Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere Brandstiftung
Tenor
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Januar 2001 wird verworfen, soweit es den Angeklagten Da betrifft. Die Staatskasse hat die durch dieses Rechtsmittel entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten Da zu tragen.
2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil, soweit es die Angeklagten E, K und Du betrifft, in den gesamten Strafaussprüchen mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten E, K und Du wegen schwerer Brandstiftung schuldig gesprochen und – beim Angeklagten E unter Einbeziehung einer anderweit verhängten Freiheitsstrafe von zwei Monaten – auf Freiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten, einem Jahr und sechs Monaten und einem Jahr erkannt; letztere wurden zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte Da wurde vom Vorwurf der Nichtanzeige geplanter Straftaten freigesprochen. Die unbeschränkt eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, haben mit der Sachrüge zum Teil Erfolg.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Im Laufe eines gemeinsamen Trinkgelages erzählte die Angeklagte Du den anderen Angeklagten, sie sei von ihrem ehemaligen Freund M mehrfach geschlagen worden. Der Angeklagte E meinte daraufhin, man müsse dem M „eins auswischen” und am besten „seine Bude anzünden”. Während der Angeklagte Da dies ablehnte, stimmten die beiden anderen dem Angeklagten E zu. Nachdem die Angeklagten abends auseinandergegangen waren, trafen sie sich am Morgen des folgenden Tages, dem 15. Oktober 2000, wieder und kamen erneut auf den Vorschlag des Angeklagten E zu sprechen. Der Angeklagte Da, der mit der Angeklagten Du verlobt war, riet abermals von einem solchen Vorhaben ab. Die Angeklagten begaben sich dann zu einer Tankstelle, um Wein zu kaufen. In einem „unbeobachteten Augenblick” entwendete der Angeklagte E dort einen Kanister, den er mit Benzin füllte. In die Wohnung der Angeklagten Du zurückgekehrt, tranken alle Angeklagten den zuvor erworbenen Wein. Nachdem der Angeklagte Da eingeschlafen war, begaben sich die drei anderen, nunmehr erheblich angetrunkenen Angeklagten – ihre Blutalkoholkonzentration lag zwischen 2,3 und 2,6 ‰ – zur Wohnung des M. Sie entzündeten dort mit Hilfe des Benzins die Wohnungstür, die selbständig brannte, später aber gelöscht werden konnte. Als der Angeklagte Da am Abend desselben Tages davon erfuhr, verständigte er die Polizei.
2. Die zugunsten der Angeklagten E, K und Du jeweils vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 21 StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Der Senat entnimmt den Feststellungen, daß die Angeklagten, mit Ausnahme des Angeklagten Da, bereits am Vormittag des Tattages entschlossen waren, die Wohnung des M anzuzünden, also zu einem Zeitpunkt, bevor sie infolge ihres erheblichen Alkoholkonsums in einen Zustand gerieten, in dem jeweils nicht ausschließbar die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben waren. Bei dieser Sachlage hätte der Tatrichter bei der Strafzumessung prüfen müssen, ob die Angeklagten trotz möglichen Restalkohols für die Ausführung der Tat nach den Grundsätzen der actio libera in causa voll verantwortlich waren (vgl. BGHR StGB § 20 – actio libera in causa 3; BGH NStZ 1999, 448 f.). Das Fehlen dieser Erörterung führt zur Aufhebung der Rechtsfolgenaussprüche bei diesen drei Angeklagten.
3. Dagegen hat der Freispruch des Angeklagten Da Bestand. Es bedarf keiner Entscheidung, ob sich der Angeklagte im Sinne des § 139 Abs. 3 Satz 1 StGB „ernsthaft bemüht” hat, die mit ihm verlobte Mitangeklagte Du von einem Vorgehen gegen den späteren Geschädigten abzuhalten. Denn dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, daß Da die Ernsthaftigkeit des Tatentschlusses seitens der anderen Angeklagten nicht hinreichend erkannt hatte (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1976 – 1 StR 237/76 – bei Holtz MDR 1976, 987), bevor er alkoholbedingt einschlief. Dies ergibt sich nicht allein aus seinen ablehnenden Äußerungen und Warnungen während der Erörterung der allgemein in Aussicht genommenen Brandstiftung; vielmehr folgt dies aus seinem Verhalten am Abend, als er – über den Ablauf der von den anderen Angeklagten begangenen Tat in Kenntnis gesetzt – nicht zögerte, seine Freunde und seine Verlobte unverzüglich bei der Polizei anzuzeigen. Da für einen Wechsel in der Motivlage nichts ersichtlich ist, läßt dieses Verhalten nur den Schluß zu, daß er die vorangegangenen Erörterungen über die mögliche Durchführung zuvor nicht ernst genommen hatte.
Der Senat schließt aus, daß weitere sichere Feststellungen zum Nachteil des Angeklagten Da getroffen werden können.
Unterschriften
Harms, Häger, Raum, Brause, Schaal
Fundstellen
Haufe-Index 657724 |
www.judicialis.de 2001 |