Leitsatz (amtlich)
Der Schadensersatzanspruch gemäß § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B erfaßt auch Verzugsschäden, die darauf beruhen, daß der Auftragnehmer vertragswidrig eine Mangelbeseitigung verzögert oder unterläßt (im Anschluß an BGH, Urteil vom 29. Juni 1961 – VII ZR 174/60, MDR 1961, 927 = VersR 1961, 1078 = LM § 4 VOB/B Nr. 1).
Für diese Fälle enthält § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B eine Spezialregelung zu § 6 Nr. 6 VOB/B.
Normenkette
VOB/B § 4 A Nr. 7 S. 2, § 6 Nr. 6
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 23 O 274/95) |
KG Berlin (Aktenzeichen 27 U 5771/96) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Kammergerichts vom 15. Mai 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen verzögerter Mangelbeseitigung.
Die Parteien schlossen am 8. Dezember 1991 einen Bauvertrag über die Errichtung einer Reihenhausanlage. Die Geltung der VOB/B war vereinbart.
Während der Bauausführung kam es über verschiedene Mängel zum Streit. Der Kläger hielt deswegen zwei Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 47.879 DM zurück. Daraufhin stellte die Beklagte die Arbeiten Ende März 1993 ein. Die Kosten der Mängelbeseitigung beliefen sich nach dem im anschließenden Beweissicherungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten auf rund 107.000 DM. Nach Aufforderung des Klägers nahm die Beklagte ihre Bautätigkeit im März 1994 wieder auf, die sie wegen erneuter Streitigkeiten über die Bauqualität Ende August 1994 beendete.
Der Kläger ließ das Bauvorhaben anderweitig fertigstellen. Die Reihenhäuser sind seit dem 1. März bzw. 1. April 1995 vermietet.
Der Kläger macht seinen Mietausfallschaden geltend mit der Behauptung, bei fristgerechter Fertigstellung hätte er die Mieten bereits ab 1. April 1993 erzielen können.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch gemäß §§ 5 Nr. 4, 6 Nr. 6, 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. VOB/B, weil die für den Ersatz des entgangenen Gewinns erforderliche grobe Fahrlässigkeit nicht festzustellen sei. Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Revision setzt mit ihren dagegen gerichteten Rügen nur ihre eigene Einschätzung an die Stelle der maßgeblichen tatrichterlichen Beurteilung.
II.
1. Das Berufungsgericht hält einen Schadensersatzanspruch gemäß § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B nicht für gegeben, weil der Kläger Entstehung und Höhe des Schadens nicht substantiiert unter Beweisantritt dargetan habe. Seinem Vorbringen lasse sich nicht mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen, welche Verzögerungen adäquat-kausal durch welche Mängel eingetreten seien.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung für den Zeitraum von April 1993 bis März 1994 nicht stand. Insoweit hat der Kläger die Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch gemäß § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B dargelegt.
a) § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B gewährt dem Auftraggeber vor Abnahme und bei aufrechterhaltenem Vertrag einen Anspruch auf den Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entsteht, daß das Bauwerk deshalb später fertiggestellt wird, weil der Auftragnehmer während der Bauausführung eine mangelhafte oder vertragswidrige Leistung durch eine mangelfreie oder vertragsgemäße Leistung ersetzt (BGH, Urteil vom 29. Juni 1961 – VII ZR 174/60, LM § 4 VOB Teil B Nr. 1 = VersR 1961, 1078 = MDR 1961, 927). Dieser Grundsatz ist auf den Fall übertragbar, daß die verspätete Fertigstellung des Bauwerks dadurch mitverursacht wird, daß der Auftragnehmer die Mangelbeseitigung über einen bestimmten Zeitraum vertragswidrig nicht ausführt. Für diese Fälle enthält § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B eine Spezialregelung zu § 6 Nr. 6 VOB/B, so daß die in dieser Regelung vorgesehenen Beschränkungen des Schadensersatzanspruchs nicht anwendbar sind (vgl. BGH, Urteile vom 29. Juni 1961 – VII ZR 174/60, LM § 4 VOB Teil B Nr. 1 = VersR 1961, 1078 = MDR 1961, 927; 8. Juni 1967 – VII ZR 16/65, BGHZ 48, 78, 79; 6. Mai 1968 – VII ZR 33/66, BGHZ 50, 160, 164; 12. Juni 1975 – VII ZR 55/73, BauR 1975, 344, 346 = NJW 1975, 1701, 1703).
Bei weiterbestehendem Vertrag steht dem Auftraggeber nur ein Anspruch auf den Ersatz des Schadens zu, der auf einem Mangel oder einer Vertragswidrigkeit beruht und der trotz der Beseitigung des Mangels oder der Folgen der Vertragswidrigkeit verbleibt (BGH, Urteil vom 25. Februar 1982 – VII ZR 161/80, ZfBR 1982, 122 = BauR 1982, 277). Der Umfang des Schadensersatzes richtet sich nach den §§ 249 ff BGB (BGH, Urteil vom 6. Mai 1986 – VII ZR 33/66, NJW 1986, 1524). Der Auftraggeber kann gemäß § 252 BGB für die Verzugszeit als entgangenen Gewinn auch Mietausfälle ersetzt verlangen (BGH, Urteil vom 29. Juni 1961 – VII ZR 174/60, LM § 4 VOB Teil B Nr. 1 = VersR 1961, 1078 = MDR 1961, 927; Urteil vom 29. März 1990 – VII ZR 324/88, ZfBR 1990, 194 = BauR 1990, 464).
b) Die Beklagte hat ihre Pflicht, die vorhandenen Mängel zu beseitigen, dadurch verletzt, daß sie Ende März 1993 ihre Arbeiten vertragswidrig eingestellt und die Mängel erst im März 1994 beseitigt hat. Die Beklagte war nicht berechtigt, ihre Arbeiten im März 1993 einzustellen, weil der Kläger aufgrund der Mängel berechtigt war, die geforderten Abschlagszahlungen zu verweigern. Dem Auftraggeber steht ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber den Abschlagsforderungen in Höhe des zwei- bis dreifachen Betrages der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten zu (vgl. BGH, Urteile vom 21. April 1988 – VII ZR 65/87, BauR 1988, 474 = NJW-RR 1988, 1043 = ZfBR 1988, 215 und vom 9. Juli 1981 – VII ZR 40/80, BauR 1981, 577 = NJW 1981, 2801 = ZfBR 1981, 265). Der Kläger war danach berechtigt, die geforderten Abschlagszahlungen insgesamt zu verweigern, weil der Nachbesserungsaufwand die Abschlagszahlungen überstieg.
c) Anderes gilt ab April 1994. Der Kläger hat die Ursächlichkeit etwaiger Baumängel aus diesem Zeitraum für eine Verzögerung des Baufortschritts nicht dargetan. Der Ersatzanspruch für entgangene Mieteinnahmen ist daher auf ein Jahr begrenzt. Er kann gleichwohl den eingeklagten Betrag erreichen.
III.
Das Berufungsgericht wird die von seinem Standpunkt aus folgerichtig unterbliebenen Feststellungen zum Mietausfallschaden gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag nachzuholen haben.
Der Kläger hat dazu substantiiert und unter Beweisantritt vorgetragen, er hätte die Mieteinnahmen bereits ab April 1993 erzielen können. Bei der Bemessung des Mietausfallschadens stehen ihm die Beweiserleichterungen gemäß §§ 252 BGB, 287 ZPO zur Seite.
Für die Ermittlung eines eventuellen Schadensersatzes wird auf die Grundsätze des Senats zur Berechnung des Mietausfalls oder der Finanzierungskosten hingewiesen (BGH, Urteile vom 29. März 1990 – VII ZR 324/88, BauR 1990, 464, 465 und 14. Januar 1993 – VII ZR 185/91, BGHZ 121, 210, 213).
Unterschriften
Thode, Haß, Hausmann, Wiebel, Wendt
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 06.04.2000 durch Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539079 |
DB 2000, 2524 |
BauR 2000, 1189 |
NJW-RR 2000, 1260 |
IBR 2000, 371 |
NZM 2000, 917 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 1898 |
MDR 2000, 949 |
NJ 2001, 36 |
ZfBR 2000, 465 |
NZBau 2000, 422 |