Leitsatz (amtlich)
I. §2287 BGB gewährt dem Vertragserben keinen Anspruch auf Auskunftserteilung gegen den Beschenkten.
II. Der pflichtteilsberechtigte Alleinerbe kann auf Grund eines ihm gemäss §2329 Abs. 1, Satz 2 BGB zustehenden Anspruchs auf Ergänzung des Pflichtteils von dem Beschenkten keine Auskunft verlangen.
Normenkette
BGB §§ 2287, 2329
Verfahrensgang
OLG Bremen (Entscheidung vom 10.12.1954) |
LG Bremen (Entscheidung vom 29.07.1954) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 10. Dezember 1954 geändert und dahin erkannt:
Die Berufung beider Parteien gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts in Bremen vom 29. Juli 1954 wird zurückgewiesen.
Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung und der Revision werden je zu 1/4 der Klägerin , zu 3/4 der Beklagten auferlegt.
Das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts in Bremen wird zum Zwecke der Klarstellung zu Ziff 1 a wie folgt neu gefasst:
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Eltern der Klägerin, der Direktor der N. S.fabrik AG Carl August Otto F. - im folgenden Erblasser genannt - und dessen Ehefrau Marie Friederike Charlotte Elisabeth geb. J., schlossen am 10. April 1930 einen Erbvertrag (Bl 57 d.A.), in welchem sie sich gegenseitig zu befreiten Vorerben einsetzten und bestimmten, dass im Falle der Wiederverheiratung oder des Ablebens des überlebenden Ehegatten der Nachlass des Erstversterbenden an ihr einziges Kind, die Klägerin, fallen solle. Die Klägerin sollte auch Erbin des zuletzt versterbenden Ehegatten sein. Ihre Mutter ist am 24. März 1938, ihr Vater am 18. Dezember 1952 verstorben. Vor dem zweiten Weltkrieg hatte der Erblasser die Beklagte kennengelernt, die in erster Ehe mit einem im Jahre 1935 verstorbenen B.er Bankier verheiratet gewesen war. Zu Beginn des zweiten Weltkrieges kam die Beklagte als Hausdame in den Haushalt des Erblassers. Am 26. September 1946 schloss dieser im Alter von 75 Jahren mit der damals 46-jährigen Beklagten die Ehe.
In den Jahren 1941/42 übereignete der Erblasser mit Einverständnis der Klägerin an die Beklagte 49.200,- RM vierprozentige Deutsche Reichsbahnanleihe. Im Juni 1946 traf er ein Abkommen mit der Norddeutschen Kreditbank AG, wonach 40.000,- RM Norddeutsche Steingutfabrik-Aktien und 30.000,- RM Bremer Wollkämmerei- und Kammgarnspinnerei AG-Aktien aus seinem Depot in ein neues, auf den Namen der Beklagten lautendes Streifbanddepot genommen wurden, wobei er sich das Verfügungs- und Nutzungsrecht vorbehielt und weiter bestimmte, dass der Beklagten drei Monate nach seinem Tode ein Anspruch auf Aushändigung des Depots zustehen solle. Unter den gleichen Bedingungen übertrug er im November 1946 weitere 60.000,- RM N. S.fabrik-Aktien schenkungsweise auf das Depot der Beklagten. Er verzichtete am 21. August 1950 auf sein Verfügungs- und Nutzungsrecht an allen in das Depot der Beklagten gegebenen Aktien im Gesamtwerte von 130.000,- RM und übereignete zugleich an die Beklagte noch schenkungsweise Aktien der Bremen-Vegesacker Fischerei AG im Nennbeträge von 44.000,- RM.
Der Erblasser begründete diese Schenkungen in einer schriftlichen Darlegung vom 22. August 1952 (Bl 44/45 d.A.), in der er auch die seinerseits im Laufe der Jahre an die Klägerin gemachten Zuwendungen erwähnte.
Am 26. November 1946 hatte der Erblasser der Beklagten ausserdem schenkungsweise ein lebenslängliches Nießbrauchs- und Wohnrecht an seinem Grundstück P. bestellt, auf dem die Klägerin mit ihrem Ehemann bereits seit 1929 wohnt. Das Recht wurde am 19. April 1947 in das Grundbuch eingetragen.
In den Jahren 1945 bis 1949 schenkte der Erblasser der Beklagten ferner anlässlich von Geburtstagen oder zu Weihnachten mehrere Kunstgegenstände.
Die Beklagte erhält unstreitig von der norddeutschen Steingutfabrik eine Pension von monatlich 400,- DM.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszuge von der Beklagten Auskunft über sämtliche ihr vom Erblasser übereignete und ihr, der Klägerin, nicht bekannte Vermögenswerte verlangt. Ferner hat sie beantragt, die Beklagte zur Einwilligung in die Löschung des erwähnten Nießbrauchs- und Wohnrechts sowie zur Herausgabe der an die Beklagte übereigneten Wertpapiere im Gesamtnennbetrage von 174.000,- RM zu verurteilen.
Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, ihr Vater habe mit den einzelnen Schenkungen an die Beklagte zu seinen Lebzeiten nahezu über sein gesamtes Vermögen verfügt und hierdurch erkennbar in der Absicht gehandelt, sie, die Klägerin, in ihrem Erbrecht zu beeinträchtigen. Seine Benachteiligungsabsicht ergebe sich insbesondere aus der Bestellung des lebenslänglichen Nießbrauchs- und Wohnrechts zugunsten der Beklagten, wodurch das belastete Grundstück für sie, die Klägerin, die es mit ihrem Ehemanne bereits seit 1929 bewohne, praktisch wertlos geworden sei. Die Benachteiligungsabsicht des Erblassers sei auch in seinen Äusserungen gegenüber seinem Schwiegersohn und zwei Freunden, den Kaufleuten L. und Fr., zum Ausdruck gekommen. Nach seiner Verehelichung mit der Beklagten habe er seinem Schwiegersohn erklärt, er sei durch den mit seiner ersten Ehefrau seinerzeit geschlossenen Erbvertrag unter Kuratel gestellt worden. Zu seinen Freunden habe er wiederholt geäussert, er werde sein gesamtes Vermögen verschenken, seine Tochter werde sich wundern, wenn sie aus seinem Nachlass nichts mehr erhalte. Tatsächlich seien bei seinem Tode ausser dem mit dem Nießbrauchs- und Wohnrecht belasteten und darum für sie, die Klägerin, praktisch wertlosen Grundstück an Nachlasswerten lediglich Guthaben, Forderungen, Wertpapiere und einzelne Gegenstände im Werte von insgesamt etwa 36.000,- DM vorhanden gewesen. Demgegenüber bestünden erhebliche Nachlassverbindlichkeiten, darunter allein Steuerrückstände und Vermögensabgabeschulden in Höhe von 96.300,- DM, bei denen die Steuerrückstände für 1952 noch nicht berücksichtigt seien.
Die Klägerin hat weiter vorgetragen, ihr Vater habe ihr sämtliche Schenkungen an die Beklagte verheimlicht. Da sie auf andere Weise keinen Einblick in die wirklichen Vermögensverhältnisse ihres Vaters gehabt habe, sei ihr der Umfang der Schenkungen nicht bekannt. Sie bestreite jedoch die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung über die geschenkten Gegenstände, da das Vermögen ihres Vaters grösser gewesen sein müsse. Nach ihrer Vermutung habe ihr Vater schenkungsweise unter anderem eine Forderung aus einem steuerbegünstigten Sparvertrag in Höhe eines Kapitalbetrages von 15.000,- DM an die Beklagte abgetreten und ihr weitere Aktien im Nennbeträge von 34.000,- RM oder DM zugewendet. Dazu komme, dass sie eine erhebliche Anzahl von Haushaltsgegenständen vermisse. Die Beklagte sei zur Auskunftserteilung über die ihr vom Erblasser geschenkten Gegenstände in der Lage und verpflichtet.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und diesen Antrag wie folgt begründet: Bei sämtlichen vom Erblasser zu ihren Gunsten getroffenen Verfügungen sei allein ihre zukünftige Sicherstellung bezweckt gewesen. Eine Benachteiligungsabsicht gegenüber der Klägerin habe dem Erblasser ferngelegen. Daher habe er auch den mit seiner ersten Ehefrau abgeschlossenen Erbvertrag nach seiner zweiten Heirat nicht angefochten, obwohl die Voraussetzungen hierfür gegeben gewesen seien. Auch die vorgelegten Gutachten, die der Erblasser seinerzeit von dem verstorbenen Rechtsanwalt Dr. A. eingeholt habe, (Bl. 36-38 und Bl. 40-43 d.A.) sowie die mit diesem geführte und überreichte Korrespondenz (Bl 39 d.A.) und die von ihm selbst gegebene Schenkungsbegründung (Bl 44/45 d.A.) ließen deutlich als entscheidenden Beweggrund für sämtliche ohne Entgelt erfolgten Verfügungen des Erblassers das Bestreben erkennen, sie, die Beklagte, sicherzustellen. Bei der Beurteilung des Umfangs dieser Verfügungen dürften einmal eine Gesamtübersicht über das vom Erblasser selbst erarbeitete Vermögen und zum ändern auch die der Klägerin von ihm gemachten Zuwendungen nicht unberücksichtigt bleiben. Auch das Vermögen der ersten Ehefrau des Erblassers, das die Klägerin bei seiner Wiederverheiratung gemäss dem Erbvertrag zu 3/4 erhalten habe, stamme aus der Arbeit des Erblassers. Die Klägerin habe von diesem zu dessen Lebzeiten neben ihrer Aussteuer im Hinblick auf ihre spätere Erbfolge sehr erhebliche Zuwendungen erhalten. So habe sie Aktien im Nennbeträge von 154.000,- RM oder DM, ferner aus dem Nachlass ihrer Mutter 90.900,- RM oder DM erhalten. Seit 1920 habe sie jahrelang einen monatlichen Zuschuss von 500,- RM bezogen, der im Jahre 1927 auf 250,- RM verringert worden sei. Bis zum Jahre 1946 habe sie im Hause P. unentgeltlich gewohnt. Sie habe überdies ausser diesem Grundstück, das einen Einheitswert von 96.000,- DM habe, noch zwei weitere Grundstücke mit einem Einheitswert von 30.100,- bezw. 10.000,- DM erhalten. Andererseits habe sie, die Beklagte, ausser den angeführten Aktien im Gesamtnennbetrag von 174.000,- RM (und neben der erwähnten, inzwischen praktisch völlig entwerteten Reichsbahnanleihe) lediglich das Nießbrauchs- und Wohnrecht an dem Grundstück P. bekommen, dessen kapitalisierter Wert nur mit 40.000,- DM anzusetzen sei.
Die Beklagte hat weiter vorgetragen, für das Auskunftsverlangen der Klägerin fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Zwischen den Parteien bestehe kein Rechtsverhältnis, wie es nach den von der Rechtsprechung und der Rechtslehre entwickelten Grundsätzen für einen sich auf Treu und Glauben gründenden Anspruch auf Auskunftserteilung Voraussetzung sei.
Die Klägerin ist dem allem entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, die Löschung des erwähnten Nießbrauchs- und Wohnrechts an dem Grundstück P. zu bewilligen und Aktien der Bremen-Vegesacker Fischereigesellschaft im Nennbeträge von 44.000,- RM an die Klägerin herauszugeben. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, die Beklagte mit dem Ziel völliger Klageabweisung, die Klägerin mit dem Antrag, das Urteil des Landgerichts insoweit zu ändern, als es ihrem Antrag auf Auskunftserteilung nicht entsprochen hat. Diesen Antrag hat sie dahin eingeschränkt, dass die Beklagte verurteilt werden möge, ihr, der Klägerin, Auskunft über sämtliche ihr, der Beklagten, von dem Erblasser unentgeltlich zugewendeten Gegenstände und über den daraus gezogenen Nutzen zu erteilen, soweit nicht die Herausgabepflicht im Urteil des Landgerichts festgestellt und soweit nicht die Herausgabe verlangt worden sei.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat es auch dem von dieser gestellten Antrag entsprochen, die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu geben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf gänzliche Abweisung der Klage weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Nach dem Klagebegehren, soweit es im Berufungsrechtszuge noch aufrechterhalten ist, soll die Beklagte verurteilt werden,
a)
die Löschung des auf dem Grundstück B., P., für sie eingetragenen Nießbrauchs- und Wohnrechts zu bewilligen.
- Dieser Antrag hat die Aufhebung des erwähnten Rechts zum Ziel, zu der gemäss §875 BGB auch die Erklärung des Berechtigten erforderlich ist, dass er das Recht aufgebe. Die Beklagte soll daher nach dem Willen der Klägerin ersichtlich auch zur Abgabe einer solchen Erklärung verurteilt werden. -
b)
Aktien der B.-Vegesacker Fischereigesellschaft im Nennwerte von 44.000,- RM herauszugeben;
c)
über Schenkungen, die ihr der Erblasser zu seinen Lebzeiten gemacht hat, nach näherer Maßgabe des Klagantrags Auskunft zu erteilen.
I.
Die Vermögensgegenstände, auf die sich der Klageanspruch zu a) und b) bezieht, sind der Beklagten unstreitig zu Lebzeiten des Erblassers von diesem geschenkt worden. Die Klägerin, die auf Grund des Erbvertrages vom 10. April 1930 alleinige Vertragserbin des Erblassers geworden ist, kann deshalb gemäss §2287 BGB die Herausgabe dieser Geschenke verlangen, wenn die Schenkung in der Absicht vorgenommen war, sie zu beeinträchtigen.
Das Berufungsgericht hat diese tatsächliche Voraussetzung des Klaganspruchs zu a) und b) für gegeben erachtet. In Übereinstimmung mit der feststehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist es dabei von der Annahme ausgegangen, dass eine Schenkung in Beeinträchtigungsabsicht gemacht ist, sofern der Wille des Schenkers, "jene Beeinträchtigung herbeizuführen, wenn nicht der ausschließliches so doch der eigentlich treibende Beweggrund zur Vornahme der Schenkung gewesen ist." (RG 77, 111 [113]; BGH LM Nr. 1 zu §146 KO). Dieser Ausgangspunkt ist frei von Rechtsirrtum und wird auch von der Revision nicht angegriffen.
Die Revision meint jedoch, das Berufungsgericht habe den Begriff der Beeinträchtigungsabsicht verkannt. Eine solche sei nur dann gegeben, wenn der Vertragserbe in seiner Aussicht auf den künftigen Erwerb von Todes wegen habe beeinträchtigt, wenn ihm mit anderen Worten die Vorteile der Erbeinsetzung hätten entzogen werden sollen. Hinsichtlich der Schenkung des Nießbrauchs- und Wohnrechts habe jedoch das Berufungsgericht lediglich festgestellt, dass der Erblasser die Klägerin damit habe "treffen" wollen. Diese Absicht setze das Berufungsgericht mit der Absicht, die Klägerin zu benachteiligen, gleich, wobei es wiederum unter "benachteiligen" dasselbe verstehe wie unter "beeinträchtigen". "Treffen" bedeute aber nicht mehr als "verletzen", "kränken", also einen Angriff auf die subjektive Sphäre eines anderen, während die Absicht der Beeinträchtigung auf das Vermögen, also auf die objektive Sphäre des anderen hinziele. Somit sei eine Beeinträchtigungsabsicht vom Berufungsgericht hier in Wirklichkeit nicht festgestellt.
Diese Rüge beruht auf einer irrigen Auslegung des vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang gebrauchten Ausdruckes "treffen". Mit diesem Wort kann freilich auch eine verletzende Einwirkung auf den persönlichen Lebensbereich eines anderen, insbesondere auf seine Ehre, bezeichnet werden. Seine Bedeutung beschränkt sich jedoch keineswegs auf diesen Sinn. Es kann vielmehr auch einen Eingriff in die wirtschaftliche oder soziale Stellung des anderen bezeichnen, zumal wenn dabei zum Ausdruck kommen soll, dass es sich um einen besonders wirksamen (empfindlichen, fühlbaren) Eingriff handele. Ein Angriff auf die wirtschaftliche oder soziale Stellung eines anderen bedeutet überdies in aller Regel mittelbar zugleich einen Eingriff in dessen Persönlichkeitssphäre. Der Ausdruck "treffen" kann also einen viel umfassenderen Sinn haben, als ihn die Revision zugrunde legen will. Auch das Berufungsgericht hat ihn ersichtlich in einem umfassenderen Sinn, wie er etwa auch im §47 des EheG verwandt ist, gebraucht: Durch die Bestellung des Nießbrauchs- und Wohnrechts zugunsten der Beklagten sollte die Klägerin die Aussicht verlieren, nach dem Tode ihres Vaters weiterhin, und zwar nunmehr mietfrei, in dem mit diesem Recht belasteten Hausgrundstück zu wohnen. Dieser Verlust sollte sie nicht nur in ihrer wirtschaftlichen Stellung, sondern mit Rücksicht darauf, dass sie seit 1929 mit ihrer Familie in dem Haus wohnte, und nunmehr bei dessen Nutzung auf unabsehbare Zeit von der Beklagten abhängig sein würde, auch in ihrem persönlichen Lebensbereich treffen. Das Berufungsgericht hat also nicht festgestellt, dass es dem Erblasser nur oder im wesentlichen nur auf die letztere Wirkung angekommen sei. Der Erfolg, den er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit der Bestellung des Nießbrauchs- und Wohnrechts bezweckte, war vielmehr ein einheitlicher; Benachteiligungsabsicht (in vermögensrechtlicher Hinsicht) und Kränkungsabsicht waren dabei gar nicht voneinander zu trennen. Die Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers im Sinne des §2287 BGB ist danach vom Berufungsgericht eindeutig und ohne Verkennung des Begriffs der Beeinträchtigung festgestellt.
Das Berufungsgericht hat seine Überzeugung, dass der Erblasser bei den hier in Betracht kommenden Schenkungen in der Absicht gehandelt habe, die Klägerin zu beeinträchtigen und dass dieser Wille der treibende Beweggrund für die Vornahme der Schenkungen gewesen sei, aus mehreren von ihm fehlerfrei festgestellten Umständen hergeleitet, die es im einzelnen erörtert hat. Die Revision hat dagegen eine Reihe von Angriffen erhoben, die eine Verletzung von Denkgesetzen oder Verfahrensvorschriften durch das Berufungsgericht dartun sollen, mit denen jedoch in Wirklichkeit geltend gemacht wird, dass das Berufungsgericht bestimmte Umstände in tatsächlicher Hinsicht anders habe würdigen müssen als es geschehen ist. Damit kann die Beklagte im Revisionsrechtszuge nicht gehört werden.
So war das Berufungsgericht aus rechtlichen oder logischen Gründen nicht gehindert, in der von ihm festgestellten Tatsache, dass der Erblasser der Beklagten zu der Zeit, als er ihr die hier in Betracht kommenden Schenkungen machte, schon erhebliche Vermögenswerte zum Zwecke ihrer künftigen Versorgung zugewandt hatte, einen Anhaltspunkt für seine Annahme zu erblicken, dass bei den hier umstrittenen Schenkungen der Gedanke an die Versorgung der Beklagten eine geringere, gegenüber der Absicht, die Klägerin zu benachteiligen, zurücktretende Bedeutung gehabt habe. Bei den Vermögenswerten, die die Beklagte schenkungsweise vom Erblasser erhalten hatte, handelte es sich freilich im wesentlichen um Aktien, von denen zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs- und Wohnrechts (Ende November 1946) bei den damaligen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht mit Sicherheit vorauszusehen war, welchen effektiven Wert sie in Zukunft darstellen bezw. behalten würden. Es besteht jedoch kein Grund zu der Annahme, dass das Berufungsgericht diesen allgemein bekannten Umstand bei seinen Erwägungen zu diesem Punkt nicht berücksichtigt habe, mag es ihn auch nicht ausdrücklich erörtert haben. Ein zwingender Schluß auf das Fehlen einer Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers bei der Bestellung des Nießbrauchs- und Wohnrechts liess sich aus diesem Umstand umsoweniger ziehen, als der Erblasser jedenfalls mit der Möglichkeit rechnete, dass die Aktien, die den grössten Teil seines Vermögens bildeten, auch in Zukunft wieder einen erheblichen Wert darstellen würden, und als er sich bewusst war, dass er diesen möglichen und jedenfalls im Verhältnis zu seinem Gesamtvermögen hohen Wert durch Verschenkung an seine zweite Ehefrau der Klägerin bereits entzogen hatte.
Auch hinsichtlich einer Reihe weiterer Umstände rügt die Revision lediglich in unzulässiger Weise die nach ihrer Meinung unzutreffende tatsächliche Würdigung durch das Berufungsgericht; so wenn sie dessen Feststellung angreift, dass die Zuwendungen des Erblassers an die Beklagte infolge ihres Umfanges zu einer Aushöhlung des Nachlasses geführt hätten, oder dass der Erblasser in einer feindseligen Einstellung zu seiner Tochter gelebt habe. Wieweit alle diese Umstände geeignet sind, die Überzeugung des Berufungsgerichts zu stützen oder in Frage zu stellen, ist eine Tatfrage, die im Revisionsverfahren nicht nachgeprüft werden kann. Dass das Berufungsgericht bei der Bildung seiner Überzeugung Denkgesetze oder Verfahrensvorschriften verletzt habe, ist nicht ersichtlich.
Wenn das Berufungsgericht ausführt, es liege nichts dafür vor, dass Rechtsanwalt A. bei Erstattung seines Gutachtens den Umfang des Vermögens des Erblassers gekannt habe, so stand dieser Feststellung die Behauptung der Beklagten, A. sei über den Umfang der Schenkungen des Erblassers und über die Gesamtvorgänge bei diesen Schenkungen genau unterrichtet gewesen, sowie der zum Beweise für diese Behauptung vorgelegte Schriftwechsel nicht entgegen. Dass A. den Umfang des Vermögens des Erblassers gekannt und somit gewusst habe, in welchem Verhältnis dieses zu dem Wert der Schenkungen gestanden habe, ergab sich aus diesem Schriftwechsel nicht.
Das Bewusstsein des Erblassers, nicht in Beeinträchtigungsabsicht handeln zu dürfen, schliesst keineswegs, wie die Revision meint, das Vorhandensein dieser Absicht denkgesetzlich aus. Der Erblasser konnte sich z.B. der Erwartung hingeben, dass es ihm gelingen werde, seine Beeinträchtigungsabsicht zu verbergen.
Nach allem hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen, von denen der Anspruch der Klägerin auf Einwilligung in die Aufhebung des Nießbrauchs- und Wohnrechts und auf Herausgabe der Fischerei-Aktien nach §2287 BGB abhängt, einwandfrei festgestellt.
II.
Dagegen sind die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch der Klägerin nicht gegeben.
Die Klägerin verlangt unter Berufung auf §2287 BGB die Herausgabe einzelner Gegenstände, die der Erblasser der Beklagten in der Absicht, die Klägerin zu beeinträchtigen, geschenkt haben soll. Die von ihr weiter begehrte Auskunftserteilung soll sie gegebenenfalls in Stand setzen, den Anspruch auf Herausgabe weiterer Schenkungsgegenstände zu begründen. Die Herausgabepflicht der Beklagten aber besteht, wie auch die Klägerin nicht verkennt, nur insoweit, als von Fall zu Fall hinsichtlich einzelner Gegenstände eine in Beeinträchtigungsabsicht vorgenommene Schenkung des Erblassers dargetan werden kann. Die Klägerin macht somit nicht geltend, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr eine von einem einheitlichen Rechtsverhältnis umfasste Gegenstandsmehrheit, also einen Inbegriff von Gegenständen im Sinne des §260 Abs. 1 BGB herauszugeben. Aus dieser Gesetzesvorschrift kann sie also ihren Auskunftsanspruch nicht herleiten.
Auch eine sonstige Gesetzesvorschrift oder ein Rechtsverhältnis, aus denen sich die Auskunftspflicht der Beklagten ergeben könnte, ist nicht ersichtlich. In §2287 BGB ist eine Auskunftspflicht des in Beeinträchtigungsabsicht Beschenkten nicht vorgesehen, auch nicht etwa für den Fall, dass der Vertragserbe einen oder mehrere Fälle böslicher Schenkungen dartun kann und Grund zu der Annahme weiterer ebenfalls in Beeinträchtigungsabsicht gemachter Schenkungen besteht. Ein Rechtsverhältnis, aus dem sich eine solche Auskunftspflicht ergeben könnte, wird auch durch eine einzelne oder durch mehrere in Beeinträchtigungsabsicht vorgenommene Schenkungen nicht begründet. Soweit der Vertragserbe solche Schenkungen darzutun vermag, bedarf er hinsichtlich dieser Schenkungen nicht mehr der Auskunft, es sei denn, dass ein Inbegriff von Gegenständen verschenkt und lediglich der Bestand dieses Inbegriffs streitig ist, in welchem Falle eine Auskunftspflicht gemäss §260 Abs. 1 BGB eingreifen würde. Soweit er jedoch eine bezw. eine weitere Schenkung nicht darzutun vermag, fehlt es insoweit überhaupt an dem Nachweis einer Rechtsbeziehung zwischen ihm und dem Beschenkten. Der Bloße Verdacht einer (weiteren) Schenkung und einer dadurch begründeten Herausgabepflicht hinsichtlich der möglicherweise verschenkten Gegenstände stellt als solcher keine Rechtsbeziehung dar, die einen Schuldgrund für die Auskunftspflicht des mutmaßlich Beschenkten abgeben könnte. Dazu kommt, dass die Auskunft des Beschenkten sich in jedem Falle nur auf die Tatsache der Schenkung als solcher erstrecken könnte, während die innere Tatsache der Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers niemals Gegenstand der Auskunftspflicht sein könnte. Die Auskunft würde also dem Vertragserben noch keine Grundlage für einen Herausgabeanspruch verschaffen können.
Nach §2028 BGB hat derjenige, der sich zur Zeit des Erbfalls mit dem Erblasser in häuslicher Gemeinschaft befunden hat, dem Erben auf Verlangen Auskunft über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände zu erteilen. Auch auf diese Vorschrift kann die Klägerin sich zur Begründung ihres Auskunftsverlangens nicht mit Erfolg berufen. Ein Gegenstand, den der Erblasser bereits zu Lebzeiten verschenkt, also wirksam an einen Dritten übereignet hat - die Wirksamkeit der Übereignung wird durch die Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, nicht ausgeschlossen - gehört nicht mehr zum Nachlass, ist also kein Erbschaftsgegenstand im Sinne des §2028 BGB (RG 84, 204 [206]; 73, 369 [371]; RGRK 10. Aufl. §2028 BGB Anm. 2 b S. 164).
Schliesslich lässt sich auch aus dem Pflichtteilsrecht der Klägerin eine Rechtsgrundlage für den von ihr geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht entnehmen. Gemäss §§2314 BGB hat der Pflichtteilsberechtigte einen Auskunftsanspruch gegen den Erben, wenn er selbst nicht Erbe ist. Die Klägerin ist selbst Erbin. Auch als solche würde sie zwar, wenn der Wert des ihr von ihrem Vater Hinterlassenen geringer ist, als es ihr Pflichtteil bei Hinzurechnung der Schenkungen zum Nachlass sein würde, von der Beklagten als Beschenkten die Herausgabe des Geschenkten zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrages verlangen können (§§2326, 2329 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Klägerin hat diesen Anspruch (für den es nicht darauf ankommen würde, ob die Schenkungen in Beeinträchtigungsabsicht vorgenommen sind), nicht geltend gemacht. Ein Auskunftsanspruch würde ihr aber auf Grund dieses etwaigen Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen die Beklagte ebenso wie dem Vertragserben im Falle des §2287 BGB versagt sein, sofern nicht etwa ein Inbegriff von Gegenständen verschenkt und lediglich der Umfang einer solchen Schenkung streitig ist - in diesem Falle würde ein Auskunftsanspruch nach §260 BGB begründet sein - muss die Schenkung und der daraus sich ergebende Herausgabeanspruch für jeden einzelnen Gegenstand dargetan werden. Solange das nicht möglich ist, kann auch kein Rechtsverhältnis zwischen den Erben und dem Beschenkten als bestehend angenommen werden, aus dem eine Pflicht des letzteren zur Auskunftserteilung hergeleitet werden könnte. Auch das Reichsgericht hat in der vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung (RG 84, 204 [206]) einen Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten Alleinerben gegen den Beschenkten nicht bejaht, sondern ausdrücklich abgelehnt. Diese Rechtsauffassung wird auch im Schrifttum vertreten (Kipp-Coing Erbrecht 9. Bearbeitung §68 unter X S. 257).
Wenn das Gesetz dem Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben, nicht aber gegen den Beschenkten einen Auskunftsanspruch gewährt, so wird dabei auch die Erwägung maßgebend sein, dass der Erbe mit der Erbfolge in die volle Rechtsstellung des Erblassers einrückt und damit in gewisser Weise zunächst die Verantwortung für die von diesem zu Lebzeiten vorgenommenen Rechtshandlungen übernimmt, wie auch der Erbe - und grundsätzlich nur er - in der Lage ist, sich über diese Rechtshandlungen zu unterrichten. Falls etwa dem Erben diese Möglichkeit durch ein arglistiges Verhalten des Beschenkten vereitelt worden ist, so würde er von diesem unter Umständen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des §826 BGB eine Auskunftserteilung verlangen können. Dafür, dass diese Voraussetzung hier gegeben sei, hat aber die Klägerin nichts vorgetragen.
Die Beklagte hatte im übrigen in den Vorinstanzen den Standpunkt vertreten, dass sie bereits über alle ihr bekannten Schenkungen Auskunft erteilt habe (vgl. Bl 13, 35 d.A.). Auf die damit von ihr hilfsweise geltend gemachte rechtsvernichtende Einwendung, ein etwaiger Auskunftsanspruch der Klägerin sei durch Erfüllung erloschen, kam es jedoch nach den obigen Darlegungen nicht mehr an.
Nach allem war, wie geschehen, zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§92, 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3018527 |
NJW 1955, 1354 |
NJW 1955, 1354-1355 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1955, 598 |
MDR 1955, 598-599 (Volltext mit amtl. LS) |