Entscheidungsstichwort (Thema)
schwerer sexueller Mißbrauch eines Kindes
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 2. März 2000 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Von Rechts wegen
Gründe
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen sowie wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen in weiteren sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die wirksam auf den Strafausspruch beschränkt wurde. Mit der Sachrüge wird die Strafzumessung als zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft angegriffen. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
II.
Anlaß zur Erörterung gibt nur der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
Der Tatrichter hat bei der Gesamtstrafenbildung ausgeführt:
„Unter nochmaliger zusammenfassender Würdigung aller Taten und der Täterpersönlichkeit hält die Kammer somit eine Erhöhung der Einsatzstrafe um die Hälfte der Summe der weiteren Einzelstrafen für angemessen. Dies ergäbe eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat (richtig: zwei Jahre und drei Monate). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in Fällen, in denen die Strafe nur geringfügig über der Bewährungsgrenze liegt, besonders zu prüfen, ob eine Bewährung in Betracht käme und, wenn dies der Fall ist, ob eine Absenkung der Gesamtstrafe bis auf zwei Jahre verantwortet werden kann”. Nach Erörterung der Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 des § 56 StGB kommt die Kammer zu dem Ergebnis: „Angesichts des Umstandes, daß die von der Kammer für angemessen erachtete Gesamtstrafe nur einen Monat (richtig: drei Monate) über der Grenze liegt, die noch eine Bewährung zuläßt, erscheint es verantwortbar, die Gesamtstrafe noch weiter abzusenken, um dem Angeklagten eine Bewährungsmöglichkeit einräumen zu können. Aus diesen Erwägungen heraus hat die Kammer letztlich auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt und diese zur Bewährung ausgesetzt.”
Diese Überlegungen sind rechtlich zu beanstanden.
Es ist unzulässig die Gesamtstrafe auf Grund einer Rechenformel zu bilden. Insbesondere ist es rechtsfehlerhaft die Gesamtstrafe durch Erhöhung der Einsatzstrafe um die Hälfte der Summe der übrigen Einzelstrafen zu berechnen (vgl. u.a. G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. 1995 Rdn. 501). Jeder Schematismus ist der Gesamtstrafenbildung fremd (vgl. Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 54 Rdn. 17 m.w.N.). Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB sind vielmehr bei der Gesamtstrafenbildung die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen. Bei der zusammenfassenden Würdigung kommt es nicht so sehr auf die Summe der Einzelstrafen, sondern auf die angemessene Erhöhung der Einsatzstrafe unter Berücksichtigung der Person des Täters und seiner Taten an. Hierbei kann die Erhöhung der Einsatzstrafe niedriger ausfallen, wenn zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht.
Das Landgericht ist bei seinen Überlegungen zur Gesamtstrafenbildung demgemäß rechtlich bedenklich von einer unzulässigen (im übrigen auch rechnerisch fehlerhaften) Rechenformel ausgegangen.
Der Senat schließt im vorliegenden Fall jedoch aus, daß die konkret verhängte Strafe auf den bedenklichen Ausgangsüberlegungen des Tatrichters beruht. Die letztlich verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren wurde gerade nicht berechnet, sondern ist das Ergebnis einer umfassenden sachgerechten Gesamtwürdigung von Täterpersönlichkeit und den einzelnen Straftaten (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB). Hierbei durfte gemäß § 46 Abs. 1 StGB den Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, Gewicht zukommen.
Der Tatrichter wollte hier auch keineswegs eine unterhalb der Schuldangemessenheit liegende Strafe verhängen. Die Urteilsgründe in ihrer Gesamtheit machen vielmehr deutlich, daß die vom Tatrichter vorläufig für angemessen erachtete Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat nur ein gedanklicher Zwischenschritt zur Findung der letztlich konkret für tat- und schuldangemessen erachteten Strafe war. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe liegt innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums. Sowohl die Einzelstrafen als auch die Gesamtstrafe haben sich (noch) nicht nach unten von ihrer Bestimmung gelöst, gerechter Schuldausgleich zu sein.
Durchgreifende Rechtsfehler des angefochtenen Urteils zum Nachteil des Angeklagten – was gemäß § 301 StPO zu berücksichtigen ist – hat die Überprüfung durch den Senat nicht ergeben.
Unterschriften
Bode, Detter, Rothfuß, Fischer, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 547459 |
NStZ 2001, 365 |
StV 2001, 346 |