Leitsatz (amtlich)
Eine gewisse klangliche Ähnlichkeit zwischen zwei Werktiteln kann eine Verwechslungsgefahr dann nicht begründen, wenn der dem Verkehr ohne weiteres erkennbare Sinngehalt eines der Titel als geflügeltes Wort („1, 2, 3 im Sauseschritt”) von dem anderen Titel („Eins, zwei, drei im Bärenschritt”) abweicht.
Normenkette
MarkenG § 5 Abs. 3, § 15 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 28.03.2000) |
LG Düsseldorf (Urteil vom 08.07.1999) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. März 2000 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, ein Verlagsunternehmen, verlegt seit 1985 einen Tonträger (Musikkassette und CD) und ein Buch mit Kinderliedern und Versen unter dem Titel „1, 2, 3 im Sauseschritt”. Die Tonträger verkaufte sie bis zum Jahre 1998 in einer Stückzahl von etwa 650.000, das Buch in einer Stückzahl von 450.000. Im Jahre 1997 erhielt sie vom Bundesverband der phonographischen Wirtschaft den Platinpreis für 500.000 verkaufte Tonträger. Im Jahre 1998 brachte sie die CD „Und weiter geht's im Sauseschritt” heraus.
Die Beklagte, ebenfalls ein Verlagsunternehmen, vertreibt seit Frühjahr 1998 ein Kinderbuch mit einer Sammlung von Versen, Fingertheater, Handmärchen und Sprüchen unter dem Titel „Eins, zwei, drei im Bärenschritt”. Sie vertreibt inzwischen unter diesem Titel auch eine Hörspielkassette zu dem Buch.
Die Klägerin hat in diesem Verhalten eine Verletzung ihres Werktitels gesehen und deshalb Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht geltend gemacht.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat eine Verwechslungsgefahr und die Schutzfähigkeit des Klagetitels in Abrede gestellt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat den Titel der Klägerin für schutzfähig gehalten und eine Verwechslungsgefahr der angegriffenen Bezeichnung mit dem Titel der Klägerin bejaht. Dazu hat es ausgeführt:
Der Klagetitel sei schutzfähig. Selbst wenn man berücksichtige, daß er der Wendung von Wilhelm Busch's Bildgeschichte „Tobias Knopp” entlehnt oder einem in der Bevölkerung bekannten Ausspruch nachempfunden sei, sei er doch geeignet, sich aufgrund seiner Eigenart im Verkehr zur Unterscheidung von anderen Kinderbüchern und anderen Kindertonträgern einzuprägen. Auch eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 15 Abs. 2 MarkenG sei gegeben. Dem Klagetitel komme eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Er sei mit der Aufzählung von drei ersten Schritten und der Bezeichnung der Schritte als „Sauseschritte” durchaus originell zur Kennzeichnung eines Kinderliedes, das eine schnelle Bewegung ausdrücken solle, und ebenso für ein Kinderliederbuch. Eine Schwächung ergebe sich nicht daraus, daß der Bestandteil „Eins, zwei, drei” auch in anderen Titeln verwendet werde. Eine den Klagetitel in seine Bestandteile zergliedernde Betrachtungsweise komme nicht in Betracht. Für die Frage der Verwechslungsgefahr komme es maßgeblich darauf an, welchen Gesamteindruck die beiderseitigen Bezeichnungen im Verkehr erweckten. In Bezug auf die klangliche Ähnlichkeit sei zu berücksichtigen, daß der Unterschied der sich gegenüberstehenden Titel nahezu allein in der ersten Silbe des letzten Wortes der insgesamt nicht ganz kurzen Wendung liege. Betont würden die ersten beiden Silben von „Sauseschritt” und „Bärenschritt”. Damit seien zwar die klanglich dominanten Silben „Sause” im angegriffenen Titel nicht übernommen, beide Titel hätten aber einen gleichen Sprachduktus. Schriftbildlich unterschieden sich die Titel in den Silben „Sause” und „Bären” und in den Zählfolgen, die in Ziffern bzw. in Buchstaben geschrieben seien. Insgesamt bestehe eine große klangliche und schriftbildliche Ähnlichkeit.
Zwar sei der Sinngehalt der Worte „Sauseschritt” und „Bärenschritt” insofern verschieden, als ein „Sauseschritt” in Schnelligkeit, Sicherheit und Eleganz deutlich anders zu bewerten sei als ein „Bärenschritt”. Ersterer stehe für eine sehr schnelle, bei nichts verweilenden Bewegungsform, während dazu der behäbige „Bärenschritt” im Gegensatz stehe. Die durch die starke klangliche und schriftbildliche Annäherung hervorgerufene Verwechslungsgefahr werde hierdurch jedoch nicht ausgeschlossen. Abzustellen sei auf den Durchschnittskunden, der sich für den Erwerb von Kinderliederbüchern oder Tonträgern mit Kinderliedern und Versen interessiere. Der präzise Wortlaut des Titels werde den Verbrauchern über längere Zeit kaum in sicherer Erinnerung bleiben. Nach gewisser Zeit werde eine eher undeutliche Erinnerung an eine Zählfolge „mit irgendeinem Schritt” im Gedächtnis haften, was beim Kauf zu Verwechslungen der beiden Titel führen könne. Die Verwechslungsgefahr werde auch nicht durch inhaltliche Unterschiede der zugrundeliegenden Werke ausgeräumt. Dies käme allenfalls in Betracht, wenn die Unterschiede deutlich hervorgehoben wären, z.B. in Form von Untertiteln, was nicht der Fall sei.
II. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden landgerichtlichen Urteils.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Klagetitel die für einen Schutz nach § 5 Abs. 1 und 3 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft, nämlich die Eignung, Kinderliederbücher und entsprechende Tonträger von anderen derartigen Werken zu unterscheiden, aufweist. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen. Rechtsfehler sind auch nicht ersichtlich.
2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, zwischen dem Klagetitel „1, 2, 3 im Sauseschritt” und dem angegriffenen Titel „Eins, zwei, drei im Bärenschritt” bestehe unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne (§ 15 Abs. 2 MarkenG).
Auszugehen ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Titel und der Werknähe sowie der Kennzeichnungskraft des älteren Titels (vgl. BGH, Urt. v. 21.6.2001 – I ZR 27/99, GRUR 2002, 176 = WRP 2002, 89, 90 – Auto Magazin, m.w.N.).
a) Das Berufungsgericht hat dem Klagetitel eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zugesprochen. Die Revision hält nur eine schwache Kennzeichnungskraft für gegeben und beruft sich darauf, daß sich der von Wilhelm Busch entlehnte Titel zu einem in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eingegangenen geflügelten Wort entwickelt habe und der Verkehr deshalb bei diesem Titel stets an Wilhelm Busch, jedenfalls an das ihm bekannte geflügelte Wort denke. Eine etwaige Originalität und Eigentümlichkeit des Titels selbst sei deshalb bei der Bestimmung des Schutzbereichs außer Betracht zu lassen. Eine gewisse – schutzbegründende – Originalität rühre allein daher, daß ein an sich bekannter Spruch zur Kennzeichnung eines Kinderbuchs verwendet werde. Überdies sei die Zählfolge „1, 2, 3” aufgrund häufiger Verwendung in Werktiteln, insbesondere bei Kinderbüchern, völlig abgegriffen.
Für die Bestimmung des Grades der Kennzeichnungskraft eines Werktitels kommt es nicht darauf an, daß es sich bei ihm um ein in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eingegangenes geflügeltes Wort handelt. Für die Frage des Grades der Unterscheidungskraft und die für den Kollisionszeitpunkt zu bestimmende Kennzeichnungskraft des Klagetitels ist vielmehr die konkrete Eignung zur Unterscheidung unterschiedlicher Werke voneinander von Bedeutung. Die Unterscheidungskraft des Klagetitels von Hause aus wird insbesondere durch den ungewöhnlichen Begriff „Sauseschritt”, der von hoher Originalität ist, mitbestimmt. Der Begriffsinhalt dieses Wortes wird dem Verkehr leicht klar, gleichwohl handelt es sich um eine besondere, phantasievolle Bildung. Dieser Titelbestandteil überlagert in seiner Bedeutung die anderen Bestandteile, so daß es nicht maßgeblich darauf ankommt, daß es sich bei der Zählfolge „Eins, zwei, drei” nach der Behauptung der Beklagten für Kinderbücher um eine abgegriffene Wendung handele. Eine Schwächung der Unterscheidungskraft von Hause aus kann nicht darin gesehen werden, daß der Titel (auch) für Ausgaben der Werke von Wilhelm Busch verwendet worden ist.
Das Berufungsgericht hat erörtert, daß die Anzahl der unter dem Titel vertriebenen Werke eine geeignete Grundlage für die Annahme einer Stärkung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft des Klagetitels sein könnte. Es hat seine Beurteilung darauf jedoch nicht maßgeblich gestützt. Es hat dazu im einzelnen auch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, so daß für die Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin von einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft des Klagetitels auszugehen ist.
b) Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, es bestehe eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen dem angegriffenen Titel und dem Klagetitel. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings im Ausgangspunkt seiner Beurteilung den jeweiligen Gesamteindruck des Klagetitels und des angegriffenen Titels zugrunde gelegt (vgl. BGH, Urt. v. 16.7.1998 – I ZR 6/96, GRUR 1999, 235, 237 = WRP 1999, 186 – Wheels Magazine). Dabei ist es unausgesprochen auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß keiner der Titel in seinem Gesamteindruck durch einen oder mehrere einzelne Bestandteile geprägt sei.
Die Annahme einer großen schriftbildlichen und klanglichen Ähnlichkeit der Titel, die eine Verwechslungsgefahr begründen, ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.
aa) Die Annahme einer schriftbildlichen Verwechslungsgefahr kann schon angesichts der in dem angegriffenen Titel ausgeschriebenen Zählfolge „Eins, zwei, drei” nicht nachvollzogen werden. Die schriftbildliche Charakteristik des Klagetitels wird auch durch die Ziffernfolge „1, 2, 3” mitbestimmt, die in der angegriffenen Bezeichnung so nicht enthalten ist. Deren Charakteristik wird durch die Zahlwörter „Eins, zwei, drei” mitbestimmt. Darüber hinaus unterscheiden sich die Wörter „Sauseschritt” einerseits und „Bärenschritt” andererseits maßgeblich, so daß von einer schriftbildlichen Verwechslungsgefahr nicht die Rede sein kann.
bb) Aber auch die Annahme einer klanglichen Verwechslungsgefahr ist nicht frei von Rechtsfehlern. Zutreffend ist das Berufungsgericht bei der Prüfung der klanglichen Ähnlichkeit der Titel von der klanglichen Übereinstimmung in der Zählfolge sowie in dem Bestandteil „-schritt” und einem übereinstimmenden Sprachduktus ausgegangen und hat einen klanglichen Unterschied lediglich in den Silben „Sause” bzw. „Bären” gesehen. Es hat auch erwogen, daß in der begrifflichen Bedeutung zwischen einem „Sauseschritt” und einem „Bärenschritt” ein maßgeblicher Unterschied bestehe, weil der eine Schritt eine schnelle, bei nichts verweilende Bewegungsform beschreibe, während der behäbige „Bärenschritt” hierzu im Gegensatz stehe. Es hat darin jedoch keine die enge klangliche Nähe ausgleichende Bedeutung gesehen, weil der angesprochene Verkehr auf Dauer allenfalls eine Zählfolge mit irgendeinem Schritt im Gedächtnis behalten werde. Mit dieser aus Rechtsgründen an sich nicht zu beanstandenden Beurteilung hat es aber einen weiteren Aspekt unberücksichtigt gelassen, der für die Frage einer Verwechslungsgefahr von Bedeutung ist.
Bei dem Klagetitel handelt es sich, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, um einen geflügelten Satz, der schon deshalb dem angesprochenen Verkehr sogleich und unmittelbar diesen Charakter nebst seinem begrifflichen Inhalt mitteilt. Vermittelt aber schon der Klang den Charakter des Satzes und zugleich seinen Bedeutungsgehalt, kann von einer relevanten klanglichen Ähnlichkeit nicht mehr ausgegangen werden. Vielmehr erkennt der Verkehr angesichts der Bekanntheit des geflügelten Wortes dieses sogleich, so daß die durch die gegebene klangliche Ähnlichkeit zu befürchtende Gefahr von Verwechslungen der Titel ausgeschaltet wird, zumal auch der jüngere Titel wiederum einen anderen dem Verkehr ohne weiteres zugänglichen Sinngehalt verkörpert (vgl. BGHZ 28, 320, 325 – Quick/Glück; BGH, Urt. v. 10. Oktober 1991 – I ZR 136/89, GRUR 1992, 130, 132 = WRP 1992, 96 – Bally/BALL, m.w.N.).
Angesichts der danach fehlenden relevanten Ähnlichkeit der Titel kann trotz der zu unterstellenden Bekanntheit des Klagetitels und der Übereinstimmung in der Werkkategorie eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne nicht bejaht werden.
3. Die Klägerin hat in den Instanzen auch geltend gemacht, daß jedenfalls eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, nämlich die Gefahr der Annahme von wirtschaftlichen oder organisatorischen Verbindungen durch den angesprochenen Verkehr gegeben sei. Auch hiermit kann sie nicht durchdringen.
Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß Werktitel, die grundsätzlich (nur) der Unterscheidung eines Werkes von anderen dienen und in der Regel keinen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werkes darstellen, unter bestimmten Voraussetzungen zugleich eine Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft vermitteln (BGH, Urt. v. 12.11.1998 – I ZR 84/96, GRUR 1999, 581, 582 = WRP 1999, 519 – Max; Urt. v. 29.4.1999 – I ZR 152/96, GRUR 2000, 70, 72 = WRP 1999, 1279 – SZENE, je m.w.N.).
Hiervon kann für den Klagetitel nicht ausgegangen werden. Das Berufungsgericht hat hierzu konkrete Feststellungen – angesichts seiner Annahme einer Verwechslungsgefahr im engeren Sinne folgerichtig – nicht getroffen. Die Revisionserwiderung ist auf diese Frage nicht mehr zurückgekommen. Für eine durch den Klagetitel ausnahmsweise vermittelte Herkunftsvorstellung gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Allein aus der zu unterstellenden Bekanntheit des Klagetitels kann im Streitfall nichts Wesentliches hergeleitet werden, weil zwar bei periodisch erscheinenden Werken, wie Zeitschriften oder Zeitungen, eine erhebliche Bekanntheit im Verkehr angesichts der fortlaufenden weiteren Ausgaben zu einer Herkunftsvorstellung führen kann, im Falle eines Einzelwerkes, wie im Streitfall, ein derartiger Rückschluß auf Verkehrsvorstellungen nach der allgemeinen Lebenserfahrung jedoch nicht gerechtfertigt ist.
III. Danach war das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, RiBGH Dr. v. Ungern-Sternberg ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert. Erdmann, Starck, Pokrant, Büscher
Fundstellen
Haufe-Index 847996 |
BGHR 2003, 81 |
BGHR |
NJW-RR 2002, 1563 |
GRUR 2002, 1083 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2002, 1268 |
AfP 2003, 46 |
WRP 2002, 1279 |
GRUR-RR 2003, 113 |
Mitt. 2003, 22 |