Leitsatz (amtlich)
›Der Firma eines Gaststättenbetriebsunternehmens kommt überörtlicher Schutz nur zu, wenn dieses bereits im Zeitpunkt des Aufeinandertreffens der Kollisionsbezeichnungen sichtbar die Absicht verwirklicht hat, überörtlich tätig zu werden (Fortführung von BGHZ 24, 238 - tabu I).‹
Tatbestand
Die Klägerin wurde unter ihrer Firma Pic Nic Imbißbetriebe GmbH & Co. KG am 7. September 1981 in das Handelsregister des Amtsgerichts Heidenheim an der Brenz eingetragen.
Ihren ersten Imbißbetrieb errichtete die Klägerin - so ihr Vortrag - 1981 in Ludwigsburg. Der zweite folgte 1982 in Heidenheim an der Brenz. Mit Bescheid der Stadt Ulm vom 14. Oktober 1983 wurde ihr der Betrieb eines Imbißstandes in Ulm gestattet. Weitere Imbißstände, für welche sie den Namen "Pic Nic" verwendet, errichtete die Klägerin 1985 in Dillingen und Göppingen, 1986 in Füssen, 1987 in Donauwörth und Aalen und 1988 in Oberstdorf sowie 1989 in Memmingen.
Die Beklagte betreibt seit 1. April 1983 auf dem Querbahnsteig des Münchner Hauptbahnhofs einen Verkaufskiosk für Fast-Food-Artikel und Reisebedarf unter der Bezeichnung "Picnic".
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, durch die Verwendung des Wortes "Picnic" als Geschäftsbezeichnung für den von der Beklagten betriebenen Kiosk werde ihr Namensrecht an dem Firmenbestandteil "Pic Nic" verletzt. Ihr Firmenschutz erstrecke sich jedenfalls auf den gesamten süddeutschen Raum. Aus der bisherigen Entwicklung des Unternehmens und der einheitlichen Ausstattung der Imbißbetriebe ergebe sich, daß ihr Unternehmen darauf angelegt sei, mittels Filialbetrieben Gaststätten an verschiedenen Orten im gesamten (bisher süddeutschen) Raum zu betreiben. Die Beklagte verletze daher ihr prioritätsälteres Firmenrecht.
Die Klägerin hat beantragt,
der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten,
den von ihr auf dem Quersteig des Münchner Hauptbahnhofs betriebenen Kiosk unter dem Namen "Pic Nic" zu betreiben.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen.
Mit der Revision begehrt die Klägerin, das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Firmenbestandteil der Klägerin "Pic Nic" sei kennzeichnungskräftig und mit der Bezeichnung der Beklagten "Picnic" verwechslungsfähig. Die Klage sei jedoch unbegründet, da die Klägerin keine Verkehrsgeltung besitze, die Kennzeichnungskraft der Bezeichnung "Pic Nic" gering sei und trotz der von der Klägerin geltend gemachten Tendenz, mit Imbißbetrieben im süddeutschen Raum überörtlich tätig zu werden, gegen die angegriffene Kioskbezeichnung keinen Schutz biete. Auf die Frage der Priorität der Firmenbezeichnung der Klägerin für die Betriebe in Ludwigsburg, Heidenheim und Ulm komme es daher nicht an.
Der geringe Schutzumfang der Bezeichnung der Klägerin folge auch daraus, daß es unstreitig prioritätsältere Unternehmen mit dem gleichen Firmenschlagwort gebe. Daraus folge eine Verwässerung der Kennzeichnungskraft der Geschäftsbezeichnung der Klägerin zum einen und zum anderen eine Grenze für einen überörtlichen Schutzbereich auch bei Ausdehnungstendenzen. Bei der Verneinung der Verwechslungsgefahr falle zudem ins Gewicht, daß die von der Beklagten gewählte Bezeichnung "Picnic" gerade für einen Bahnhofskiosk ein noch stärker beschreibendes Element beinhalte und auch von daher nicht ohne weiteres einer Imbißkette zugerechnet werden könne.
Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
II. 1. Das Berufungsgericht hat der Bezeichnung "Pic Nic" namensmäßige Unterscheidungskraft zuerkannt und ihr Schutz als Firmenbestandteil und als besondere Geschäftsbezeichnung für die von der Klägerin unterhaltenen Schnellimbißbetriebe gemäß § 16 Abs. 1 UWG zugebilligt. Diese Beurteilung, welche von der Revision als ihr günstig hingenommen und von der Revisionserwiderung nicht in Frage gestellt wird, erweist sich als rechtsfehlerfrei. Auch der Umgangssprache entlehnte Bezeichnungen können als Unternehmenskennzeichen hinreichende Unterscheidungskraft aufweisen, wenn deren Verwendung nicht ihrem üblichen Gebrauch entspricht (BGHZ 21, 67, 72 - Hausbücherei; 24, 239, 242 - tabu I; BGH, Urt. v. 11. 10. 1990 - I ZR 8/89, GRUR 1991, 155, 156 - Rialto). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß Picknick eine Mahlzeit aus mitgebrachten Speisen und Getränken im Grünen bezeichne, woraus folge, daß die Klägerin die Geschäftsbezeichnung "Pic Nic" nicht als eine beschreibende Angabe, sondern als ein unterscheidungskräftiges Unternehmenskennzeichen, das zugleich Firmenbestandteil sei, für ihren Imbißstand verwende. Diese Beurteilung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
Als rechtsfehlerfrei erweist sich auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß die beiden gegenüberstehenden Bezeichnungen "Pic Nic" und "Picnic" als besondere Geschäftsbezeichnungen für die von den Parteien betriebenen Imbißstände verwechslungsfähig seien, da nahezu schriftbildliche, jedenfalls klangliche Identität der gegenüberstehenden Bezeichnungen gegeben ist. Die Parteien betreiben zudem hinsichtlich der Abgabe von Fast-Food-Artikeln einen identischen Geschäftsbereich. Der Umstand, daß die Klägerin ihre Imbißstände als Kleinstgaststätten betreibt, während die Beklagte einen Kiosk auf dem Münchner Hauptbahnhof unterhält, steht der Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr der beiden gegenüberstehenden Bezeichnungen nicht entgegen. Die teilweise unterschiedliche Betriebsform des gleichen Geschäftsbereichs "Schnellimbiß" ist auf die Beurteilung der firmenrechtlichen Verwechslungsgefahr grundsätzlich ohne Einfluß. Der Verkehr beurteilt nämlich geschäftliche Zusammenhänge im wesentlichen nach dem Gegenstand des betriebenen Geschäfts, nicht aber nach der Gestaltung und Ausstattung des einzelnen Geschäftslokals.
2. Einen überörtlichen Schutz der Firma der Klägerin hat das Berufungsgericht aber verneint, weil deren Schutzbereich mangels besonderer Originalität der verwendeten Bezeichnung "Pic Nic" für Imbißbetriebe gering sei; je weniger originell eine Bezeichnung sei, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, desto weniger sei ein überörtlicher Schutz zuzubilligen. Diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden. Erweisen sich die beiden gegenüberstehenden Bezeichnungen als verwechslungsfähig, so kann der überörtliche Schutzbereich einer Firmenkennzeichnung nicht mit der Begründung versagt werden, deren sachlicher Schutzumfang sei gering. Für die Beurteilung des räumlichen Schutzbereichs einer Firmenkennzeichnung ist vielmehr entscheidend darauf abzustellen, ob das Unternehmen einen ortsgebundenen Geschäftsbetrieb unterhält oder ob es auf eine überörtliche Tätigkeit angelegt ist.
Im Ergebnis hat das Berufungsgericht aber zu Recht einen auf den Raum Bayern ausgedehnten Schutz der Firma der Klägerin gegenüber der von der Beklagten verwendeten Geschäftsbezeichnung verneint.
3. Der Klägerin könnte firmenrechtlicher Schutz gegenüber der von der Beklagten verwendeten Geschäftsbezeichnung nur gewährt werden, wenn ihr mit ihrem Firmenbestandteil "Pic Nic" bereits im Zeitpunkt der Aufnahme der Geschäftstätigkeit der Beklagten unter ihrer Geschäftsbezeichnung "Pic Nic" am 1. April 1983 prioritätsälterer überörtlicher firmenrechtlicher Schutz für München zuzubilligen gewesen wäre. Dies ist im Streitfall indessen nicht der Fall. Dem Klagevortrag sind die maßgeblichen Voraussetzungen für einen solchen überörtlichen Schutz nicht zu entnehmen.
a) Für den von der Klägerin geltend gemachten überörtlichen firmenrechtlichen Schutz genügt es nicht, daß sie zu einem prioritätsälteren Datum, nämlich am 7. September 1981, mit ihrer die Klagebezeichnung "Pic Nic" als Bestandteil enthaltenden Firma in das Handelsregister Heidenheim an der Brenz eingetragen worden ist und nach ihrem Vortrag unter dieser Geschäftsbezeichnung seit 1981 in Ludwigsburg eine Imbißgaststätte unterhält.
Der Schutzbereich eines Firmennamens eines Gaststättenbetriebs ist ebenso wie im allgemeinen der Schutzbereich der Unternehmensbezeichnung einer Gaststätte räumlich begrenzt, weil sich die Tätigkeit eines solchen Unternehmens, wie dem Publikum bekannt ist, in aller Regel auf einen bestimmten Wirtschaftsraum beschränkt und daher auch die Kennzeichnungskraft der Firmenbezeichnung örtlich gebunden ist (RGZ 171, 30, 34 f. - Rauchfang; BGHZ 24, 238, 243 - tabu I; BGH, Urt. v. 20. 3. 1970 - I ZR 54/68, GRUR 1970, 479, 480 - Treppchen; Urt. v. 12. 7. 1984 - I ZR 49/82, GRUR 1985, 72 - Consilia). Ein überörtlicher Schutzbereich ist in solchen Fällen nur dann zuzubilligen, wenn das Unternehmen darauf angelegt ist, beispielsweise nach Art eines Filialbetriebs Gaststätten an verschiedenen, verstreut liegenden Plätzen zu betreiben, sei es im gesamten Bundesgebiet, sei es in einem abtrennbaren Wirtschaftsraum - wie beispielsweise Süddeutschland - und den Umständen nach mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, daß es diese Absicht verwirklichen kann und wird (BGHZ - tabu I aaO). Auf die Absicht überörtlicher - bundesweiter oder regionaler - Ausdehnung des Geschäftsbereichs eines Gaststättenbetriebsunternehmens läßt sich in der Regel erst schließen, wenn diese durch die Eröffnung mehrerer Betriebe in verstreut liegenden Orten des Bundesgebiets oder eines Landes sichtbare Verwirklichung gefunden hat (vgl. BGHZ - tabu I aaO S. 239). In einem solchen Fall erstreckt sich der Schutzbereich auch auf solche Teilgebiete des vorgesehenen räumlichen Tätigkeitsbereichs, in denen bei der allmählichen Ausdehnung noch keine Geschäfte unter der prioritätsälteren Firma getätigt werden. Denn schutzwürdig ist regelmäßig schon das Interesse daran, daß in dem vorgesehenen und möglichen Tätigkeitsgebiet nicht nachträglich die verwechslungsfähige Firmenbezeichnung eines Dritten auftritt, welche die Ausdehnung der eigenen Bezeichnung behindert (BGH - Consilia aaO). Vorausgesetzt wird dabei aber, daß bereits entsprechende tatsächliche Anhaltspunkte vorhanden sind, wie beispielsweise die Gestaltung und der Aufbau als Filialunternehmen oder die Verwendung gleichlautender Etablissementsbezeichnungen mehrerer verstreut liegender Niederlassungen oder Verkaufsstellen.
b) Für die Beurteilung, ob der Klagebezeichnung ein prioritätsälterer (überörtlicher) Schutz zukommt, ist - wie stets im Kennzeichenrecht - auf den Zeitpunkt der Ingebrauchnahme der angegriffenen Geschäftsbezeichnung abzustellen, das ist hier der 1. April 1983. Einer firmenrechtlichen Bezeichnung kann nur der Schutz zugebilligt werden, der ihr im Zeitpunkt des erstmaligen Zusammentreffens mit der angegriffenen Bezeichnung innewohnt; denn wenn bei der Ingebrauchnahme der prioritätsjüngeren Firma oder Geschäftsbezeichnung die räumlichen Wirkungsbereiche der beiden Kennzeichnungen sich nicht überschnitten haben, ist auch die jüngere Kennzeichnung befugterweise in Benutzung genommen worden (BGHZ 19, 23, 29 - Magirus; 21, 85, 95 - Der Spiegel; BGH, Urt. v. 12. 7. 1984 - I ZR 49/82, GRUR 1985, 72 - Consilia).
Die Voraussetzungen für die Gewährung eines überörtlichen Schutzes der Firma der Klägerin gegenüber der Geschäftsbezeichnung des von der Beklagten in München betriebenen Kiosks sind nicht gegeben.
c) Der Vortrag der Klägerin läßt nicht die Folgerung zu, sie hätte bereits im Zeitpunkt des 1. April 1983 geschäftliche Aktivitäten entwickelt, welche die Ausdehnung ihres geschäftlichen Bereichs über einzelne örtlich betriebene Imbißgaststätten hinaus im gesamten süddeutschen Raum als naheliegend erscheinen ließen. Die Klägerin hat nach ihrem Vortrag neben der Inbetriebnahme der Imbißgaststätte in Ludwigsburg im Jahre 1981 in Heidenheim im Jahre 1982 einen "pic nic Schnellimbiß" eingerichtet und im Jahre 1983 einen Imbißstand mit sechs Quadratmetern in Ulm aufgemacht. Selbst wenn man den Betrieb des Imbißstandes in Ulm, für welchen der Zeitpunkt der Inbetriebnahme nicht feststeht, da die Betriebserlaubnis der Stadt Ulm vom 14. Oktober 1983 einen solchen nicht ausweist, einer Geschäftstätigkeit der Klägerin vor dem 1. April 1983 zurechnet, lassen sich keine hinreichenden Umstände feststellen, es habe eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestanden, daß die Klägerin ihren Geschäfts- und Tätigkeitskreis in einem weitergezogenen Bereich überregional, jedenfalls auch über die Landesgrenzen Baden-Württembergs hinaus in Bayern angelegt habe.
Dahingehende Anhaltspunkte können auch nicht der Beschreibung des Geschäftsgegenstandes der Komplementärgesellschafterin der Klägerin im Handelsregister entnommen werden. Für die Beurteilung der überörtlichen Ausdehnung eines Geschäftsbereichs ist im wesentlichen auf die entfalteten tatsächlichen Tätigkeiten abzustellen. Beschreibungen des Geschäftsbereichs einer Komplementärgesellschafterin, die im Betrieb der hier klagenden Kommanditgesellschaft keine sichtbare Verwirklichung hinsichtlich einer überörtlichen Ausdehnung in dem erörterten Sinne gefunden haben, vermögen einen überörtlichen Schutz einer örtlich beschränkten Bezeichnung für den Betrieb von Gaststätten nicht zu begründen. Auch der Umstand, daß für die Komplementärgesellschafterin der Klägerin auf ihre Anmeldung vom 2. Juli 1981 am 13. Mai 1982 das Bild-Wortzeichen Nr. 1033373 eingetragen worden ist, welches neben der Abbildung eines Hahnes und dem Begriff "fried chicken" auch die Klagebezeichnung "Pic Nic" enthält, vermag nicht die Folgerung zu tragen, der Geschäftsbetrieb der Klägerin habe sich bereits im April 1983 als ein Betrieb mit überregional ausdehnender Tendenz dargestellt. Es sind im Klagevortrag keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Klägerin - beispielsweise als Lizenznehmerin - dieses Zeichen zur Kennzeichnung ihrer Geschäftsbetriebe eingesetzt und/oder gegenüber anderen zu jenem Zeitpunkt unstreitig bereits in anderen Städten errichteten "Pic Nic"-Restaurants verteidigt habe.
4. Die Revision erweist sich auch insoweit als unbegründet, als sie rügt, das Berufungsgericht habe übersehen, daß die Klage auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Warenzeichens 1 033 373 gerechtfertigt sei. Die Klägerin hat zwar vorgetragen, daß sie Inhaberin des Warenzeichens sei, hat dieses aber nicht zur Grundlage ihres Klagebegehrens erhoben. Die Klage ist ausschließlich auf § 12 BGB und § 16 Abs. 1 UWG gestützt. Mangels eines Vortrags zum zeichenrechtlichen Verletzungstatbestand - zeichenmäßige Benutzung, Verwechslungsgefahr im zeichenrechtlichen Sinne - hatte das Berufungsgericht zeichenrechtliche Ansprüche nicht zu prüfen. Es ist deshalb auch für die revisionsrechtliche Beurteilung nicht zu erwägen, ob aus dem angeführten Wort-/Bildzeichen zeichenrechtliche Ansprüche gegenüber der Verwendung der Bezeichnung "Picnic" hergeleitet werden können.
III. Nach alledem erweist sich die Revision als unbegründet. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2993197 |
DB 1993, 1414 |
NJW 1993, 2369 |
NJW 1993, 3269 |
LM H. 10/93 § 16 UWG Nr. 145 |
BGHR UWG § 16 Abs. 1 Firmenrechtsschutz 2 |
NJW-RR 1993, 1065 |
GRUR 1993, 923 |
WM 1993, 1607 |
DZWir 1994, 243 |
MDR 1993, 855 |
WRP 1993, 705 |