer Schusswaffe und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis unter Freisprechung im Übrigen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Daneben hat es eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die ausweislich der Begründung auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Rz. 2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Rz. 3
1. In der Nacht zum 17. November 2017 fuhr der Angeklagte, der keine Fahrerlaubnis besitzt, mit seinem Pkw an einem „Straßenstrich” in Berlin-Schöneberg entlang. Als der Angeklagte an der später Geschädigten D., die der Prostitution nachging, vorbeikam, winkte sie ihm vom Straßenrand aus zu. Kurzentschlossen drehte der Angeklagte um, hielt bei der Geschädigten an und fragte sie, was es koste. Als sie ihm die Preise genannt hatte, erklärte er sich einverstanden und ließ sie einsteigen, obgleich er nicht ausreichend Geld bei sich hatte, um eine Prostituierte zu bezahlen. Er fuhr mit ihr in eine in der Nacht unbelebte Straße und entschied sich auf ihre Frage, was er von ihr konkret wolle, für Oralverkehr. Beide setzten sich auf die Rückbank des Pkw. Auf ihre Lohnforderung hin fragte der Angeklagte, ob er nicht erst hinterher zahlen könne. Dies lehnte sie ab und bot ihm lediglich eine Ermäßigung an.
Rz. 4
Daraufhin nahm der Angeklagte aus einer Türablage eine geladene Schreckschusspistole, für die er nicht den erforderlichen Waffenschein besaß. Er hielt sie ihr vor den Kopf und forderte sie auf, es umsonst zu machen. Unter dem Eindruck der vorgehaltenen Pistole erklärte sie sich schließlich bereit, auf eine Bezahlung zu verzichten, verlangte aber, er solle sie nach der Verrichtung zurückbringen. Der Angeklagte legte nunmehr die Pistole für ihn in Griffweite in die Ablage zurück. Die Geschädigte befriedigte ihn unter Einsatz eines Kondoms oral bis zum Samenerguss. Anschließend fuhr er mit ihr zurück in Richtung Berlin-Schöneberg. Als sie einen S-Bahnhof passierten, bat die Geschädigte, aussteigen zu dürfen, was der Angeklagte ihr ohne weiteres gestattete.
Rz. 5
2. Das Landgericht hat die sexuelle Handlung als besonders schwere Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5, Abs. 5 Nr. 2, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 StGB bewertet. Es ist bei der Strafrahmenwahl von einem minder schweren Fall im Sinne des § 177 Abs. 9 StGB ausgegangen. In seine hierzu vorgenommene Gesamtwürdigung hat es unter anderem zu Lasten des Angeklagten eingestellt, dass er – wenngleich nicht einschlägig – vorbestraft sei und die Tat während laufender Bewährungszeit begangen habe. Strafmildernd hat es angeführt, dass der noch junge, unausgereifte Angeklagte sich – wenn auch erst gegen Ende der Beweisaufnahme – geständig eingelassen, Reue gezeigt, bei der Tat lediglich eine Schreckschusspistole eingesetzt sowie die Verwendung eines Kondoms durch die Geschädigte zugelassen habe, die weder körperliche Verletzungen noch psychische Folgen davongetragen habe. Ferner hat die Strafkammer – „allerdings nur mit geringem Gewicht” – mildernd berücksichtigt, dass sich die Geschädigte bei Bezahlung grundsätzlich mit dem Oralverkehr einverstanden erklärt gehabt habe; insoweit sei die Hemmschwelle des Angeklagten herabgesetzt gewesen.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 6
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft zeigt in Bezug auf die von ihr in erster Linie angegriffene Strafrahmenwahl einen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
Rz. 7
Das Landgericht hat sich bei seinen Ausführungen zur Strafrahmenwahl nicht mit einer möglichen „Sperrwirkung” der Strafrahmenuntergrenze des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB befasst und nicht dargelegt, ob aufgrund der den minder schweren Fall des § 177 Abs. 9 StGB begründenden Gesichtspunkte auch die Regelbeispielswirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB entfallen ist (vgl. zu § 177 Abs. 2 StGB aF BGH, Urteil vom 5. Juni 2003 – 3 StR 60/03, NStZ 2004, 32, 33; zur Neuregelung minder schwerer Fälle der Qualifikation Fischer, StGB, 66. Aufl., § 177 Rn. 193).
Rz. 8
Da die erkannte Strafe im unteren Bereich des Strafrahmens liegt, kann der Senat nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht sie höher festgesetzt hätte, wenn es statt von der Mindeststrafe des § 177 Abs. 9 StGB (ein Jahr Freiheitsstrafe) von der Strafrahmenuntergrenze der Strafzumessungsregel des § 177 Abs. 6 StGB (zwei Jahre Freiheitsstrafe) ausgegangen wäre.
Rz. 9
Die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen werden von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
Unterschriften
Sander, Schneider, Berger, Eschelbach, Köhler
Fundstellen
Dokument-Index HI13002700 |