Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 09.02.2015) |
Tenor
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 9. Februar 2015 werden verworfen.
Die Beschwerdeführer tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte. Die dem Angeklagten durch die Revisionen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, eine Adhäsionsentscheidung getroffen und ihn im Übrigen vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. Gegen den Teilfreispruch wenden sich die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene, wirksam auf den Teilfreispruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die Revision der Nebenkläger haben keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gerieten der Angeklagte und der mit ihm befreundete S., die den Abend feiernd und trinkend miteinander verbracht hatten, am frühen Morgen des 8. Februar 2014 gegen 3.45 Uhr auf dem Heimweg in Streit, der zu einer körperlichen Auseinandersetzung führte. Dabei schlug der Angeklagte sein Opfer zunächst, schubste es zu Boden und trat ihm anschließend mit dem beschuhten Fuß so heftig gegen den Kopf, dass S. eine blutende Verletzung im Gesicht davon trug. Dabei wusste der mit 2,51 g ‰ alkoholisierte Angeklagte, dessen Steuerungsfähigkeit infolge einer krankhaften seelischen Störung nicht ausschließbar erheblich vermindert war, dass er seinem Freund Schmerzen zufügte, und dass sein Handeln potentiell lebensgefährlich war. Als Reaktion auf diesen Angriff forderte S. den Angeklagten allerdings lediglich in russischer Sprache auf wegzugehen, was dieser im Vertrauen darauf, seinem Freund keine ernsthaften Verletzungen zugefügt zu haben, alsdann auch tat und nach Hause ging.
Rz. 3
In den folgenden Stunden vor 8 Uhr morgens wurde S., der Sohn bzw. Bruder der Nebenkläger, möglicherweise nach einer weiteren körperlichen Auseinandersetzung mit Schlägen und Tritten gegen den Kopf, mit Brandbeschleuniger – wahrscheinlich mindestens 40%iger Alkohol – übergossen und angezündet; 30 % seiner Haut verbrannten. Trotz intensiv-medizinischer Versorgung mit mehrfachen Operationen verstarb S. etwa achteinhalb Monate nach der Tat an einem letztlich auf die Brandverletzungen zurückgehenden Multiorganversagen.
Rz. 4
Das Landgericht hat nicht feststellen können, wer das Opfer anzündete; insbesondere hat es sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte dies unter Zuhilfenahme eines mitgeführten Brandbeschleunigers tat oder – nachdem er zu Hause angekommen war – dort eine Flasche Wodka oder einen Brandbeschleuniger an sich nahm, an den Tatort zurückkehrte und damit seinen Freund übergoss und anzündete. Es hat deshalb den Angeklagten insoweit freigesprochen.
Rz. 5
2. Gegen diesen Teilfreispruch wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger mit ihren Rechtsmitteln. Den in den Revisionsbegründungen vorgetragenen Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts bleibt der Erfolg versagt: Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht kann demgegenüber nur prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326). Liegt ein solcher Rechtsfehler nicht vor, ist die vom Tatgericht vorgenommene Würdigung auch dann hinzunehmen, wenn ein anderes Ergebnis ebenso möglich gewesen wäre oder gar näher gelegen hätte (BGH, Urteil vom 17. April 2014 – 3 StR 27/14, NStZ-RR 2014, 279, 280).
Rz. 6
Nach diesen Maßstäben beachtliche Rechtsfehler zeigen die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger nicht auf. Die Angriffe der Beschwerdeführer erschöpfen sich im Wesentlichen darin, ihre eigene Bewertung und Würdigung der einzelnen in der Beweisaufnahme hervorgebrachten Ergebnisse an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzen. Damit können die Revisionen keinen Erfolg haben (BGH aaO), insbesondere kann so nicht dargelegt werden, dass die Strafkammer überspannte Anforderungen an die eigene Überzeugungsbildung gestellt habe.
Rz. 7
Soweit sich die Beschwerdeführer bei der Erörterung einzelner Indizien zum Beleg ihrer von der des Landgerichts abweichenden Auffassung jeweils auf urteilsfremde Erwägungen stützen – etwa die Staatsanwaltschaft zum Aussageverhalten der Mutter und des Großvaters des Angeklagten oder die Nebenkläger zur Brennbarkeit von Hainbuchenzweigen –, sind diese im Rahmen der Prüfung der Sachrüge unbeachtlich (BGH aaO).
Rz. 8
Die Rüge der Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe eine Gesamtwürdigung der Beweise nicht vorgenommen, erweist sich ebenfalls als unbegründet; die Strafkammer hat eine solche Gesamtwürdigung ausdrücklich durchgeführt. Soweit die Nebenkläger beanstanden, diese falle zu knapp und
floskelhaft aus und alsdann aufführen, welche – auch von der Strafkammer berücksichtigten – Umstände anders gewertet oder intensiver hätten erörtert werden sollen, vermögen sie auch mit dieser eigenen Würdigung einen im Revisionsverfahren beachtlichen Rechtsfehler nicht darzulegen.
Unterschriften
Becker, Hubert, Mayer, Gericke, Spaniol
Fundstellen