Orientierungssatz
1. Unrichtige angaben über Umsätze und Erträge eines verkauften Unternehmens begründen regelmäßig weder einen Sachmangel, noch stellen sie eine zugesicherte Eigenschaft dar.
2. Den Verkäufer eines Unternehmens trifft eine Aufklärungspflicht, wenn kurz vor Vertragsschluß über 40% des vorher üblichen Wartungsumsatzes des Unternehmens durch Kündigungen entfallen sind.
Tenor
Auf die Revision der Beklagten zu 1 bis 4 wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11. April 1994 insoweit – auch im Kostenausspruch – aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Über örtliche Niederlassungen vertreibt die Klägerin Computerware und erbringt Serviceleistungen. Ende Januar 1990 verkaufte sie ihren Stützpunkt R. an die damals noch im Gründungsstadium befindliche, zwischenzeitlich im Handelsregister eingetragene Beklagte zu 1. Die damaligen Gründungsgesellschafter, die Beklagten zu 2 bis 4, übernahmen für einen Kaufpreisteil von 891.200 DM zzgl. MwSt jeweils die selbstschuldnerische Bürgschaft.
Den Kaufpreis von 1.300.968 DM tilgte die Beklagte zu 1 bis auf einen Rest von 433.796,56 DM. Weitere Zahlung verweigerte sie, weil sie von der Klägerin bei Abschluß des Kaufvertrages arglistig getäuscht worden sei.
Das Landgericht hat antragsgemäß durch Vorbehaltsurteil die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung des noch offenen Kaufpreisrestes verurteilt und mit Schlußurteil vom 23. September 1993 das Vorbehaltsurteil für vorbehaltslos erklärt.
Das Oberlandesgericht hat die Rechtsmittel der Beklagten zu 1 bis 4 zurückgewiesen.
Die Beklagten zu 1 bis 4 verfolgen mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, ihre Anträge auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
1. Die Beklagte zu 1 schulde als Käuferin den in der ausgeurteilten Höhe unstreitig noch offenen Kaufpreis, die Beklagten zu 2 bis 4 hafteten hierfür als selbstschuldnerische Bürgen gesamtschuldnerisch.
2. Gegenrechte stünden der Beklagten zu 1 nicht zu. Unbehelflich sei ihre Rechtsverteidigung, sie sei von der Klägerin nicht darüber aufgeklärt worden, daß bei Vertragsschluß der Bestand an Wartungsverträgen beim Stützpunkt R. nur 299.886,70 DM betragen habe, obwohl ein Auftragsvolumen von 580.000 DM Gegenstand der Vertragsverhandlungen gewesen sei.
Ansprüche nach §§ 459, 463 BGB könnten die Beklagten hieraus nicht ableiten. Auch eine Haftung der Klägerin wegen Verschuldens beim Vertragsschluß scheide aus. Zwar stelle es einen sehr bedeutenden Umstand beim Unternehmenskauf dar, wenn in diesem Unternehmen kurze Zeit vor Abschluß des Vertrages über 40 % des vorher üblichen Wartungsumsatzes durch Kündigungen entfielen. Die Klägerin hätte deshalb ihre Aufklärungspflicht verletzt, wenn die Beklagten hiervon überrascht worden wären. Eine Überraschung der Beklagten könne indes nicht angenommen werden. Der Beklagte zu 2, dessen Wissen als damaliger Gründungsgesellschafter der Beklagten zu 1 den anderen Beklagten zuzurechnen sei, habe den tatsächlichen Umfang der Wartungsverträge bei Vertragsschluß gekannt.
Dies folge nicht nur aus den Bekundungen der Zeugen F. und S., sondern auch daraus, daß der Beklagte zu 2 bis zum Verkauf des Stützpunktes R. dessen technischer Leiter und damit für die Durchführung der Wartungsarbeiten führend zuständig gewesen sei. Dies gelte um so mehr, als vom Stützpunkt R. aus die Kunden, die gekündigt hätten, persönlich hätten aufgesucht oder zumindest angesprochen werden müssen, worüber jeweils ein Protokoll zu fertigen gewesen sei. Vier solcher Protokolle habe der Beklagte zu 2 selbst unterschrieben. Die regelmäßig an die Zentrale der Klägerin in K. gerichteten Kündigungsschreiben der Kunden seien von dort nach R. gegangen, wie dem Verteilervermerk „Reg” oder „NL-Reg” zu entnehmen sei.
Gegen eine Unkenntnis der Beklagten spreche auch, daß sie erst nach Klageerhebung, mehr als zwei Jahre nach Übernahme der Firma, eine Täuschung durch die Klägerin behauptet hätten. Ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin könne jedenfalls nicht festgestellt werden. Denn auch wenn dem Beklagten zu 2 das Ausmaß der Kündigungen verborgen geblieben sei, so habe doch die Klägerin nach Sachlage bei ihm eine entsprechende Kenntnis annehmen dürfen.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht gewährleistungsrechtliche Ansprüche der Beklagten verneint. Unrichtige Angaben über Umsätze und Erträge des verkauften Unternehmens begründen regelmäßig weder einen Sachmangel, noch stellen sie eine zugesicherte Eigenschaft dar (Senatsurteile vom 5. Oktober 1988 – VIII ZR 222/87 = NJW-RR 1989, 306 f = WM 1988, 1700 unter II 2 und vom 8. Februar 1995 – VIII ZR 8/94 = WM 1995, 767 unter I 2 c). Im Streitfall liegen keine Besonderheiten vor, die eine abweichende rechtliche Würdigung rechtfertigen könnten.
2. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht im Rahmen der Erörterung eines Verschuldens beim Vertragsschluß an, den Verkäufer eines Unternehmens treffe eine Aufklärungspflicht, wenn kurz vor Vertragsschluß über 40 % des vorher üblichen Wartungsumsatzes durch Kündigungen entfielen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach besteht zwar keine Pflicht des Verkäufers, den Käufer über alle für ihn erheblichen Umstände aufzuklären; entscheidend ist vielmehr, ob eine solche Aufklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung im Einzelfall erwartet werden darf. Insbesondere ist über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck vereiteln könnten und daher für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind (Urteil vom 24. Mai 1993 – II ZR 136/92 – NJW 1993, 2107 = WM 1993, 1277 unter I 1).
Im Streitfall war der Rückgang des Bestandes an Wartungsverträgen um über 40 % binnen eines halben Jahres für die Käuferin von wesentlicher Bedeutung. Das folgt schon daraus, daß damit eine erhebliche Rohertragseinbuße einherging. Betrug der Rohertrag, wie die Parteien übereinstimmend angegeben haben, etwa 43 % vom Umsatz, konnte die Beklagte bei einem Umsatz von nur noch 299.000 DM statt angenommener 580.000 DM lediglich einen Rohertrag von 129.000 DM statt erwarteter 252.000 DM erzielen. Der Kaufpreisbestimmung ist, wie der Zeuge B. nach den Feststellungen der Vorinstanz bekundet hat, ein jährlicher Rohertrag von 252.000 DM zugrunde gelegt worden.
3. Die Revision rügt erfolgreich, daß das Berufungsgericht seine Überzeugung, der Beklagte zu 2 habe den Rückgang des Wartungsbestandes beim Kauf gekannt, bzw. die Klägerin habe dessen Unkenntnis nicht vermuten müssen, verfahrensfehlerhaft gewonnen hat.
a) Im Berufungsverfahren hatten die Beklagten unter Beweisantritt nicht nur vorgetragen, daß der Beklagte zu 2 vor dem Kauf lediglich technischer Leiter des Stützpunktes gewesen sei, sondern auch ausgeführt, daß im zweiten Halbjahr 1989 allenfalls vereinzelte Schreiben der Zentrale der Klägerin an den Stützpunkt in R. gerichtet gewesen seien, diese wenigen Schreiben wegen der damaligen firmeninternen Umstrukturierung entweder ungeöffnet an die übergeordnete Niederlassung in N. weitergeleitet oder ausschließlich vom kaufmännischen Leiter in R., dem Angestellten B., geöffnet und zur Kenntnis genommen worden seien. Zum Beweis für diesen Sachverhalt hatten die Beklagten den Zeugen B. benannt.
b) Das Berufungsgericht hat diesen unter Beweis gestellten Sachvortrag verfahrensfehlerhaft übergangen, denn das Vorbringen der Beklagten ist entscheidungserheblich.
Sollte es sich durch eine Beweisaufnahme bestätigen, kann eine Kenntnis des Beklagten zu 2 vom Umfang der Vertragskündigungen zum Zeitpunkt des Unternehmenskaufs nicht angenommen werden. Das gilt auch unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände, auf die das Berufungsgericht seine Überzeugung von der Kenntnis des Beklagten zu 2 gestützt hat. Seine Funktion als technischer Leiter erlaubt keinen Schluß auf positive Kenntnis vom fraglichen Sachverhalt, für welche die Klägerin beweispflichtig ist. Ebensowenig vermag die vom Beklagten zu 2 stets eingeräumte Kenntnis von vier Vertragskündigungen die Annahme zu rechtfertigen, er habe vom tatsächlichen Ausmaß der Kündigungen gewußt. Damit entfiele gleichzeitig die Grundlage für die – hilfsweise – Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe von einer Kenntnis des Beklagten zu 2 ausgehen dürfen. Wurden tatsächlich in der fraglichen Zeit im Stützpunkt R. die meisten Briefsendungen ungeöffnet nach N. weitergeleitet, bzw. allein die wenigen in R. geöffneten Postsendungen vom Zeugen B. zur Kenntnis genommen, so kann davon keine Rede sein.
c) Sollte der übergangene Sachvortrag bewiesen werden, so träfe die Klägerin auch ein Verschulden am Unterlassen der geschuldeten Aufklärung.
III. Das Berufungsurteil konnte deshalb keinen Bestand haben, soweit es die Beklagten beschwert. Da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf, war die Sache in diesem Umfang zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 650358 |
ZBB 1996, 140 |