Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 25.07.2001) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. Juli 2001 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Einzelfreiheitsstrafe jeweils fünf Jahre sechs Monate), wegen Diebstahls in zwei Fällen (Einzelfreiheitsstrafe jeweils ein Jahr) und wegen unerlaubter Einfuhr einer Schußwaffe in Tateinheit mit unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Schußwaffe (Einzelfreiheitsstrafe ein Jahr sechs Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von vier Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Von dem Vorwurf, in vier (weiteren) Fällen zum gewinnbringenden Weiterverkauf Heroin aus den Niederlanden eingeführt bzw. Dritte mit der Einfuhr beauftragt zu haben, hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft den Teilfreispruch sowie die unterlassene Anordnung der Sicherungsverwahrung.
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf den Teilfreispruch, die Gesamtstrafe und die unterbliebene Unterbringung beschränkt. Der Senat kann nach den Besonderheiten des vorliegenden Falles ausschließen, daß das Landgericht bei Anordnung der Sicherungsverwahrung auf niedrigere Einzelstrafen für die abgeurteilten Taten erkannt hätte (vgl. BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1).
2. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen den Teilfreispruch wendet, ist ihr Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, aufgrund derer es sich von den weiteren dem Angeklagten vorgeworfenen Betäubungsmitteldelikten nicht zu überzeugen vermochte, läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
3. Dagegen hat das angefochtene Urteil keinen Bestand, soweit das Landgericht es abgelehnt hat, die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung anzuordnen.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß unter Beachtung des § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB die formellen Voraussetzungen für die Anordnung dieser Maßregel nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 bzw. Abs. 2 StGB vorliegen (s. auch BGHSt 41, 97). Es folgt darüber hinaus rechtsfehlerfrei der Einschätzung des Sachverständigen E., daß bei dem Angeklagten eine hohe Rückfallgefahr besteht. Dennoch sieht es von der Anordnung der Sicherungsverwahrung ab, weil ein Hang des Angeklagten zu erheblichen Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht sicher feststellbar sei (UA S. 90 f.). Die dem zugrunde liegenden Erwägungen halten rechtlicher Prüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
a) Das Landgericht vermag sich nicht davon zu überzeugen, daß es sich bei der vom Angeklagten im Jahre 1986 begangenen Betäubungsmittelstraftat (Freiheitsstrafe von vier Jahren sechs Monaten durch Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 28. April 1987), der Raubtat von April 1989 (Freiheitsstrafe von sieben Jahren durch Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 3. September 1990) sowie den beiden nunmehr abgeurteilten Verbrechen nach dem BtMG um Taten handelt, die für einen Hang des Angeklagten zur Begehung von Straftaten exemplarisch sind (vgl. hierzu BGHSt 21, 263 ff.; 24, 153, 156; 24, 243, 244; BGH NStZ 1984, 309). Die dem zugrunde liegende Bewertung des Landgerichts läßt jedoch wesentliche Umstände der Fallgestaltungen außer Betracht und legt einen unzutreffenden rechtlichen Beurteilungsmaßstab an.
Nicht zu beanstanden ist allerdings der Ausgangspunkt des Landgerichts. Handelt es sich bei den Straftaten, die die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung begründen (sog. Symptomtaten), um solche ganz verschiedener Art, die völlig unterschiedliche Rechtsgüter verletzen, ist ihr Indizwert für einen verbrecherischen Hang des Täters besonders sorgfältig zu prüfen und zu begründen (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 10). Bei seiner Prüfung hat das Landgericht jedoch nur allgemein auf den andersartigen strafrechtlichen Charakter des Bankraubes aus dem Jahre 1989 abgehoben, ohne in Betracht zu nehmen, daß ein wesentlicher Umstand für sämtliche hier zur Beurteilung stehenden Symptomtaten gleichermaßen kennzeichnend ist: Alle diese Taten (wie auch die vom Landgericht abgeurteilten Diebstähle) dienten dem Ziel des Angeklagten, sich auf kriminelle Weise Geld zu beschaffen. Darüber hinaus hat das Landgericht nicht berücksichtigt, daß der Erwerb der Schrotflinte durch den Angeklagten im September 1999 dem Zweck diente, sich vor Schwierigkeiten bei den Rauschgiftgeschäften zu wappnen (UA S. 22). In der geplanten Absicherung der Taten durch eine Schußwaffe spiegelt sich erneut seine Bereitschaft zu einer gefährlichen Vorgehensweise wieder, die er schon bei dem Banküberfall von 1989 tatsächlich in die Tat umgesetzt hatte, als er mehrere Bankkunden mit einem schußbereiten Schrotgewehr bedrohte.
Soweit das Landgericht den Indizwert des Banküberfalls für den von § 66 StGB vorausgesetzten Hang des Angeklagten auch deswegen bezweifelt, weil es sich hierbei um eine aus einer persönlichen Krisensituation heraus begangene spontane Tat gehandelt habe, die gewisse altruistische Züge zeige und den Charakter einer Konflikttat trage, findet dies in den getroffenen Feststellungen keine Stütze. Der Angeklagte war aus einem Hafturlaub nicht zurückgekehrt, um die Beziehung zu seiner Freundin in Ordnung zu bringen, die sich zwischenzeitlich einem anderen Mann zugewandt hatte. Als er von ihren angewachsenen Schulden hörte, beschloß er, sich auf strafbare Weise Geld zu beschaffen, um die Schulden zu begleichen. Er besorgte sich ein Schrotgewehr, dessen Lauf er absägte. Vier oder fünf Tage vor der Tat entwendete er einen Pkw Porsche (als Fluchtfahrzeug) und kaufte zum Zwecke der Maskierung eine Sturmhaube. Bei dieser Sachlage kann von einer spontanen Tat oder Konflikttat nicht die Rede sein. Der Überfall war vielmehr gut vorbereitet und diente erkennbar dem Zweck, durch die Begleichung der Schulden die Beziehung zu seiner Freundin zu festigen, und damit eigenen Zielen des Angeklagten.
Das Landgericht meint schließlich, trotz der hohen Rückfallgeschwindigkeit und der bestehenden erheblichen Rückfallgefahr könne aus den nunmehr abgeurteilten Betäubungsmitteldelikten nicht auf einen Hang des Angeklagten zur Begehung von Straftaten geschlossen werden, denn es lasse sich nicht feststellen, daß er schon mit der Bereitschaft aus der Haft gekommen sei, in großem Stil in den Rauschgifthandel einzusteigen; vielmehr sei der Angeklagte erst nach und nach wieder in den Drogenhandel eingestiegen, offenbar bedingt durch die sich ihm bietenden Gelegenheiten in Verbindung mit seiner niedrigen Hemmschwelle gegenüber kriminellem Tun. Damit hat das Landgericht verkannt, daß ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht nur bei dem Täter zu bejahen ist, der dauernd zu Straftaten entschlossen ist, sondern auch bei demjenigen, der aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung – gleich welcher Genese – immer wieder straffällig wird, wenn sich ihm die Gelegenheit bietet (st. Rspr.; s. nur BGH NStZ 2000, 587 Nr. 6; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1, 4 und 8).
b) Auch die Erwägungen des Landgerichts zu der Frage, ob von dem stark rückfallgefährdeten Angeklagten erhebliche Straftaten drohen, so daß er im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB für die Allgemeinheit gefährlich ist, sind rechtsfehlerhaft. Zwar hat das Landgericht im Grundsatz nicht verkannt, daß schon zu erwartende weitere Einfuhren von Heroin im Kilobereich und dessen gewinnbringender Absatz im Einzelfall eine Gefährlichkeit des Täters im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB begründen können (BGH NStZ 2000, 587 Nr. 7). Seine hieran anknüpfenden Überlegungen zur Gefährlichkeit des Angeklagten lassen jedoch außer Betracht, daß dieser sich zur Absicherung seiner Betäubungsmittelgeschäfte eine Schrotflinte besorgt hatte und sich durch Aufbohren einer Gaspistole noch eine weitere Schußwaffe verschaffen wollte. Danach liegt es aber nicht fern, daß der Angeklagte nicht nur weitere Straftaten nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG begeht, sondern sogar bewaffneter Betäubungsmittelhandel im Sinne des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG zu gewärtigen ist. Daß der Angeklagte bisher eine Schußwaffe gegen einen Menschen mit Tötungs- oder Verletzungsvorsatz noch nicht eingesetzt hat, steht – anders als das Landgericht meint – der Gefährlichkeit eines Hangtäters nicht entgegen, zumal bei der Unkalkulierbarkeit des jeweiligen Tatablaufs die Gefahr des tatsächlichen Abfeuerns der Waffe nie auszuschließen ist.
Unterschriften
Tolksdorf, Rissing-van Saan, Winkler, Pfister, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 2559712 |
NStZ 2002, 537 |