Leitsatz (amtlich)

Der Geschäftsherr kann Schmiergelder von dem Geschäftsführer herausverlangen. Diese Forderung ist aber mit dem sich aus den §§ 12 Abs. 3 UWG oder 335 StGB ergebenden Verfallsanspruch des Staates belastet. Sie entfällt also, wenn der Vorfall angeordnet wird.

 

Normenkette

BGB §§ 667, 687 Abs. 2; UWG § 12 Abs. 3; StGB § 335

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Teilurteil vom 09.05.1961)

LG Wuppertal

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Teilurteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 9. Mai 1961 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Vom Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Lebensmittelgroßhändlerin. Sie befaßt sich auch damit, ihren Kunden, den Einzelhändlern, Ladeneinrichtungsgegenstände von bestimmten Lieferanten zu vermitteln; die für die Anschaffung erforderlichen Beträge gewährt sie ihnen als Darlehen. Die Verkäufer der Ladeneinrichtungen zahlen ihr für die Vermittlung Provision.

Der Beklagte war kaufmännischer Angestellter der Klägerin. Ihm oblag 08 u.a., mit den Lieferanten die Provisionen (Rabattsätze) für die Klägerin auszuhandeln und Druckaufträge zu vergeben. Die Lieferanten gewährten ihm Sondervorteile, die zum Teil ihm, zum Teil seiner Ehefrau zugeflossen sind.

Die Klägerin behauptet, daß es sich hierbei um sogenannte „Schmiergelder” gehandelt hat. Sie ist der Meinung, daß ihr diese Beträge zustehen, und hat die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 54.199,37 DM nebst Zinsen, zum Teil als Gesamtschuldner mit seiner Ehefrau, verlangt. Nachdem 2 Lieferfirmen 31.559,45 DM an sie gezahlt hatten, hat sie den Rechtsstreit gegen den Beklagten in dieser Höhe, gegen dessen Ehefrau in vollem Umfange für erledigt erklärt.

Der Beklagte hat Klageabweisung erbeten. Er hat nicht bestritten, gewisse Zuwendungen erhalten zu haben, glaubt aber, daß er sie nicht herauszugeben braucht.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 21.489,23 DM nebst Zinsen verurteilt. In Höhe von 1.140,24 DM hat es die Klage abgewiesen. Es hat ferner die Kosten des Rechtsstreits bis, auf einen der Klägerin zur Last fallenden Anteil von 100 DM den Beklagten auferlegt.

Gegen dieses Urteil haben beide Beklagten Berufung eingelegt. Der beklagte Ehemann hat beantragt, die Klage in vollem Umfange abzuweisen. Die Beklagten haben ferner verlangt, die Klägerin zur Tragung der gesamten Kosten zu verurteilen.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des beklagten Ehemanns durch Teilurteil in Hohe von 18.840,45 DM nebst Zinsen zurückgewiesen.

Mit der Revision verfolgt dieser seinen Klagabweisungsantrag weiter. Die Klägerin bittet, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Das Oberlandesgericht stellt fest, daß der Beklagte von den Firmen B., L., Li. und Br. – außer den gezahlten 91.559,45 DM – mindestens weitere 18.840,45 DM erhalten hat. Es habe sich hierbei, so meint es, um „Schmiergelder” gehandelt. Deswegen habe der Beklagte die Beträge seiner Geschäftsherrin, der Klägerin, gemäß dem § 667 BGB herauszugeben, ohne daß es darauf ankomme, ob ihr insoweit ein Schaden entstanden sei. Dieser Anspruch werde auch durch eine etwaige strafrechtliche Verfallerklärung gemäß dem § 12 Abs. 3 UWG nicht berührt. Müsse der Beklagte infolge einer Verfallerklärung zweimal bezahlen, so habe er sich diese Folge seiner Straftat selbst zuzuschreiben.

Die hiergegen gerichteten Revisionsangriffe haben Erfolg.

I.

Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien war rechtlich ein Dienstvortrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hatte. Gemäß dem § 675 BGB ist danach auch der § 667 BGB anwendbar.

Nach dieser Vorschrift hat der Beauftragte, (hier der Beklagte) dem Auftraggeber (hier der Klägerin) alles herauszugeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Es ist streitig, wie die Worte „aus der Geschäftsbesorgung erlangt” zu verstehen sind.

Wach der einen Ansicht fallen darunter auch alle für den Beauftragten persönlich bestimmten Vorteile, die ihm aus einem mit der Geschäftsführung in innerem Zusammenhang stehenden Grund zugeflossen sind, wenn die Besorgnis besteht, er könnte durch sie veranlaßt werden, die Interessen seines Geschäftsherrn außer acht zu lassen; es werden damit also auch die „Schmiergelder” erfaßt, und zwar selbst dann, wenn sie der Gewährende nur dem ungetreuen Angestellten zukommen lassen wollte. Diesen Standpunkt hat insbesondere das Reichsgericht in den Entscheidungen RGZ 99, 31 und 164, 98 vertreten. Die andere Auffassung meint, solche „Schmiergelder” habe der Beauftragte anläßlich oder gelegentlich der Geschäftsführung erhalten. Deswegen sei der § 667 BGB nicht anwendbar und der Geschäftsherr könne die Herausgabe nur verlangen, wenn und soweit ihm Schadensersatzansprüche zustünden (vgl. die Nachweise in dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Juli 1961, NJW 1961, 2036 = AP, § 687 BGB Nr. 1 mit Anm. von Isele).

Der Senat schließt sich im Ergebnis und in der Begründung der erwähnten Rechtsprechung des Reichsgerichts an, der der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in dem zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung bestimmten Urteil vom 29. Oktober 1962 – II ZR 194/60 – bereits gefolgt ist. Es mag sein, daß der Wortlaut des § 667 BGB beide Auslegungen zuläßt. Nach dem mit der Vorschrift verfolgten Zweck und nach ihrer Entstehungsgeschichte sollen aber gerade solche, im inneren Zusammenhang mit der Geschäftsbesorgung stehenden Sondervorteile des Beauftragten, wie die „Schmiergelder”, ergriffen werden; das hat das Reichsgericht a.a.O. überzeugend dargelegt. Es besteht kein Anlaß, dem nicht Rechnung zu tragen.

Im übrigen gelangt man im vorliegenden Fall auf dem Wege über den § 687 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 681 und 667 BGB zu demselben Ergebnis.

II.

Das Reichsgericht hat in den Urteilen RGZ 146, 194 und JW 1937, 2516 angenommen, daß der Geschäftsherr keinen Anspruch aus dem § 667 BGB auf die seinem Angestellten genährten „Schmiergelder” habe, wenn deren Verfall gemäß den §§ 335 StGB oder 12 Abs. 3 UWG angeordnet werden könne. Andererseits hat es in der Entscheidung RGSt 67, 29, 31 f ausgesprochen, daß eine etwaige privatrechtliche Forderung des Geschäftsherrn durch den erwähnten staatlichen Strafausspruch nicht berührt werde.

Das Bundesarbeitsgericht hat in dem Urteil vom 14. Juli 1961 (aaO) eine Mittelmeinung vertreten. Es nimmt zwar an daß die Entstehung des Herausgabeanspruchs aus dem § 667 BGB durch den § 12 Abs. 3 UWG nicht berührt werde; dieser Anspruch sei aber, so führt es aus, mit dem Verfallsrecht zu Gunsten des Staates belastet und erlösche daher, wenn der Verfall angeordnet werde.

1) Der Senat schließt sich der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts an.

Wie das Reichsgericht in dem Urteil RGZ 99, 31 zutreffend dargelegt hat, beruht die Vorschrift des § 667 BGB u.a. auf dem Gedanken, daß dem Besorger fremder Geschäfte aus dieser Geschäftsführung keine Vorteile verbleiben sollen, die seine Unbefangenheit im Verhältnis zu seinem Auftraggeber beeinträchtigen könnten. Denselben Zweck verfolgen der § 12 Abs. 3 UWG und der wesensgleiche § 335 StGB (vgl. u.a. RGSt 57, 232; BGHSt 13, 328). Dem Straf- wie dem Zivilgesetz wird also genügt, wenn der Bestochene die ihm gewährten Vorteile herausgibt. Daraus folgt, daß er es nur einmal zu tun braucht.

Es fragt sich, wer nun zurückzustehen hat, der Staat, dem die Verfallserklärung zugute kommt, oder der Geschäftsherr. Das Reichsgericht hat entschieden, daß der Täter der Verfallserklärung „weder dadurch entgehen (kann), daß er das Empfangene an seinen Geschäftsherrn freiwillig herausgibt, noch dadurch, daß der Geschäftsherr das Empfangene für sich beansprucht und es vom Bestochenen mit den Zwangsmitteln des bürgerlichen Rechtsstreits eintreibt” (RGSt 67, 29). In den angeführten Urteilen RGZ 146, 194 und JW 1937, 2516 hat es dann den Vorrang des Staates eindeutig betont.

Dem ist zuzustimmen. Das Strafgesetz ordnet die Verfallserklärung zwingend und ausnahmslos an. Da sie aber nach dem Gesagten nur einmal vollzogen werden darf, müssen die §§ 12 Abs. 3 UWG und 335 StGB dahin ausgelegt werden, daß sie den § 667 BGB entsprechend beschränken. Dagegen besteht kein Anhalt für die Annahme, daß umgekehrt die unbedingte Geltung des § 335 StGB durch das später erlassene Bürgerliche Gesetzbuch eingeschränkt werden sollte. Dasselbe gilt dann aber auch für den § 12 Abs. 3 UWG, der dem § 335 StGB nachgebildet ist.

Das bedeutet, daß der bürgerlichrechtliche Herausgabeanspruch gemäß dem § 667 BGB von vornherein mit der Möglichkeit der strafrechtlichen Verfallserklärung belastet ist und deswegen entfällt, wenn sie ausgesprochen wird.

Dieses Ergebnis entspricht auch der Billigkeit. Einmal mutet die dem Täter keine größere Einbuße zu, als sie nach seinem Vorhalten angemessen ist. Andererseits sind die Opfer des Geschäftsherrn tragbar. Er behält nämlich seinen Schadensersatzanspruch, den er daraus herleiten kann, daß ihm die dem Beauftragten gewährten Vorteile ohne dessen ungetreues, Verhalten zugeflossen wären; hierbei steht ihm regelmäßig der Beweis des ersten Anscheins zur Seite (BGB NJW 1962, 1099). Diesem Anspruch gegenüber kann sich der Bestochene nicht darauf berufen, daß er doppelt zahlen soll. Denn der Geschäftsherr verlangt mit Hilfe jenes Rechtsbehelfs seinen eigenen Vermögensausfall, nicht jedoch den Vorteil, der dem Bestochenen zugeflossen ist. Es handelt sich also nicht nur um eine andere Rechtsgrundlage; vielmehr können sich auch in der Höhe Verschiedenheiten ergeben.

2) Aus dem Gesagten folgt, daß der Tatrichter, vorliegend noch prüfen muß, ob eine Verfallserklärung in Betracht kommt. Ist dies der Fall, so kann der auf den § 667 BGB gestützten Klage noch nicht entsprochen werden. Gegebenenfalls ist dann die Aussetzung gemäß dem § 148 ZPO zu erwägen.

Unabhängig hiervon ist zu untersuchen, ob die Klage begründet ist, soweit die Klägerin Schadensersatz verlangt.

Das Urteil ist daher aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung unter Berücksichtigung des Gesagten an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Glanzmann, Rietschel, Heimann-Trosien, Erbel, Meyer

 

Fundstellen

Haufe-Index 1237736

BGHZ, 1

Nachschlagewerk BGH

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