Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 15.11.1994) |
LG Mannheim (Urteil vom 26.11.1993) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. November 1994 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 32.600 DM nebst 4 % Zinsen hieraus ab 30. August 1991 abzüglich am 16. Februar, 15. März, 23. April, 2. Juni, 16. Juni, 16. Juli und 13. Oktober 1993 jeweils bezahlter 300 DM verurteilt worden ist.
Die weitergehende Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 26. November 1993 wird zurückgewiesen.
Im übrigen wird die Revision des Beklagten zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin macht als Trägerin der Sozialhilfe gegen den Beklagten einen Rückforderungsanspruch aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen ihrer Leistungen für seine Mutter geltend. Diese übertrug durch notariellen Vertrag vom 14. November 1979 ihr Hausgrundstück in M. im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Beklagten, ihr einziges Kind. In demselben Vertrag bestellte der Beklagte seiner Mutter ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht am gesamten Hausgrundstück und verpflichtete sich, sämtliche laufenden und einmaligen Lasten des Grundstücks, die öffentlichen Abgaben und sämtliche anfallenden Reparaturkosten zu tragen. Ein Übernahmepreis wurde nicht vereinbart.
Die Klägerin gewährte der Mutter des Beklagten, die sich von Anfang 1986 bis zu ihrem Tode am 8. Februar 1993 in einem Altenpflegeheim befand, Sozialhilfe in Höhe von insgesamt 110.673,36 DM. Durch Bescheid vom 7./17. September 1990 leitete die Klägerin den Rückforderungsanspruch der Mutter des Beklagten aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB in Form des Wertersatzanspruchs gemäß § 90 BSHG auf sich über. Sie verlangt Erstattung ihrer gesamten Aufwendungen nebst Zinsen abzüglich vorgerichtlicher Zahlungen des Beklagten von 13.800 DM und während des Rechtsstreits gezahlter Beträge von siebenmal je 300 DM.
Die Klägerin hält die Übertragung des Hausgrundstücks insbesondere wegen der damit bezweckten Vorwegnahme der Erbfolge für eine Schenkung. Der Nießbrauch und die vertraglich übernommenen Verpflichtungen des Beklagten seien nicht als Gegenleistung zu betrachten. Dadurch werde nur der Wert des Geschenks vermindert. Der für die Berechnung des Rückforderungsanspruchs maßgebliche Wert der Schenkung ergebe sich aus der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Hausgrundstücks (240.000 DM) und dem Wert des Nießbrauchs (115.600 DM) im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.
Der Beklagte bestreitet eine Schenkung. Das Haus sei stark baufällig und heruntergekommen gewesen. Da seine Mutter den notwendigen Sanierungsaufwand nicht habe finanzieren können, habe sie das Haus längere Zeit für 135.000 DM zum Verkauf angeboten, allerdings vergeblich. Auf Bitten seiner Mutter habe er daraufhin das Haus übernommen. Dabei seien er und seine Mutter sich darüber einig gewesen, daß der Nießbrauch und die von ihm übernommenen Verpflichtungen dem Wert des Hausgrundstücks entsprochen hätten. Seit der Übernahme habe er die – noch nicht abgeschlossene – Sanierung überwiegend in Eigenarbeit und mit einem zusätzlichen Geldaufwand von circa 145.000 DM durchgeführt. Sein Architekt habe den Aufwand damals auf 300.000 DM geschätzt.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 32.600 DM nebst Zinsen abzüglich während des Rechtsstreits in Teilbeträgen gezahlter 2.100 DM stattgegeben. Es hat eine Schenkung in Höhe der Differenz zwischen dem Grundstückswert von 150.000 DM und dem Nießbrauchswert von 121.000 DM im Zeitpunkt der Übertragung angenommen. Die Obergrenze des Wertersatzanspruchs hat es in der Weise festgesetzt, daß es den geschenkten Differenzbetrag von 29.000 DM entsprechend der Steigerung des Grundstückswerts auf 46.400 DM erhöht hat.
Auf die Berufung der Klägerin ist der Klage in vollem Umfang stattgegeben worden.
Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten führt im wesentlichen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Berufung der Klägerin hat nur insoweit Erfolg, als – wie sich nach Erlaß des landgerichtlichen Urteils ergab – eine Teilzahlung von 300 DM nicht am 25. März 1993, sondern erst am 13. Oktober 1993 geleistet wurde.
I. Das Berufungsgericht hat eine gemischte Schenkung angenommen. Als Geschenk im Sinne von § 528 BGB habe der Beklagte den Mehrwert erhalten, der sich aus dem Unterschied zwischen Grundstückswert und dem Wert der übernommenen Reparaturverpflichtung ergebe. Der Nießbrauch sei, obwohl nicht vorbehalten, sondern erst im Übergabevertrag bestellt, nicht als Gegenleistung anzusehen, er mindere nur den Wert des Geschenks. Obwohl der Beklagte angesichts des reparaturbedürftigen Wohnhauses mit erheblichen finanziellen Belastungen durch notwendige Instandsetzungsmaßnahmen habe rechnen müssen, sei die Bestellung des Nießbrauchsrechts nebst Reparaturverpflichtung keine Gegenleistung für die Übertragung des Grundbesitzes. Auch hätten die Vertragsparteien selbst die Leistungsverpflichtung des Beklagten erkennbar jedenfalls nicht als gleichwertig angesehen, weil sie die Übertragung des Hausgrundstücks ausdrücklich als Vorwegnahme der Erbfolge bezeichnet hätten und vom Beklagten weder ein Übernahmepreis noch ein Gleichstellungsgeld zu zahlen gewesen sei.
Für die Höhe des Wertersatzanspruchs nach §§ 528, 812 Abs. 2 BGB sei der Wert des zugewendeten Gegenstands im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend. Wertsteigerungen des Hausgrundstücks, unter anderem durch Wegfall des Nießbrauchs mit dem Tode der Mutter des Beklagten am 8. Februar 1993, kämen daher der Klägerin zugute. Deshalb sei vom Verkehrswert des Grundstücks (ohne Veränderung der Bausubstanz seit 1979) per Dezember 1992 in Höhe von 240.000 DM nur der Wert der Reparaturverpflichtung von allenfalls 100.000 DM abzuziehen, nicht dagegen der im Zeitpunkt des Todes der Mutter des Beklagten auf Null reduzierte Wert des Nießbrauchs.
II. Das Berufungsgericht hat die Grundstücksübertragung rechtsfehlerhaft als gemischte Schenkung beurteilt.
1. a) Eine Schenkung setzt eine Einigung der Beteiligten über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung voraus, eine gemischte Schenkung also eine Einigung über die teilweise Unentgeltlichkeit (BGHZ 82, 274, 281, 282).
b) Eine ausdrückliche Schenkungsabrede enthält der Vertrag vom 14. November 1979 nicht. Der bloße Hinweis im Vertrag darauf, daß das Haus im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übergeben werde, besagt nichts über die Unentgeltlichkeit, wie der Senat nach Erlaß des Berufungsurteils entschieden hat (Urteil vom 1.2.1995 – IV ZR 36/94 – NJW 1995, 1349 = ZEV 1995, 265 unter 2 b).
2. a) Auf den subjektiven Tatbestand einer Schenkung, nämlich die Einigkeit der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit, kann allerdings nach der Lebenserfahrung dann geschlossen werden, wenn ein auffallendes, grobes Mißverhältnis zwischen den wirklichen Werten von Leistung und Gegenleistung festzustellen ist (BGHZ 82, 274, 281, 282 m.w.N.). Maßgebend hierfür ist der Zeitpunkt der Zuwendung (Senatsurteil vom 27.5.1981 – IVa ZR 132/80 – NJW 1981, 2458 unter II).
b) Ein solches objektives Mißverhältnis haben das Berufungsgericht und auch das Landgericht nicht festgestellt. Nach dem von den Vorinstanzen für überzeugend gehaltenen und auch von den Parteien akzeptierten Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen S. hat der Verkehrswert des Hausgrundstücks am 14. November 1979 150.000 DM betragen, der Wert des Nießbrauchs 121.000 DM. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, mindert der Nießbrauch, wenn er nicht – wie vom Landgericht angenommen – als Gegenleistung anzusehen ist, den Wert des Geschenks (BGH, Urteil vom 5.2.1993 – V ZR 181/91 – NJW 1993, 1577 unter 1). Zu berücksichtigen ist ferner die Verpflichtung des Beklagten, die laufenden Bewirtschaftungs- und Reparaturkosten zu tragen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß der Beklagte angesichts des reparaturbedürftigen Wohnhauses mit erheblichen finanziellen Belastungen durch notwendige Instandsetzungsarbeiten habe rechnen müssen. Schon das Landgericht war aufgrund der Darlegungen des Beklagten, insbesondere der eingereichten Fotos, überzeugt davon, daß das Haus in schlechtem Zustand und deshalb absehbar war, daß die übernommene Erhaltungspflicht für ihn zu erheblichen finanziellen Belastungen führen werde.
Bei der Prüfung, ob ein auffallendes, grobes Mißverhältnis gegeben war, fallen zugunsten des Beklagten entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch die über reine Reparaturen hinausgehenden Veränderungen und Verbesserungen des Hauses ins Gewicht. Sie sind schon im zeitlichen Zusammenhang mit dem Übertragungsvertrag in die Wege geleitet und anschließend zu einem großen Teil durchgeführt worden. Dadurch ist einerseits der Wert des Nießbrauchs der Mutter des Beklagten gesteigert und andererseits dieser finanziell und durch Eigenleistungen belastet worden.
Unter diesen Umständen läßt sich nicht feststellen, daß die vom Beklagten behauptete Bewertung der beiderseitigen Leistungen als gleichwertig bei verständiger Würdigung mit Blick auf das Mutter-Sohn-Verhältnis als nicht mehr vertretbar anzusehen ist.
III. Auf die Frage, wie die Obergrenze für den Wertersatzanspruch zu bestimmen ist und auf welchen Zeitpunkt dafür abzustellen ist, kommt es danach nicht mehr an. Die Auffassung des Berufungsgerichts, nach dem Tode der Mutter des Beklagten sei der Wert des damit weggefallenen Nießbrauchs nicht mehr abzuziehen, ist jedenfalls rechtlich bedenklich. Der Sozialhilfeträger erlangt durch die Überleitungsanzeige nur die Rechte, die der Schenker hinsichtlich des übergeleiteten Anspruchs hat (BGHZ 94, 141, 142). Solange die Mutter lebte, stand ihr aber der Nießbrauch zu.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Dr. Zopfs, Römer, Terno, Seiffert
Fundstellen